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»Versucht noch etwas zu schlafen, wir müssen morgen zur Garda und da brauchen wir unsere Kraft«, wandte sich Erin an Vater und Schwester.
Erin und Donna waren sich nur äußerlich ähnlich. Sie waren vom Wesen her grundverschieden. Erin bodenständig, Donna mehr der künstlerische Typ. Ian McCarty, Hauptkommissar bei der Garda County Cork, erkannte das auf den ersten Blick. Der alte Herr an ihrer Seite wirkte zwar gebrechlich, aber sein rotes Gesicht ließ viel Willenskraft erkennen. McCarty wies mit der geöffneten Hand auf die Besucherstühle in seinem Büro und bat die drei, Platz zu nehmen.
»Mr. John Walter ist stranguliert worden, während er wahrscheinlich gerade den Gitterrost reinigte. Unter seinen Fingernägeln befanden sich Seifenlauge und Partikel eines Putzschwämmchens, das mit Eisenspänen versetzt war. Er trug keine Handschuhe.«
Ian beobachtete fasziniert das Mienenspiel der Anwesenden. Es reichte von Bestürzung über Trauer zu Unbeweglichkeit.
»Können Sie mir etwas dazu sagen? Haben Sie etwas gehört?«
Alle drei schüttelten den Kopf.
»Nun gut, dann darf ich Sie bitten, meiner Kollegin zu folgen, um den Toten endgültig zu identifizieren. Kein schöner Anblick; er ist mit dem Kopf auf den heißen Gitterrost gedrückt worden. Bitte halten Sie sich zu meiner Verfügung, falls ich noch Fragen habe.«
»Du lässt sie einfach gehen?« Ians Partner und Kollege schüttelte den Kopf. Er hatte vom Nebenzimmer aus alles gehört und konnte die Familie Sullivan ausgiebig beobachten.
»Ich will sie ein bisschen schmoren lassen, vielleicht auch in Sicherheit wiegen. Ich bin mir ziemlich sicher, dass der Samhain nichts damit zu tun hat. Ich glaube auch nicht, dass John das Zufallsopfer einer verkleideten Hexe war. Einer von den drei Sullivans wars, da bin ich mir sicher. Es ist niemand von außen reingekommen und hat diesen Oberkellner umgebracht.«
»Er hatte doch viele Frauengeschichten. Vielleicht hat er nicht einmal vor verheirateten Frauen haltgemacht?«, warf der Assistent ein.
»Das schaut mir eher nach einer Affekttat aus«, ließ sich Ian nicht aus dem Konzept bringen. »Der Zeitpunkt war wohl günstig. Also auf, Recherchearbeit, Nachbarn befragen, schnüffeln eben.«
Zwei Tage später hatte Ian McCarty einen Packen Papier auf dem Schreibtisch liegen. Mit seinem Kollegen ging er die einzelnen Punkte noch einmal durch. »Ich hatte wieder einmal recht – ruf die drei Sullivans an, sie sollen heute Nachmittag in die Garda kommen.«
Sichtlich nervös und angeschlagen saßen die beiden Damen Erin und Donna vor ihm. Mister Sullivan war blass, seine Augen flackerten.
*
Ian hielt kurz inne. Seine drei Kollegen hatten ihn kein einziges Mal während seiner Erzählung unterbrochen.
