Georg Schweinfurth: Afrikanisches Skizzenbuch

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Aber, wird man fragen, diese einförmigen Flächen, auf welchen der geringste fremde Gegenstand sich von weitem so bemerkbar macht, bieten ihnen doch die größte Gefahr einer gegenseitigen Verfolgung dar? Mitnichten; denn die Natur kleidet alle diese Tiere in das Gewand der „schützenden Ähnlichkeit“, erteilt ihrem Kleide die Farbe des Bodens, auf welchem sie sich bewegen. In der Tat kann es im Allgemeinen als Regel gelten, dass den Tieren der höchsten Polarzone die Farbe des Schnees, denen der Wüste aber die Farbe des Sandes eigen ist. Man möchte versucht sein, sagt Brehm an einer ähnlichen Stelle, bei Betrachtung der Wüstentiere einmal gläubiger Nachbeter der Zweckmäßigkeitslehre zu sein.
Die Bewohner der Wüste, in Sonderheit die höher entwickelten, wissen aber auch noch durch andere, ihrer Lebensart eigentümliche Regeln den sich dem Dasein entgegenstellenden Gefahren aus dem Wege zu gehen. Sie bedienen sich unterirdischer Wohnungen und suchen sich ihre Nahrung unter dem Deckmantel der Nacht. Zu beidem zwingen sie außerdem die klimatischen Verhältnisse. Diese nördlichen Wüstenstrecken sind nicht nur durch die beispiellose Seltenheit des Regens, sondern auch durch ungewöhnliche Temperaturschwankungen ausgezeichnet. Man kann getrost sagen, dass der Regen in der Libyschen Wüste eine so seltene und lokale Erscheinung sei, wie der Nachtfrost in Deutschland zur Sommerzeit. Im Januar und Februar kann in diesen Wüsten bei Nacht das Thermometer einige Grade unter den Gefrierpunkt fallen; die mittlere Tageswärme dieser Monate bleibt weit hinter dem von Ländern derselben Breite zurück. Die Hitze der übrigen Monate ist groß. Nie eine regenspendende Wolke, nur die Nacht wirft alsdann ihre kühlenden Schatten über die stets durstende Erde, und sehnsüchtig harren die Pflanzen des wiederkehrenden Taus, dem ihnen der Nordwind bringt.
In ihren tiefen Gruben und Löchern genießen die Tiere des Vorzugs einer mittleren Jahrestemperatur; im Winter sind ihre Behausungen warm, im Sommer zur Tageszeit weit kühler als die äußere Luft. Das nächtliche Umherstreifen beschränkt ihren Wasserbedarf auf das niedrigste Maß. Es erklärt sich aus dem Angeführten von selbst, dass alles Tierleben in der Wüste mehr oder minder einen nächtlichen Charakter annehmen muss.
In der absoluten Wüste äußert sich indes das tierische Dasein überall als ein exzeptioneller Notstand; die Tiere fristen daselbst, wie die Pflanzen, eine eigentlich nur der Erhaltung des Individuums, nicht der Vermehrung gewidmete Existenz. Wie nun die Pflanzen gewisser Vegetationsmittelpunkte bedürfen, um die Wüste selbst immer wieder mit frischen Keimen zu versehen, die sich bald hier, bald dort die Bedingungen zu ihrer Existenz zu suchen haben, wie wir das Wüstenkamel alljährlich auf den fetten Kleeweiden des Niltals einer Stärkungskur unterzogen sehen, so schöpft auch das ephemere Tierleben der eigentlichen Wüste aus deren Vorratskammern, den Oasen, stets neue Lebenskraft. Es ist anzunehmen, dass ohne eine solche Schadloshaltung die Art in den meisten Fällen allmählich auf jeden weiteren Fortbestand zu verzichten hätte.
Solche Stützpunkte des Tier- und Pflanzenlebens sind die Oasen, welche gleich einsamen, kleinen Eilanden hin und wieder, meist aber in ungeheuren Abständen voneinander, aus den öden Flächen des steinernen Meeres hervorstechen. Strabo vergleicht die Wüste mit ihren Oasen einem gefleckten Leopardenfelle, aber ein derartiges Bild würde, auf die Libysche angewandt, zu den übertriebensten Vorstellungen Anlass geben, denn diese Flecken sind winzig klein, sehr zerstreut und unregelmäßig verteilt.

