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Sie nippt an ihrem Glas. „Man sollte sie rauswerfen zum Pöbel in den Dreck!“
Sie trinkt den Cognac in einem Zug aus und stellt das Glas hart auf dem Tresen ab.
„Allesamt Versager! Ich habe mit meinem Verstand und mit meinem Geld das alles hier geschaffen.“
Sie breitet die Arme aus und geht einige Schritte bis in die Mitte des großen Raumes. Dort bleibt sie stehen. Ihre schlanke Gestalt sackt in sich zusammen.
Bruno Bär, ihr Leibwächter, kann gerade noch verhindern, dass Nele auf den gläsernen Boden schlägt. Er legt sie sanft auf die ebenfalls weiße Ottomane. Der Schwächeanfall ist ebenso schnell vorbei, wie er gekommen ist.
„Danke Bruno!“
Die beiden hatten vor einiger Zeit ein Verhältnis. Nele hat es beendet, weil ihrer Meinung nach Bruno nicht standesgemäß ist.
Oft schon hat sie diese Entscheidung bereut. Er hat sich hervorragend verhalten. Keine Szene gemacht und weiter selbstverständlich für ihre Sicherheit gesorgt. Nie wird sie den traurigen Ausdruck in seinen Augen vergessen, als sie ihm mitteilte, dass es besser für ihre Karriere sei, wenn sie sich trennen. Als Tochter sehr reicher Eltern ist sie es gewohnt, Forderungen zu stellen und diese auch erfüllt zu bekommen. Um etwas zu bitten, ist ihr fremd. Oft hat sie die Liebe der Mutter vermisst. Später ist es ihr dann egal. Aber sie weiß schon zu schätzen, dass ihre Wünsche immer erfüllt werden.
Geld statt Liebe – ein schlechter Tausch!
Viel später erst wird ihr das bewusst.
Bruno ist in bürgerlichen Verhältnissen groß geworden. Er hat liebevolle Eltern und zwei Schwestern, die schon verstorben sind.
Sein Stolz lässt es niemals zu, Nele zu bitten, mehr als nur ihr Leibwächter sein zu dürfen.
Nele weiß, dass er sie noch liebt, aber sie wird den Anfang machen müssen.
Bruno steht auf, um Nele ein Glas Wasser zu holen.
„Bitte, bleib hier!“ Sie greift nach seiner Hand und gibt ihm zu verstehen, dass er sich neben sie setzen soll. Eine unendliche Sekunde lang schweigen beide.
„Ich bin dir sehr dankbar, Bruno und ich weiß …“
Die Finger des geliebten Mannes legen sich auf ihren Mund: „Du musst gar nichts sagen. Ich liebe dich und das wird sich nie ändern.“
Tränen rinnen über Neles Gesicht - gegen ihren Willen.
„Nimm mich in die Arme und halt mich ganz fest“, sagt sie mit zitternder Stimme.
Diesmal gehorcht Bruno gern.
Erich Reuter sitzt
Erich Reuter sitzt den Kopf auf die Hände gestützt, fast lethargisch vor seinem Schreibtisch. Um ihn herum türmen sich wissenschaftliche Berichte und Tabellen. Sie sehen aus, als hätten Außerirdische sie erschaffen. Der grauhaarige Mann ist ein Genie.
Aber sein Genius hilft ihm nicht weiter.
„Diese Frauen sterben einen grausamen Tod. Sie werden fast alle nach Abschluss der Zellerneuerung schwanger. Aber warum setzt dann so rasend schnell der Verfall der Zellen ein?“
Erich weiß nicht mehr, was er noch tun kann: Ich werde die Versuchsreihen absetzen, beschließt er für sich.
Mit einer energischen Handbewegung fegt er die Tabellen und Berichte vom Tisch. Er erhebt sich mühsam.
Seit Tagen hat er stechende Schmerzen.
Sie einfach zu ignorieren, gelingt ihm nur mäßig. Er öffnet die Tür und hält erschrocken inne. „He, Erich!“
Im Gang steht im Neonlicht Armin mit hochrotem Kopf und einer dicken schwarzen Mappe unter dem Arm.
„Was willst du? Ich bin gerade im Begriff zu gehen!“
Armin überhört die Bemerkung und drängt fast rücksichtslos an Erich vorbei. Er setzt sich ohne Aufforderung auf dessen Stuhl. Er legt die Mappe vorsichtig auf den Schreibtisch und blickt irritiert in die Unordnung. Seine weichen Wangen zittern, als er zu Erich aufblickt: „Was ist mit dir? Du benimmst dich in letzter Zeit sehr unprofessionell.