»Die Befragungen haben ein interessantes Bild ergeben. In vielen Familien gibt es Leichen im Keller; nie wird darüber gesprochen. Und dann kommt es zur Katastrophe. Es ist nicht immer das, wonach es aussieht. Ihr werdet überrascht sein, wer letztendlich John Walter umgebracht hat und warum.«
*
»Ich fange mit Ihnen an, Erin. Eigentlich wollten Sie etwas anderes machen, aber die Tradition hat Sie verpflichtet, das Geschäft zu übernehmen. Sie haben sich all die Jahre nie getraut, Ihrem Vater zu sagen, dass Sie Vegetarierin sind und die Sausages nicht einmal riechen können. Es ekelt Sie richtig davor. Nur mit Mühe konnten Sie John davon abhalten, dass er Sie an Ihren Vater verpetzt.«
Erin schlug betreten die Augen nieder. Ganz fest presste sie die Lippen aufeinander. Man sah deutlich, wie sie ihre Schultern straffte und selbstbewusst sagte: »Und daraus leiten Sie ein Mordmotiv ab? Lächerlich!«
»Sie waren ganz froh, dass Ihr Vater diesen John, trotz seiner dunklen Vergangenheit, damals als Lehrling einstellte. So mussten Sie wenigstens keine Metzgerlehre machen. Allein der Gedanke, Tiere schlachten zu müssen, das viele Blut, all das verursachte Ihnen Ekelgefühle.« Kommissar Ian McCarty sah Erin fest an. Dann wandte sich sein Blick zu Aaron Sullivan. »John war anfänglich dankbar und sehr gefügig. Irgendwann einmal muss diese Dankbarkeit in Hass umgeschlagen sein. Was war der Auslöser? Haben Sie ihn schikaniert, Mr. Sullivan? War das der Zeitpunkt, als Sie ihn wissen ließen, dass er nur ein Angestellter für Sie war und dass er nichts, aber auch gar nichts zu erwarten hatte?«
Aaron Sullivan schnappte hörbar nach Luft. Auch seine Töchter sahen ihn entgeistert an.
»Aber Daddy«, meinte Donna, »du wolltest ihm doch die Metzgerei überschreiben, nachdem Erin und ich sie nicht haben wollten.«
Der alte Herr sagte noch immer kein Wort. Er machte nur »pfff«.
»Und Sie, Donna«, fuhr Ian unbeeindruckt fort, »Sie hatten alle Freiheiten, die Sie nur wollten. Sie durften sich Ihrer brotlosen Malkunst widmen. Nur, der Herr Papa hat Ihnen den Geldhahn zugedreht, als sich herausstellte, dass Ihre Bilder unverkäuflich waren. Sie sollten endlich mal einen Abschluss machen – den haben Sie nämlich immer vor sich hergeschoben – und nicht nur sein sauer verdientes Geld ausgeben.«
Donna sog die Luft durch die Nase, atmete prustend aus, sah ihre Schwester schuldbewusst an.
»Sie hätten also alle drei ein Motiv. Ich habe überlegt: Erin, Sie haben sich ein bisschen was auf die Seite gelegt. Hätte John gepetzt, wäre das für Sie kein Weltuntergang gewesen. Außerdem waren Sie sich sicher, dass Sie Ihrem Vater zu wertvoll waren, als dass er die Metzgerei und den Pub dann aufgegeben hätte.« Ian wandte sich an Donna. »Sie konnten Ihren Vater schon immer um den Finger wickeln. Und Sie wussten, wenn Sie dem alten Herrn ein bisschen schmeichelten, dann hätte er schon wieder ein Scheinchen locker gemacht. Ja, somit bleiben nur noch Sie übrig, Mister Sullivan.«
Erschrocken sahen die beiden Damen ihren Vater an.
»Erpressen wollte er mich, der Saukerl«, schrie Aaron Sullivan unbeherrscht los. »Erpressen, mein Sausagerezept wollte er an die Konkurrenz verkaufen. Seit Jahrzehnten ist es im Familienbesitz, und dieser hergelaufene Kerl, dem ich eine Ausbildung und Arbeit gegeben habe, der wollte mich erpressen. Außerdem hat er meine Töchter gegeneinander ausgespielt. Und hinter ihren Rücken hat er es mit jedem Rock getrieben. Die Gelegenheit war günstig, als er da so am Herd stand. Ein Liedchen hat er sogar gepfiffen. Ich konnte nicht anders handeln, Herr Kommissar.«
Sullivan wurde abgeführt. Seine Töchter verließen zutiefst betroffen das Büro.
*
»Ich kann mich noch gut erinnern, dass ich tief seufzte und den Aufkleber ›erledigt‹ auf die Akte Wurstmord gestempelt habe«, sagte Ian.
