- -
- 100%
- +
Und das bloße Wissen um seine Existenz reicht aus, um uns in Momenten des gemeinsamen Glücks die Gewissheit in die Seele zu brennen, dass wir am Ende doch
ganz
allein sind.
Seltsam, im Nebel zu wandern! Einsam ist jeder Busch und Stein, Kein Baum sieht den andern, Jeder ist allein.
Voll Freunden war mir die Welt, Als noch mein Leben licht war; Nun, da der Nebel fällt, Ist keiner mehr sichtbar.
Wahrlich, keiner ist weise, Der nicht das Dunkel kennt, Das unentrinnbar und leise Von allen ihn trennt.
Seltsam, im Nebel zu wandern! Leben ist Einsamsein. Kein Mensch kennt den andern, Jeder ist allein.
Hermann Hesse
Ja, wer hätte gedacht, dass dieses Buch so traurig macht?
Bin selbst etwas überrascht.
LebensDimensionen
So trübsinnig der letzte Abschnitt endete, so hoffnungsvoll beginnt der neue. Denn über diesen vom Nebel verdunkelten Planeten lief ein Mann, der die Zerrissenheit unserer LebensWelt deutlich vor Augen hatte und dennoch an Beziehungen glaubte.
Jesus.
Viele Male werden wir in diesem Buch den Blick von unserer LebensWelt auf diesen Menschen richten und danach fragen, ob in seinem Leben Antworten auf unsere Fragen stecken und ob es Muster gibt, die man bei ihm erkennen und auf das eigene Leben übertragen könnte.
So auch bei dieser sehr grundlegenden Frage, der Frage nach dem Sinn überhaupt. Ein Zeitgenosse stellt sie ihm – ich erwähnte es bereits. Meister, welches ist das wichtigste Gebot im Gesetz? – was in den Begrifflichkeiten eines frommen Juden zur damaligen Zeit nichts anderes als die Frage nach dem ist, was diesem Leben wirklich Sinn verleiht. Jesu Antwort:
Du sollst den Herrn, deinen Gott, lieben von ganzem Herzen, mit ganzer Hingabe und mit deinem ganzen Verstand! Dies ist das größte und wichtigste Gebot. Ein zweites ist ebenso wichtig: Liebe deine Mitmenschen wie dich selbst! Mit diesen beiden Geboten ist alles gesagt, was das Gesetz und die Propheten fordern. 2
Der Sinn des Lebens liegt in Beziehung. Am Tag deines Todes wird nur eines von Bedeutung sein: Ob du geliebt hast.
Gott.
Die anderen.
Wie dich selbst.
Die Worte dieses Mannes (und seine Taten!) haben Menschen bis heute veranlasst, das Leben und die Welt unter neuen Vorzeichen zu sehen. Die ersten Christen nahmen ernst, was Jesus über die Liebe sagte, und begannen, in Gott selbst den Ursprung vollendeter Liebe zu erkennen. Sie sagten, dass Gott in sich selbst Beziehung sei. Er sei einer, sagten sie … und doch drei, sagten sie … und doch nur einer – und waren sich dabei des Paradoxons dieser Aussagen sehr wohl bewusst.
Vater. Sohn. Heiliger Geist.
Der Ursprung des Universums ist Beziehung.
Eins plus eins plus eins ist eins3.
Dreieinigkeit.
Und nun entdeckten die ersten Christen dieses Geheimnis des Lebens in den uralten Schriften des Judentums wieder. Wie im Buch Genesis der Mensch als Gottes Abbild den Garten Eden betritt und diese göttliche Einheit widerspiegelt: Er ist eins mit Gott und der Welt und seinesgleichen. Wie die Beziehung zu Gott zerbricht und als Folge die Beziehung untereinander vor die Hunde geht. Und wie seither ein tiefer Riss die Weltgeschichte durchzieht, den jeder von uns täglich spürt.
Sie fanden im Alten Testament die dramatische Geschichte eines Gottes vor, der gewillt ist, Beziehung wiederherzustellen. Mit einem einzelnen Menschen zunächst: Abraham – und dann einem Volk, das aus diesem Menschen hervorgeht: Israel. Humane Gesetze sollen das Zusammenleben der Menschen regeln, ein Opferkult den Kontakt zu Gott ermöglichen.