Oase – Foto: CCBY 2.0
Die Oasen sind nicht Flecken, sondern Löcher in der steinernen Decke, welche der organischen Schöpfung die Basis eines quellreichen und Pflanzenwachstum ermöglichenden Bodens entzogen hat. Tief unter dem über tausend Fuß hohen Kalksteinplateau, das die Libysche Wüste darstellt, bewegen sich rätselhafte Wasserzüge von erstaunlicher Fülle. Da, wo nun dieses Plateau Lücken darbietet, die durch Einflüsse noch völlig unbekannter Natur entstanden, konnte sich das Wasser aus der Tiefe Bahn an die Oberfläche brechen. Der Mensch siedelte sich an den Quellen an, und indem er der Natur nachhalf, indem er durch künstliche Brunnenschachten einen immer reicher werdenden Wasservorrat erschloss, vermehrte er den Umfang dieser Zufluchtsstätten auch für die Pflanzen und Tiere. Manche Oasen wurden dergestalt zu kleinen, wohlbevölkerten Kulturdistrikten; später, als die Hilfe des Menschen nachließ, als Hunderte von Brunnen verschüttet waren, nahm auch die Wüste wieder von dem ihr abgetrotzten Boden Besitz; die wandelnden Sandhügel bedeckten das gewonnene Ackerland und nur wenig erhielt sich von der ehemaligen Kultur. In dieser Lage befindet sich zu unserer Zeit die Große Oase, welche man einige Tagereisen im Westen von Theben erreicht, und die deshalb auch den Namen der Oase von Theben führt.

Oase von Theben
Das Vorhandensein eines Restes von Kulturland, welches selbst heute noch immerhin seine fünf- bis sechstausend Menschen ernährt, musste natürlich daselbst die Bildung der oben erwähnten Verbreitungsmittelpunkte gewisser Tierarten begünstigen, welche wir in weitem Umkreise um die Große Oase, gleichsam strahlenförmig in die völlige Einöde der Wüste hinaus ihren Einfluss ausüben sehen. Zunächst erblicken wir am Rande der Wüste den Boden von zahllosen Löchern kleiner Nagetiere durchfurcht, von denen bei der überraschend großen Anzahl der in der Großen Oase vorhandenen Raubtiere, angenommen werden kann, dass sie einer fast unbegrenzten Vermehrung fähig seien. Es sind Springmäuse und Wüstenmäuse, welche hier ihr Wesen treiben, schwelgend im Überfluss aufgehäufter Lebensmittel, während ihre Artgenossen im Innern der Wüste von den wenigen dort vorhandenen Wurzeln, vom Miste der Zugvögel und dergleichen ihr Dasein fristen müssen und vielleicht nie einen Tropfen flüssigen Wassers zu kosten bekommen. Die großen Haine der Dattelpalme aber, welche den Hauptgegenstand der Oasenkultur ausmacht, wimmeln von großen Ratten der Alexandriner Art. Auf die Häufigkeit dieser Nager stützt sich vornehmlich die Existenz der in der Großen Oase und ihrer Umgebung angesiedelten Räuber größerer und kleinerer Art. Es sind ihrer daselbst fünf Arten, und da ihre Individuenmenge zu den bemerkenswertesten Eigentümlichkeiten dieses abgeschiedenen Erdenwinkels gehört, so lenkten sie vor allem meine Aufmerksamkeit während eines dreimonatigen Besuches auf sich.
Das größte von den fünf Raubtieren der Oase – denn die Hyäne fehlt daselbst des geringen Viehstandes und der mangelnden Kamele wegen – ist der nordafrikanische Wolf, den die Araber „Dib“ nennen. Alsdann folgen der Größe nach der libysche Luchs, der Nilfuchs, der Schakal und zuletzt der kleinste Repräsentant der wilden Hundefamilie, der dem Edelmarder an Größe gleichkommende Wüstenfuchs oder „Fennek“.