Es war eine Weile still am Tisch. Dann ergriff Daniel das Wort. »Nach außen hin ist oft eitel Sonnenschein.«
Und Mick ergänzte: »Und drinnen herrschen Abgründe.«
»Prost«, sagte Kevin und erhob sein Glas. »Wisst ihr eigentlich, warum man Kürbisse aushöhlte, damit sie wie Fratzen aussehen?«
Die anderen lachten, schüttelten verneinend den Kopf.
»Dann habe ich eine schöne Legende für euch«, ergriff Daniel erneut das Wort. »Hört zu! Sie geht auf Jack O’Lantern zurück. Jack der Hufschmied war ein schlimmer Trinker, jeden Abend saß er in der Dorfkneipe. Auf einmal stand der Teufel neben ihm, das soll am 31. Oktober gewesen sein. ›Es ist Zeit‹, sagte der Teufel, dass ich dich in die Hölle hole.
Jack war sehr gewitzt, überlegte fieberhaft, wie er dem Teufel ein Schnippchen schlagen könnte. So bat er ihn um ein letztes Glas Bier. Als Gegenleistung würde der Teufel dann seine Seele bekommen.
Der Teufel ließ sich auf den Handel ein. Der Wirt wollte sich das Bier natürlich bezahlen lassen, aber der Teufel hatte kein Geld. So verwandelte er sich in höchster Eile in ein Geldstück.
Jack trug immer ein Silberkreuz in seiner Tasche und steckte blitzschnell die Münze dazu. Somit war der Teufel gefangen und konnte nicht mehr entfliehen.
Jack war nicht dumm, er wollte, dass ihn der Beelzebub zehn Jahre in Ruhe ließ. Außerdem sollte ihn der Teufel zum reichsten Hufschmied weit und breit machen.
Der Teufel kam am Abend des 31. Oktober genau nach zehn Jahren wieder und forderte die Seele ein. Jack hatte schon die ganze Zeit überlegt, wie er dem Höllenfürsten erneut ein Schnippchen schlagen könnte. So bat er ihn um einen letzten Apfel, den ihm der Teufel vom Baum pflücken solle. Er wäre nicht mehr so beweglich und er, der Teufel, wäre doch behände. Dieser hegte keinen Argwohn, kletterte auf den Baum. Schnell ritzte Jack ein Kreuz in die Rinde. So war der Widersacher abermals gefangen. Diesmal handelte John aus, dass er ihn und seine Seele bis in alle Ewigkeit in Ruhe lassen würde.«
»Das ist eine schöne Geschichte«, sagte Mick. »Aber was hat das jetzt mit den Fratzen im Kürbis zu tun? Was ist die Moral von der Geschichte?«
»Die gibt es natürlich. Darum erzähle ich euch noch den Schluss. Jack war kein guter Mensch. Er log und betrog seine Freunde, seine Familie und auch seine Kunden. Als seine Zeit gekommen war, klopfte er an die Himmelstür. Dort aber wurde er abgewiesen. So blieb ihm nichts anderes übrig, als doch zum Teufel zu gehen. Der war ihm aber immer noch böse, weil er ihn so reingelegt hatte, und verweigerte ihm den Eintritt. Es war kalt und finster. Und man sollte es nicht glauben, der Teufel hatte ein klein wenig Mitleid mit Jack. Damit er nicht so frieren musste, warf er ihm ein Stück Kohle zu. Das konnte er aber nicht in der bloßen Hand tragen. Er hatte als Proviant eine Rübe dabei. Der Teufel höhlte sie ihm aus, schnitt eine Fratze und legte die Kohle hinein. Irische Einwanderer haben den Brauch mit nach Amerika genommen. Aus Samhain-Tradition wurde Halloween und aus einer Rübe ein Kürbis, der nunmehr als Symbolfigur gilt. Das Licht, das in den ausgehöhlten Kürbis gestellt wird, soll an Allerseelen leuchten.«
»Ah, ich verstehe«, sagte Mick, der aufmerksam zugehört hatte. »Die Moral von der Geschichte ist, dass die ruhelosen Seelen, die weder in den Himmel noch in die Hölle dürfen, herumirren und somit ihre Sünden abbüßen.«
»Yes«, sagten die drei im Chor. »Have a spooky Halloween!«
Samhain (Der Totengott)
Wir kennen dieses Fest als Halloween. Kinder verkleiden sich, um die bösen Geister zu vertreiben, läuten an Türen und rufen: »Süßes oder Saures?« Das Fest hat für die Iren eine große Bedeutung. Es wird auch als keltisches Silvester bezeichnet. Es beginnt am 31. Oktober.
