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Von Hertling, der trotz seines Rückzuges von der Bewegung in den publizierten Entwürfen als zentrale Figur erschien, hatte Mühe, sich durch entsprechende Presseerklärungen glaubhaft von ten Hompels Initiative zu distanzieren. Die Münsteraner waren mittlerweile in die Offensive gegangen: Neben einer Presseaussendung, in der erklärt wurde, dass von Hertlings Name „irrtümlich“ verwendet worden sei,36 veröffentlichten sie die Entwürfe von Bittschrift und „Organisationsgrundlagen“ der Kulturgesellschaft im „Münsterischen Anzeiger“ vom 11. und 12. Juli 1907.37 Der Kritik, dass die Index-Liga bislang im Geheimen operiert hatte, begegnete man dadurch, dass Mitte August dem Bischof von Münster, Hermann Dingelstad (1889 – 1911), und dann den Kardinälen Anton Fischer (1840 – 1912) von Köln und Georg Kopp (1837 – 1914) von Breslau die Bittschrift zugestellt wurde, damit diese auf der Fuldaer Bischofskonferenz im August 1907 besprochen werden konnte.38 Während Dingelstad und sein Generalvikar von Hartmann den Unternehmungen ten Hompels äußerst kritisch gegenüberstanden, hatte Kopp in einem Schreiben vom 25. Juli an den Bittschriftunterzeichner Graf Praschma (1867 – 1935) bekundet, dass er die „treukirchliche Gesinnung der katholischen Männer“ anerkenne. In dem in der „Germania“ veröffentlichten Schreiben kritisierte Kopp allerdings, dass die Münsteraner den Episkopat nicht frühzeitig informiert hatten.39
Hinsichtlich der Anliegen der Münsteraner war die Bischofskonferenz eher ein Rückschritt: Eine bereits im November 1906 von Rom erteilte Erlaubnis, Beichtvätern die Vollmacht zum Dispens vom Verbot, indizierte Bücher zu lesen, erteilen zu dürfen,40 von der die deutschen Bischöfe bislang keinen Gebrauch gemacht hatten, wurde auch weiterhin nicht umgesetzt.41 Es ist anzunehmen, dass die öffentliche Aufregung um die „Index-Liga“ die Bischöfe zu dieser Vorsichtsmaßnahme bewogen hatte.
Auch nach der Bischofskonferenz im August 1907 blieb die Affäre um ten Hompels Bittschriftunternehmen im öffentlichen Bewusstsein. Im Dom zu Münster wurde im Dezember unter deutlicher Anspielung auf die Index-Liga gepredigt. Weihbischof Everhard Illigens (1851 – 1914)42 brachte die Bestrebungen, die Indexregelungen zu modifizieren, mit dem Modernismus in Zusammenhang, indem er die Beschreibung der Modernisten als Reformer aus der im September erlassenen Enzyklika Pascendi43 anwendete.44 Bischof Dingelstad verteidigte in seinem Fastenhirtenbrief im Februar 1908 die kirchliche Buchgesetzgebung, „die die Kirche in ihrer mütterlichen Liebe und Sorge (...) zur Abwehr der Pest schlechter Bücher“ erlassen habe. Offensichtlich auf die Index-Liga anspielend mahnte er: „Diese Schutzwehr in vermessenem Vertrauen auf die eigene Kraft und Tugend zu schwächen oder entfernen zu wollen, das würde heißen, Tausende ohne Not in die größte Gefahr ihrer Seelen zu bringen.“45
Aber nicht nur in Münster blieb die Index-Liga Thema. 1908 erschien die zweite Auflage von Commers Schmähschrift gegen Schell. Wie zuvor die „Corrispondenza Romana“ versuchte Commer, Schell eine zentrale Funktion im Bittschriftunternehmen zuzuschreiben46 und, wie auch der „Osservatore Romano“, die Index-Liga „einer Art Freimaurerei“ und des mittlerweile durch die Enzyklika Pascendi umfassend definierten und verurteilten Modernismus zu zeihen.
