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Lehrsatz 13
Die absolut unendliche Substanz ist unteilbar.
Beweis: Wäre sie teilbar, so würden die Teile, in die sie geteilt würde, die Natur der absolut unendlichen Substanz entweder behalten oder nicht behalten. Im ersten Fall würden sich mehrere Substanzen von gleicher Natur ergeben, was (nach Lehrsatz 5) widersinnig wäre. Im zweiten Fall würde sich ergeben (wie oben gezeigt), dass die absolut unendliche Substanz aufhören könnte zu sein, was (nach Lehrsatz 11) gleichfalls widersinnig wäre.
Zusatz: Daraus folgt, dass keine Substanz und folglich keine körperliche Substanz, sofern sie Substanz, teilbar ist.
Anmerkung: Dass die Substanz unteilbar ist, wird noch einfacher daraus allein erkannt, dass man die Natur der Substanz nicht anders denn als unendlich begreifen kann, während unter einem Teil der Substanz nichts anderes verstanden werden kann als eine endliche Substanz; was (nach Lehrsatz 8) einen offensichtlichen Widerspruch enthielte.
Lehrsatz 14
Außer Gott kann es eine Substanz weder geben, noch kann eine solche begriffen werden.
Beweis: Da Gott das absolut unendliche Wesen ist, an dem kein Attribut, das das Wesen der Substanz ausdrückt, verneint werden kann (nach Definition 6) und derselbe notwendig existiert (nach Lehrsatz 11), so musste, wenn es eine Substanz außer Gott gäbe, dieselbe durch irgendein Attribut Gottes ausgedrückt werden, und so wären zwei Substanzen von gleichem Attribut vorhanden, was (nach Lehrsatz 3) widersinnig wäre. Somit kann es keine Substanz außer Gott geben, und folglich kann eine solche auch nicht begriffen werden. Denn könnte eine solche begriffen werden, so müsste sie notwendig als existierend begriffen werden, was aber (nach dem ersten Teil dieses Beweises) widersinnig ist. Folglich kann außer Gott keine Substanz vorhanden sein noch begriffen werden. W.z.b.w.
Zusatz 1: Daraus folgt ganz klar erstens: dass Gott einzig ist, d.h. (nach Definition 6), dass es in der Natur nur eine Substanz gibt und dass dieselbe absolut unendlich ist, wie in der Anmerkung zu Lehrsatz 10 bereits angedeutet wurde.
Zusatz 2: Es folgt daraus zweitens: dass das ausgedehnte Ding und das denkende Ding entweder Attribute Gottes sind oder (nach Axiom 1) Affektionen der Attribute Gottes.
Lehrsatz 15
Alles, was ist, ist in Gott, und nichts kann ohne Gott sein noch begriffen werden.
Beweis: Außer Gott gibt es keine Substanz und kann auch keine begriffen werden (nach Lehrsatz 14), d.h. (nach Definition 3) kein Ding, das in sich ist und durch sich begriffen wird. Die Modi aber können (nach Definition 5) ohne die Substanz weder sein noch begriffen werden. Somit können sie nur in der göttlichen Natur sein und nur durch sie begriffen werden. Außer den Substanzen und ihren Modi gibt es aber nichts (nach Axiom 1). Folglich kann ohne Gott nichts sein noch begriffen werden. W.z.b.w.
Anmerkung: Es gibt Menschen, die sich Gott wie einen Menschen vorstellen, aus Körper und Geist bestehend und den Leidenschaften unterworfen. Wie weit aber diese vom richtigen Begriff Gottes entfernt sind, ergibt sich aus dem, was bereits bewiesen worden, zur Genüge. Doch lasse ich diese beiseite; denn alle, die über die göttliche Natur nur einigermaßen nachgedacht haben, verneinen die Körperlichkeit Gottes. Unter anderem beweisen sie das am besten damit, dass man unter Körper eine lange, breite und hohe Masse von bestimmter Form versteht, während es nichts Widersinnigeres geben könne, als dies von Gott, dem absolut unendlichen Wesen, zu sagen. Indessen zeigen sie doch durch andere Gründe, womit sie dies zu beweisen suchen, deutlich, dass sie die körperliche oder ausgedehnte Substanz selbst von der göttlichen Natur ganz und gar fern halten, und zwar behaupten sie, dieselbe sei von Gott geschaffen. Aus welcher göttlichen Macht aber dieselbe geschaffen werden konnte, darüber wissen sie nicht das Geringste; was deutlich zeigt, dass sie das, was sie sagen, selbst nicht verstehen. Meiner Meinung nach wenigstens habe ich klar genug bewiesen (siehe Zusatz zu Lehrsatz 6 und Anmerkung 2 zu Lehrsatz 8), dass keine Substanz von einer anderen hervorgebracht oder geschaffen werden kann. Weiter habe ich (Lehrsatz 14) gezeigt, dass es außer Gott keine Substanz geben und keine begriffen werden kann, und daraus habe ich den Schluss gezogen, dass die ausgedehnte Substanz eines von den unendlichen Attributen Gottes sei. Um jedoch die Sache völlig klarzumachen, will ich die Argumente der Gegner widerlegen, die alle auf folgendes hinauslaufen.
