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Lehrsatz 22
Alles, was aus einem anderen Attribut Gottes folgt, sofern dasselbe durch eine solche Modifikation modifiziert ist, die sowohl notwendig wie unendlich durch dasselbe existiert, muss ebenfalls sowohl notwendig wie unendlich existieren.
Beweis: Der Beweis dieses Lehrsatzes wird ebenso geführt wie der Beweis des vorigen.
Lehrsatz 23
Jeder Modus, der sowohl notwendig wie auch unendlich existiert, hat notwendig erfolgen müssen entweder aus der absoluten Natur irgendeines Attributs Gottes oder aus irgendeinem Attribut, das durch eine solche Modifikation modifiziert ist, die sowohl notwendig wie auch unendlich existiert.
Beweis: Denn der Modus ist in einem anderen, durch das er begriffen werden muss (nach Definition 5), d.h. (nach Lehrsatz 15), er ist allein in Gott und kann allein durch Gott begriffen werden. Wenn also ein Modus wie notwendig existierend und unendlich seiend begriffen wird, so muss beides notwendig geschlossen oder erkannt werden durch irgendein Attribut Gottes, sofern dasselbe so begriffen wird, dass es Unendlichkeit und Notwendigkeit der Existenz oder (was nach Definition 8 dasselbe ist) Ewigkeit ausdrückt, d.h. (nach Definition 6 und Lehrsatz 19), sofern es absolut betrachtet wird. Also hat der Modus, der sowohl notwendig wie auch unendlich existiert, aus der absoluten Natur eines göttlichen Attributs folgen müssen, und zwar entweder unmittelbar (worüber Lehrsatz 21) oder mittelbar durch eine Modifikation, die aus dessen absoluter Natur folgt, d.h. (nach dem vorigen Lehrsatz), die sowohl notwendig wie auch unendlich existiert. W.z.b.w.
Lehrsatz 24
Das Wesen der von Gott hervorgebrachten Dinge schließt die Existenz nicht ein.
Beweis: Der Lehrsatz erklärt sich aus Definition 1. Denn das, dessen Natur (nämlich an sich betrachtet) die Existenz einschließt, ist Ursache seiner selbst und existiert nach der bloßen Notwendigkeit seiner Natur.
Zusatz: Daraus folgt, dass Gott nicht nur die Ursache ist, dass die Dinge zu existieren anfangen, sondern auch, dass sie im Existieren verharren oder (um mich eines scholastischen Ausdrucks zu bedienen) dass Gott die »Seinsursache« der Dinge ist. Denn, mögen die Dinge existieren oder nicht existieren, sobald wir auf ihr Wesen achten, finden wir, dass dasselbe weder Existenz noch Dauer in sich schließt. Ihr Wesen kann daher die Ursache weder ihrer Existenz noch ihrer Dauer sein, sondern nur Gott, zu dessen Natur allein schon die Existenz gehört (nach Zusatz 1 zu Lehrsatz 14).
Lehrsatz 25
Gott ist nicht nur die bewirkende Ursache der Existenz, sondern auch des Wesens der Dinge.
Beweis: Verneint man dieses, so wäre also Gott nicht die Ursache des Wesens der Dinge. Es kann also (nach Axiom 4) das Wesen der Dinge ohne Gott begriffen werden. Das aber ist (nach Lehrsatz 15) widersinnig. Also ist Gott auch die Ursache des Wesens der Dinge. W.z.b.w.
Anmerkung: Dieser Lehrsatz folgt deutlicher noch aus Lehrsatz 16. Denn aus diesem folgt, dass aus der gegebenen göttlichen Natur sowohl das Wesen der Dinge wie auch ihre Existenz notwendig geschlossen werden muss; und, um es kurz zu sagen, in dem Sinne, in welchem Gott die Ursache seiner selbst genannt wird, muss er auch die Ursache aller Dinge genannt werden, was sich noch deutlicher aus dem folgenden Zusatz ergibt.
Zusatz: Die einzelnen Dinge sind nichts als Affektionen der Attribute oder Modi der Attribute, durch die die Attribute Gottes auf gewisse und bestimmte Weise ausgedrückt werden. Der Beweis erklärt sich aus Lehrsatz 15 und Definition 5.