Die Verteidiger der Indexkongregation sahen sich mittlerweile durch die Kurienreformen Pius’ X. bestätigt.47 In einer „Romkorrespondenz aus hochgestellten kirchlichen Kreisen“, die in der „Schweizerischen Kirchenzeitung“ publiziert wurde, deutete der Autor die gestärkte Stellung der Kongregation durch die Neuorganisation der Kurie als Antwort auf die Reformvorschläge der Index-Bittschrift: Die Indexkongregation war weder aufgehoben noch umgestaltet worden, wie andere Kongregationen, ihre Vollmachten wurden erweitert, da sie jetzt auch, ohne dass zuvor eine Anzeige erfolgen musste, Bücher untersuchen sollte.48 Tatsächlich hatte Pius X. zunächst vorgesehen, die Indexkongregation als eigenständige Behörde aufzulösen und die römische Buchzensur ganz dem Heiligen Offizium zuzuweisen, nahm davon nach den römischen Publikationen zur Index-Liga aber wieder Abstand.49 Im Zuge seiner antimodernistischen Kampagne versuchte der Papst in der Folgezeit die Buchzensur als Instrument zu stärken: Die Enzyklika Pascendi schärfte die Pflicht der Bischöfe zur präventiven und repressiven Zensur ein und rief die geltenden Bestimmungen in Erinnerung.50 Das Motu proprio Sacrorum antistitum wiederholte nicht nur die Maßnahmen, sondern verhängte gar ein generelles Verbot für Seminaristen, Zeitungen und Zeitschriften zu lesen.51 Als eine Lehre der „Modernisten“ führte Pascendi die Forderung an: „Die römischen Kongregationen (...) besonders die des heiligen Offiziums und des Index, müssen gleichfalls geändert werden“52 und schuf damit die Basis, um die Münsteraner Index-Liga als modernistisch zu verurteilen.
Die Stellungnahmen in der Presse nahmen nicht ab; oft wurde die Auseinandersetzung um die Index-Liga verknüpft mit der Debatte um das Andenken Schells. Der Münsteraner Pastoraltheologe Peter Hüls (1850 – 1918) etwa verteidigte die zweite Auflage von Commers Schell-Buch im Januar 1908 im „Westfälischen Merkur“ und nutzte seinen Artikel, um die Index-Liga als modernistisch zu verdächtigen.53
Ostern 1908 veröffentlichte ten Hompel zusammen mit Justizrat Hermann Hellraeth und Astronom Josef Plassmann (1859 – 1940)54 die Schrift „Indexbewegung und Kulturgesellschaft“ mit dem Ziel, die vielfach verzerrenden Darstellungen der Vorgänge aus dem Jahr 1907 durch eine kleinschrittige Dokumentation mit einer ermüdenden Fülle an Belegen und Zitaten zu korrigieren und im zweiten Teil das nach wie vor geplante Vorhaben einer Kulturgesellschaft zu umreißen. Kurz nach Erscheinen der Schrift versuchte der neue Nuntius in München, Andreas Frühwirth OP (1845 – 1933),55 im Staatssekretariat zu beruhigen: Eine solche Gesellschaft verlange immense finanzielle Mittel und eine besondere Eintracht der Seelen, beides Dinge, die schwer zu erlangen seien. Grundsätzlich sei das Anliegen richtig, Wissenschaftler und Gläubige einander anzunähern; allerdings bringe eine Gesellschaft, die völlig unabhängig von der kirchlichen Autorität sei, Gefahren mit sich.56
Während Frühwirth offenbar hoffte, die Angelegenheit würde sich verlaufen, trug das Verhalten eines Deutschen an der römischen Kurie dazu bei, dass ten Hompel weiter für Schlagzeilen sorgte: Bis ins Jahr 1911 erstreckte sich die Auseinandersetzung um das Verhältnis des Rota-Auditors Franz Heiner (1849 – 1919)57 zur Index-Liga. Über das Bittschriftunternehmen hatte Heiner auf einer Konferenz mit ihren führenden Köpfen im September 1907 in Münster gesprochen.58 Heiner stimmte grundsätzlich zu, dass „die Handhabung des Bücherverbots (...) tatsächlich einer Reform“ bedürfe, war aber mit der von ihm gründlich mit Anmerkungen versehenen Petition59 nicht einverstanden: Er wollte die namentlichen Verbote beibehalten wissen und sprach sich dagegen aus, den Fall Schell zur Basis der Eingabe zu machen.