Lange kann ein Reisender Ägyptens Wüste durchwandert haben, bevor ihm von den räuberischen Vierfüßlern, die sie bewohnen, durch Zufall einmal mehr zu Gesicht gekommen wäre, als die Fußspur, welche sie hinterlassen. Große Geduld auf nächtlichem Anstände hat er zu bewahren, will er des einen oder anderen derselben irgendwo habhaft werden. Das sicherste Mittel zu diesem Zwecke gewähren ihm unsere Fallen und Fangeisen, denn diese zwar im Übrigen so schlauen Naturkinder fallen ihnen infolge ihres ungewitzten Gemütes gar leicht zum Opfer.
Am besten hatten sich während meines letzten Besuchs in der Oase die größeren Fuchseisen oder Schwanenhälse bewährt, denn mit Ausnahme des verschlagenen Dib gingen alle die genannten Räuber unbedenklich in die Falle, selbst wenn der Apparat bloß offen auf den Sand gelegt worden war. Nur durfte seine Anwendung in einer und derselben Gegend nicht mehrere Tage hintereinander fortgesetzt werden; ungeachtet der sorgfältigsten Reinigung mieden alsdann alle Tiere das verräterische Eisen, als wäre die Kunde von einer seitens der Arglist des Fremden drohenden Gefahr schnell unter ihnen von Munde zu Munde gegangen. Wer aber nie, selbst wenn sie aufs sorgfältigste im Sande vergraben worden, in die Falle ging, war der von den Oasenbewohnern hinsichtlich seiner Gescheitheit dem Affen zur Seite gestellte Dib, der Wolf der Wüste. Stets umschleicht dieser voll Misstrauen den freiliegenden Köder, scharrt und tastet, sondiert wohl auch die Stelle von unten her, bis das tückische Eisen seinen Blicken freiliegt; man vermag ihm eben nur mit Hilfe der Kugel beizukommen.
Unmittelbar nach Sonnenuntergang beginnen die Dibs ihre Streifzüge, kehren aber bei völliger Dunkelheit wieder zu ihren Schlupfwinkeln zurück, denn ihr schwaches Gesichtsvermögen flößt ihnen alsdann ein Gefühl von Unsicherheit und Zaghaftigkeit ein. Dies ist auch der Grund, weshalb sie bei ihren Unternehmungen einer mondklaren Nacht den Vorzug zu geben und ihre Hauptcoups für das erste Morgengrauen zu reservieren pflegen. Allabendlich bei vorgeschrittener Dämmerung hallte die ganze Oase wieder vom abscheulichen Geheule der Dibs, welche sich am Rande des Kulturlandes zusammenrotten, um den daselbst besonders häufigen Wüstenmäusen, in Ermangelung einer besseren Beute, mit vielem Eifer nachzugraben. Andere wagen sich frech bis in die Gärten und Dattelhaine, wo sie sich mit den Hunden der Bewohner umherbalgen. Wenn die Dibs zu heulen beginnen, so geschieht es in der Regel a tempo und so unerwartet und plötzlich, dass der Reisende erst nach geraumer Zeit sich des täuschenden Eindrucks zu entschlagen vermag, als wären es wehklagende Kinderstimmen, die er vernimmt. Oft bin ich in solchem Falle erschrocken ins Freie geeilt, um die Ursache des Geschreies zu erfahren; das bald darauf einfallende Hundegebell musste mich immer wieder von neuem meines Irrtums belehren. In langgezogenen herzzerreißenden Tönen erscholl da ihr von Hunger und Brotneid eingegebenes Jammergeschrei; dazu gesellte sich noch der nächtliche Ruf des Käuzchens, welches überall im alten Gemäuer zu Hause ist, der Stimme eines alten Weibes nicht unähnlich. Die übrigen Räuber verrieten durch keinen Laut ihre den Taubenhäusern und Hühnerhöfen so gefährliche Nähe. Schweigsam schlichen sie ihre bedächtigen Wege.
Die Stimme des Wüstenfuchses habe ich nur in meinen eigenen Mauern zu hören bekommen, obgleich dieses Tier an Menge alle die Stammesgenossen in der Oase bei weitem übertrifft und stellenweise der Sandboden von seinen Fährten wimmelt, als wäre eine Hammelherde darüber weggezogen.
