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Brigids Gesundheitslatschen mit kleinem Absatz saßen etwas zu eng. Mit der Spitze des linken Schuhs versuchte sie, das Fersen-Riemchen des rechten abzustreifen, um ganz aus dem Schuh zu schlüpfen. Sie wollte ihre angeschwollenen Zehen befreien. Der Tritt war wohl etwas zu heftig, denn das Riemchen riss und der Schuh flog in hohem Bogen an eine Plakatwand. Joey brach in schepperndes Gelächter aus.
»Sie sind süß, Brigid! Manch Fußballer würde Sie um diesen Kick beneiden.« Er hielt sich den Bauch vor Lachen. »Nun wollen wir aber noch ein lecker Weinchen trinken, kommen Sie.«
Neugierig sah sich Brigid in dem Lokal um. Es sah leicht plüschig aus und in den Separees saßen Pärchen. Mr. Kilbrides verstand es, amüsant zu plaudern. Brigid wurde mit jeder Minute, die sie mit ihm verbrachte, schmachtender. Ihr Herz stand in Flammen, und wie sie glaubte, beruhte dies wohl auf Gegenseitigkeit. Das bildete sie sich doch nicht ein: die zufälligen Berührungen, der tiefe Blick in ihre Augen, das Nachgießen, wenn ihr Glas fast leer war. Sie schwebte auf Wolke sieben. Die Stunden wurden zu Minuten und sie versank sichtlich in den blauen Augen ihres Galans.
Es war gegen zwei Uhr morgens. Mr. Kilbrides gähnte herzhaft und winkte der Serviererin. Er orderte zwei Irish Rose. Mit leicht säuerlichem Gesicht stellte die Kellnerin die beiden Cocktails hin.
»Hm, fein, ein guter Irish Rose besteht aus 4 cl irischem Whiskey, 1 cl Grenadine und 2 cl Zitronensaft, und natürlich Eiswürfeln«, meinte Joey freudig.
Sie prosteten sich zu. Brigid wollte gerade ihren ganzen Mut zusammennehmen und ihm die Frage »Zu dir oder zu mir?« stellen, als er ihre Hoffnungen abrupt beendete: »Es war ein netter Abend, Zuckerschnecke. Ich muss nun nach Hause. Der Babysitter ist bis halb drei Uhr gebucht. Meine Frau wird auch bald zu Hause sein. Für meine Dienste erlaube ich mir 200 Euro zu berechnen, die auf die Gesamtrechnung, Wein, Cracker, Cocktail und so weiter, gesetzt werden.«
Brigids Augen wurden groß. Mit einem einzigen Schluck kippte sie den Cocktail hinunter. Joey lächelte sie freundlich an, schlürfte in kleinen Schlucken.
Er stand auf und verbeugte sich formvollendet, ergriff Brigids Hände, drückte einen schnellen Kuss darauf. Sie schaute immer noch entgeistert auf ihren abendlichen Begleiter, stupste ihn, sodass er zurück auf die Plüschcouch fiel. Ihr Mund war immer noch weit geöffnet, als sie fluchtartig das Lokal verließ. Sie stolperte mehr, als sie ging. Um abzukürzen, nahm sie den Weg durch den Hafen. Sie sah weder die Geschäfte noch Restaurants, noch kümmerte sie sich um Liebespaare, die in den Ecken knutschten.
Endlich war sie zu Hause.
»So ein unverschämter Kerl! Wie konnte ich auf dieses Gesäusel hören.«
Sie fiel in unruhigen Schlaf, träumte wild.
Es dauerte eine Weile, bis sie das unangenehme Geräusch identifizieren konnte, das da in ihre unruhigen Träume vordrang. Sie war mit Kleidung und Make-up eingeschlafen. Jemand läutete penetrant an der Haustür.
Dem uniformierten Polizisten, der da an der Tür stand, zeigte sich das Gesicht einer faltigen Mittvierzigerin, deren Schminke deutliche Spuren auf ihrem Gesicht hinterlassen hatte. Die Augen waren verquollen, das Kleid saß schief auf den Hüften, eine große Laufmasche zierte einen Strumpf.
»Miss Brigid Walker? Ich verhafte Sie wegen versuchten Mordes an Mr. Joey Kilbrides.«
Brigid ließ sich einfach auf den Boden plumpsen, so überrumpelt war sie. Welche Ungeheuerlichkeit!
»Auf Toilette darf ich aber schon noch gehen, hä?«
»Meine Kollegin wird Sie begleiten.«
Erst jetzt sah Brigid, dass hinter dem Beamten eine weibliche Person stand. Brigid wusch sich Gesicht und Hände, schlüpfte in einen Trainingsanzug und ließ sich dann widerspruchslos mitnehmen. Auf der Garda wurde ihr mitgeteilt, dass Joey Kilbrides, kurz nach ihrem Aufbruch aus dem Pub, tot zusammengesackt war. Die Obduktion hätte eine Vergiftung ergeben. Ob sie etwas dagegen hätte, wenn man ihr Blut abnähme?
*
»Wir haben ihr Blut abgenommen. Sie hatte immer noch 1,2 Promille«, sagte Mick.