Erstens meinen sie, dass die körperliche Substanz, als Substanz, aus Teilen bestehe; daher verneinen sie, dass dieselbe unendlich sein und folglich auch, dass sie zu Gott gehören könne. Sie entwickeln das auch an vielen Beispielen, von denen ich das eine oder andere anführen will. Angenommen, sagen sie, die körperliche Substanz sei unendlich, so nehme man an, dass sie in zwei Teile geteilt würde; jeder Teil wird entweder endlich oder unendlich sein. Ist ersteres der Fall, so wäre das Unendliche aus zwei endlichen Teilen zusammengesetzt, was widersinnig wäre. Im letzteren Fall gäbe es ein Unendliches, das doppelt so groß wäre wie ein anderes Unendliches, was gleichfalls widersinnig wäre. Ferner: Wenn eine unendliche Größe mit einem Maß von der Größe eines Fußes gemessen wird, so muss sie aus unendlich vielen solchen Teilen bestehen und ebenso, wenn sie mit einem Maß von der Größe einer Fingerbreite (eines Zolls) gemessen würde. Demnach wäre eine unendliche Zahl zwölfmal größer als eine andere unendliche Zahl. Schließlich: Wenn man sich aus einem Punkte einer unendlichen Größe zwei Linien, wie AB und AC (s. Figur), gezogen denkt, die sich anfangs in einem gewissen und bestimmten Abstand voneinander entfernen und ins Unendliche verlängert werden, so wird sicherlich der Abstand zwischen B und C fortwährend zunehmen und schließlich aus einem endlichen ein unendlicher werden.
Da also, wie sie meinen, solche Widersinnigkeiten sich daraus ergeben würden, dass eine unendliche Quantität angenommen wird, so folgern sie, dass die körperliche Substanz endlich sein müsse und dass sie folglich nicht zum Wesen Gottes gehöre. Ein weiteres Argument wird gleichfalls der höchsten Vollkommenheit Gottes entnommen. Gott, sagen sie, könne als höchst vollkommenes Wesen nicht leidend sein; die körperliche Substanz aber könne leidend sein, da sie ja teilbar ist, woraus folgt, dass sie zum Wesen Gottes nicht gehört.
Das sind die bei den Schriftstellern sich findenden Beweise, womit sie zu zeigen versuchen, dass die körperliche Substanz der göttlichen Natur unwürdig sei und nicht zu ihr gehören könne. Wer indessen sehr aufmerksam ist, wird finden, dass ich bereits darauf geantwortet habe; da ja alle diese Beweise sich nur auf die Annahme gründen, dass die körperliche Substanz aus Teilen zusammengesetzt ist, was aber von mir bereits (in Lehrsatz 12, verglichen mit Zusatz zu Lehrsatz 13) als widersinnig erwiesen wurde. Wer zudem die Sache richtig erwägt, wird merken, dass alle jene Widersinnigkeiten (wenn es in der Tat solche sind, worüber ich jetzt nicht streite), aus denen geschlossen werden will, dass die ausgedehnte Substanz endlich sei, keineswegs aus der Annahme einer unendlichen Quantität folgen, sondern aus der Annahme, dass die unendliche Quantität messbar und aus endlichen Teilen zusammengesetzt sei. Aus den gefolgerten Widersinnigkeiten kann daher nur geschlossen werden, dass die unendliche Quantität nicht messbar ist und nicht aus endlichen Teilen zusammengesetzt sein kann. Eben dies ist es nun aber, was ich oben (Lehrsatz 12 u.s.w.) bereits bewiesen habe. Der Pfeil, den jene gegen mich abschnellen, trifft daher in Wahrheit sie selbst. Wenn sie nun aber selbst aus dieser ihrer Widersinnigkeit schließen wollen, dass die ausgedehnte Substanz endlich sein müsse, so ist dies wahrlich ganz ebenso, als wenn jemand sich einbildet, der Kreis habe die Eigenschaften des Vierecks, und nun den Schluss daraus zieht, dass der Kreis keinen Mittelpunkt habe, dessen sämtliche nach der Peripherie gezogenen Linien einander gleich sind. Denn die körperliche Substanz, die doch nur als unendlich, nur als einzig und nur als unteilbar begriffen werden kann (siehe die Lehrsätze 8, 5 und 12), denken sie sich aus endlichen Teilen bestehend, vielfach und teilbar, um schließen zu können, dass sie endlich sei.