Der Wüstenfuchs ist im südlichen Algier und Marokko ebenso häufig wie in der Libyschen Wüste, welche er in ihrer ganzen Ausdehnung von den Toren Alexandriens bis nach Kordofan hinein, von Dongola bis nach Fezzan zu bewohnen scheint. Der Name Fennek war indes in der Großen Oase unbekannt; die Eingeborenen pflegten die Wüstenfüchse schlechtweg als „Hossenat“, das heißt Füchse zu bezeichnen. Da ich kein Verfahren kannte, die letztgenannten Tiere lebendig einzufangen, dieselben aber seit langer Zeit ein besonderes Bedürfnis des Berliner Zoologischen Gartens bildeten, so forderte ich die Einwohner durch verlockende Angebote zu ihrem Fange auf. Es waren kaum vierzehn Tage verstrichen, als ich mich auch schon im Besitze von drei Dutzend dieser reizenden Geschöpfe befand, und immer neue wurden mir zugetragen – der Vorrat schien in der Tat unerschöpflich.

Fennek – Wüstenfuchs
Weil ich nicht Ketten und Käfige genug zur Hand hatte, um die Füchse alle festzumachen, so entwich mir der größte Teil derselben in ganz kurzer Zeit; andere verendeten durch allerhand Unfälle, durch Erwürgen, durch herabfallende Steine in der Ruine, die mir als Herberge diente; der Ersatz wäre immer wieder aufs leichteste zu beschaffen gewesen. Den Fennek-Fang hatten die Knaben der Oase für sich allein in Anspruch genommen. Wo man zwischen den Sanddünen oder den Kalkfelsen nur hinblicken wollte, überall begegnete man den kleinen aus Gras und Stroh errichteten Hütten, welche die Knaben im Umkreise des Ortes als Fallen aufgestellt hatten. Als Köder bedienten sie sich der Datteln, der Lieblingsspeise des Wüstenfuchses, welche er jeder anderen Kost vorzieht. Die einen Fuß hohen, schoberartig zusammengebundenen Hüttchen hatten unten am Boden eine runde, knapp der Kopfbreite des Tieres entsprechende Öffnung, und in dieser hing maskiert die verhängnisvolle Schlinge von schwachem Palmbaststricke. Wenn nun der Fennek zu den auf dem Boden des Hüttchens frei daliegenden Datteln hineinschlüpfen wollte, zog er sich selbst die Schlinge um den Hals. Ein Knoten am Stricke, in dem seiner Halsweite entsprechenden Abstande angebracht, hielt die Schlinge geeignetenorts auf und schützte den Gefangenen vor dem Erwürgtwerden, und ein der Länge nach durchbohrtes Stück Holz, durch welches der Strick gezogen war, den im Bereiche seiner Zähne befindlichen Teil des letzteren vor dem Zernagtwerden. So fand man des Morgens die hoffnungslos am Strick zappelnden Wüstenfüchse, wenn sie nicht inzwischen von einem größeren Räuber verzehrt worden waren. In der Regel kann man annehmen, dass das feine Gebiss der Fenneks einem etwa fingerdicken Stricke nichts anzuhaben vermag, in der ersten Überraschung und Verzweiflung aber versucht das Tier jedenfalls alles Mögliche sich zu befreien, sollte sogar dazu eine Selbstverstümmelung verhelfen. Der erste Fennek, der meinen Fallen zum Opfer fiel, sich aber später befreite – es war ein gewöhnliches Teller- oder Mardereisen – hinterließ in derselben die abgebrochene Spitze seines Unterkiefers mit den sechs Zähnen.
Sehr auffällig erschien es mir, wie die gefangenen Fenneks ihre ursprünglichen Sitten ablegten und die gewohnten Laute einstellten. Mit Recht legt daher auch Brehm, der unerreichte Darsteller des Lebens der Tiere, nur geringen Wert auf die Beobachtung der Lebensgewohnheiten im nichtfreien Zustande. In der ersten Zeit hatte ich meine Gefangenen, an Messingketten gefesselt, in allen Ecken und Winkeln der von mir bewohnten Ruine untergebracht. So unbändig sie sich in ihrem gegenseitigen Verhalten auch anfangs gebärdeten, ebenso geduldig und schweigsam wurden sie nach Verlauf weniger Tage. In Wut geraten, was jedes Mal bei Annäherung des Menschen geschieht kläffen sie wie ganz kleine junge Hunde und unter lebhaftem Vorschnellen des Kopfes stoßen sie schnell hintereinander ihr „Kack, Kack, Kack“ aus, Laute, welche sie noch in der späteren Gefangenschaft beibehalten.