»Und habt ihr sonst noch etwas gefunden?« Ian war sehr interessiert.
»Sie hatte ebenfalls Gift im Körper.«
Daniel und Mick sahen sich an, blickten dann fragend zu ihren Kollegen.
»Wie kann so etwas sein? Beide sollten wohl vergiftet werden, aber nur einer stirbt. Da sind wir jetzt gespannt, wie es weitergeht.«
»Die Serviererin im Oaks hatte die Ambulance gerufen, nachdem sie vergeblich versucht hatte, Joey aufzuwecken. Er war auf der Plüschcouch einfach zusammengesunken. Der Notarzt stellte den Tod fest und rief die Garda. Leider hatte die Serviererin Ruth Gordon die Gläser schon abgeräumt und auch abgespült.«
»So ein Pech aber auch«, warf Kevin ein.
»Die wollte wahrscheinlich nach Hause. War ja schon spät«, meinte Ian.
»Unserem Rechtsmediziner, Dr. Kelly, ist aber trotzdem etwas aufgefallen. Auf der Tischplatte waren ein paar Spritzer. Die hat er aufgefangen und untersucht.«
Ian und Kevin sahen Mick und Daniel neugierig an.
*
Zwei Damen saßen im Verhörraum der Garda in der Kyrills Street. Eine Polizeibeamtin stand gelangweilt in der Ecke. Die Damen würdigten sich keines Blickes. Jede starrte stumpf vor sich hin. Brigid hatte sich in eine bunte Leggings gezwängt und ein schwarzes weitschwingendes Oberteil darübergezogen. Diesmal hatte sie auf Make-up verzichtet. Ihre Finger kneteten nervös ein Taschentuch. Da wollte sie nur einen schönen Abend verbringen, war den Schmeicheleien eines Gigolos aufgesessen und dann verdächtigte man sie auch noch, ihn umgebracht zu haben. Die Beamten hatten keinerlei Gift in ihrer Wohnung gefunden. Das beruhigte sie.
Die andere Dame war zierlich, ihre blonden Haare hatte sie zu einem Knoten gebunden. Das Gesicht war blass. Sie fingerte ebenfalls hibbelig in ihrer Tasche umher. Gar zu gerne hätte sie geraucht. Das Schild an der Wand war eindeutig. Ein Strich durch die Zigarette zeigte an, dass nicht geraucht werden durfte.
»Miss Walker«, sagte Mick, »Mr. Kilbrides hat Ihnen zu verstehen gegeben, dass der Abend auf Ihre Rechnung ging. Die Avancen kosteten Geld. Wussten Sie, dass er ein Callboy war?«
»Nein, woher denn?«
»Und Sie, Miss Gordon?«
Ruth Gordon druckste verlegen herum. »Ich wusste es. Joey hat seine Eroberungen zum Abschluss des Abends immer ins Oaks gebracht.«
»Sie!«, fuhr Brigid auf. Sie stand abrupt auf, sodass der Stuhl nach hinten umkippte. Die Polizeibeamtin, die einen Schritt auf Brigid zugemacht hatte, konnte gerade noch verhindern, dass deren Faust in Ruths Gesicht landete.
»Hinsetzen«, sagte Mick barsch.
»Dann haben Sie also fast täglich mitbekommen, was Joey so trieb. Haben die Damen anstandslos bezahlt?«
»Immer«, bestätigte Ruth, »die Blöße wollten sie sich wohl nicht geben.«
»Sie waren verliebt in Joey, nicht wahr, Ruth?«, brachte sich Daniel ins Gespräch. Er hatte die ganze Zeit über, mit einem Fuß an der Wand abgestützt, in einer Ecke gestanden und hatte die Szenerie neugierig beobachtet.
Ruth senkte den Kopf, sagte nichts.
»Sie haben ihn umgebracht. Und dabei haben Sie in Kauf genommen, dass auch Miss Walker sterben könnte.«
Ruth begann zu weinen, erst leise, dann bekam sie Schluckauf. »Dieser Schuft, wie oft hat er mir gesagt, dass er mich, nur mich liebt. Die Frauen würden ihm nichts bedeuten. Die würden seinen Lebensunterhalt bestreiten.«
»Und als Sie dann hörten, dass Joey eine Frau und sogar ein Kind zu Hause hat, da ist etwas in Ihnen kaputtgegangen«, sagte Mick.
Sie schwieg.
»Sie haben alles vorbereitet, haben Mr. Kilbrides also vorsätzlich getötet.«
Ein kurzes Aufbäumen, dann sagte Ruth patzig: »Das müssen Sie mir erst einmal beweisen.«
»Nichts leichter als das. Sie haben das Alkaloid aus Zigaretten isoliert und dann in Wasser aufgelöst und zu Eiswürfeln gefrieren lassen. Brigid hat ihren Irish Rose in einem Zug getrunken, dadurch hat sie wenig Gift aufgenommen. Joey ließ sich Zeit, sodass die Eiswürfel geschmolzen sind. Er hat die volle Dosis abbekommen.« Daniel stand ganz dicht an Ruth, sah, wie sie zusammenzuckte.