So wissen auch andere, die sich einbilden, eine Linie sei aus Punkten zusammengesetzt, viele Beweise dafür beizubringen, dass eine Linie nicht ins Unendliche teilbar sei. Und in der Tat ist es nicht weniger widersinnig zu behaupten, dass die körperliche Substanz aus Körpern oder Teilen zusammengesetzt sei, als zu behaupten, ein Körper sei aus Flächen, die Flächen seien aus Linien, die Linien schließlich aus Punkten zusammengesetzt. Alle, die wissen, dass die klare Vernunft untrüglich ist, müssen das zugeben, besonders aber diejenigen, die behaupten, es gäbe keinen leeren Raum. Denn wenn die körperliche Substanz so geteilt werden könnte, dass ihre Teile in der Wirklichkeit verschieden wären, warum sollte nicht ein Teil vernichtet werden können, während die anderen Teile, wie zuvor, untereinander verbunden blieben? Warum müssen alle so zusammenpassen, dass es keinen leeren Raum gibt? Kann doch unter Dingen, die tatsächlich voneinander unterschieden sind, eines sehr wohl ohne das andere sein und in seinem Zustand verbleiben. Da es also in der Natur keinen leeren Raum gibt (dazu an anderer Stelle), sondern alle Teile sich derart miteinander vereinigen müssen, dass es keinen leeren Raum gibt, so folgt auch daraus, dass sie in Wirklichkeit nicht unterschieden sein können, d.h., dass die körperliche Substanz als Substanz nicht geteilt werden kann.
Fragt aber nun jemand, weshalb der Mensch von Natur aus so sehr dazu neigen, die Quantität zu teilen, so antworte ich, dass die Quantität auf zweifache Weise von uns begriffen wird, einmal abstrakt oder äußerlich, so nämlich, wie man sich dieselbe sinnlich vorstellt, und dann als Substanz, was vom Verstand allein geschieht. Richtet sich unsere Betrachtung auf die Quantität, wie sie die sinnliche Vorstellung auffasst, was häufig und leichter von uns geschieht, so erscheint sie endlich, teilbar und aus Teilen zusammengesetzt; richtet sich aber unsere Betrachtung auf dieselbe, wie sie der Verstand allein auffasst, und begreifen wir sie als Substanz, was sehr schwierig ist, dann erscheint sie, wie ich bereits zur Genüge bewiesen habe, unendlich, einzig und unteilbar. Dies wird allen, die zwischen sinnlicher Vorstellung und Verstand zu unterscheiden wissen, hinlänglich klar sein; besonders wenn man noch bedenkt, dass die Materie überall dieselbe ist und dass Teile an derselben allein dann unterschieden werden können, sofern wir sie uns auf verschiedene Weise erregt vorstellen; weshalb sich ihre Teile nur in Bezug auf den Modus, nicht aber gegenständlich unterscheiden lassen. Wir begreifen z.B., dass das Wasser, sofern es Wasser ist, geteilt werden kann und dass sich seine Bestandteile voneinander trennen lassen; nicht aber, sofern es körperliche Substanz ist, denn als solche kann es weder getrennt noch geteilt werden. Ferner: Wasser als Wasser entsteht und vergeht, als Substanz dagegen entsteht es und vergeht es nicht.