Lehrsatz 26
Ein Ding, das bestimmt ist, irgendetwas zu bewirken, ist notwendig von Gott so bestimmt worden, und ein Ding, das von Gott nicht bestimmt worden ist, kann nicht sich selbst zum Wirken bestimmen.
Beweis: Dasjenige, dessentwegen man von den Dingen sagt, dass sie bestimmt sind, irgendetwas zu bewirken, muss notwendig etwas Positives sein (was an sich klar ist); daher ist Gott aus der Notwendigkeit seiner Natur (nach den Lehrsätzen 25 und 16) die bewirkende Ursache sowohl von dessen Wesen wie auch von dessen Existenz. Damit ist das erste bewiesen. Daraus folgt aber auch die zweite Aufstellung des Lehrsatzes aufs deutlichste. Denn wenn ein Ding, das von Gott nicht bestimmt ist, sich selbst bestimmen könnte, so würde der erste Teil dieses Satzes falsch sein; was widersinnig ist, wie gezeigt worden.
Lehrsatz 27
Ein Ding, das von Gott bestimmt ist, etwas zu bewirken kann nicht sich selbst zu einem nichtbestimmten machen.
Beweis: Dieser Lehrsatz erklärt sich aus Axiom 3.
Lehrsatz 28
Alles Einzelne oder jedes Ding, das endlich ist und eine bestimmte Existenz hat, kann nicht existieren und nicht zum Wirken bestimmt werden, wenn es nicht zum Existieren und zum Wirken von einer anderen Ursache bestimmt wird, die ebenfalls endlich ist und eine bestimmte Existenz hat. Und wiederum kann diese Ursache auch nicht existieren und nicht zum Wirken bestimmt werden, wenn sie nicht von einer anderen, die ebenfalls endlich ist und eine bestimmte Existenz hat, zum Existieren und Wirken bestimmt wird. Und so ins Unendliche.
Beweis: Alles, was zum Existieren und Wirken bestimmt ist, ist von Gott so bestimmt (nach Lehrsatz 26 und Zusatz zu Lehrsatz 24). Was aber endlich ist und eine bestimmte Existenz hat, kann von der absoluten Natur eines göttlichen Attributs nicht abgeleitet werden.
Denn was aus der absoluten Natur eines göttlichen Attributs folgt, ist unendlich und ewig (nach Lehrsatz 21). Somit musste es aus Gott oder einem göttlichen Attribut folgen, sofern dieses als in irgendeiner Weise erregt betrachtet wird. Denn außer der Substanz und den Modi gibt es nichts (nach Axiom 1 und den Definitionen 3 und 5), und die Modi sind (nach Zusatz zu Lehrsatz 25) nichts als Affektionen der göttlichen Attribute. Aber aus Gott oder einem göttlichen Attribut, sofern es durch irgendeine Modifikation erregt ist, die ewig und unendlich ist konnte es ebenfalls nicht folgen (nach Lehrsatz 22). Es musste also folgen oder zum Existieren und Wirken bestimmt werden aus bzw. von Gott oder einem göttlichen Attribut, sofern dieses modifiziert ist durch eine Modifikation, die endlich ist und eine bestimmte Existenz hat. Damit wäre das erste bewiesen. Zudem musste wiederum diese Ursache oder dieser Modus (aus demselben Grunde, aus dem schon der erste Teil dieses Satzes bewiesen worden ist) ebenfalls von einer anderen bestimmt werden, die auch endlich ist und eine bestimmte Existenz hat, und diese letzte wieder (aus dem gleichen Grund) von einer anderen und so immer weiter (aus dem gleichen Grund) ins Unendliche. W.z.b.w.
Anmerkung: Da manche Dinge von Gott unmittelbar hervorgebracht werden mussten, nämlich diejenigen, die aus seiner absoluten Natur notwendig folgen, indem diese ersten Dinge alle diejenigen vermittelten, die doch ohne Gott weder sein noch begriffen werden können, so folgt daraus erstens, dass Gott die absolut nächste Ursache der von ihm unmittelbar hervorgebrachten Dinge ist; nicht aber in ihrer Gattung, wie man sagt. Denn die Wirkungen Gottes können ohne ihre Ursache weder sein noch begriffen werden (nach Lehrsatz 15 und Zusatz zu Lehrsatz 24). Es folgt zweitens, dass Gott eigentlich nicht die entfernte Ursache der einzelnen Dinge genannt werden kann, außer etwa aus dem Grunde, um sie von denen zu unterscheiden, die er unmittelbar hervorgebracht hat oder vielmehr, die aus seiner absoluten Natur folgen. Denn unter einer entfernten Ursache verstehen wir eine solche, die mit der Wirkung auf keine Weise verbunden ist. Alles aber, was ist, ist in Gott und hängt von Gott dermaßen ab, dass sie ohne ihn weder sein noch begriffen werden können.
