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Nicht nur Wolf Biermann, den vor allem das anfänglich hartnäckige Leugnen Andersons erzürnt hat, und Cornelia Schleime dürften die Sache anders beurteilen als Schlink. In seiner Autobiographie betont Biermann noch einmal, im Kapitel über die Anderson-Enthüllung, »wie wichtig die Aufarbeitung der Stasi-Unterlagen ist«9 – allein die Stasi-Akten, die Biermann selbst betreffen, umfassten, als er sie 1992 erstmals musterte, 50 Ordner und darin rund 20 000 Blatt. Mehr als 200 Spitzel waren es, die regelmäßig oder gelegentlich Berichte über Biermann verfasst haben, als Beigaben zum »Zentralen Operativen Vorgang« (ZOV) unter dem Codewort »Lyriker«. Die Berliner Behörde für die Stasi-Unterlagen (BStU) verwaltet eine Aktenmenge, die aufgereiht eine Strecke von 111 Kilometern füllt. Solange dies bedrückende Erbe der zweiten Diktatur auf deutschem Boden nicht vollständig mit der Akribie und dem Ernst, die von vielen Betroffenen eingefordert werden, aufgearbeitet ist, geht die große Zeit des Verrats nicht vorüber, wie Schlink denkt. Sie bleibt vielmehr deprimierend virulent, besonders wenn man sich vergegenwärtigt, dass viele Opfer und Täter noch leben; und dass etwa die parallel zu würdigenden Stasi-Akten von Diktaturen wie der sowjetischen immer noch überwiegend unzugänglich sind.
Auch Vera Lengsfeld dürfte kaum bereit sein, auf den Stasi-Verrat mit mildem Lächeln zurückzublicken. Die Berliner Politikerin und Publizistin, die zu DDR-Zeiten Mitglied der aufsässigen Bewegung »Kirche von Unten« war, wurde jahrelang von ihrem eigenen Ehemann, dem dänischen Lyriker Knud Wollenberger, an die Stasi verraten, was zugleich eine persönliche und eine politische Schweinerei gewesen ist. Sie hat sich scheiden lassen und nach der Lektüre ihrer umfangreichen Stasi-Akte das Buch »Virus der Heuchler« (1992) veröffentlicht, das deutlich macht, wie unfassbar sie den jahrelangen Verrat an ihrer Seite fand, als sie ihn entdeckte. Und das ist er ja bis heute: einfach unfassbar.
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