Vermutlich aus seinen kritischen Äußerungen bei dieser Besprechung leitete Heiner später ab, er habe „die Antiindexbewegung mit ihrer Index-Bittschrift totgemacht“.60 Heiner hatte sich entgegen früherer Aussagen mittlerweile dem Urteil angeschlossen, die Index-Adressliga sei ein „Symptom des Modernismus“,61 und außerdem die kirchliche Buchzensurpraxis verschiedentlich verteidigt.62 Der ehrgeizige Heiner versuchte offenbar, sich als einflussreicher Wahrer kurialer Interessen in Deutschland zu profilieren; der Presse- und Broschürenkampf, den er sich mit ten Hompel lieferte, ist aber eher als peinlich zu bezeichnen.63 Die Angelegenheit endete damit, dass ten Hompel 1911 als Beweis der Beteiligung Heiners den von diesem korrigierten Bittschriftentwurf als Faksimile abdruckte.64
Die Auseinandersetzungen zwischen Heiner und ten Hompel beschränkten sich nicht auf die Frage der Index-Liga, sondern weiteten sich auf den 1910 eingeführten so genannten „Antimodernisteneid“65 aus und führten dazu, dass ten Hompel nicht nur als Leser, sondern auch als Autor Erfahrungen mit dem Index machen sollte: Sein Kommentar zu den Erläuterungen des Eides in einer Veröffentlichung Heiners wurde von Dingelstad und Hartmann am 11. Dezember 1910 bei der Indexkongregation angezeigt66 und von der Zensurbehörde in Rekordzeit verboten. Zur Begutachtung übergab Indexsekretär Esser, ein Freund Heiners,67 sie dem Benediktiner Laurentius Janssens (1855 – 1925),68 der gleich zu Beginn seines schriftlichen Votums feststellte, dass es sich beim Autor der Schrift um denselben handle, der vor zwei Jahren das bekannte Buch gegen den Index „Indexbewegung und Kulturgesellschaft“ publiziert habe.69 Janssens gab an, sich nicht zur Kontroverse zwischen ten Hompel und Heiner äußern zu wollen, bemerkte aber, ten Hompel liege in einigen Punkten seiner Kritik an Heiner durchaus richtig.70 Ten Hompels leitender Gedanke sei, dass der Eid auch Priester, die in keiner Weise modernistisch seien, unnötig in Gewissenskonflikte bringe.71 Als nicht tolerierbaren Fehler der Broschüre nennt Janssens, dass ten Hompel in maßloser Weise Schell lobe, dessen doktrinäre Werke durch die Indexkongregation streng zensuriert worden seien.72 Alles in allem schloss Janssens sich dem Urteil des Bischofs Dingelstad an, das Buch sei zu verbieten. Die Kardinäle bestätigten dies in ihrer Sitzung am 2. Januar 1911, das päpstlich approbierte Verbotsdekret wurde unter anderem dem „Osservatore Romano“ und dem Münsteraner Bischof zugestellt.73
In den Ruf des „Modernisten“ kam ten Hompel nicht nur durch seine Publikationen, sondern auch durch von ihm organisierte Veranstaltungen: Im Dezember 1909 konnte er den bei der katholischen Literaturkritik umstrittenen und als „modernistisch“ verdächtigten Franziskaner Expeditus Schmidt (1868 – 1939)74 für einen Vortrag über Goethes „Faust“ in Münster gewinnen, der den Bischof veranlasste, über den Münchener Nuntius bei Schmidts Ordensoberen zu protestieren.75 Im November 1910 veranstaltete ten Hompel einen Kurs mit dem protestantischen Pädagogen Friedrich Wilhelm Foerster (1869 – 1966),76 bei dem dieser zum Entsetzen des Bischofs Dingelstad und zur Verwunderung des konservativen Zentrumsblattes „Germania“ vor katholischen Schülern über „Grund- und Kernfragen der Charakterbildung“ referierte.77