Damit glaube ich auch auf den zweiten Einwand geantwortet zu haben, da sich derselbe gleichfalls darauf gründet, dass die Materie als Substanz teilbar und aus Teilen zusammengesetzt sein soll. Indessen, auch davon abgesehen, sehe ich gar nicht ein, weshalb die Materie der göttlichen Natur unwürdig sein soll, da es doch (nach Lehrsatz 14) außer Gott keine Substanz geben kann, von der sie leiden könnte. Alles, sage ich, ist in Gott, und alles, was geschieht, geschieht einzig und allein durch die Gesetze der unendlichen Natur Gottes und folgt aus der Notwendigkeit seines Wesens (wie ich bald darlegen werde). Daher kann in keiner Weise gesagt werden, dass Gott von etwas anderem leide oder dass die ausgedehnte Substanz der göttlichen Natur unwürdig sei, selbst wenn ihr Teilbarkeit zugeschrieben würde, sobald ihr nur Ewigkeit und Unendlichkeit zugestanden wird. Doch für jetzt genug hiervon.
Lehrsatz 16
Aus der Notwendigkeit der göttlichen Natur muss Unendliches auf unendliche Weisen (d.h. alles, was vom unendlichen Denken erfasst werden kann) folgen.
Beweis: Dieser Lehrsatz muss jedem einleuchten, der erwägt, dass der Verstand aus der gegebenen Definition eines jeden Dinges viele Eigenschaften folgert, die auch tatsächlich aus derselben (d.h. aus dem Wesen des Dinges selbst) notwendig folgen, und zwar umso mehr, je mehr Realität die Definition des Dinges ausdrückt, d.h. je mehr Realität das Wesen des definierten Dinges einschließt. Da aber die göttliche Natur absolut unendliche Attribute hat (nach Definition 6), von denen jedes gleichfalls ein unendliches Wesen in seiner Art ausdrückt, so muss folglich aus ihrer Notwendigkeit Unendliches auf unendliche Weisen (d.h. alles, was vom unendlichen Denken erfasst werden kann) notwendig folgen. W.z.b.w.
Zusatz 1: Daraus folgt erstens, dass Gott die bewirkende Ursache aller Dinge ist, die vom unendlichen Verstand erfasst werden können.
Zusatz 2: Daraus folgt zweitens, dass Gott diese Ursache durch sich ist, nicht aber durch ein Hinzukommendes.
Zusatz 3: Daraus folgt drittens, dass Gott absolut die erste Ursache ist.
Lehrsatz 17
Gott handelt nur nach den Gesetzen seiner Natur und von niemand gezwungen.
Beweis: Dass aus der Notwendigkeit der göttlichen Natur oder (was dasselbe ist) aus den bloßen Gesetzen seiner Natur Unendliches absolut folgt, habe ich soeben, im Lehrsatz 16, gezeigt, und im Lehrsatz 15 habe ich bewiesen, dass ohne Gott nichts ist und nichts begriffen werden kann, dass vielmehr alles in Gott ist. Es kann daher nichts außer ihm sein, von dem er zum Handeln bestimmt oder gezwungen würde. Und daher handelt Gott nur nach den Gesetzen seiner Natur und von niemand gezwungen. W.z.b.w.
Zusatz 1: Daraus folgt erstens, dass es keine Ursache gibt, die Gott von außen oder von innen zum Handeln erregt, außer der Vollkommenheit seiner eigenen Natur.
Zusatz 2: Daraus folgt zweitens, dass Gott allein eine freie Ursache ist. Denn Gott allein existiert nach der bloßen Notwendigkeit seiner Natur (nach Lehrsatz 11 und Zusatz zu Lehrsatz 14) und handelt nach der bloßen Notwendigkeit seiner Natur (nach dem vorigen Lehrsatz). Daher kann (nach Definition 7) er allein freie Ursache sein. W.z.b.w.