Lehrsatz 29
In der Natur gibt es kein Zufälliges, sondern alles ist aus der Notwendigkeit der göttlichen Natur bestimmt, auf bestimmte Weise zu existieren und zu bewirken.
Beweis: Alles, was ist, ist in Gott (nach Lehrsatz 15). Gott aber kann nicht ein zufälliges Ding genannt werden, denn er existiert notwendig, nicht aber zufällig (nach Lehrsatz 11). Außerdem sind die Modi der göttlichen Natur aus dieser ebenfalls notwendig, nicht aber zufällig erfolgt (nach Lehrsatz 16); und zwar entweder sofern die göttliche Natur absolut (nach Lehrsatz 21) oder sofern sie als auf bestimmte Weise zu handeln bestimmt betrachtet wird (nach Lehrsatz 28). Zudem ist Gott die Ursache dieser Modi, nicht nur, sofern sie einfach existieren (nach Zusatz zu Lehrsatz 24), sondern auch (nach Lehrsatz 26), sofern sie als etwas zu handeln bestimmt betrachtet werden. Wenn sie (nach demselben Lehrsatz) von Gott nicht bestimmt sind, so ist es unmöglich, nicht nur zufällig, dass sie sich selbst bestimmen, und umgekehrt (nach Lehrsatz 27), wenn sie von Gott bestimmt sind, so ist es unmöglich, nicht nur zufällig, dass sie sich zu nicht bestimmten machen. Also ist alles aus der Notwendigkeit der göttlichen Natur bestimmt, nicht allein, um zu existieren, sondern auch, um auf bestimmte Weise zu existieren und zu wirken, und ein Zufälliges gibt es nicht. W.z.b.w.
Anmerkung: Bevor ich weitergehe, will ich hier erläutern, was wir unter »schaffende Natur« [natura naturans] und was wir unter »geschaffene Natur« [natura naturata] zu verstehen haben oder eigentlich nur daran erinnern. Denn wie ich glaube, ergibt sich bereits aus dem Bisherigen, dass wir unter »schaffende Natur« das zu verstehen haben, was in sich ist und durch sich begriffen wird, oder solche Attribute der Substanz, die ewiges und unendliches Wesen ausdrücken, d.h. (nach Zusatz 1 zu Lehrsatz 14 und Zusatz 2 zu Lehrsatz 17) Gott, sofern er als freie Ursache betrachtet wird. Unter »geschaffene Natur« aber verstehe ich alles dasjenige, was aus der Notwendigkeit der Natur Gottes folgt, d.h. alle Modi der Attribute Gottes, sofern sie als Dinge betrachtet werden, die in Gott sind und die ohne Gott weder sein noch begriffen werden können.
Lehrsatz 30
Der Verstand, ob in Wirklichkeit endlich oder unendlich, muss die Attribute Gottes und die Affektionen Gottes umfassen und nichts anderes.
Beweis: Eine wahre Idee muss mit ihrem Gegenstand übereinstimmen (nach Axiom 6), d.h. (wie an sich klar) das, was im Verstand objektiv enthalten ist, muss notwendig in der Natur vorhanden sein. Nun gibt es aber in der Natur (nach Zusatz 1 zu Lehrsatz 14) nur eine Substanz, nämlich Gott, und keine andere Affektionen (nach Lehrsatz 15) als die, die in Gott sind und die (nach demselben Lehrsatz) ohne Gott nicht sein noch begriffen werden können. Somit muss der Verstand, ob er in Wirklichkeit endlich oder in Wirklichkeit unendlich ist, die Attribute Gottes und die Affektionen Gottes umfassen und nichts anderes. W.z.b.w.
Lehrsatz 31
Der wirkliche Verstand, mag er endlich oder unendlich sein, wie auch der Wille, die Begierde, die Liebe u.s.w. müssen zur geschaffenen Natur, nicht aber zur schaffenden Natur gerechnet werden.