Nicht nur ich muss das feststellen.“ Seine kleinen geröteten Augen fixieren den Kollegen.
Erich stützt sich mit beiden Händen auf der Schreibtischplatte ab.
Die schmale Distanz zwischen den beiden Männern bringt Armin aus der Fassung. Er schwitzt, seine Lider zucken.
„Sag was, Erich, du machst mir Angst!“
„Die sollten wir auch haben – Angst! Angst ist das elementarste Gefühl überhaupt!“
Erich steht jetzt kerzengerade. Seine blauen Augen leuchten im Licht der Deckenlampe fast unnatürlich auf: „Wir haben versucht Gott zu spielen und dabei die Hölle erschaffen! Wir hätten es besser wissen müssen! Wie viele vor uns haben schon versucht das Alter auszutricksen, aber keiner hat es jemals geschafft!
Wie können wir so naiv sein, Armin. Wir sind Wissenschaftler.“ Er starrt Armin an.
Erich, mein Freund, du kannst nicht die ganze Welt retten. Du und ich, wir haben zu gehorchen. Die Chefin will endlich Ergebnisse haben. Wir brauchen diese Babys. Die Frauen müssen solange durchhalten, bis sie entbunden haben … danach …“, er macht eine hilflose Handbewegung.
„Danach … können sie ruhig sterben …“, führt Erich seinen Satz zu Ende.
Armin nickt.
Der schmale grauhaarige Erich steht noch einige Zeit, wie zu einer Salzsäule erstarrt, da.
Dann knöpft er seinen weißen Kittel auf und wirft ihn auf den Schreibtisch. Er geht ohne ein weiteres Wort aus der Tür.
Dienstbeginn im Städtischen Krankenhaus in Chemnitz – Frühschicht
Dienstbeginn im Städtischen Krankenhaus in Chemnitz – Frühschicht. Schwester Britta, eine Mittfünfzigerin, hastet mit wehendem Haar über den frisch gewischten, noch feucht glänzenden Flur.
„Huch! gerade noch geschafft! Bitte entschuldige Karin, aber ich komme in der letzten Zeit so schwer aus dem Bett.“
Sie beugt sich lächelnd zu Karin hinab: „Ich habe einen Mann kennengelernt. Er ist sehr nett und sieht auch noch gut aus. Mal sehen wie sich alles entwickelt. Ich lasse es langsam angehen.“
„Sei aber vorsichtig Britta, du weißt, was in der Stadt zurzeit los ist. Die Frau, die den Angriff überlebt hat, ist auch liiert. Sie hat ihren Freundinnen von ihrer Eroberung berichtet und regelrecht geschwärmt. Jetzt liegt sie im Koma und fünf andere Frauen sind bereits tot!“
Britta verdreht die Augen: „Glaub mir, keiner ist ungefährlicher als ...“
Sie schlägt sich mit der flachen Hand auf den Mund: „Ich habe versprochen, keinem davon zu erzählen. Alle sollen es erst erfahren, wenn wir verlobt sind!“
Ihre Augen strahlen.
Britta sieht so glücklich aus, dass Karin nicht weiter bohren will. Das Mädchen hat etwas Glück verdient.
„Weißt du was, wir haben heute einen Zugang bekommen. Eine Frau, die aussieht wie fünfundzwanzig, aber laut Befunden mindestens siebzig Jahre alt sein müsste.“
Das Thema: „Verehrer“ ist damit abgeschlossen.
Ein weiteres interessantes Thema beginnt.
Es sind viele bewaffnet mit Knüppeln und Steinen
Er will ihnen nichts tun. Nur weg!
Sie haben einen Kreis gebildet und schlagen auf ihn ein. Er kann fliehen, aber er kommt nicht weit. Vor diesem Backsteinhaus mit dem kleinen Vorgarten bricht er zusammen. Aus der Ferne hört er die Menschen kommen. Sie wollen ihn töten. Der Schwarze schließt die Augen. Er ist zu schwach, um zu kämpfen. Da spürt er, wie ihm jemand über sein Fell streicht. Warme, zärtliche Hände! Er öffnet die Augen einen Spalt breit und sieht in das freundliche Gesicht eines alten Mannes.