Für eine Zusammenarbeit mit evangelischen Christen trat ten Hompel auch in den Debatten um die Zentrumspartei und die interkonfessionellen, christlichen Gewerkschaften ein. Unter Pseudonym publizierte er das Protokoll der sogenannten „Osterdienstagskonferenz“, die er als „Antikulturbund“ und „Antiliga“ deutete, da ihre Ziele den seinen diametral entgegengesetzt waren: Am Osterdienstag 1909 trafen sich um die Zentrumsabgeordneten Hermann Roeren und Franz Bitter integral gesinnte Katholiken, die den katholischen Charakter der Zentrumspartei betont wissen wollten, sich gegen die interkofessionellen Gewerkschaften aussprachen und eine engere Anbindung des „Volksvereins für das katholische Deutschland“ an die Bischofskonferenz forderten.78
Bilanz des Bittschriftunternehmens
„Über ten Hompel einen Satz zu schreiben, wäre unnütz; er scheint mir (u. vielen) an fixen Ideen zu leiden“,79 teilte der Münsteraner Kaplan und spätere Professor für Homiletik, Adolf Donders (1877 – 1944)80 seinem Kaplanskollegen und Freund Augustinus Winkelmann (1881 – 1954) in einem Brief mit. Die Urteile anderer Zeitgenossen gingen in eine ähnliche Richtung. Nach Ansicht des Index-Sekretärs Thomas Esser (1850 – 1926) war ten Hompel ein „confuser, harter Westfalenkopf“.81
Betrachtet man aus der Distanz von rund 100 Jahren die streitbaren, oft wenig systematischen Veröffentlichungen ten Hompels, seine Korrespondenz, die Protokolle von Sitzungen, dann wundern einen die Urteile seiner Zeitgenossen nicht. Ten Hompel scheint mit einem großen Selbstbewusstsein und mit viel Idealismus ausgestattet gewesen zu sein und hat mit großem zeitlichem und finanziellem Engagement für etwas gekämpft, was man wohl am besten mit dem Begriff „Laienemanzipation“ zusammenfassen kann. Aber glaubte der über die Grenzen Münsters hinaus praktisch unbekannte Gerichtsassessor ten Hompel selbst daran, dass er mit seiner Index-Petition etwas erreichen konnte? Aufschlussreich ist hier ein Brief an seinen Freund, den Historiker und späteren Rechtskatholiken Martin Spahn (1875 – 1945),82 den er als Unterzeichner gewinnen wollte. Ten Hompel führte aus: Auch wenn Spahn ihn als „Idealisten und Optimisten“ kenne, deckten sich ihre Ansichten über „die Unmöglichkeit des praktischen Enderfolgs“ der Bittschrift. Wörtlich heißt es weiter: „Unsere Generation erlebt nicht den Schatten eines Erfolgs in Rom. Was spätere Geschlechter aus der Summe unserer und anderer Schritte profitieren, können wir nicht abwägen. Allein dabei handelt es sich immer nur um den von Rom allein abhängigen Erfolg.“83
Von einem römisch geprägten Katholizismus wandte sich ten Hompel in den folgenden Jahrzehnten gänzlich ab und ließ sich zunehmend von nationalistischen und völkischen Ideen mitreißen. Abschließend sollen einige Schlaglichter auf seinen bislang noch nicht dokumentierten weiteren Lebensweg geworfen werden.
Übersteigerter Nationalismus und Abkehr vom Katholizismus
Im August des Jahres 1918 wandte sich ten Hompel in einer längeren Abhandlung unter dem Titel „Quo vadis“ in der Rheinisch-Westfälischen Zeitung gegen die Friedensresolution des Reichstages, die mit Unterstützung des Zentrumsabgeordneten Matthias Erzberger vorgebracht wurde.84 Ten Hompel machte sich in seinem viel beachteten Beitrag gegen einen Artikel der Verständigung und für einen „Siegfrieden“ stark.85
Von der Zentrumspartei, der er zwar nicht angehört, aber doch nahe gestanden hatte, distanzierte sich ten Hompel im Dezember 1918, nachdem er sich mit der lokalen Parteiführung überworfen hatte, und trat vorübergehend in die Deutschnationale Volkspartei ein, die er allerdings bereits im Mai 1920 wieder verließ.86