Die Erde ruht sich aus, um im Frühling neues Leben hervorzubringen. Die Christen gedenken an diesen Tagen ihrer Toten. Für die Kelten war diese Nacht der Wechsel der Jahreszeiten, die Welt der Lebenden und Toten lag eng beieinander. Zum Schutz vor bösen Geistern verkleideten sie sich furchteinflößend. Im Laufe der Zeit nahm das Fest christlichen Charakter an. Es kamen Ostern und der Valentinstag hinzu.
Aus Samhain wurde Halloween, abgeleitet von All-Hallows-Eve. Papst Gregor IV. verschob 837 das Fest auf den 1. November, das besonders in katholischen Gebieten, Irland ist überwiegend katholisch, gefeiert wurde. Heute befürchtet die Kirche, dass das Fest immer mehr verweltlicht wird und der eigentliche Charakter, Ehrung der Toten, verloren geht.
Es gibt weitere Bräuche:
Wenn zwei Nüsse nach dem Rösten aneinanderkleben, bleibt das Paar für immer zusammen.
Gießt man Eiweiß in heißes Wasser, erfährt man, wie viele Kinder man bekommt.
Wenn man vom Friedhof kommt, soll man Mehl und Korn verstreuen. Das erleichtert den Verstorbenen, den Weg nach Hause zu finden.
Viele Mythen ranken sich um die vier großen keltischirischen Feste:
Samhain, Vorabend des 1. November
Imbolc, 1. Februar
Beltane, 1. Mai
Lughnasadh, 1. August
Um Kontakt mit den Ahnen aufzunehmen, köchelte man einen Sud aus Fliegenpilzen. Man wollte Zugang zu den Wesen der anderen Welt erhalten.
Allerheiligen
Samhain ist ein heidnisches Fest, Allerheiligen ein christliches, das im 8. Jahrhundert in Italien eingeführt wurde. Samhain war noch unbekannt. Viele Menschen feiern dieses Fest immer noch. »Hexen« folgen alten Bräuchen der Kelten.
Mallow (irisch Mala)
Südwestlich im County Cork gelegen. Die Stadt liegt am Blackwater River und ist Verwaltungssitz des Nordens. In der Stadt kam es immer wieder zu Streitigkeiten, da die Eisenbahnverbindungen von der IRA unterbrochen wurden. Sie wollten Truppentransporte nach Mallow verhindern, da es in dem Ort eine britische Kaserne gab.
Etwas außerhalb von Mallow kann man auf einem Hügel sechs Steinreihen (Beenalaght) besichtigen. Ein Besuch lohnt sich auch bei dem Mallow Castle. Das Schloss ist noch gut erhalten. 1689 brannte es – aus den alten Steinen wurde es wieder neu errichtet. Die imposanten Türme des »Short Castle« enthalten die Grundmauern einer Festung.
In Mallow findet man ein ehemaliges Badehaus, ein Uhrenhaus und einen Brunnen mit Hundeköpfen. Zwei Kirchen laden zum Verweilen ein: St. James und St. Mary. An der Hauptstraße stehen schöne Häuser mit imposanten Erkerfenstern.