„Hab keine Angst, mein Großer, ich werde nicht zulassen, dass sie dich tot prügeln.“
In einem Schuppen kommt der Wolf am nächsten Tag zu sich. Er liegt auf einer grauen Decke. Vor ihm steht ein Trog mit Wasser und einer gefüllt mit Fleisch. Er richtet sich auf und saugt den Duft des Fleisches genüsslich ein, bevor er sich darüber hermacht.
Immer wenn der alte Mann kommt, um nach ihm zu schauen, stellt er sich schlafend. Drei Tage und drei Nächte lang. Er prägt sich den Geruch des Mannes genau ein, auch wie er aussieht. Willi nennt ihn Rolf: Rolf, mein Wolf. Er streichelt sein Fell und spricht beruhigend auf das Tier ein. Eines Tages schleicht der Schwarze davon. Er hat sich erholt. Der Wolf weiß wie schwer es ist, Futter aufzutreiben. Das wird er jetzt selbst wieder erledigen.
Sparen, sparen
Britta kann es nicht mehr hören. Die Kälte im Park vor dem Städtischen Krankenhaus trifft sie wie ein Faustschlag. “Verdammter Winter!“
Sie zieht den Kragen ihres Mantels hoch.
Es ist sehr nebelig. Nach ein paar Metern überkommt sie das Gefühl, als ob im dichten Nebel etwas ist. Etwas Gefährliches, das auf sie wartet.
Sie spricht mit sich selbst: So ein Unsinn, seit Jahren gehe ich nun diesen Weg bei Nacht und Nebel, jeden Tag. Noch nie ist mir irgendetwas passiert. Reiß dich gefälligst zusammen!
Sie schüttelt den Kopf, ihre Schritte werden größer. Dann ist sie da, diese Gestalt, die sich größer werdend aus dem Nebel löst. Erst verschwommen, dann immer deutlicher. Noch ehe Britta recht bewusst wird, was geschieht, trifft sie nun wirklich eine Faust genau zwischen die Augen! Sie fällt und hat das Gefühl, jemand knipst das Licht in ihrem Kopf aus.
Die Sekunden der Bewusstlosigkeit sind zu kurz. Ein kleiner roter Punkt entsteht vor ihrem inneren Auge. Er wird immer heller. Der Punkt wird größer und das Rot darin verschwindet. Jetzt fühlt Britta den Schmerz, die Augen immer noch fest geschlossen, als würde sie etwas aufspießen, von innen verbrennen. Sie fühlt das Monster stoßweise in sich eindringen, ihren Körper auf den eisigen Boden drückend. Ein Röcheln dringt aus den leicht geöffneten Lippen. Eine warme süßliche Flüssigkeit läuft aus ihrem Mund – Blut.
„Gott, lass mich sterben“ flüstert Britta, ohne zu sehen, dass der Tod bereits das Messer zückt.
Die Kommissarin Irina Krupska
Die Kommissarin Irina Krupska fährt gedankenverloren durch die Nacht in Richtung Klinikum. Sie hat einen Notruf erhalten, der nichts Gutes ahnen lässt. Sie ist allein. Ihr Kollege hat Grippe und die anderen sind hoffnungslos überlastet. Die Gewalt hat in der Stadt längst die Oberhand. Banden haben sich gebildet. Es wird geplündert, vergewaltigt, gemordet. Aber wenigstens gibt es noch eine Polizei, eine notdürftige Verwaltung und das Krankenhaus. In anderen Städten fehlt sogar das! Ihre Eltern sind vor zwei Generationen aus Russland hierhergekommen, um ihren Kindern eine bessere Zukunft zu ermöglichen. Es gibt keine Zukunft mehr – nirgendwo!
Fast alle Kommunikationsmöglichkeiten sind vor Jahren zusammengebrochen.
Nur die Polizei hat wie in „guten alten Zeiten“ Walky-Talky.
Irina hat keine Illusion mehr. Sie tut alles mechanisch, wie ein Roboter.
Wo ist ihre Lebensfreude geblieben?!
Die Anhänger der Schwarzen Zunft sind ihr noch am liebsten. Sie sehen gefährlicher aus als sie sind. Während die, von denen man denkt, sie seien harmlos, oft abscheuliche Kinderschänder und Mörder sind.
Früher hatte sie das befriedigende Gefühl etwas Nützliches zu tun. Seit das Haus ihrer Eltern vor neunzehn Jahren von einem entsetzlichen Sturm hinweggefegt worden ist, hat auch sie den Halt verloren. Dieses Jagen nach etwas, was ihr Vater schlicht DAS BÖSE nennt, hat es einen Sinn? Man schlägt eine Schlange vom Haupt der Medusa und sie wächst sofort nach!