Anmerkung: Andere meinen, Gott sei eine freie Ursache, weil er, wie sie glauben, bewirken kann, dass das, wovon ich sagte, dass es aus seiner Natur folgt, d.h., was in seiner Macht steht, nicht geschehe oder von ihm nicht hervorgebracht werde. Das aber wäre geradeso, als ob sie sagten, Gott könne machen, dass aus der Natur des Dreiecks nicht folge, dass dessen drei Winkel zwei rechten Winkeln gleich wären oder dass aus einer gegebenen Ursache keine Wirkung folge, was widersinnig ist. Zudem werde ich unten ohne Zuhilfenahme dieses Lehrsatzes darlegen, dass zur Natur Gottes weder Verstand noch Wille gehört. Ich weiß allerdings, dass viele meinen, sie könnten beweisen, dass zur Natur Gottes der höchste Verstand und der freie Wille gehöre; denn sie sagen, dass sie nichts Vollkommeneres kennen, das sie Gott zuschreiben können, als das, was bei uns die höchste Vollkommenheit ist. Und obwohl sie Gott als den tatsächlich Höchstdenkenden begreifen, glauben sie doch nicht, dass er alles, was er tatsächlich denkt, auch ausführen könne, so dass es existiert, denn damit glauben sie die Macht Gottes umzustoßen. Sie sagen, wenn Gott alles, was in seinem Denken ist, erschaffen hätte, so könnte er ja nichts weiter erschaffen, und dies widerspricht nach ihrer Meinung der Allmacht Gottes. Daher behaupten sie lieber, Gott sei gegen alles indifferent, und er erschaffe nichts anderes als das, was er nach irgendeinem absoluten Willen zu schaffen beschlossen habe.
Ich glaube jedoch deutlich genug gezeigt zu haben (siehe Lehrsatz 16), dass aus der höchsten Macht Gottes oder seiner unendlichen Natur Unendliches auf unendliche Weisen, d.h. alles, mit Notwendigkeit hervorgegangen ist oder stets mit gleicher Notwendigkeit folgte, wie aus der Natur des Dreiecks von Ewigkeit her und in alle Ewigkeit folgt, dass dessen drei Winkel zwei rechten Winkeln gleich sind. Daher ist die Allmacht Gottes von Ewigkeit her wirksam gewesen und wird in alle Ewigkeit in derselben Wirksamkeit verharren. Auf diese Weise wird die Allmacht Gottes, nach meiner Ansicht wenigstens, als eine weit vollkommenere hingestellt. Ja, die Gegner scheinen die Allmacht Gottes (es sei mir gestattet, offen zu reden) eigentlich zu leugnen. Sie sind nämlich gezwungen einzuräumen, dass Gott Unendliches als erschaffbar denkt, was er doch niemals wird erschaffen können. Denn andernfalls, wenn er nämlich alles, was er denkt, erschaffen würde, würde er, nach ihrer Annahme, seine Allmacht erschöpfen und damit unvollkommen werden. Um also Gott als vollkommen hinzustellen, kommen sie dahin, dass sie zugleich behaupten müssen, Gott könne nicht alles bewirken, worauf seine Macht sich erstreckt. Ich kann mir nicht denken dass eine widersinnigere und mit Gottes Allmacht in stärkerem Widerspruch stehende Ansicht ersonnen werden könnte.
Nun möchte ich auch noch über Verstand und Wille, die wir gewöhnlich Gott zuschreiben, etwas sagen. Wenn dieselben, nämlich Verstand und Wille, zum ewigen Wesen Gottes gehören, so muss unter jedem dieser beiden Attribute sicherlich etwas anderes verstanden werden, als was man gewöhnlich darunter versteht. Der Verstand und der Wille, die Gottes Wesen ausmachen würden, müssten von unserem Verstand und Willen himmelweit verschieden sein und könnten sich allein dem Namen nach gleichen; nämlich nicht anders, wie das Sternbild Hund und das bellende Tier Hund einander gleichen. Ich beweise das so: Wenn der Verstand zur göttlichen Natur gehört, so wird er nicht, wie unser Verstand, später als die gedachten Dinge (wie die meisten annehmen) oder gleichzeitig mit ihnen von Natur aus sein können, da ja Gott ursächlich früher ist als alle Dinge (nach Zusatz 1 zu Lehrsatz 