Recht im E-Commerce und Internet

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Einführung
von
Univ.-Prof. i.R. Dr. Prof. h.c. Jürgen Taeger
Rechtsanwalt/Of Councel, DLA Piper UK LLP
und
Sascha Kremer
Rechtsanwalt, Fachanwalt für IT-Recht,
KREMER RECHTSANWÄLTE, Köln
2., aktualisierte und erweiterte Auflage 2021
Fachmedien Recht und Wirtschaft | dfv Mediengruppe | Frankfurt am Main
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Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.
ISBN: 978-3-8005-1727-5

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Satzkonvertierung: Lichtsatz Michael Glaese GmbH, 69502 Hemsbach
Druck und Verarbeitung: WIRmachenDRUCK GmbH, Mühlbachstraße 7, 71522 Backnang
Printed in Germany
Vorwort
Im Vorwort zur ersten Auflage wiesen wir auf die Veränderungen des Kommunikationsverhaltens und des Informationszugangs durch Digitalisierung und Globalisierung hin. Diese mit Chancen, aber auch Risiken verbundene Entwicklung ist für jeden spürbar, ob am Arbeitsplatz oder in der Freizeit, ob als Konsument, Patient, Unternehmer, in einer Behörde oder bei Gericht. Die auf Digitalisierung beruhende technische Entwicklung ist zu begrüßen, bringt sie doch für jeden Einzelnen Annehmlichkeiten und Vorteile mit sich. Arbeitsplätze sichernde, weltweit vermarktbare neue Technologien und Geschäftsmodelle sowie sich weiterentwickelnde Medizinprodukte auf der Basis von Künstlicher Intelligenz sollten als Chance verstanden werden.
Für viele geht die Digitalisierung aber noch zu langsam voran. Bei Behörden mag es beim E-Government inzwischen gute Ansätze geben; insgesamt zeigt sich aber, dass es in der öffentlichen Verwaltung Deutschlands im Vergleich insbesondere zu baltischen Staaten noch erheblichen Nachholbedarf gibt. Die Pandemie zeigt, dass das etwa auch für Schulen, und Universitäten sowie das mobile Arbeiten und das Arbeiten im Home-Office gilt.
Mit Sorge ist allerdings auch zu beobachten, wie in Sozialen Netzen Falschinformationen verbreitet und mit Verleumdungen und Unterstellungen auf die politische Meinungsbildung demokratiegefährdend eingewirkt wird. Zudem verlieren Teile der Gesellschaft jegliche Hemmung und verbreiten über das Internet Hass und strafrechtlich relevante Äußerungen. Sie schüren gefährliche demokratiefeindliche Stimmungen, die zu gewalttätigen Exzessen und Anschlägen führen. Die Pandemie zeigt, dass sich auf Plattformen Gruppen organisieren, die rücksichtslos die Gesundheit vieler Menschen gefährden. Das Netzwerkdurchsetzungsgesetz (NetzDG) ist seit Erscheinen der Vorauflage bereits zweimal geändert worden, um die großen Anbieter Sozialer Medien stärker in die Pflicht zu nehmen. Auf diese gesetzliche Entwicklung geht die hier vorgelegte Neuauflage ein.
Vor allen Dingen ist eine Neuauflage aufgrund der intensiven gesetzgeberischen Aktivitäten des europäischen und des nationalen Gesetzgebers erforderlich geworden. Mehrere Richtlinien sind in nationales Recht transformiert worden, die für das Fernabsatzrecht, das Datenschutzrecht und das Internetrecht von erheblicher Bedeutung sind. Deshalb behandelt diese Neuauflage neben der zwischenzeitlich schon zum Klassiker gewordenen Datenschutz-Grundverordnung ausführlich das „Gesetz zur Umsetzung der Richtlinie über bestimmte vertragsrechtliche Aspekte der Bereitstellung digitaler Inhalte und digitaler Dienstleistungen“ und das so sperrig betitelte „Gesetz zur Änderung des Bürgerlichen Gesetzbuchs und des Einführungsgesetzes zum Bürgerlichen Gesetzbuche in Umsetzung der EU-Richtlinie zur besseren Durchsetzung und Modernisierung der Verbraucherschutzvorschriften der Union und zur Aufhebung der Verordnung zur Übertragung der Zuständigkeit für die Durchführung der Verordnung (EG) Nr. 2006/2004 auf das Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz“, das das Widerrufsrecht bei Fernabsatzgeschäften modifiziert, ebenso wie das kommende „Gesetz für faire Verbraucherverträge“, mit dem besondere Kündigungsrechte für Verbraucher bei einem Vertragsabschluss über die Internetpräsenz des Anbieters geschaffen werden.