Beweis: Denn unter Verstand verstehe ich (wie selbstverständlich) nicht das absolute Denken, sondern nur eine gewisse Modus des Denkens, die sich von anderen Modi, wie Begierde, Liebe u.s.w., unterscheidet und daher (nach Definition 5) durch das absolute Denken begriffen werden muss; nämlich (nach Lehrsatz 15 und Definition 6) durch irgendein Attribut Gottes, das das ewige und unendliche Wesen des Denkens ausdrückt, so begriffen werden muss, dass es ohne dasselbe weder sein noch begriffen werden kann. Daher muss er (nach der Anmerkung zu Lehrsatz 29) zur geschaffenen Natur, nicht aber zur schaffenden gerechnet werden, wie auch die übrigen Modi des Denkens. W.z.b.w.
Anmerkung: Der Grund, warum ich hier von wirklichem Verstand rede, ist nicht, weil ich etwa zugebe, dass es irgendeinen potentiellen Verstand gibt, sondern weil ich jede Verwirrung zu vermeiden trachte, wollte ich nur von etwas sprechen, das uns völlig klar ist, nämlich von der Erkenntnis selbst, die von uns deutlicher als alles andere begriffen wird. Denn wir können nichts erkennen, was nicht zum vollkommeneren Verständnis der Erkenntnis beitragen würde.
Lehrsatz 32
Der Wille kann nicht freie Ursache genannt werden, sondern nur notwendige.
Beweis: Der Wille ist nur eine gewisse Form des Denkens, ebenso wie der Verstand. Daher kann jedes einzelne Wollen (nach Lehrsatz 20) nur dann existieren und nur dann zum Wirken bestimmt werden, wenn es von einer Ursache bestimmt wird und diese wiederum von einer anderen und so weiter ins Unendliche. Wird der Wille als unendlich angenommen, so muss er ebenfalls zum Existieren und Wirken von Gott bestimmt werden; nicht sofern Gott die absolut unendliche Substanz ist, sondern sofern er ein Attribut hat, das das unendliche und ewige Wesen des Denkens ausdrückt (nach Lehrsatz 23). Auf welche Weise also der Wille begriffen wird, ob als endlich oder als unendlich, erfordert er eine Ursache, von der er zum Existieren und Wirken bestimmt wird. Daher kann er (nach Definition 7) nicht freie Ursache genannt werden, sondern nur notwendige oder gezwungene. W.z.b.w.
Zusatz 1: Daraus folgt erstens, dass Gott nicht aus freiem Willen wirkt.
Zusatz 2: Daraus folgt zweitens, dass Wille und Verstand zur Natur Gottes sich verhalten wie Bewegung und Ruhe und überhaupt wie alles Natürliche, das zum Existieren und Wirken auf bestimmte Weise von Gott bestimmt werden muss. Denn der Wille bedarf, wie alles Übrige, einer Ursache, von der er zum Existieren und Wirken auf bestimmte Weise bestimmt wird. Und obwohl aus einem gegebenen Willen oder Verstand Unendliches folgt, kann man darum doch ebenso wenig von Gott sagen, er handle aus freiem Willen, wie man dessentwegen, was aus Bewegung und Ruhe folgt (denn auch aus diesen folgt Unendliches), von ihm sagen kann, er handle aus freier Bewegung und Ruhe. Der Wille gehört darum zur Natur Gottes nicht mehr als alles übrige Natürliche, vielmehr verhält er sich zu ihr geradeso wie Bewegung und Ruhe und alles übrige, das, wie ich gezeigt habe, aus der Notwendigkeit der göttlichen Natur folgt und von ihr zum Existieren und Wirken auf bestimmte Weise bestimmt wird.
Lehrsatz 33
Die Dinge konnten auf keine andere Weise und in keiner anderen Ordnung von Gott hervorgebracht werden, als sie hervorgebracht worden sind.
Beweis: Denn alle Dinge sind aus der gegebenen Natur Gottes mit Notwendigkeit erfolgt (nach Lehrsatz 16) und aus der Notwendigkeit der göttlichen Natur bestimmt, auf bestimmte Weise zu existieren und zu wirken (nach Lehrsatz 29). Hätten also die Dinge von anderer Beschaffenheit sein oder auf andere Weise zum Wirken bestimmt werden können, so dass die Ordnung der Natur eine andere wäre, so hätte auch die Natur Gottes eine andere sein können, als sie wirklich ist. Dann aber müsste (nach Lehrsatz 11) jene andere Natur auch existieren, und es müsste demnach zwei oder mehrere Götter geben, was (nach Zusatz 1 zu Lehrsatz 14) widersinnig ist. Daher konnten die Dinge auf keine andere Weise und nach keiner anderen Ordnung u.s.w. W.z.b.w.