Doch wenden wir uns zur Betrachtung der reizenden Gestalt dieses das Auge eines jeden Naturfreundes mit Entzücken erfüllenden Wüstenkindes selbst! Zunächst fesselt den Blick des Beschauers das ausdrucksvolle Köpfchen mit den großen strahlenden Augen, mit dem fein zugespitzten und von langen Schnurren besetzten Schnäuzchen und den immensen Ohren. Stets kläffend und in Wut, sobald man sich ihm Auge in Auge genähert, bezaubert uns schon die Lebhaftigkeit im Ausdruck des gleichsam voll Schadenfreude ob vollbrachter Bosheit frohlockenden Gesichts des niedlichen Tieres; man kann ihm nicht gram werden, dem kleinen Bösewicht; man fühlt sich da wie einem schönen Kinde gegenüber, dessen Reize die Wut ausgelassener Unart erhöht.
Abgesehen von den großen, ihm ein so abenteuerliches, fast fledermausartiges Aussehen erteilenden Lauschern, deren Länge von der Wurzel bis zur Spitze genau der Totallänge des Kopfes gleichkommt, und den besonders zierlichen, fein bepfoteten Füßchen, scheint der Fennek in keinem wesentlichen Stücke vom Gattungscharakter des Fuchses abzuweichen. Seine ganze Länge erreicht kaum zwei Fuß, und davon gehen acht Zoll für die Standarte ab. Die oben an der Basis des Schwanzes bei allen Füchsen vorhandene Drüse, die sogenannte Viole, duftet beim Fennek nach Rosen und ist durch einen schwarzen Schattenring markiert. Viele Naturforscher haben in der ovalen Gestalt der Pupille einen Unterschied von den übrigen Füchsen nachzuweisen gesucht. Der Berliner Zoologische Garten gab nach genauer Untersuchung der Fenneks sein Urteil dahin ab, dass ihre Augen, wenn man sie dem Sonnenlicht aussetzt, eine ebenso spaltförmige Pupille erkennen lassen, wie die des Fuchses, nur sei die kastanienbraune Iris nicht am Rande, sondern gegen die Mitte zu tiefer gebräunt, wodurch der Eindruck einer rundlichen Pupille hervorgerufen werde.
Die Färbung des Fennek-Balges ist in ihren Nuancen ebenso zart wie die feine Gliederung der feinen Gestalt. Strohgelblich, etwas ockerig auf der ganzen Oberseite, Kopf und Lauscher mit inbegriffen, spielt sie mehr oder minder in jene frische Sandfarbe hinüber, die man isabellgelb nennt; die Beine, sowie die ganze Unterseite des Körpers, mit Ausnahme der Standarte, sind vom reinsten Weiß. Jüngere, nicht die älteren, Individuen sind am ganzen Körper um mehrere Schatten heller, fast weißlich. Der Balg ist wie von Seide und füllt sich zur Winterzeit mit dichtem Wollhaar, wodurch das Fleckige und Buschige des Pelzes noch mehr in die Augen tritt. In manchen Gegenden nennen die Araber daher auch den Fennek „Abu Ssuf“, d. h. Vater der Wolle. „Alles, was aus der Wüste kommt,“ sagt der Araber, „ist zierlich und nett“, nichts aber in der Welt gibt uns eine Vorstellung von jener Zartheit und Reinheit eines frisch eingefangenen Fennek, es sei denn, dass sich der Vergleich an kunstvoll gewaschene Straußenfedern halte oder an den leichten Flaum des Marabu. Diesem weichlichen Kleide entspricht auch der hohe Grad von Empfindlichkeit, welchen das Tier gegen Kälte äußert. Nach besonders kalten und stürmischen Winternächten fehlte auf den vom Nordwinde frischgefegten Sandflächen jegliche Fennek-Spur; das Tier hungert lieber in den warmen Löchern, die es sich nach Art der Füchse gräbt, als dass es seinen zarten Körper der Unbill des Wetters preisgäbe.