Nach einigen Jahren ohne Parteizugehörigkeit bemühte sich ten Hompel um Aufnahme in die NSDAP, die offenbar im Herbst 1933 erfolgte.87 Über den Präsidenten der physikalisch-technischen Reichsanstalt, Johannes Stark (1874 – 1957), versuchte er die Ernennung von Graf Clemens August von Galen (1878 – 1946) zum Bischof von Münster zu verhindern. Ten Hompel drängte Stark, Hitler vor von Galen zu warnen, der sich durch seine Schrift „Die Pest des Laizismus“ disqualifiziert habe.88 „Unser Führer muss diese an Roms Terror anlehnende Schrift gelesen haben und niemals mehr wird er Galen als Bischof der ultramontanen päpstlichen Hochburg Deutschlands, hier im nordischen Rom noch dulden.“ Von Galen müsse abgelehnt, Vizekanzler Franz von Papen ausgeschaltet und ein „Märtyrer-Bischof aus der Hitlerbewegung“ ernannt werden.89
Das Engagement für seine im Jahr 1907 grundgelegte Kulturgesellschaft sah ten Hompel nun in einer Linie mit dem nationalsozialistischen „Kampfbund für deutsche Kultur“ und stilisierte sich zum Vorkämpfer gegen Ultramontanismus und „Deutschfeindlichkeit der Kurie“ im Sinne der nationalsozialistischen Ideologie.90 In einer Zusammenstellung seiner schriftstellerischen Arbeiten für die Reichsschrifttumskammer klagte er: „Die Ignorierung meines Schrifttums durch den Nationalsozialismus, dem ich die Wege seit 1908 und über meine Indicierung anno 1910 hinaus ebnete, den ich bewusst vorerlebte und bei sämtlichen Hitlerwahlen zielbewusst durch m. Schrifttum unterstützte, wie Professor Dr. Stark, Hitlers rechte Hand vor der Macht-Ergreifung bezeugen wird, – ist mir vollkommen rätselhaft.“ Voller Stolz verwies er auf seine Indizierung: „Vor Rosenberg war ich der einzige indicierte Laie Deutschlands.“91
Die Abschaffung des Index erlebte ten Hompel nicht mehr. Knapp fünf Jahre nach seinem Tod am 5. Dezember 1943 erschien das römische Verzeichnis der verbotenen Bücher ein letztes Mal.92 Erst im Jahr 1966 fiel die immer stärker werdende Kritik am Index librorum prohibitorum in Rom auf fruchtbaren Boden, und die Geltung der gut 500 Jahre alten Einrichtung wurde aufgehoben.93
Schriften von Adolf ten Hompel: Das furtum usus und die Nothwendigkeit seiner Bestrafung. Göttingen 1897 – Der Verständigungszweck im Recht. Ein Versuch zur Aufdeckung rechtpsychologischer Grundlinien unter besonderer Berücksichtigung der freien Wollensbedingung und ihrer gesetzlichen Hauptfälle im Kauf auf Probe, im Vorkaufs-, Rückkaufs-, Reu-, Rücktritts-, Wahlschuld-, Wandlungs-, Einigungs- und Eintragungs-Recht. Berlin 1908 – (Zus. M. Hermann Hellraeth und Josef Plaßmann:) Indexbewegung und Kulturgesellschaft. Eine historische Darstellung auf Grund der Akten herausgegeben. Bonn 1908 – Kiefl, Commer, Schell, in: Der Tag (B) v. 19. 8. 1908 – Über den Ursprung, die Entwicklung u. Abgrenzung des Rechts. Zwei Vorträge. Münster 1909 – (U. d. Pseudonym: Athanasius:) Das Cölner Osterdienstags-Protokoll. Ein Beitrag zur Würdigung latenter Kulturgegensätze im Katholizismus der Gegenwart. Bonn 1909 – Recht, Weltanschauung u. Praxis. Vortrag, geh. auf d. Ersten Kongress d. internationalen Vereinigung für Rechts- u. Wirtschafts-Philosophie. Berlin [u. a.] [1910] – Uditore Heiner und der Antimodernisteneid. Aphorismen und Eröffnungen zu Dr. Franz Heiners Schrift über die Maßregeln Pius’ X. unter Berücksichtigung einer brieflichen Äußerung Herman Schells. Münster [1910] – Der internationale Kongreß für Rechts- und Wirtschaftsphilosophie. In: Hochland 7/II (1910), 497 – 499 – Tatsachen. Antwort auf Uditore Heiners Streitschrift. Münster 1911 – (Anonym:) Pro memoria. Ein Beitrag zur Krisis im deutschen Katholizismus. In: Die Wahrheit. Kathol. Kirchenzeitung für Deutschland. NF 1, Nr. 24 (15. September 1911), 369 – 373 – Die Verbrechens-Bekämpfung als Aufgabe des christlichen Staatswesens. Gedanken und Vorschläge zu Fiedrich Wilhelm Foersters Studie Schuld und Sühne, sowie zu Andreas Thomsens Grundriß des deutschen Verbrechens-Bekämpfungs-Rechtes. Ein Beitrag auch zur Reform des Strafrechts. Münster 1912 – Recht, Kunst, Moral und Sittlichkeitsverbrechen. In: Hochland 10/II (1912), 346 – 353 – Die Ausschaltung der kirchlichen Büchergesetzgebung für Deutschland: Eine Folgerung aus den gegen das Privilegium Fori anerkannten Rechtsgrundsätzen. In: Der Tag (B) v. 29. 3. 1912 – Die Kernfrage im Gewerkschafts-Streit. Die praktische Unmöglichkeit des scholastischen Systems & seine Opfer. In: Frankfurter Zeitung Nr. 41 v. 8. 3. 1914 – Nachspiel zum katholischen Gewerkschafts-Streit. In: Die Christliche Welt. Evangelisches Gemeindeblatt für Gebildete aller Stände 28, Nr. 18 (30. 4. 1914), 422 – 428 – Angelsachsen-Trust. Zur Würdigung geschichtlicher Wahrheiten und imperialer Bestrebungen im Weltkrieg. In: Hochland 13/I (1915), 342 – 352 – Das Völkerrecht im Weltgericht des Weltkrieges. In: Deutsche Richterzeitung 8, Nr. 5/6 (1. März 1916), 157 – 161 – Quo vadis? Die Friedensbotschaft des Reichsboten und ihre Begleit-Erscheinungen. In: Rheinisch Westfälische Zeitung Nr. 643, 646, 649, 652 v. 14. – 17. 8. 1917 – Schicksalsfragen: Valuta-Musik & Börsen-Veits-Tanz. In: Münsterischer Anzeiger Nr. 41 v. 26. 1. 1921 – (U. d. Pseudonym Hermann Wahroder:): Sturmflut. Schicksalstragödie eines Volkes. Regensburg und Leipzig. [1923?] – (U. d. Pseudonym: Athanasius:) Die Seelennot eines bedrängten Volkes. Von der nationalen zur religiösen Unterdrückung in Südtirol. Nach authentischen Dokumenten. Innsbruck 1927.
Sekundärliteratur: Jan Dirk Busemann: „Diese Laien aus Münster!“ – Adolf ten Hompels Index-Liga und Kulturgesellschaft. In: Rottenburger Jahrbuch für Kirchengeschichte 28 (2009) [In Vorbereitung] – Karl Hausberger: Herman Schell (1850 – 1906). Ein Theologenschicksal im Bannkreis der Modernismuskontroverse. Regensburg 1999, 407 – 414 – Norbert Trippen: Kirche und Lehramt im Konflikt. Die kirchlichen Maßnahmen gegen den Modernismus im Jahre 1907 und ihre Auswirkungen in Deutschland. Freiburg i. Br. u. a. 1977, 51 – 67 – ders.: „Zwischen Zuversicht und Mutlosigkeit“. Die Görres-Gesellschaft in der Modernismuskrise 1907 – 1914. In: Saeculum 30 (1979), 280 – 291 – Manfred Wolf: Nachlässe aus Politik und Verwaltung (Das Nordrhein-Westfälische Staatsarchiv Münster und seine Bestände 3). Münster 1982, 153 – 161 – Wer ist’s? Unsere Zeitgenossen, hrsg. v. Hermann A. L. Degener. Berlin 101935, 716.
Gertrud von le Fort (1876 – 1971)
Gertrud von le Fort
Zwischen christlicher Moderne und evangelischer Katholizität
Aleksandra Chylewska-Tölle
Als Gertrud von le Fort im Jahr 1956 durch die Katholische Theologische Fakultät der Universität in München mit dem Titel eines Dr. theol. h. c. ausgezeichnet wurde, fand dies im katholischen Deutschland ein gewaltiges Echo, weil ihr als erster Frau diese Würde zuteil wurde. Bereits seit den 20er-Jahren galt sie in vielen Leserkreisen als „katholische Dichterin“, und zwar aufgrund der ihre Werke konstituierenden Elemente wie der Wahrung katholischer Tradition oder der Beschreibung katholischer Bräuche und der Schönheit der Liturgie. Dennoch ist es unmöglich, das Werk le Forts in irgendeiner Weise theologisch zu vereinnahmen. Dies bedeutet freilich nicht, dass die Theologie für ihre Dichtung methodisch irrelevant war. Sie selbst bemühte sich darum, falsche „Theologisierungen“ ihres Werkes abzubauen.