Und immer schwingt der Traum in dieser mehr schlecht als recht funktionierenden Gemeinschaft von Menschen mit, dass es eines Tages wieder so sein wird wie am Anfang. Dass eines Tages die Welt in Ordnung kommen wird. Völlig! Dass sich eines Tages Gott und Mensch wieder im Garten treffen werden. Dass eines Tages einer kommen wird mit dem Himmel im Gepäck.
Der Retter. Der Messias.
Die Juden nannten diesen Traum Schalom und erinnern sich noch heute bei jeder Begrüßung an diesen Traum, auch wenn ihn heute sicher die meisten für zu-schönum-wahr-zu-sein halten.
Die Christen allerdings erkannten: Diese Zukunftsvision ist angebrochen! Der Messias war da. Er hatte von Schalom geredet, vom „Himmelreich“. Und dass es nah sei, hat er gesagt.
Und er hat Schalom gelebt. Mit jeder Faser seines Seins hat er Menschen geliebt. Gott geliebt. Und beide miteinander in Verbindung gebracht. Mehr noch: er war es selbst!
Gott. Einer von uns.
Jesus war Gott, sagten sie. „Wir haben Gott erlebt, dabei, Beziehungen wieder aufzurichten.“
Schaut man sich das Leben Jesu an, entdeckt man in der Tat, dass sich sein Wirken vor allem um Beziehungen dreht. Zum einen lebt er in einem ständigen und so intensiven Kontakt mit Gott, dass viele, die ihn reden hören, sagen, seine Worte seien Gottes Worte. Wenn er handle, handle Gott, sagen sie. Und in der Tat ist das, was im Umkreis Jesu geschieht, einigermaßen verblüffend. Menschen werden gesund, Menschen werden satt, Menschen werden lebendig – es ist wie im Himmel.
Zum anderen investiert er die meiste Zeit des Tages in die Formung einer kleinen Gemeinschaft gewöhnlicher Menschen. Er liebt das WG-Leben. Mark und Jesus hätten sich wohl ein paar wunderbare Insider-Geschichten zu erzählen. Er hält es aus irgendeinem Grund für sinnvoll, zwölf jungen Männern zu zeigen, wie man das macht: den Mitmenschen lieben wie sich selbst.
Und zum dritten ist er ständig unterwegs zu denen, die ihn nicht kennen und Schalom doch so dringend brauchen. Er hat eine Mission. Er sucht die von Gott getrennten, die Ungeliebten und vom lieblosen Leben Zermürbten.
Er hat den Himmel im Gepäck.
In den drei Jahren seines Lebens, die wir heute durch die Evangelien überblicken, geht es immer und immer wieder um Beziehung.
Das sind die Dimensionen, in denen er lebt, atmet und schwitzt:
Die Beziehung nach oben – zu Gott.
Die Beziehung nach innen – zu seinen Jüngern.
Die Beziehung nach außen – zu allen anderen.
Man muss sagen, er vernachlässigt dafür beherzt ein paar Dinge, die Männern in seinem Alter für gewöhnlich wichtig sind.
Er baut kein Haus.
Er pflanzt keinen Baum.
Er zeugt keinen Sohn.
Hey, mir hat man gesagt, diese Dinge seien bedeutsam! Über den Baum können wir meinetwegen reden, aber …
Jesu Leben hingegen predigt: Fokussiere dich auf Beziehungen! Und dann geht er sogar noch einen bedeutsamen und lebensgefährlichen Schritt weiter …
Nur mal angenommen, sein Lebenskonzept scheint dir irgendwie sinnvoll. Möglicherweise betrachtest du die Lehre des christlichen Glaubens noch aus einer gewissen Distanz – aber wie Jesus zu leben verstand, fasziniert dich. Es scheint dir tatsächlich der bessere Weg zu sein, zu vergeben statt zurückzuschlagen. Es scheint dir der bessere Weg zu sein, Brücken zu bauen statt Mauern aufzurichten. Es scheint dir der bessere Weg zu sein, an andere zu denken statt nur an sich selbst. Selbstlosigkeit, Freundlichkeit, Geduld, Hilfsbereitschaft, Gnade, Friedfertigkeit – all das scheint dir wirklich der einzige Weg zu einer besseren Welt zu sein. Dann stellen sich immer noch zwei Fragen:
Was mache ich, wenn ich nicht Jesus heiße?