Sehr mannigfaltig ist, je nach der Jahreszeit, die Nahrung des Fennek. In der eigentlichen Wüste sind es zunächst die Eidechsen, welche sich fast überall aufspüren lassen und vom Fennek stets mit großer Gier gefressen werden. Von mehr lokaler Verbreitung sind die eigentlich als die Basis der Fennek-Existenz anzusehenden Wüstenmäuse. Gelegentlich bietet sich dem Fennek ein besonders fetter Bissen in den Flughühnern und Wüstenlerchen, wenn er ihren nächtlichen Ruheplatz zu erspähen vermag; dazu kommt noch das ganze Heer von Zugvögeln, deren Auswurfstoffe ja gewiss auch, wie die der Kamele auf der Heerstraße, einen bedeutenden Zuschuss zum Haushalte der niederen Wüstentierwelt liefern mögen, ein Umstand, welcher, zieht man die Menge der im Frühjahre und Herbste die stille Öde der Wüstenflugbahn bevorzugenden, zum Teil sehr großleibigen Passanten in Betracht, von nicht zu unterschätzender Bedeutung erscheint und die Möglichkeit mancher sonst rätselhaften Wüstenexistenz zu erklären vermag.
Heuschreckenschwärme, welche nicht selten die Oase heimsuchen, gewähren dem Fennek eine erwünschte Abwechslung in der Kost. Die stellenweise so häufigen großen Wüstenkäfer aber lässt er stets unberührt, obgleich er die zum Teil so hart gepanzerten Eidechsen mit Stumpf und Stil zu verzehren pflegt. Im Falle der Not, so behaupten die Bewohner, soll der Fennek sogar zu den Fröschen seine Zuflucht nehmen, deren es in den zahlreichen Tümpeln und Pfützen der Oase eine Menge gibt. Seine blutdürstige Fuchsnatur bekundet aber der Fennek vornehmlich im Beschleichen des zahmen Federviehs. Er schrickt selbst vor halbwüchsigen Truthühnern nicht zurück. Beim Blutsaugen befolgt er ein eigenes Verfahren. Mit seinen nadelscharfen, kleinen Zähnen vermag er sich so festzubeißen, dass ich ihn manchmal an den Fingern eines von ihm Gebissenen hängen bleiben sah, bis ihn die Kraft des menschlichen Armes von sich schleuderte. Jedes Geflügel wird vom Wüstenfuchs entweder an der Brust oder am Rücken gepackt, alsdann saugt er trotz alles Zappelns und Flügelschlagens demselben das Blut aus. Man hat mir dutzendweise die Leichen der so Hingemordeten gebracht, immer war an ihnen der Hals unversehrt, und nur einige feine Löcher am Rumpfe verrieten die Todesart. Der Vernichtungskampf, welcher neben den Nilfüchsen, die stellenweise daselbst ebenfalls von außerordentlicher Häufigkeit sind, von den Fenneks allen Hühnern und Tauben der Großen Oase bereitet wird, ist in der Tat so groß, dass die Einwohner von der tückischen Begabung dieser unabwehrlichen Räuber die übertriebensten Vorstellungen haben.
Als kurz nach der Zeit, da mir eine große Zahl eingefangener Fenneks wieder entwichen war, ihre nächtlichen Angriffe auf das Geflügel der Ortschaft zufällig sich vermehrt hatten, schrieben die Oasenbewohner es dem Umstande zu, dass die Flüchtlinge ihren Brüdern in der Wüste den Weg zur Stadt gezeigt hätten; ihr Schaden, meinten sie, sei nun größer, als der bei dem Fange der Fenneks ihnen aus meiner Kasse zugeflossene Gewinn. Jede Jahreszeit bietet in der Oase den Raubtieren eine andere Art Futter dar, auch an vegetabilischer Kost, wie sie ihnen erwünscht ist, fehlt es nicht.