16); vielmehr ist die Wahrheit und das formale Wesen der Dinge darum so, wie sie sind, weil sie im Verstand Gottes also objektiv existieren. Daher ist der Verstand Gottes, sofern er als das Wesen Gottes ausmachend begriffen wird, in Wahrheit die Ursache der Dinge sowohl ihres Wesens wie auch ihrer Existenz; was auch von denen bemerkt worden zu sein scheint, die erklären, dass Gottes Verstand, Wille und Macht ein und dasselbe sind. Da also der Verstand Gottes die einzige Ursache der Dinge ist, nämlich (wie ich gezeigt habe) sowohl ihres Wesens wie auch ihrer Existenz, so muss er selbst notwendig von den Dingen verschieden sein sowohl hinsichtlich ihres Wesens wie auch ihrer Existenz. Denn das Verursachte unterscheidet sich von seiner Ursache genau in dem, was es von der Ursache hat. So z.B. ist ein Mensch die Ursache der Existenz, nicht aber des Wesens eines anderen Menschen, denn dieses ist eine ewige Wahrheit. Darum können sie dem Wesen nach einander völlig gleich sein, in der Existenz aber müssen sie sich voneinander unterscheiden. Und darum, wenn die Existenz des einen aufhört, hört darum nicht die Existenz des anderen auf; wenn aber das Wesen des einen zerstört wird und sich als falsch erweisen könnte, so würde auch das Wesen des anderen zerstört werden. Deshalb muss das Ding, das die Ursache sowohl des Wesens wie auch der Existenz einer Wirkung ist, sich von dieser Wirkung unterscheiden sowohl hinsichtlich des Wesens wie auch der Existenz. Nun ist aber der Verstand Gottes die Ursache sowohl des Wesens wie auch der Existenz unseres Denkens: folglich ist der Verstand Gottes, sofern er als das göttliche Wesen ausmachend begriffen wird, von unserem Verstand sowohl hinsichtlich des Wesens wie auch der Existenz verschieden, und er kann in nichts als nur im Namen ihm gleich sein, wie ich behauptete. Bezüglich des Willens wird der Beweis ebenso geführt, was jeder leicht einsehen kann.
Lehrsatz 18
Gott ist die innewohnende, nicht aber die übergehende Ursache aller Dinge.
Beweis: Alles, was ist, ist in Gott und muss durch Gott begriffen werden (nach Lehrsatz 15), und darum ist Gott (nach Zusatz 1 zu Lehrsatz 16) die Ursache aller Dinge, die in ihm sind. Damit ist das erste bewiesen. Außerdem kann es außer Gott keine Substanz geben (nach Lehrsatz 14), d.h. (nach Definition 3) kein Ding, das außer Gott in sich ist. Damit ist das zweite bewiesen. Somit ist Gott die innewohnende, nicht aber die übergehende Ursache aller Dinge. W.z.b.w.
Lehrsatz 19
Gott oder alle Attribute Gottes sind ewig.
Beweis: Denn Gott ist (nach Definition 6) die Substanz, die (nach Lehrsatz 11) notwendig existiert, d.h. (nach Lehrsatz 7) zu dessen Natur die Existenz gehört oder (was dasselbe ist) aus dessen Definition folgt, dass er existiert, und also (nach Definition 3) ist er ewig. Dann ist unter Attribute Gottes das zu verstehen, was (nach Definition 4) das Wesen der göttlichen Substanz ausdrückt, d.h. das, was zur Substanz gehört. Eben dies, sage ich, müssen die Attribute selbst enthalten. Nun gehört zur Natur der Substanz (wie ich schon aus Lehrsatz 7 bewiesen habe) die Ewigkeit. Folglich muss jedes Attribut die Ewigkeit in sich schließen, und also sind sie alle ewig. W.z.b.w.
Anmerkung: Dieser Lehrsatz erklärt sich auch sehr deutlich aus der Art, wie ich (in Lehrsatz 11) die Existenz Gottes bewiesen habe. Aus diesem Beweise, sage ich, ergibt sich, dass das Dasein Gottes wie auch sein Wesen eine ewige Wahrheit ist. Ich habe übrigens (im Lehrsatz 19 von Descartes’ Prinzipien) die Ewigkeit Gottes noch auf andere Weise bewiesen und brauche dies hier nicht zu wiederholen.
Lehrsatz 20
Die Existenz Gottes und sein Wesen sind ein und dasselbe.