Und was ist mit dem Tod?
Denn zweifellos hat Jesus die Sache mit den Beziehungen vorbildlich hinbekommen. Aber wenn ich das nachmachen soll, muss ich sagen, dass ich wenig Hoffnung habe, dass es mir auch nur halb so gut gelingen wird. Tolles Vorbild! Wirklich. Aber ich werde das nicht schaffen.
Und selbst wenn. Eines traurigen Tages werden alle noch so starken Bänder zwischen mir und anderen zerreißen. Je besser sie waren, desto größer wird der Schmerz sein. Widerlegt der todsichere Ausgang aller Geschichten auf dem Friedhof nicht letztlich die Behauptung, wir könnten wirklich für Beziehungen geschaffen sein?
Deshalb geht Jesus noch einen Schritt weiter.
Er stirbt.
An einem Kreuz.
Und das letzte, was er fühlt, ist der hässliche Riss, der seit Menschengedenken die menschliche Seele zerreißt. Einer seiner letzten Sätze ist ein verzweifelter Schrei. Mein Gott, mein Gott. Warum hast du mich verlassen?4
Man könnte in diesem Schrei das tragische Schicksal eines Mannes erkennen, der bis zum Ende reinste Ideale und einen unerschütterlichen Glauben an einen großen Traum hat – und doch scheitert.
Die ersten Christen hingegen sahen in Jesu Tod etwas ganz anderes. Sie sahen im Kreuz die Tür, die es mittelmäßig liebevollen Menschen wie dir und mir möglich macht, Schalom zu leben. Erneuerte Beziehungen zu Gott und zu Menschen.
Sie erkannten im Kreuz die Wende der Weltgeschichte, weil hier kein vorbildlicher Mensch gestorben war, sondern Gott selbst, so sagten sie. Und weil er damit gezeigt hatte, wie weit Gottes Liebe zu uns Menschen geht – bis zum äußersten nämlich. Bis zur völligen Selbstaufgabe. Und weil Jesus nach drei Tagen auferstand und somit am Kreuz die Liebe wirklich – unglaublicherweise! – über den Tod gesiegt hatte.
Die Liebe
über
den Tod
gesiegt hatte.
Sie verstanden: Gott kam wirklich auf unsere Seite des Risses. Und ermöglicht jenseits von Eden ein Leben in Verbindung mit ihm. Und wenn die Trennung von Gott der Beginn der Zerstörung menschlicher Beziehungen war, dann ist die wiederhergestellte Beziehung zu Gott der Beginn heilender Beziehungen zwischen Menschen. Und das … das wäre dann der Anbruch des Reiches Gottes! Der Beginn des Himmels auf Erden. Jesus hatte ihn wirklich im Gepäck.
So wurde das Kreuz zum Schlüsselsymbol für die Hoffnung, dass am Ende alles Sinn machen wird und es sich tatsächlich lohnt, an die Liebe zu glauben.
Liebe ist tatsächlich ewig.
Gottes Liebe!
Allerdings ist es eine andere Art Liebe als die, die wir gewohnt sind. Was wir heute Liebe nennen, hätten die alten Griechen Eros genannt. Das klingt nicht zufällig nach Erotik, aber es ist mehr als das. Eros ist jede Art von Liebe, die vom Objekt der Liebe ausgelöst wird. Das ist der Fall, wenn man sich verliebt. Aber auch, wenn ein Kind mit seinem Lächeln unser Herz gewinnt, dich der Anblick einer grandiosen Landschaft überwältigt oder Musik dich verzaubert.
Eros ist die Liebe, die liebt, weil etwas oder jemand so ist, dass es Liebe in uns auslöst. Eros ist eine Reaktion.
Die Griechen haben Eros die emporsteigende Liebe genannt. Etwas fasziniert uns, wir schauen auf, wir fühlen uns angezogen, wir wollen es haben, wir brauchen es – wir lieben es.
Oder sie.
Oder ihn.
Klar ist: ewigen Eros gibt es nicht. Spätestens wenn der Traummann 105 ist, verkalkt und mit seinem Nachttopf nach dir wirft, ist Eros Geschichte. Eher schon früher.
