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Ich sattle im Traum mein Pferd; ich tätschle ihm den Hals, springe auf und reite los wie im Western. Oder wie ein Jockey, stromlinienförmig und ganz verschmolzen mit dem Pferd pfeilschnell fliegen …

Gewicht und Größe habe ich, um mit Old Shatterhand oder Winnetou durch die Weite der Prärie galoppieren zu können oder wenigstens wie unsere Urlauber am Strand auf einem Pony reiten, das möchte ich jetzt …, aber ihr wisst ja, dass ich Hartzer bin, und die besitzen sicher nur in Ausnahmefällen ein Pferd oder können sich keine teuren Reitstunden leisten …
Ich schäme mich jetzt wieder einmal ein bisschen meiner Wünsche wegen, da ich von meinen Eltern weiß, dass ich Maß halten soll und muss, denn zwischen Traum und Wirklichkeit sei ein gewaltiger Unterschied. Nicht alles geht, was man möchte, also sich wünscht. Das sagte mein Vater mal beim Abendbrot auch zu meiner Mutter, als meine Mutter wenigstens einmal im Jahr ins Kino, Museum oder Theater gehen wollte. Meine Mutter will nicht vorm Fernseher versauern. – Solange wir von Hartz IV leben, geht das nicht, brüllte mein Vater damals meine Mutter an. Wir alle müssten den Gürtel ein paar Löcher enger schnallen. Welchen Gürtel, fragte ich mich. Mein Vater und meine Mutter tragen doch gar keine Gürtel … Ich lasse es jetzt erst einmal mit dem Träumen, blicke zu Oles Mutter auf und habe das Gefühl, dass sie mich versteht. Auf einmal knurrt mir lautstark der Magen.
„Du bist doch Karl, Oles Freund? Ole hat mir schon viel von dir erzählt. Du hast Hunger und schaust so blass wie ein Gespenst aus.”
„Mutti, schon gut!”, unterbricht Ole seine Mutter, die vor Mitleid wegen meiner sehr hageren Erscheinung und des knurrenden Hundes in meinem Magen fast in Tränen ausbricht.
Ich schaue auf den Fußboden, trete von einem Bein auf das andere und sage: „Danke, Schnitzel hatte ich zwar erst gestern, aber heute könnte so ein Schnitzel auch nicht schaden und das Himbeereis obenauf im Magen erst recht nicht, Frau Auerhahn”, und ich mache eine kleine Verbeugung.
Mutti hatte mir geraten, es zu tun, wenn ich ein Geschenk bekomme oder mir Worte gefielen. Das würde Respekt ausdrücken, meinte meine Mutter. Mein Vater hingegen nannte eine Verbeugung daraufhin grimmig: Dienern oder Eindruck schinden bei den Leuten, nennt man das!
Da ich jetzt aber ungern auf ein leckeres Schnitzel verzichten will, verbeuge ich mich heute sogar ein bisschen tiefer, denn seit vierzehn Tagen (oder war es schon länger her?), habe ich kein Fleisch mehr gegessen.
Ole bricht in ein schallendes Gelächter aus, sodass die Schweine wieder laut anfangen zu quieken und zu grunzen.
Seine Mutter aber legt ihren Arm behutsam um meinen Nacken und spricht über das Lachen von Ole und das Quieken der Schweine hinweg: „Komm, Karl. Mein Ole ist ein Kindskopf. Nur Dummköpfe lachen über die Notlage der anderen. Du kannst öfter zu uns kommen? Unser Keller ist voll mit Schinken, Speck und eingemachter Blut- und Leberwurst. Es ist vom Hausschlachten im vergangenen Jahr viel zu viel noch da. Ole, meinem Mann und mir quellen die Würste, Schinken und das Fleisch schon aus den Ohren. Du merkst, wir brauchen Verstärkung.”
Ich schaue zu Ole, der mich pausbäckig angrinst, besehe mir noch einmal seine fleischigen Hände und dann die meinigen und sage: „Wenn ‘s sein muss, da kann ich helfen”, und folge Ole und seiner Mutter ins Haus.
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