Mallow, Uhrenhaus

Zutaten:
500 g Rinderhackfleisch
2 große, rote Zwiebeln
1 kleines Glas trockenen Rotwein
4 Scheiben geräucherter Gouda oder irischer Cheddar
1 große Fleischtomate
4 Brötchen
1 Becher Sour Cream
1 EL Senf
1 TL Honig
2 Gewürzgurken
2 TL Apfelessig
Dill
1 Packung Frühstücksspeck
Butter
BBQ-Sauce
2 TL Limettensaft
Salz, Pfeffer, Zucker
Zubereitung:
Das Hackfleisch zu vier gleichen Patties (Laibchen) formen. Die Patties sollten circa 1/3 größer sein als die Brötchen, da sie sich beim Braten zusammenziehen. Zudecken und beiseitestellen. Ofen auf circa 80 Grad Umluft vorheizen.
Für das Relish die Gurken und den Dill fein hacken und mit Senf, Honig, Limettensaft, Essig sowie jeweils einer Prise Salz, Pfeffer und Zucker gut mit der Sour Cream verrühren.
Tipp: Auch etwas Gurkenwasser dazugeben. Kalt stellen.
Die roten Zwiebeln und die Tomate in nicht zu breite Scheiben schneiden.
Einen Teelöffel Butter in eine kleine, beschichtete Pfanne geben und darin die Zwiebeln glasig anbraten. Mit einer Prise braunem Zucker bestreuen, kurz karamellisieren lassen und dann mit Rotwein ablöschen. Bei kleiner Hitze einköcheln lassen, bis die Zwiebeln eine satte Farbe angenommen haben und der Rotwein verkocht ist. Warm stellen.
In einer großen, beschichteten Grillpfanne einen halben Esslöffel Butter heiß werden lassen und darin die Patties von beiden Seiten gute 2 Minuten braten, damit sie Farbe annehmen. Dann aus der Pfanne nehmen und jeweils mit buntem Pfeffer und etwas Salz würzen. Anschließend auf jedes Patty eine Scheibe Käse legen, in den Ofen stellen, bis der Käse zerlaufen ist.
Pro Burger 2 Scheiben Bacon im heißen Bratfett braten, herausnehmen und auf Küchenkrepp gut abtropfen lassen. Brötchen toasten.
Die Patties aus dem Ofen nehmen. Brötchen wie folgt belegen (von unten nach oben): ein Esslöffel Relish, Fleisch mit Käse, Bacon, ein Esslöffel BBQ-Sauce, karamellisierte Rotweinzwiebeln, zwei dünne Scheiben Tomate. Am Ende evtl. noch eine Winzigkeit Relish. Anschließend zuklappen.
Stout, schwarzes, obergäriges Bier, Alkoholgehalt drei bis zehn Prozent, Schaumkrone.
Das bekannteste Stout ist das Guinness aus Dublin. Guinness wird aufs Festland exportiert, hat einen höheren Alkoholgehalt. Es schmeckt auch ein wenig anders und ist etwas teurer. Das Extra-Stout hat einen kräftigeren, bitteren Geschmack. Allgemein kann man sagen: Je geringer der Alkoholgehalt, desto intensiver ist der Geschmack.
»O« in irischen Namen
Viele Iren haben während der großen Hungersnot im 19. Jahrhundert das ›O‹ in ihrem Namen an die Engländer verkauft. Aus O’Sullivan wurde Sullivan, aus O’Mally nur noch Mally. Die Iren, die dies taten, nannte man »Soup souls«.
Tullamore Dew
Im Ort Tullamore wurde 1829 das erste Mal ein Whiskey gebrannt. Die Brennerei wurde von Michael Molloy gegründet. Der Besitz ging im Jahre 1857 an den Neffen Bernard Daly über. 14 Jahre war er alt, als der spätere Hauptgeschäftsführer Daniel Edmond Williams seine Ausbildung zum Whiskey-Brennmeister absolvierte. Er fügte seine Initialen D.E.W. hinzu. Der erste Werbeslogan war »Give every man his Dew«. Durch gezielte Marketing-Maßnahmen schaffte es Desmond Williams, ein Enkel, den Whiskey auf dem Weltmarkt zu etablieren. Nach Jameson ist Tullamore Dew die zweitgrößte irische Whiskey-Marke. Anfänglich sah man das Bild eines »Red jug, Roter Krug« als Logo auf den Whiskeyflaschen. Seit 1950 sind es zwei Wolfshunde. Sie sollen »Treue und Mut« verkörpern, die besten Eigenschaften der Iren. 2005 gewann der Whiskey eine Trophäe, die International Spirit Challenge. William Grant & Sons sind die Eigentümer von der Marke Glenfiddich, einem schottischen Single Malt Whiskey. Seit 2010 gehört dieser Firma die Marke Tullamore.