Ewige Liebe allerdings ist anders. Die Griechen nannten sie Agape, die herabsteigende Liebe. Diese Liebe gilt jemandem oder etwas, das nicht zwangsläufig liebenswert ist. Agape beugt sich herunter und indem sie liebt, erhebt sie das Objekt der Liebe. Diese Liebe ist nicht Reaktion, sondern Aktion.
Eros liebt, weil etwas wertvoll ist. Agape verleiht Wert, weil sie liebt.
Was selten sehr romantisch ist.
Was sogar an einem Kreuz enden kann.
Die herabsteigende Liebe ist die, die die ersten Christen in Jesus erkannten. Eine Liebe, die nicht vorhat, glücklich zu werden, sondern zu leiden. Die sich herunterbeugt. Bis ganz, ganz unten. Und die uns Menschen dadurch ungeahnten Wert verleiht.
Die ersten Christen wussten: Diese Art Liebe ist nicht menschlich. Sie liegt uns nicht im Blut. Sie wird schmerzlich vermisst auf diesem Planeten, weil nämlich Gott diese Liebe ist und diese Welt keine Verbindung mehr zu ihm hatte.
Bis jetzt. Bis Jesus. Jetzt ist sie da.
Und sie begannen, an sie zu glauben, die ewige Liebe. Und sie zu leben.
Und das war der Beginn der Kirche.
Sie entstand, weil die kleine von Jesus gegründete Gemeinschaft sich multiplizierte und fortführte, was er begonnen hatte. Zu leben und zu lieben wie er. Man traf sich wöchentlich im Tempel, feierte Gott und half einander, Gott zu lieben von ganzem Herzen, mit ganzer Hingabe und mit ganzem Verstand. Man saß täglich in den Häusern beim Essen zusammen, teilte das alltägliche Leben und übte sich darin, der entstandenen Gemeinschaft eine reale Form zu geben. Und man trug die Liebe Gottes zu denen in der Gesellschaft, die sie am nötigsten hatten. Den Alleingelassenen. Denen in Not. Um die Nächsten zu lieben wie sich selbst.
Man lebte die drei Dimensionen der Liebe, um die es in diesem Kapitel geht.
Natürlich war die Kirche nie der Himmel auf Erden. Man musste blind sein, um ihre Fehlerhaftigkeit zu übersehen – damals schon. Aber sie war ein Anfang. Eine Gemeinschaft, in der man eine Ahnung bekommen konnte, wie geheilte Beziehungen aussehen. Ein Projekt, das Hoffnung machte, dass eines Tages Schalom Realität werden wird. Eine Bewegung, die an die Kraft der Liebe glaubte und daran, dass Gott ihr Ursprung ist.
Einer der Schüler Jesu – im Zwölferteam war er immer der Jüngste gewesen – schrieb als uralter Mann an seine Kirche:
Meine Freunde, wir wollen einander lieben, denn die Liebe hat ihren Ursprung in Gott, und wer liebt, ist aus Gott geboren und kennt Gott. Wer nicht liebt, hat Gott nicht erkannt; denn Gott ist Liebe. Und Gottes Liebe zu uns ist daran sichtbar geworden, dass Gott seinen einzigen Sohn in die Welt gesandt hat, um uns durch ihn das Leben zu geben. Das ist das Fundament der Liebe: nicht, dass wir Gott geliebt haben, sondern dass er uns geliebt und seinen Sohn als Sühneopfer für unsere Sünden zu uns gesandt hat. Meine Freunde, da Gott uns so sehr geliebt hat, sind auch wir verpflichtet, einander zu lieben. Ihn selbst hat niemand je gesehen. Doch wenn wir einander lieben, lebt er in uns, und seine Liebe hat uns von Grund auf erneuert. 5
Ich würde nicht wagen, so was zu schreiben, wenn es nicht in der Bibel stünde. Denn diese Sätze sind krass.
Gott ist Liebe.
Lieben bedeutet Gott kennen.
Liebe ist das Geheimnis des Lebens.
Ab heute lieben wir ewig.
Novalis und Paulus haben doch recht.
LebensMuster Triangel
So, das waren bisher recht große Gedanken. In der Einleitung habe ich jedoch versprochen, dass es um einfache Muster geht, die du auf dein Leben übertragen kannst.