Enkel auf dem Schoß wiegen und Kartoffelsuppe kochen: das würde sie gern tun! Sie wechselt den Gang und biegt in die Seitenstraße, die zum Klinikum führt.
Jane wacht auf
Jane wacht auf. Ihr ist kalt. Das lange weiße Baumwollgewand ist nicht in der Lage, ihren Körper vor der schneidenden Winterluft zu schützen. Sie hockt zusammengekauert in einer Ruine, die so eingeschneit ist, dass man kaum hineingelangen kann.
Durch Zufall hat sie gestern ein Gespräch belauscht. Zwei Männer haben über die Zusammensetzung des Serums gesprochen, welches ihr seit einem halben Jahr täglich gespritzt wird.
Der Größere von beiden macht eine Bemerkung, die ihr das Blut in den Adern gefrieren lässt.
„Hat es geklappt mit der Schwangerschaft?“, hat der eine gefragt.
Der andere hat gelacht.
„Wenn es gelungen ist, hätten wir unser erstes Baby.“
„Ja“, meint der Größere, „oder sie wird zerfallen, wie all die anderen. Sie wird rapide altern und sterben.“
„Aber wenn sie durchhält, sagen wir bis zum fünften Monat, dann hätten wir unser erstes lebendes Kind.“
Jane schlingt die Arme noch fester um ihre Knie. Ihr gesamtes Vermögen hat sie für den Traum von ewiger Jugend hingegeben und es hat geklappt. Dass sie als Brutmaschine benutzt werden soll, hat ihr niemand gesagt.
Ein Baby! Sie schließt die Augen und stellt sich vor, wie es aussehen wird. Sie wird es lieben und großziehen. Sterben und es anderen überlassen: das will Jane nicht!
Aber welche Alternativen gibt es? Hier sitzen, erfrieren und verhungern oder von den Wölfen draußen in den dunklen Gassen getötet zu werden? Tolle Aussichten!
Als sie zu ihrem siebzigsten Geburtstag den Entschluss fasste, sich dem Experiment anzuschließen, war sie nur darauf erpicht, wie die anderen Frauen wieder jung und schön zu sein. Risiken waren nicht eingeplant. Blind hat sie Nele und ihren Helfern vertraut.
Es geht ihr gut unter der riesigen Kunststoffkuppel, in der es immer nach Blumen riecht. Jeder Wunsch wird ihr erfüllt, und ist er noch so exzentrisch. Einmal hat sie sich ein altmodisches Bett gewünscht, so eines wie es früher die Königinnen hatten. Am nächsten Tag hatte sie ihr Bett.
Verlassen darf sie ihren Goldenen Käfig nur, wenn sie zu den Untersuchungen muss.
Manchmal ist ihr schlecht. Aber das hat man ihr vorhergesagt. Die Zellerneuerung ist schmerzhaft, lautet die Erklärung der Wissenschaftler.
Dort, wo man sie festhält, gibt es keine Spiegel. So kann sie nur ahnen, welche Veränderungen sie auch äußerlich durchmacht. Sie fühlt ihr Fleisch fester werden, ihr Gesicht straffer und doch hat sie keine Ahnung, welche Schönheit aus ihr geworden ist.
Sie schreckt hoch. Stimmen – ganz in ihrer Nähe. Jane steht auf und drückt sich in die hinterste Ecke des Mauerwerkes. Die Tür knarrt.
Der helle Kegel einer Taschenlampe zuckt unruhig durch den Raum. Einem leisen Schluchzen folgend, bleibt er in der Nische hängen, in die Jane sich gezwängt hat.
„Da ist jemand!“
„Hallo! Kommen Sie doch vor, es geschieht Ihnen nichts!“
Während der gelbliche Strahl die Wände absucht, herrscht absolute Stille. Jane überkommt plötzlich das warme Gefühl, in Sicherheit zu sein.
„Oh mein Gott!“
Wie aus einem Munde sprechen die Männer diese Worte. Dann schweigen sie wieder unendlich lange Sekunden aus Angst, dieses wundervolle Geistwesen könnte wieder verschwinden. In ein langes weißes Gewand gehüllt, das die weiblichen Formen nur erahnen lässt, steht ein Mädchen vor ihnen. Honigblondes Haar fällt in sanften Wellen über seine Schultern. Das ovale Gesicht, aus dem große blaue Augen ängstlich blicken, ist fast so weiß wie der Stoff, der das Mädchen verhüllt. Wie ein wunderschönes Gemälde steht es ganz still. Nur der sich leicht hebende und senkende Brustkorb verrät den Staunenden, dass es lebt.