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Mögest du Ruhe finden, wenn der Tag sich neigt, und deine Gedanken noch mal die Orte aufsuchen, an denen du (heute) Gutes erfahren hast. Auf dass die Erinnerung dich wärmt und gute Träume deinen Schlaf begleiten.
(Irischer Segensspruch)
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Kevin, Ian, Daniel und Mick waren die ersten Gäste im Franciscan Well. Es war früher Abend.
»Heute gibt’s Coddle«, flötete Molly, die Kellnerin übertrieben.
»Noch nie gehört«, meinte Mick.
»Das ist ähnlich wie Kartoffelsuppe mit Würstchen und Speck. Ist zwar ein nordirisches Gericht, aber es schmeckt trotzdem.«
»Na, dann nehme ich das doch mal. Bei der Kälte tut eine warme Suppe gut.« Die anderen nickten ebenfalls.
Sie plauderten über dies und das, schimpften ein bisschen über die Politik und dass alles teurer geworden war. Ians Mund verzog sich.
»Was erheitert dich so?«, meinte Mick.
»Mir ist gerade ein blöder Witz eingefallen. Typisch irisch.«
»Dann will ich ihn hören.« Mick stützte die Hände auf den Tisch und sah Ian neugierig an.
»Also gut, hört zu: Zwei Männer sitzen nebeneinander in einer Bar. Nach einer Weile schaut einer den anderen an und sagt: ›Ich kann mir nicht helfen, aber ich habe den Eindruck, du kommst aus Irland.‹ Der andere Kerl antwortet stolz: ›Ja, da komme ich her!‹ Der Erste wieder: ›Ich ebenso! Und von wo in Irland kommst du?‹ Der andere Kerl gibt zurück: ›Ich komme aus Cork.‹ Der Erste wieder: ›Ja verdammt, ich auch! In welcher Straße hast du gelebt?‹ Der andere Kerl antwortet: ›In einer ganz tollen Gegend. Ich lebte in der MacCurtain Street.‹ Der Erste sagt: ›Ja, glaubt man es denn, was für eine kleine Welt, ich auch! Welche Schule hast du besucht?‹ Der andere wieder: ›Ich war natürlich auf der St. Mary’s School.‹ Der Erste ganz aufgeregt: ›Ich auch! Sag mir, in welchem Jahr hast du deinen Abschluss gemacht?‹ Der andere Kerl antwortet: ›Das war im Jahr 1964.‹ Der Erste ruft freudig: ›Der liebe Gott muss auf uns herunterlächeln! Ich kann unser Glück kaum glauben, dass wir heute Nacht in derselben Bar aufgetaucht sind. Glaub es oder nicht, ich habe auch 1964 die St. Mary’s School abgeschlossen.‹ Zur selben Zeit geht die Tür auf, ein anderer Typ kommt herein, setzt sich und bestellt ein Bier. Der Wirt kommt kopfschüttelnd herüber und murmelt: ›Das scheint eine lange Nacht zu werden. Die Murphy-Drillinge sind mal wieder betrunken.‹«
Die drei lachten schallend. Selbst Ian, der den Witz zum Besten gegeben hatte, musste mitlachen. Er sah Molly vorbeihuschen, hob vier Finger, sie nickte und wenige Minuten später standen vier Tullamore auf dem Tisch. Das Zeichen, um mit der Geschichte des Abends zu beginnen.
Mick ergriff das Wort und merkte an: »Ich weiß schon, warum ich nicht tanze. Eine unnatürliche Art der Fortbewegung.«

»Und nun kommen wir zum Höhepunkt des heutigen Abends! Damenwahl!« Der Conférencier des bekannten Tanzcafés in Glengarriff, »The lonely corn« – »Zum einsamen Hühnerauge«, säuselte ins Mikrofon und gab der Band das Zeichen für eine sehr langsame Rumba. Gleichzeitig wurde das Licht abgedimmt, sodass eine schummrige Atmosphäre entstand.