»Bei Ihrer Vernehmung, Brigid, sagten Sie aus, dass Mister Kilbrides von Frau und Kind sprach. Deshalb waren Sie so entsetzt. Das haben Sie auch gehört, Miss Gordon. Bei dieser Äußerung ihres Freundes war Ihnen klar, dass Joey sie niemals heiraten würde.«
Daniel nickte in Richtung der Beamtin, die daraufhin zu Ruth trat und sie sanft am Ellbogen abführte.
*
»Die war ganz schön ausgekocht«, meinte Ian. »Ich weiß jetzt wirklich nicht, wer mir mehr leidtun soll. Brigid, die ein bisschen Glück haben wollte und auf einen Gigolo reinfiel, oder Ruth, die auch ein bisschen Glück haben wollte und ebenfalls auf einen Schürzenjäger reinfiel.«
»Ihr habt den Fall toll gelöst«, meinte Kevin. »Auf die Sache mit den Eiswürfeln muss man erst mal kommen.«
»Daniel sind doch die Flecken auf dem Tisch aufgefallen, und die haben wir untersuchen lassen. In diesen Tropfen war das Gift drin.« Mick lachte breit.
»Trotzdem, tanzen – never!«
*
Glengarriff (das raue Tal)
Etwa 20 Kilometer nordwestlich vom Fischerort Bantry gelegen, liegt der Ort. Es gibt einen Hafen, dessen Boote zur Garteninsel Ilnacullin, besser bekannt unter dem Namen Garinish Island, fahren. Bei der Überfahrt kann man einige Seehunde bestaunen, die sich von den Booten überhaupt nicht aus der Ruhe bringen lassen. Harold Peto, Landschaftsarchitekt, hat die Gärten gestaltet. Die Insel erwarb die Familie Bryce im Jahre 1910, die Anwesen darauf errichten ließ. Ein pompöses Herrenhaus, wie entsprechende Pläne aufzeigen, wurde allerdings nie gebaut. Dafür pflanzte man auf der Insel exotische Pflanzen aus aller Welt. 1953 ging die Insel an den irischen Staat. Verschiedene Arten von Bäumen, Sträuchern, Blumen kann man bestaunen. Übrig geblieben ist der Mortello-Turm; dieser runde Turm geht auf einen Genueserturm am Kap Mortella (Korsika) zurück. Dort wuchsen Myrten, deshalb der Name Mortello. Der Turm wurde zur Verteidigung gegen die Truppen Napoleons gebaut. Heute gibt er einen wunderschönen Blick frei über die Artenvielfalt der Insel. Glengarriff ist Naturschutzgebiet. Die Spazierwege sind gut ausgeschildert. Eichenwälder, Berge und Wasserläufe lassen sich leicht erkunden. Ein steiler Weg, er ist kurz, führt hoch zum Lady-Banrys-Aussichtspunkt. Es gibt einen Golfclub, der Rasen weist neun Löcher auf. In der Nähe dieses Platzes hatte die Schauspielerin Maureen O’Hara ihren Wohnsitz.

Glengarrif, Bantrybay

Coddle ist ein nordirisches Gericht, eine Art Eintopf mit Speck, Wurst und Kartoffeln. Soweit vorhanden, können auch Karotten mit in den Eintopf gegeben werden. Alles wird in einem Topf gekocht. Man kann dieses Grundrezept mit Knoblauch, Lorbeerblatt oder anderen frischen Kräutern verfeinern. Ursprünglich galt Irish Stew als irisches Nationalgericht, es wurde oft als »Arme-Leute-Essen« bezeichnet. Auch Coddle ist mittlerweile sehr beliebt.
Zutaten:
8 Scheiben Bacon
je 50 g rote und weiße Zwiebeln
600 g Knoblauchwurst
125 ml Rinderfond
5 EL Guinness
etwas Salz, Pfeffer, Pimentpulver
1/4 Bund Petersilie
1/4 Bund Zitronenmelisse Kartoffeln nach Belieben
Zubereitung:
Den Bacon in einer Pfanne ohne Fett auslassen. Die Zwiebel schälen und in Ringe schneiden. Die Knoblauchwurst in Würfel schneiden. Die Zwiebel und die Wurst zum Bacon geben und nach 4 Minuten alles mit dem Fond und Bier übergießen. Kartoffeln würfeln und hinzugeben. Mit Salz, Pfeffer und Pimentpulver würzen. Die Petersilie und Zitronenmelisse hacken und dazugeben. Deckel drauf und bei milder Hitze 20 Minuten schmoren lassen. Dazu passt Toastbrot.
*
Dein Schutzengel sei vor dir,
um dir den rechten Weg zu weisen.
Dein Schutzengel sei neben dir,
um dich in die Arme zu schließen
und dich zu schützen.
Dein Schutzengel sei hinter dir,
um dich zu bewahren
vor Not und Gefahr.
Dein Schutzengel sei unter dir,
um dich aufzufangen, wenn du fällst,
damit dir kein Leid geschieht.
Dein Schutzengel sei bei dir,
um dich zu trösten,
wenn du traurig bist.
(Irischer Segensspruch)
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