Anmerkung 1: Nachdem ich hiermit sonnenklar gezeigt habe, dass es durchaus nichts in den Dingen gibt, dessentwegen sie als zufällig bezeichnet werden könnten, will ich noch mit wenigen Worten erläutern, was wir unter zufällig, vorher aber, was wir unter notwendig und unmöglich zu verstehen haben. Ein Ding heißt notwendig entweder in Bezug auf sein Wesen oder in Bezug auf seine Ursache. Denn die Existenz eines Dinges folgt mit Notwendigkeit entweder aus dem Wesen und der Definition desselben oder aus einer gegebenen wirkenden Ursache. Diese Gründe sind es auch, weshalb eine Sache unmöglich genannt wird, weil nämlich entweder das Wesen oder die Definition desselben das Gegenteil in sich schließt oder weil keine äußere Ursache gegeben ist, die bestimmt wäre, ein solches Ding hervorzubringen. Zufällig aber wird ein Ding aus keinem anderen Grund genannt als wegen unserer mangelhaften Erkenntnis. Denn ein Ding, von dem wir nicht wissen, ob sein Wesen einen Widerspruch in sich schließt, oder von dem wir gewiss wissen, dass es keinen Widerspruch in sich schließt, während wir dennoch über dessen Existenz nichts Sicheres behaupten können, weil die Ordnung der Ursachen uns verborgen ist, ein solches Ding kann uns weder als notwendig noch als unmöglich erscheinen, und darum nennen wir es entweder zufällig oder möglich.
Anmerkung 2: Aus dem Vorangegangenen folgt klar, dass die Dinge in höchster Vollkommenheit von Gott hervorgebracht worden sind, da sie ja aus der gegebenen vollkommensten Natur mit Notwendigkeit erfolgt sind. Und zwar wird damit Gott nicht irgendeiner Unvollkommenheit beschuldigt, denn eben dessen Vollkommenheit nötigt uns, dies zu behaupten. Es würde sogar aus dem Gegenteil klar folgen (wie ich bereits gezeigt habe), dass Gott nicht höchst vollkommen wäre; weil man nämlich, wenn die Dinge auf andere Weise hervorgebracht wären, Gott eine andere Natur zuschreiben müsste, verschieden von derjenigen, die wir aus der Betrachtung des höchsten Wesens demselben zuzuschreiben müssen.
Indessen bezweifle ich nicht, dass viele diese Ansicht als eine widersinnige verspotten und gar keine Lust haben, sie näher zu erwägen, und zwar aus keinem anderen Grunde, als weil sie Gott eine andere Freiheit zuzuschreiben gewöhnt sind, ganz verschieden von derjenigen, die von mir (siehe Definition 7) dargelegt wurde; nämlich einen absoluten Willen. Allerdings bezweifle ich auch wieder nicht, dass, wenn sie über die Sache nachdenken und die Reihe meiner Beweise genau erwägen würden, sie selbst schließlich eine solche Freiheit, wie sie Gott eine zuschreiben, nicht nur als Verkehrtheit, sondern auch als großes Hindernis des Wissens völlig verwerfen würden. Es ist unnötig, hier zu wiederholen, was in der Anmerkung zu Lehrsatz 17 gesagt wurde. Doch will ich ihnen zuliebe noch darlegen, dass, wenn auch eingeräumt würde, dass der Wille zum Wesen Gottes gehöre, nichtsdestoweniger aus dessen Vollkommenheit folgte, dass die Dinge auf keine andre Weise und nach keiner anderen Ordnung von Gott geschaffen werden konnten.