Die Neuregelungen haben wesentliche Auswirkungen auf das Fernabsatzrecht, so auf die Informationspflichten für Betreiber von Online-Marktplätzen und auf die Verbraucherrechte beim Kauf von digitalen Gütern und Verträgen über Dienstleistungen.
Ein neues Kapitel wurde aufgenommen, das sich speziell mit Besonderheiten beim Vertrieb digitaler Produkte befasst. Ausführlich werden die Gesetzesänderungen aufgrund der Digitale Inhalte-Richtlinie und der Warenkauf-Richtlinie behandelt, die dem Kaufrecht in Teilen ein neues Gesicht geben.
Auf die kommenden weiteren Informationspflichten für Vertreiber von Elektrogeräten durch das „Erste Gesetz zur Änderung des Elektro- und Elektronikgerätegesetzes“ geht diese Neuauflage ebenso ein, wie auf die anstehende Umsetzung der „Richtlinie über die Barrierefreiheitsanforderungen für Produkte und Dienstleistungen“ und das „Gesetz über den Datenschutz und den Schutz der Privatsphäre in der Telekommunikation bei Telemedien (TTDSG)“.
Des Weiteren behandelt diese zweite Auflage den neuen „Staatsvertrag zum Glücksspielwesen in Deutschland“ sowie den „Medienstaatsvertrag“. Neuere Rechtsprechung zu Aspekten des Fernabsatzrechts (so zu Informationspflichten, zum Impressum und zum Widerrufsrecht) wurde ausgewertet und berücksichtigt.
Die Verfasser sind Christoph Hollmann, wiss. Mitarbeiter bei KREMER RECHTSANWÄLTE, für seine wertvolle Unterstützung bei der Vorbereitung der zweiten Auflage sehr dankbar. Bei Frau Tanja Brücker bedanken wir uns erneut für ihr hoch kompetentes Lektorat und die außerordentlich angenehme Kommunikation. Die Erstellung des Sachverzeichnisses übernahm wieder Dipl.-Jurist Robert Taeger, wiss. Mitarbeiter in der Hamburger Kanzlei von Hogan Lovells.
Wir freuen uns über Zuspruch der Leserinnen und Leser ebenso wie über Kritik und Anregungen.
Köln, im September 2021Jürgen TaegerSascha KremerKapitel 1
Juristische und ökonomische Grundlagen des Internet
Übersicht
Rn.I. Juristische Grundlagen1II. Rechtsquellen für das Recht im E-Commerce und Internet61. EU-Recht72. Bundesrecht103. Landesrecht114. Rechtsraum Internet12a) Differenzierung in technischer Hinsicht13b) Juristische Differenzierung15III. Ökonomische Grundlagen221. Eigenschaften der Internet-Ökonomie232. Geschäftsmodelle34a) Werbung im Internet (One-to-One-Marketing)35b) Elektronischer Vertragsschluss und herkömmliche Auslieferung37c) Vollständig elektronischer Vertrieb39d) Neue Geschäftsmodelle40I. Juristische Grundlagen
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Ein „Internet-Gesetzbuch“, in dem alle rechtlichen Regelungen im Hinblick auf das Internet zusammengefasst sind, gibt es nicht. Vielmehr ist das Internetrecht eine typische Querschnittsmaterie. Die gesetzlichen Regelungen, die auf Sachverhalte mit Bezug zum Internet und Social Media sowie den dortigen Geschäftsmodellen im E-Commerce anwendbar sind, sind verstreut in verschiedenen Gesetzen zu finden. Zum Teil sind es allgemeine Gesetze – wie beispielsweise das Urheberrecht, das Namensrecht, das Wettbewerbsrecht oder das Haftungsrecht –, die auch für Internetsachverhalte bedeutsam sind, zum Teil sind es aber auch normative Regelungen, die spezifisch auf Internetsachverhalte zugeschnitten sind.