Also, wenn die großen Gedanken zusammengefasst so lauten:




Wenn das die großen Ziele sind, dann brauchen wir einen einfachen Weg, wie wir dem morgen und übermorgen und den Rest unseres Lebens näher kommen können.
Und dabei hilft uns das Bild der Triangel.
Es gibt wohl kein einfacheres Musikinstrument als dieses. Ein simples Metalldreieck, das gerade mal in der Lage ist, einen einzigen Ton zu erzeugen. Und es ist nicht mal ein besonders schöner – durchdringend hell und metallisch. Während eines Musikstücks hat die Triangel deshalb nur alle Schaltjahre mal ihren Einsatz. Irgendwo in den hinteren Reihen des Orchesters erhebt sich ein bisher übersehener Musiker, klopft in der richtigen Sekunde etwas verschämt auf sein Metalldreieck, verleiht damit der Melodie ein klirrendes Glanzlicht und verschwindet dann wieder in der Bedeutungslosigkeit.
Triangel spielen ist einfach. Gehäuft findet sie sich deshalb in den Utensilien eines Kindergartens. Und das Kind, das im Schulorchester die Triangel in die Hand gedrückt bekommt, weiß, wie gut es nach Einschätzung der Lehrerin um seine musikalischen Fähigkeiten bestellt ist.
Kurz: Triangel kann jeder!
Und ihre Form, ein gleichseitiges Dreieck, hilft uns, die drei Dimensionen im Blick zu behalten, um die es in unserem Leben geht.
Dabei steht jede Ecke des Dreiecks für eine Beziehungsdimension:




Das Geheimnis dieses LebensMusters liegt nun darin, diese drei Beziehungsdimensionen im Gleichgewicht zu halten. Es geht um die Balance. Eine Triangel hängt immer frei an einem Bändel, nicht wahr?
Beginnen wir OBEN, mit der Beziehung zu Gott.

Wir sehen in Jesus einen Menschen, der aus seiner Verbindung zu Gott eine unglaubliche Kraft für den Alltag gewinnt. Er scheint ständig mit seinem Vater in Kontakt zu sein. Keine Sekunde seines Lebens durchlebt er allein – bis auf eine. Und dieser Moment, als er gottverlassen zwischen Himmel und Erde hängt und sein Leben aushaucht, ist der Augenblick, in dem Gott die Beziehung zwischen uns Menschen und dem Schöpfer wieder herstellt.
Du und ich, wir können nun mit Gott in Verbindung leben, wie Jesus es tat.
Die Beziehung nach OBEN zu leben erschöpft sich nicht in der Ausübung religiöser Rituale wie Gottesdienstbesuch oder Ähnlichem. Diese Dinge helfen, der Gottesbeziehung eine Form zu geben, aber sie ersetzen nicht die Beziehung selbst. Beziehung nach oben, wie Jesus sie verstand, ist hingegen etwas Ganzheitliches, etwas Alltägliches. Ein tatsächliches Mit-Gott-unterwegs-sein.
Es geht um eine Verbindung nach OBEN, die ständig besteht. Nicht nur an bestimmten Orten und bestimmten Zeiten, sondern immer.
Im Alltag ständig mit Gott in Kontakt.
Wie soll das funktionieren? Manche sagen, es sei so ähnlich wie bei einem Navigationsgerät.
Wie bei einem Navi?
Seit diese technische Errungenschaft nicht länger betuchten Oberklassefahrern vorbehalten, sondern der breiten Masse der Verkehrsteilnehmer verfügbar ist, wird es – das Navi – gerne auf die ständige Verbindung zwischen Gott und Mensch übertragen. Und das hat ja auch was. Eine höhere Macht, die mich zielsicher durch die verschlungenen Wege des Lebens navigiert. Ich habe keine Ahnung, wo ich bin, aber ich bin trotzdem auf dem direktesten Weg zum Ziel.
Ich halte diesen Vergleich für nicht sehr gelungen. Denn zumindest mein Navi hört mir nicht zu! Sooft ich auch eine Unterhaltung mit der freundlichen Dame beginnen will, geht sie nicht wirklich auf mich ein. Und ab und an sind ihre Anweisungen sogar grundverkehrt. Wenn ich dann falsch abgebogen bin, warte ich vergeblich auf eine Entschuldigung. Fazit: Ich habe keine Beziehung zu ihr, nein. Sie ist austauschbar. Längst gibt es bessere auf dem Markt, und ich werde ihr schon bald keine Träne nachweinen.