Es wird dies leicht gezeigt werden können, wenn wir zunächst das betrachten, was die Gegner selbst einräumen, nämlich dass es allein von Gottes Beschluss und Willen abhängt, dass jedes Ding ist, was es ist; denn sonst wäre Gott nicht die Ursache aller Dinge. Außerdem, dass alle Beschlüsse Gottes von Ewigkeit her von Gott selbst gefasst waren; denn sonst würde Gott der Unvollkommenheit und Unbeständigkeit beschuldigt werden. Da es nun im Ewigen kein Wann, kein Vorher und kein Nachher gibt, so folgt daraus, nämlich aus der bloßen Vollkommenheit Gottes, dass Gott nie etwas anderes beschließen konnte oder dass Gott vor seinen Beschlüssen nicht gewesen ist noch ohne sie sein kann.
Aber, sagen die Gegner, wenn auch angenommen würde, dass Gott eine andere Natur gemacht hätte oder dass er von Ewigkeit her etwas anderes über die Natur und ihre Ordnung beschlossen hätte, so würde daraus doch keine Unvollkommenheit in Gott folgen. Doch wenn sie das sagen, so geben sie zugleich zu, dass Gott seine Beschlüsse ändern könne. Denn wenn Gott über die Natur und ihre Ordnung anderes beschlossen hätte, als er beschlossen hat, d.h., wenn er über die Natur etwas anderes gewollt und gedacht hätte, so hätte er notwendig einen anderen Verstand, als er wirklich hat, und einen anderen Willen, als er wirklich hat. Und wenn man Gott einen anderen Verstand und einen anderen Willen zuschreiben darf, ohne irgendeine Veränderung seines Wesens und seiner Vollkommenheit, welcher Grund wäre vorhanden, dass Gott nicht jetzt seine Beschlüsse über die geschaffenen Dinge ändern und dabei doch gleich vollkommen bleiben könnte? Denn in Bezug auf sein Wesen und seine Vollkommenheit ist es ja egal, auf welche Weise sein Verstand und sein Wille begriffen werden. Außerdem geben alle mir bekannten Philosophen zu, dass es in Gott keinen potentiellen Verstand, sondern nur einen wirklichen gibt. Da aber sowohl sein Verstand wie auch sein Wille sich von seinem Wesen nicht unterscheidet, was ebenfalls alle zugeben, so folgt daraus auch, dass, wenn Gott einen anderen Verstand in der Wirklichkeit gehabt hätte und einen anderen Willen, auch sein Wesen notwendig ein anderes wäre, und zudem, dass (wie ich anfangs geschlossen habe), wenn die Dinge anders, als sie wirklich sind, von Gott hervorgebracht worden wären, der Verstand Gottes und sein Wille, d.h. (wie zugegeben wird) sein Wesen, ein anderes sein müsste, was widersinnig wäre.
Da also die Dinge auf keine andere Weise und in keiner anderen Ordnung von Gott hervorgebracht werden konnten und die Wahrheit dieser Behauptung aus der höchsten Vollkommenheit Gottes folgt, so kann gewiss keine gesunde Vernunft uns überreden zu glauben, Gott habe nicht alles, was in seinem Verstand ist, mit derselben Vollkommenheit, womit er es gedacht, erschaffen wollen. Indessen wird man sagen: In den Dingen ist weder Vollkommenheit noch Unvollkommenheit, sondern dasjenige in ihnen, weshalb sie vollkommen oder unvollkommen sind, gut oder schlecht genannt werden, hängt vom Willen Gottes allein ab. Hätte daher Gott gewollt, so hätte er bewirken können, dass das, was jetzt Vollkommenheit ist, die höchste Unvollkommenheit wäre, und umgekehrt. Doch was hieße dies anders, als offen zu behaupten, Gott, der doch das, was er will, notwendig denkt, könne durch seinen Willen machen, dass er die Dinge auf andere Weise denkt, als er sie denkt; was (wie ich bereits gezeigt) ein großer Unsinn ist. Ich kann daher den Beweis gegen die Gegner selbst folgendermaßen umkehren: Alles hängt ab von der Macht Gottes. Sollten daher die Dinge anders beschaffen sein können, so müsste notwendig auch der Wille Gottes anders beschaffen sein. Nun kann aber der Wille Gottes nicht anders beschaffen sein (wie ich bereits aus der Vollkommenheit Gottes sehr klar gezeigt habe). Folglich können die Dinge nicht anders beschaffen sein.