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Hierzu ein Beispiel als Einführung:
Ein Verbraucher bestellt im Internet über die Website eines Buchhändlers ein Buch. Dieses wird ihm nach einer Woche geliefert. Der Kaufpreis wird per SEPA-Lastschrift eingezogen.
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Für die juristische Beurteilung dieses Falles sind verschiedene Normen bedeutsam. Für den Vertragsschluss über den Buchkauf gelten zunächst die allgemeinen, technikneutralen Regeln des BGB über Willenserklärungen bei Vertragsschlüssen aller Art, sei es am Telefon, per Fax oder eben über das Internet (Allgemeiner Teil, §§ 145ff. BGB). Die sich aus diesem Vertrag ergebenden Pflichten richten sich ebenfalls nach den Vorschriften des BGB über Kaufverträge (Besonderes Schuldrecht, §§ 433ff. BGB): Bei einem formlosen Rechtsgeschäft wie dem Kauf beweglicher Sachen ist es unerheblich, ob ein Kauf per Internet oder auf sonstigem Wege getätigt wird. Die Voraussetzungen für das Vorliegen eines Sachkaufs und die sich aus einem Kaufvertrag ergebenden Pflichten sind immer dieselben: die Vertragsparteien müssen sich über die wesentlichen Grundlagen des Vertrags geeinigt haben („essentialia negotii“), der Verkäufer muss das Eigentum an der Ware dem Käufer mangelfrei übertragen und der Käufer den vereinbarten Kaufpreis an den Verkäufer zahlen.
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Allerdings sieht der Gesetzgeber bei einem elektronischen Vertragsschluss im sog. Fernabsatz auf Seiten des Kunden, insbesondere bei Verbrauchern, ein besonderes Schutzbedürfnis. Deshalb hat er – auch einem Gesetzgebungsbefehl von EU-Richtlinien zum elektronischen Geschäftsverkehr folgend – spezielle Regelungen für Fernabsatzgeschäfte i.S.d. § 312c Abs. 1 BGB geschaffen, die für alle Absatzgeschäfte gelten, bei denen sog. Fernkommunikationsmittel i.S.d. § 312c Abs. 2 BGB wie Kataloge, Prospekte, Fax, Telefon oder eben das Internet eingesetzt werden. Für Fernabsatzgeschäfte sind beispielsweise über § 312d BGB besondere Informationspflichten – mit Bezugnahme auf Art. 246a, Art. 246b EGBGB1 – und ein Widerrufsrecht gemäß § 312g Abs. 1 BGB2 vorgesehen, ferner eine Vertragsbestätigung gemäß § 312f Abs. 2, Abs. 3 BGB. Diese verbraucherschützenden Regelungen für Verträge im Fernabsatz sind neben den allgemeinen Vorschriften einschlägig. Aber es gibt noch weitere, speziell auf Sachverhalte im elektronischen Geschäftsverkehr zugeschnittene Regelungen wie die §§ 312i und bei Verbraucherverträgen 312j BGB, die gegenüber den Kunden Rechtspflichten wie die Möglichkeit zur Korrektur von Eingaben, besondere Informationspflichten, Empfangsbestätigung der eingegangenen Willenserklärung, speicherbare Übermittlung der AGB und anderes mehr vorsehen.
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Schließlich soll noch darauf aufmerksam gemacht werden, dass der Gesetzgeber in § 125 BGB grundsätzlich von der Formfreiheit des Vertragsschlusses ausgeht und nur in besonders gelagerten Situationen zum Schutz der Vertragsparteien Formerfordernisse wie die Schriftform gemäß § 126 BGB, die Textform gemäß § 126b BGB oder die notarielle Beurkundung gemäß § 128 BGB vorschreibt.3 Soweit die Schriftform verlangt wird, kann sie durch die elektronische Form substituiert werden (§ 126 Abs. 3 BGB i.V.m. § 126a BGB), wenn nicht das Gesetz etwas anderes bestimmt.
1 Zu Informationspflichten für Anbieter im Internet und E-Commerce ausführlich Kap. 5. 2 Zum Widerrufsrecht bei Fernabsatzgeschäften ausführlich Kap. 6. 3 Zu Formvorschriften im Internet und E-Commerce ausführlich Kap. 4.