Vom Nilfuchse behaupten die Einwohner, dass er zur Erntezeit die Weizenfelder bestehle. Vom Wüstenwolf ist es allgemein bekannt, dass er ihnen zur Sommerszeit die Gurken und Melonen wegfrisst, alle diese Tiere aber scheinen der Dattelfrucht vor allen anderen Leckerbissen den Vorzug zu geben, und gewiss nicht der letzte dabei ist der Fennek. Seine Vorliebe für Datteln gab zur Entstehung des Märchens Veranlassung, dass er auf Bäumen lebe und sich Nester baue; es hieß, er klettere so gewandt wie eine Katze – dergleichen Unglaubliches mehr wurde von seinen Lebensgewohnheiten berichtet. Die im August beginnende Dattelernte ist daher eine Zeit der Feste für diese Tiere, und die überall in den öden Felstälern des östlichen Oasenrandes zerstreut umherliegenden Dattelkerne legen Zeugnis ab von dem Überfluss jener Tage.
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Fünf Tage in die unzugängliche Bergwildnis am Roten Meer – Ein Reise-Brief
Fünf Tage in die unzugängliche Bergwildnis am Roten Meer – Ein Reise-Brief
Meine im Januar 1865 ausgeführte Reise durch die Wüste von Keneh bis Kosser glich einem angenehmen Spaziergang bei uns in der Frühlingszeit. Botanische Sammlungen wurden nicht viel gemacht, da die Vegetation noch sehr im Rückstande war. Die überall massenhaft auftretende Zilla, die zweijährige Kruzifere, die arabisch „Silli“ heißt, und von der die vorjährigen Stauden alle in Blüte standen, bedingt hauptsächlich das üppige Grün, in das diese Felsentäler gekleidet erscheinen, und bietet den Kamelen eine unerschöpfliche Weide. Wenn wir des Abends unser Lager aufschlugen, da warf ich meine Matte auf die hohen Dorndickichte der Sille und verfiel auf dem elastischen Federpolster, das ich mir solchergestalt bereitet hatte, bald in einen ungestörten erquickenden Schlaf, umfangen von den Träumen der Reise und den roten Blütenmassen der von mir beschriebenen und abgebildeten Pflanzen. Aus dem Schmutz des unerträglichen Nilstaubes so schnell in die reine trockene Wüstennatur versetzt zu werden, die freie Luft dieser Gebirgseinöden einzuatmen, an dem majestätischen Ernst der dunkeln Felsmassen und der feierlichen Ruhe, die überall herrscht, sich zu erbauen, bot mir einen hohen Genuss. Hier begann erst das wahre Reisen, nachdem mich widrige Winde und andere Unannehmlichkeiten so lange im Niltal zurückgehalten hatten. Während dieser Tage lebte ich fast ausschließlich von der Jagd, da ich täglich zahlreiche Felsentauben und zweierlei Steinhühner erlegte, die im Winter häufiger zu sein scheinen, als in den heißeren Monaten. Für denjenigen, der in dieser Jahreszeit vom Nil an das Rote Meer gelangt, erscheint der Wechsel der Temperaturverhältnisse sehr auffallend. Es fehlen nämlich hier die kalten taureichen Nächte, wie sie dem Niltal und namentlich dem begrenzenden Wüstensaum eigentümlich sind; denn die Seeluft, stets bestrebt, alle Unterschiede auszugleichen, verleiht dieser Küste einen milden Winter und einen verhältnismäßig kühlen Sommer, letzteres gilt hauptsächlich für Kosser. Südlich vom Wendekreise greifen natürlich ganz andere Verhältnisse Platz.
Von Kosser aus unternahm ich einen Ausflug zu den südlich gelegenen Gebirgen, dem Gebel (= Berg) Abu Tiur und Gebel Ssubah, die durch ihre schönen blauen Umrisse, die sie am Horizont gewähren, schon früher meine Neugierde aufgestachelt hatten. Ich mietete mir einen Abadi (Eingeborenen) und ein Kamel und trat so die gemütliche Wanderung an. Mein nächstes Ziel war der Brunnen Hendosse, der 5 deutsche Meilen in SSW von Kosser gelegen ist. Die botanische Ausbeute während dieser Tour war zwar keine reiche zu nennen, sie bot mir indes mancherlei neue Gesichtspunkte und bereicherte immerhin meine Sammlungen mit neuen Formen und schönen Exemplaren. Hier in den dem Meere näher gelegenen Gebirgen war übrigens die Vegetation um wenigstens einen Monat vor derjenigen der Wüste voraus.










