Traumwandler

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Nun sah er vollkommen verdattert aus.
Ich merkte, wie ich meine Gefühle nicht mehr länger kontrollieren konnte; mit einem Ruck drehte ich mich um und stürmte aus dem Saal.
Ich war überrascht, dass mich keiner von ihnen zurückhielt – bis ich das Tor erreicht hatte, hätten sie genug Zeit gehabt -, doch vermutlich hatte ich sie beide überrumpelt.
Wenigstens darüber konnte ich zufrieden sein.
Während ich die Treppen hinunterstürmte, wartete ich die ganze Zeit darauf, dass der Schwindel einsetzte. Nichts passierte. Vielleicht schliefen die in Norwegen gerade. Hoffentlich.
Auch wenn ich jetzt ein Gespräch mit Caro gut vertragen könnte… - ich konnte es nicht riskieren, jetzt hier weg zu gehen – vielleicht hatte Helen dieselben Gedanken und deshalb ließ sie mich hier.
Ich hatte keine Ahnung, wohin ich rannte. Zwischen Häusern hindurch, irgendwohin, wo ich alleine sein konnte. Ich presste meine Lippen so fest zusammen, dass es schmerzte; nur um die Tränen zurückzuhalten.
Meine Gedanken überschlugen sich. Die ganze Zeit über sah ich Solas‘ fassungslosen, verletzten Blick vor mir. Am liebsten hätte ich mich auf den Boden gesetzt und einen lauten, schmerzerfüllten Schrei ausgestoßen.
Und dann Lilíth – bildete sie sich ein, alles zu wissen? Sie hatte mich verurteilt von dem Moment an, als ich in den Saal getreten war. Sie hatte mir nicht einmal eine Chance gegeben.
Wir unterhalten uns, sobald wir mit Lilíth geredet haben, hörte ich wieder Solas‘ Stimme. Ich war mir nicht einmal sicher, ob er überhaupt je wieder mit mir reden würde.
Schließlich hatte ich einen kleinen Unterschlupf gefunden; eine Nische direkt an der gigantischen Mauer. Ich ließ mich dort nieder; meine Tränen mit aller Macht zurückhaltend. Stattdessen schnappte ich nach Luft wie ein Ertrinkender. Ich hatte das Gefühl, nicht mehr atmen zu können; mich gleich übergeben zu müssen.
Als wäre mein Gefühlschaos nicht schon genug gewesen. Nein, jetzt musste auch noch das Schlimmste passieren, was ich immer befürchtet hatte: Solas hatte die Wahrheit erfahren. Von jemand anderem. Er wusste, dass ich ihn die ganze Zeit über angelogen hatte.
Ich hasste Melody. Ich verfluchte Lilíth. Aber am Meisten fühlte ich mich schuldig. Doch selbst zurückblickend hatte ich keine Ahnung, was ich anders hätte machen können. Hätte ich ihm vorhin die Wahrheit sagen sollen? Doch was hätten Helen und die anderen wohl gemacht?
Hätte das die Dinge überhaupt gebessert? Nun, dann hätte er es wenigstens von mir gehört – doch ob ihn das beruhigt hätte, wusste ich nicht.
Dummerweise musste ich wieder daran denken, wie er mich unter den Polarlichtern geküsst hatte. Dann, wie er zurückgetreten war.
„Das ist jetzt überhaupt nicht das Problem!“, hörte ich Caro ärgerlich in meinem Kopf. „Verdammt, dein verletztes Ego ist nun nicht das Thema, über das du nachdenken solltest. Überleg dir irgendwas und schwing deinen Arsch in den Palast zurück, bevor seine Mutter ihm noch mehr Lügen über dich eintrichtert.“
Allerdings war das gar nicht notwendig; im nächsten Moment hörte ich plötzlich Schritte.
Ich zog meine Nase hoch und fuhr mir hastig durch die Haare, die sicherlich in alle Richtungen standen. Die Schritte kamen nämlich ganz klar in meine Richtung.
Mein Herz blieb beinahe stehen, als Solas plötzlich um die Ecke kam. Nun war sein Blick zornig, und ich zuckte innerlich zusammen. Sein Zorn war eindrucksvoll; nicht so wie meiner.
Gleichzeitig war da immer noch dieses Verletzliche in seinem Blick, das ich vorhin dort noch nie gesehen hatte. Und die Ungläubigkeit – er konnte es noch immer nicht fassen.
Ich zwang mich, aufzustehen. Ich stand direkt an der Mauer, meine Hände auf das Eis hinter mir gelegt; sodass ich an etwas Halt fand.
So standen wir uns gegenüber und starrten uns an, musterten uns gegenseitig; jeder versuchte, die Gedanken des anderen zu erraten.
Ich wollte nicht die Erste sein, die das Schweigen brach.
Schließlich machte er den ersten Schritt. „Ich will die Wahrheit hören.“
Seine Stimme klang so distanziert, dass ich fast geheult hätte. Weg war die Wärme und die Vertrautheit, die zwischen uns geherrscht hatten.
Allerdings sagte ich mir, dass er immerhin zu mir gekommen war, was ich als ein gutes Zeichen deutete. Er redete noch mit mir. Also nickte ich zitternd. Was sollte ich auch sagen?
„Wann musst du wieder zurück?“ Ich konnte den Zorn in seiner Stimme hören; ich wusste nicht genau, ob er auf mich zornig war oder auf jemand anders; vielleicht auch einfach auf die ganze Situation.
Ich schüttelte den Kopf. „Ich weiß es nicht“, flüsterte ich.
Sein Blick schien in meinen Augen etwas zu suchen. „Woher weiß ich, dass du mich nicht wieder anlügst?“
Ich schluckte. „Ich lüge nicht“, sagte ich kratzig. „Ich… bitte. Ich weiß es wirklich nicht. Ich… vielleicht bald. Weil sie wissen, dass du es jetzt weißt. Das hätte nicht passieren dürfen.“
„Hast du es mir deshalb nicht gesagt?“
Glaubte er, ich benutzte das nur als Ausrede? Sein Ton war beinahe kalt; ich zuckte wieder zusammen. Ich hatte ihn noch nie so gesehen. Es war fast, als hätte er sich diesem Ort hier vollkommen angepasst.
„Ich… ja“, sagte ich lahm. „Ich… ich weiß es nicht, okay?!“ Mist, ich hatte okay gesagt. „Ich hab keine Ahnung. Es ging alles so schnell und ich… ich hab alles selbst nicht verstanden und ich hatte Angst, dass sie… dich töten und -“ Ich verstummte.
Solas sah nicht so aus, als würde er mir glauben. Noch immer war er zornig. Dann stieß er plötzlich die Luft aus und nickte leicht resigniert.
„Na schön“, sagte er schließlich. „Ich… ich glaube, wir sollten uns wirklich einmal unterhalten, Rose. Irgendwo, wo wir ungestört sind.“
Ich hoffte, er würde mir nun die Hand entgegenstrecken wie vorhin. Allerdings nickte er nur in die Richtung, in die er vorhatte, mich zu bringen. „Geh voraus.“
Sieh es mal so – immerhin duzt er dich noch, versuchte ich, mich aufzuheitern, als ich an ihm vorbeilief.
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