Beweis: Gott und seine sämtlichen Attribute sind (nach dem vorigen Lehrsatz) ewig, d.h. (nach Definition 8), jedes seiner Attribute drückt die Existenz aus. Dieselben Attribute Gottes also, die (nach Definition 4) das ewige Wesen Gottes darstellen, stellen zugleich seine ewige Existenz dar; d.h. eben das, was das Wesen Gottes ausmacht, macht zugleich seine Existenz aus. Daher ist diese und sein Wesen ein und dasselbe. W.z.b.w.
Zusatz 1: Daraus folgt erstens, dass das Dasein Gottes ebenso, wie sein Wesen eine ewige Wahrheit ist.
Zusatz 2: Daraus folgt zweitens, dass Gott oder alle Attribute Gottes unveränderlich sind. Denn wenn sie sich hinsichtlich ihrer Existenz veränderten, müssten sie sich auch (nach dem vorigen Lehrsatz) hinsichtlich ihres Wesens verändern, d.h. (wie sich von selbst versteht) aus wahren zu falschen werden, und das wäre widersinnig.
Lehrsatz 21
Alles, was aus der absoluten Natur eines Attributs Gottes folgt, musste immer und unendlich existieren oder ist eben durch dieses Attribut ewig und unendlich.
Beweis: Man nehme (falls man dies bestreitet) womöglich an, dass aus der absoluten Natur Gottes etwas in einem Attribut Gottes erfolgt, was endlich ist und eine beschränkte Existenz oder Dauer hat, z.B. die Idee Gottes im Denken. Nun ist aber das Denken, da es ja als Attribut Gottes angenommen wird (nach Lehrsatz 11), seiner Natur nach notwendig unendlich. Sofern es dagegen eine Idee Gottes hat, wird es als endlich angenommen. Es kann aber (nach Definition 2) nur als endlich begriffen werden, wenn es durch das Denken selbst beschränkt wird. Dies kann nun aber nicht durch das Denken geschehen, sofern es die Idee Gottes ausmacht, denn insofern wird es als endlich angenommen. Also durch das Denken, sofern es die Idee Gottes nicht ausmacht, das aber (nach Lehrsatz 11) notwendig existieren muss. Es gibt also ein Denken, das die Idee Gottes nicht ausmacht, weshalb aus seiner Natur, sofern es absolutes Denken ist, nicht notwendig die Idee Gottes folgt. (Denn es wird ein Denken begriffen, das die Idee Gottes ausmacht, und ein Denken, das sie nicht ausmacht.) Dies ist aber gegen die Voraussetzung. Folglich, wenn die Idee Gottes im Denken oder irgendetwas (es ist egal, was genommen wird, da ja der Beweis allgemein gültig ist) in irgendeinem Attribut Gottes aus der Notwendigkeit der absoluten Natur dieses Attributs folgt, so muss es notwendig unendlich sein. Dies das erste, was zu beweisen war.
Zudem kann das, was aus der Notwendigkeit der Natur eines Attributs auf diese Weise folgt, eine beschränkte Dauer haben. Denn wenn man dies bestreitet, so nehme man an, in irgendeinem Attribut Gottes gäbe es ein Ding, das aus der Notwendigkeit der Natur irgendeines Attributs folgt, z.B. die Idee Gottes im Denken, und von dieser nehme man an, dass sie zu irgendeiner Zeit nicht existiert habe oder nicht existieren werde. Da aber das Denken als Attribut Gottes angenommen wird, so muss es sowohl notwendig wie auch unveränderlich existieren (nach Lehrsatz 11 und Zusatz 2 zu Lehrsatz 20). Über die Grenzen der Dauer der Idee Gottes hinaus (da angenommen wird, dass sie zu irgendeiner Zeit nicht da gewesen sei oder nicht da sein werde) müsste daher das Denken ohne die Idee Gottes existieren. Dies ist aber gegen die Voraussetzung; da angenommen wird, dass aus dem gegebenen Denken notwendig die Idee Gottes folgt. Folglich kann die Idee Gottes im Denken oder sonst etwas, was notwendig aus der absoluten Natur irgendeines Attributs Gottes folgt, keine beschränkte Dauer haben, sondern ist durch eben dieses Attribut ewig. Dies das zweite, was zu beweisen war. Man beachte, dass dasselbe von jedem Ding behauptet werden muss, das in irgendeinem Attribut Gottes aus der absoluten Natur Gottes notwendig folgt.