II. Rechtsquellen für das Recht im E-Commerce und Internet
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Die relevanten Normen für das Recht im E-Commerce und Internet lassen sich in zwei Kategorien einordnen. Differenziert werden kann einerseits nach dem gesetzgebenden Organ (EU, Bund, im Einzelfall auch ein Bundesland), andererseits nach dem spezifischen, internetrechtlichen Gehalt der jeweiligen Norm (allgemeine oder internetspezifische Regelung).
1. EU-Recht
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EU-Recht umfasst das gesamte Primär- und Sekundärrecht der Europäischen Union. Insbesondere von Interesse sind dabei die EU-Richtlinien und Verordnungen. Das sind Rechtsakte der Europäischen Union, die auf Vorlage der EU-Kommission vom Rat unter abgestufter Mitwirkung des Europäischen Parlaments verabschiedet werden (vgl. Art. 288 AEUV).
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Richtlinien haben keine unmittelbare Gesetzesqualität, sondern müssen von den Mitgliedstaaten der EU in nationales Recht umgesetzt werden. Beispiele für Richtlinien, die besonderen Bezug zum Internet haben, sind die Fernabsatzrichtlinie,4 die E-Commerce-Richtlinie5 und die E-Privacy-Richtlinie.6 Werden EU-Richtlinien nicht oder nicht vollständig in nationales Recht von den Mitgliedstaaten umgesetzt, sind die nicht umgesetzten Richtlinien bei der Auslegung des nationalen Rechts zu berücksichtigen,7 und im Einzelfall sogar unmittelbar anzuwenden.8
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Demgegenüber sind EU-Verordnungen auch ohne nationalen Umsetzungsakt ab dem in der Verordnung hierfür benannten Zeitpunkt in jedem Mitgliedstaat unmittelbar anzuwenden und haben Gesetzesqualität. Ein bedeutsames Beispiel für eine solche für das Internet und den E-Commerce relevante EU-Verordnung ist die Datenschutz-Grundverordnung (DS-GVO), die am 24.5.2016 in Kraft getreten und am 25.5.2018 wirksam geworden ist.9 Ein weiteres Beispiel ist die sog. P2B-Verordnung, die das Verhältnis zwischen Plattformen und deren gewerblichen Nutzern regelt.10
2. Bundesrecht
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Das Bundesrecht gliedert sich im Wesentlichen in Gesetze und Verordnungen. Bundesgesetze sind Gesetze, die durch den Bundestag als gesetzgebendes Organ des Bundes verabschiedet werden. Verordnungen können durch die Regierung erlassen werden, sofern der Bundestag durch ein Gesetz eine korrespondierende Verordnungsermächtigung schafft. Mit Verordnungen können Teilbereiche ohne Beteiligung des Bundestages geregelt und flexibel geändert werden. Beispiele für Bundesgesetze mit Bezug zum Internet sind das BGB, das Telemediengesetz (TMG), das Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb (UWG) oder das Urheberrechtsgesetz (UrhG).
3. Landesrecht
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Landesrecht hat für den hier interessierenden Bereich wegen der überwiegenden Gesetzgebungskompetenz des Bundes nur eingeschränkte Relevanz. Bedeutsam ist insbesondere der am 7.11.2020 in Kraft getretene Medienstaatsvertrag der Länder.11 Dieser enthält neben Regelungen zum Rundfunk auch das TMG ergänzende Regelungen zu Telemedien und zu sog. „Video-Sharing-Diensten“. Dieser ist erforderlich, da das Medien- und Presserecht nach der im Grundgesetz festgelegten Kompetenzverteilung grundsätzlich Landessache ist (Art. 70 Abs. 1 GG i.V.m. Art. 75 Abs. 1 Nr. 2 GG a.F.), in der der Bundesgesetzgeber nur eine Rahmenkompetenz hat.
4. Rechtsraum Internet
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Das Internet stellt keinen eigenen Rechtsraum dar, in dem, losgelöst vom realen Raum, keine oder eigene Regeln gelten. So gesehen gibt es kein „Cyberlaw“, sondern allenfalls gesonderte Regelungen für den Bereich Internet. Grundsätzlich gelten alle Regelungen der realen Welt auch im Internet, und es ist kein Sachverhalt denkbar, der sich nicht – wenn auch nur im Wege der Analogie – normativ beurteilen lässt.
a) Differenzierung in technischer Hinsicht
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Das Rechtsgebiet Internetrecht ist also eine Querschnittsmaterie, die verschiedene Rechtsbereiche umfasst. In technischer Hinsicht kann man drei Ebenen identifizieren:
1. Geschäftsprozessebene: Diese Ebene betrifft Geschäftsprozesse, die unter Nutzung des Internet angebahnt, abgeschlossen und durchgeführt werden, z.B. der Kauf einer Software im Internet mit anschließendem Download. Anzuwendende Gesetze sind z.B. das BGB, das UrhG oder auch die DSGVO.