Ja, Gottes Stimme hilft uns, durch den Alltag zu finden. Und ja, man kann sich darin üben, sein leises Flüstern zu vernehmen. Aber Gott ist kein Navi. Er ist kein Garant für den kürzesten Weg.
Manchmal schweigt er.
Manchmal empfiehlt er lästige Umwege.
Manchmal sagt er nein, wenn man verzweifelt auf ein Ja gehofft hat.
Manchmal sagt er ja, wenn man sich schon mit einem Nein abgefunden hat.
Er ist nicht programmierbar. Er ist Gott.
Zum Glück, denn er hört zu. Wenn wir schon die Technik als Vergleich heranziehen, dann sollten wir eher die Freisprechanlage bemühen. Seit einiger Zeit sieht man immer öfter Autofahrer den Mund bewegen, obwohl sie allein im Auto sitzen. Es sieht etwas komisch aus. Aber es funktioniert. Das ist ein besseres Bild für die Beziehung nach OBEN. Es sieht aus, als ob wir allein wären. In Wirklichkeit stehen wir in Kontakt mit jemand, der uns hört. Und reden mit ihm. Hören ihm zu. Egal, was wir gerade tun.
Natürlich ist das die Idealvorstellung. Wir sind nicht Jesus. Wir sind mit den Gedanken oft hier unten und nicht da OBEN. Müssen wir ja auch. Aber wir können besser werden. Wir können lernen, unsere Standleitung in den Himmel öfter zu nutzen, aufmerksamer für das zu werden, was Gott uns sagen will.
Dieses Buch will dir unter anderem dabei helfen. In den folgenden Kapiteln wird das praktischer werden. Für den Moment geht es nur darum, zu verstehen, dass die Beziehung nach OBEN wichtig ist.
Sie nämlich zu vernachlässigen würde bedeuten, allein durch den Tag zu gehen. Viele tun das, auch Menschen, die sich Christen nennen. Ich oft genug auch.
Die Beziehung nach OBEN völlig auszublenden würde sogar bedeuten, nur in zwei Dimensionen zu leben. Wer nicht an die Existenz Gottes glaubt, wird sich nicht mit ihm unterhalten (obwohl es auch das gibt). Ein solches Leben ist deshalb nicht weniger sinnvoll. Menschen leben wunderbare Beziehungen, sind tolle Väter, grandiose Ehefrauen und Freunde fürs Leben. Einige opfern sich auf im Einsatz für andere, retten Leben, pflegen Kranke, riskieren sich selbstlos im Kampf gegen Hunger, Krieg und Ungerechtigkeit.
Sie versuchen zu lieben, aber sie tun es allein. Ohne Gott. Ohne die große Hoffnung, dass ihr Einsatz mit den Zielen dessen übereinstimmt, der diese Welt geschaffen hat und sie eines Tages von der Last des Bösen erlösen wird. Sie haben meinen allergrößten Respekt … doch welche Kraft könnten sie freisetzen, wenn sie wüssten, dass sie nicht allein sind?
„Ich denke, es gibt keinen Gott!“, sagt jemand und bekommt die clevere Antwort: „Oh, seien sie unbesorgt, ich habe gerade noch mit ihm gesprochen.“

Die zweite Dimension ist nicht weniger wichtig: INNEN. Denn die Beziehung zu Gott geht Hand in
Hand mit der Beziehung zu Menschen. Ich zitiere nochmal den alten Johannes, aus demselben Kapitel wie vor wenigen Seiten:
„Wenn jemand behauptet: ‚Ich liebe Gott‘, und dabei seinen Bruder oder seine Schwester hasst, dann lügt er. Wenn er seine Glaubensgeschwister, die er sieht, nicht liebt, dann kann er Gott, den er nicht sieht, erst recht nicht lieben. Gott gab uns dieses Gebot: Wer ihn liebt, muss auch seine Brüder und Schwestern lieben.“ 6
Hm …, geht es mir durch den Kopf, eigentlich finde ich es sehr viel leichter, einen unsichtbaren Gott zu lieben als sichtbare Menschen. Denn die nerven manchmal gewaltig.