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Mick nippte an seinem Glas. »Ihr müsst wissen, dass die Tanzfreudigen von weit her nach Glengarriff kommen. Es ist ja nur einige Kilometer von Bantry entfernt. Durch den Ort schlängelt sich eine lang gezogene Straße. Links und rechts sind Pubs, auch ein paar nette Geschäfte laden zum Stehenbleiben ein.« Die vier Kommissare prosteten sich zu.
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Sehnsüchtig hatte die Damenwelt schon darauf gewartet. Vor allen Dingen die holde Weiblichkeit, die den ganzen Abend über noch nicht zum Tanz aufgefordert worden war, stand in den Startlöchern.
Auch Brigid fieberte diesem Highlight des Abends entgegen. Sie tanzte sehr gerne. Sparsam war sie gewesen, um sich einen Tanzkurs leisten zu können. Dort gab es männliche Hospitanten, die alleinstehende Damen über das Parkett bewegten. Schnell hatte sie sich noch die Nase gepudert und die Lippen mit ihrem rosa Lipgloss nachgezogen. Das Objekt ihrer Begierde saß versteckt hinter einer Säule. Dieser Mann war ihr schon öfter aufgefallen. Er verschwand immer kurz vor der Damenwahl. Aber jetzt, jetzt würde sie ihn auffordern. Eine Abweisung kam nicht infrage. Es galt als ungeschriebenes Gesetz, dass bei einer Damenwahl keine Körbe verteilt werden durften. Ehe das Opfer der Begierde verschwinden konnte, stand Brigid schon vor ihm.
»Darf ich bitten«, sagte sie und versuchte charmant zu lächeln. Dabei zeigte sie rosa schimmernde Zähne. Brigid war die Gabe des Charmantseins nicht besonders gegeben. Dafür sorgten schon ihr harsches Auftreten und ihre herrischen und männlichen Gesichtszüge. Sie hatte den leichten Ansatz eines Bärtchens, kräftige Oberarme, eine stämmige Figur und schwarze Haare an den Unterschenkeln. Auch ihre Stimme klang nicht süß und glockenhell, sondern eher nach einem Reibeisen.
Der Herr stand artig auf, verbeugte sich kurz und führte Brigid auf die Tanzfläche. Er hatte etwas Probleme, seine Hand um ihre wuchtige Taille zu legen, deshalb ruhte diese auf der Hüfte. Galant schwenkte er sie über das Parkett, wich geschickt ihren großen Füßen aus.
»Ich heiße Brigid«, hauchte sie, entzückt, so einen tollen Tänzer gefunden zu haben. Groß und schlank war er, gut gebaut und gelenkig. Er bewegte sich auf dem Parkett so sicher wie Tarzan auf einer Liane schwingend im Urwald.
»Joey Kilbrides«, antwortete er. »Auf dem Tanzboden werde ich zur Rampensau. Tanzen ist etwas Herrliches und Gnädigste bewegen sich wie eine Zuckermaus in einem Süßwarenladen«, säuselte Joey galant.
Brigid war ganz rot im Gesicht. So viele Schmeicheleien auf einmal! Das hatte sie schon lange nicht mehr gehört. Zuckermaus hatte er zu ihr gesagt! Die Tanzband spielte einen Cha-Cha-Cha. Trotz ihrer Leibesfülle bewegte sie sich Hüfte schwingend zum Takt. Sie war erstaunt, als Joey in ihr Ohr flüsterte: »Möchten Sie noch ein Glas Wein trinken? Aber nicht hier, sondern bei Oaks, Sie wissen schon, die Kneipe an der Ecke.«
Sie konnte nur freudig nicken. Wie hypnotisiert trabte sie hinter Mr. Kilbrides her, der sie am Arm einhakte und die Straße entlanggeleitete.