Gertrud von le Fort war keine Theologin und sie betrachtete ihr Gesamtwerk nicht als eine dienende, eine ancilla-Funktion der Theologie. Sie war auch keine Philosophin, wie Joël Pottier zu Recht vermerkt, sondern eine Dichterin, die „in Bildern und Visionen lebte“,1 die aber zugleich philosophisch-theologisches Gebiet betreten hat. In ihren Werken, aber auch in der umfangreichen Korrespondenz und in den autobiographischen Schriften, begriff sie die „Mysterientheologie“ als Kern der Auseinandersetzung mit dem Christentum. Gemeint war hier das erneuerte Verständnis der christlichen Religion in ihrem Geheimnischarakter und die erneuerte Besinnung auf die Realität der sakramentalen Anwesenheit Christi auf Erden. Die letztlich von der Kirche so hoch geschätzte Gertrud von le Fort hatte jedoch lange auf eine öffentliche Anerkennung ihrer Arbeiten warten müssen. Um ihre Bedeutung im katholischen Milieu Deutschlands deutlich zu machen, muss deshalb zunächst kurz auf ihr Werk eingegangen werden.
Auf dem Weg zu einer tragfähigen Identität der Kultur
Das bis heute kaum beachtete Frühwerk in Vers und Prosa aus dem Zeitraum von 1895 bis 1924 zeugt zwar bereits vom Interesse der damals noch protestantischen Autorin an der Welt des Katholizismus, aber die Gestalten der Klosterfrauen, der Geistlichen, der von Heirat träumenden Jungfrauen und der wegen nicht erwiderter oder verratener Gefühle verletzten Protagonisten stehen hier durchaus in der neoromantischen Tradition. Während aber bei den meisten Vertretern dieser Strömung solche Figuren nicht unbedingt christliche Bedeutung besaßen, sind sie bei le Fort Träger und Verkünder der christlichen Lehre. Eine Wende, auch im dichterischen Schaffen, wurde bei der jungen Autorin 1907 auf ihrer ersten Romreise eingeleitet, während derer sie zum ersten Mal intensiv mit der katholischen Welt konfrontiert wurde.
Im Jahr 1908 begann Gertrud von le Fort in Heidelberg ihr Studium, das sie später in Marburg und Berlin fortsetzte. Die Auflistung der von ihr im Wintersemester 1910/11 besuchten Vorlesungen zur Theologie, Kirchengeschichte und Kunstgeschichte gibt einen Überblick über die Bereiche, die sie damals besonders faszinierten. Es waren „Glaubenslehre“ und „Geschichte der neueren Philosophie“ bei Ernst Troeltsch, „Von der Antike zum Mittelalter“ bei Hans von Schubert, „Vom Mittelalter zur Neuzeit“ bei Otto Cartellieri, „Richard Wagner“ bei Henry Thode, „Übungen zur politischen und Kulturgeschichte des Mittelalters“ und „Italienische Kulturgeschichte“ bei Eberhard Gothein sowie „Aufklärung und Romantik“ bei Albert Schmid.2 Sie bezeichnete die Heidelberger Jahre später als die „wichtigste und entscheidendste Etappe“3 ihres Lebens. Ihre Auseinandersetzung mit theologischen und philosophischen Fragen war von dem Wunsch getragen, ins Transzendente vorzustoßen. Gertrud von le Fort beschäftigte sich intensiv mit dem deutschen Idealismus sowie der Theologie ihres Professors und zugleich Freundes Ernst Troeltsch (1865 – 1923), weil sie hier einen wesentlichen Ausdruck deutscher Geistigkeit sah, und zwar in ihrer preußischen Form. Später räumte sie ein, es gebe noch andere beispielhaft deutsche Formen und Geistesrichtungen.