Nele Kurfürst
Nele Kurfürst steht mit einem Glas Rotwein in der Hand hinter dem Panoramafenster ihrer Zweitwohnung der neu gebauten Seniorenresidenz.
Hier unter dem Dach ist sie allein. Keiner außer Bruno weiß von dieser Wohnung.
Während sie gedankenverloren in die schimmernde Flüssigkeit schaut, zucken ihre Mundwinkel. Warum kann sie nicht mehr weinen? Mit zunehmendem Alter wird ihr schmerzlich bewusst, dass ihr etwas Wesentliches fehlt.
Ohne ein Kind ist alles irgendwie leer und sinnlos. Sie will unbedingt eins.
Ihr Gesichtsausdruck wird verächtlich. Schließlich hat sie bisher immer alles bekommen, was sie wollte.
Vor einigen Jahren hat sie vorsorglich Eizellen einfrieren lassen. Der Spender der Spermien war ihr gleichgültig. Aber gesund sollte er sein! Das wurde ihr zugesichert und vertraglich festgelegt. Sie würde also nur noch eine Leihmutter brauchen.
Dieses Projekt ist ihre Chance! Sie weiß genau um die Risiken. Darum würde sie sich niemals selber die Spritze setzen lassen. Etwas soll von ihr übrig bleiben, wenn sie tot ist. Sterben muss nun mal jeder.
Der bittere Zug um ihren Mund vertieft sich.
Die Forscher machen zwar Fortschritte, aber es geht zu langsam. Sie schaut hinunter auf das Gelände, welches einst allen zugänglich gewesen ist, auf die Bauten, welche so wunderbare Schätze bergen.
Bereits vor vierzig Jahren hat der Verfall der Zivilisation begonnen. Anfangs schleichend.
Das Volk rebelliert wegen der ständig steigenden Preise. Armut trotz Arbeit macht die Menschen lustlos und bringt sie dazu, lieber zuhause zu bleiben und auf Staatskosten zu leben. Sie werden träge. Ohne Motivation keine Leistung. Immer weniger Kinder werden geboren und die jungen Leute wandern aus. Während in der Dritten Welt immer mehr Menschen auf engstem Raum leben und durch Seuchen wie die Fliegen sterben, werden Einzelne immer reicher. Auch Neles Eltern gehören zu dieser privilegierten Schicht.
Sie lächelt. Es kann auf die Dauer nicht gut gehen! Diese Ungleichheit führt zu Neid und Hass. Anstand, Fleiß, Mitgefühl, Stolz, diese Werte sind nun nicht mehr zeitgemäß. Der Raubbau an der Natur hat Naturkatastrophen von gigantischem Ausmaß zur Folge. Nein! die Menschen brauchen keinen Atomkrieg, um die Erde zu vernichten. Das haben sie durch Egoismus geschafft.
Nele nimmt einen großen Schluck Wein. Aber wenn es nun mal so ist, will sie wenigstens zu den Gewinnern gehören.
Sie weiß nicht, dass es dort, wo sie nie hinkommt, Menschen gibt, die nicht nur an ihr eigenes Wohl denken.
„Verdammte Scheiße!“
„Verdammte Scheiße!“ Fluchend legt die Kommissarin die schwarze Plane wieder auf die Frau oder das was von ihr übriggeblieben ist. Es schneit. Dicht fallen große Flocken auf den grausigen Schauplatz.
„Hat irgendjemand etwas gehört oder gesehen?“
Scharf schneidet die Stimme der Kommissarin durch die stumme Kälte. Etwa zwanzig Menschen haben sich inzwischen im Park vor dem Chemnitzer Krankenhaus eingefunden. Betroffene Blicke, Kopfschütteln, keiner sagt ein Wort.
„Dachte ich mir! Die Leiche kann in den Keller gebracht werden!“
Wozu eigentlich eine Obduktion? Sofort schämt sich die Kommissarin für ihre Gedanken. Ihr Enthusiasmus ist zwar verschüttet, aber nicht erloschen. Dass es in Chemnitz noch Ordnungshüter gibt, ist ein Privileg. In anderen Städten zählt längst das Gesetz des Stärkeren.
Sie geht in das Gebäude und fragt den Pförtner, wo man einen Kaffee bekommen kann. Der freundliche Mann nickt und verweist auf die Station im zweiten Stock.
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