Ich gebe zu, dass diese Meinung, die alles einem gewissen indifferenten Willen Gottes unterwirft und alles von seinem Gutdünken abhängig sein lässt, weniger von der Wahrheit entfernt ist als die Meinung jener, die behaupten, Gott mache alles unter dem Gesichtspunkt des Guten. Denn diese scheinen etwas außer Gott anzunehmen, das von Gott nicht abhängt und das Gott bei seinem Wirken sich zum Muster nimmt oder auf das er, wie auf ein bestimmtes Ziel, hinarbeitet. Dies heißt wahrlich nichts anderes, als Gott dem blinden Schicksal unterwerfen; das Widersinnigste, was man von Gott behaupten kann, der, wie gezeigt wurde, die erste und einzige freie Ursache ist sowohl des Wesens aller Dinge wie auch ihrer Existenz. Es ist daher nicht nötig, mit der Widerlegung dieses Unsinns die Zeit zu vergeuden.
Lehrsatz 34
Die Macht Gottes ist sein Wesen selbst.
Beweis: Denn aus der bloßen Notwendigkeit seines Wesens folgt, dass Gott die Ursache seiner selbst (nach Lehrsatz 11) und (nach Lehrsatz 16 und dessen Zusatz) aller Dinge ist. Folglich ist die Macht Gottes, durch die er und alles ist und handelt, sein Wesen selbst. W.z.b.w.
Lehrsatz 35
Alles, was wir begreifen als in Gottes Gewalt seiend, ist notwendig.
Beweis: Denn alles, was in Gottes Gewalt ist, muss (nach dem vorigen Lehrsatz) in seinem Wesen so enthalten sein, dass es aus demselben notwendig folgt; also ist es notwendig. W.z.b.w.
Lehrsatz 36
Es existiert nichts, aus dessen Natur nicht eine Wirkung folgte
Beweis: Alles, was existiert, drückt die Natur oder das Wesen Gottes auf gewisse und bestimmte Weise aus (nach Zusatz zu Lehrsatz 25), d.h. (nach Lehrsatz 34) alles, was existiert, drückt die Macht Gottes, die die Ursache aller Dinge ist, auf gewisse und bestimmte Weise aus; also muss (nach Lehrsatz 16) irgendeine Wirkung aus demselben folgen. W.z.b.w.
Anhang
Damit habe ich die Natur Gottes und seine Eigenschaften auseinandergesetzt, nämlich: dass er notwendig existiert; dass er einzig ist; dass er aus der bloßen Notwendigkeit seiner Natur ist und handelt; dass und in welcher Weise er die freie Ursache aller Dinge ist; dass alles in Gott ist und von ihm so abhängt, dass nichts ohne ihn sein oder begriffen werden kann; schließlich, dass alles von Gott vorausbestimmt gewesen ist, nicht zwar aus der Freiheit des Willens oder eines absoluten Gutdünkens, sondern aus der absoluten Natur Gottes oder seiner unendlichen Macht. Auch habe ich bei jeder Gelegenheit die Vorurteile, die dem Verständnis meiner Beweise im Wege waren, zu beseitigen gesucht.
Indessen gibt es noch weitere Vorurteile, und ihre Zahl ist nicht gering, die nicht weniger, ja ganz besonders hinderlich waren und sind, dass man die Verkettung der Dinge in der Weise, wie ich sie beleuchtet habe, verstehen kann. Ich hielt es darum der Mühe wert, diese Vorurteile einer Prüfung durch die Vernunft zu unterziehen. Und weil alle Vorurteile, die ich hier behandeln will, von Einem abhängen, nämlich davon, dass die Menschen gewöhnlich annehmen, alle Dinge in der Natur handelten, wie sie selbst, um eines Zwecks willen, ja dass sie von Gott selbst mit aller Bestimmtheit behaupten, er leite alles zu irgendeinem bestimmten Zweck – sagen sie doch, Gott habe alles um des Menschen willen gemacht, den Menschen selbst aber, damit er ihn verehre, so will ich mich hier vor allem mit diesem einen Vorurteil beschäftigen, indem ich erstens die Ursache aufsuche, weshalb die meisten in diesem Vorurteil befangen sind und alle von Natur so sehr dazu neigen, es zu hegen; und dann werde ich dessen Unwahrheit nachweisen und schließlich auch, wie daraus über Gut und Schlecht, Verdienst und Verfehlung, Lob und Tadel, Ordnung und Verwirrung, Schönheit und Hässlichkeit und über anderes dieser Art Vorurteile entstanden sind.