2. Ebene der Telemediendienste: Die Ebene der Telemediendienste umfasst alle elektronischen Informations- und Kommunikationsdienste, die nicht Rundfunk nach § 2 Abs. 1 des Medienstaatsvertrags und nicht Telekommunikationsdienste nach § 3 Nr. 24, 25 TKG sind. Darunter fallen z.B. Online-Zeitungen, Social Media, Blogs/Vlogs, Internetversteigerungen oder Webshops. Anzuwendende Normen sind beispielsweise solche des TMG und der P2B-Verordnung.
3. Ebene der Telekommunikations- oder allgemein Infrastrukturdienste: Diese Ebene umfasst die technische Infrastruktur des Datenverkehrs, also die Signalübertragung. Anzuwendendes Gesetz ist etwa das Telekommunikationsgesetz (TKG).12
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Alle diese Ebenen bauen aufeinander auf. Die Geschäftsprozessebene setzt voraus, dass eine entsprechende Telemediendienstebene existiert, die wiederum die Infrastrukturebene zwingend voraussetzt.
b) Juristische Differenzierung
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Aber auch die herkömmliche Differenzierung zwischen Öffentlichem Recht und Zivilrecht findet sich beim Internetrecht wieder. Mit Hinblick auf das Internet ist das allgemeine Zivilrecht von besonderem Interesse, vorwiegend kodifiziert im BGB. Hier sind alle Regelungen z.B. für Vertragsschlüsse zu finden oder auch die besonderen Informationspflichten und Rechte bei Fernabsatzverträgen oder im elektronischen Geschäftsverkehr, die überwiegend verbraucher- bzw. kundenschützenden Charakter haben. Aber auch die Einbeziehung Allgemeiner Geschäftsbedingungen im elektronischen Geschäftsverkehr sowie die Formvorschriften bei elektronischer Kommunikation werden im BGB geregelt.
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Das Arbeitsrecht ist eine zivilrechtliche Spezialmaterie, die Bezüge zum Internet aufweist, z.B. wenn man die Rechtsfragen betrachtet, die die Zulässigkeit der privaten Nutzung des Internet am Arbeitsplatz betreffen oder die Überwachung von Leistung und Verhalten des Beschäftigten im Zusammenhang mit der Nutzung von Internet und E-Mail.
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Daneben ist das Wettbewerbsrecht zu erwähnen, welches auch die Regeln für den Wettbewerb bei Internetgeschäften festlegt. Diese Regelungen finden z.B. bei Spamming oder beim Domaingrabbing Anwendung sowie bei der Beurteilung von Verstößen gegen wettbewerbsrelevante Verhaltenspflichten der Diensteanbieter im World Wide Web.
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Schließlich sind das gesamte Rechtsgebiet der gewerblichen Schutzrechte (Patent- und Markenrecht) und das Urheberrecht von Interesse. Gerade vor dem Hintergrund der leichten Kopierbarkeit digitaler Werke, die auch per Internet abrufbar sind, ergeben sich viele urheberrechtliche Probleme, z.B. wenn man Videoportale, Filesharingservices oder Collaboration Tools betrachtet.
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Neben den bisher vorwiegend zivilrechtlich geprägten Rechtsnormen muss bei Geschäften im Internet auch das öffentliche Recht beachtet werden. Im Zusammenhang mit Geschäften dieser Art stellen sich insbesondere Probleme bei der steuerrechtlichen Behandlung derartiger Geschäfte. Auch das Datenschutzrecht mit seinen bereichsspezifischen Regelungen für Telekommunikation und Telemedien wird wegen seiner regulierenden Elemente überwiegend dem öffentlichen Recht zugeordnet. Vorschriften des öffentlichen Rechts mit Bezug zum Internet sind zudem das Jugendschutzgesetz, der Jugendmedienschutz-Staatsvertrag (JMStV),13 das Gewerberecht und das Vergaberecht.
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Neben der materiellrechtlichen Seite gewinnt das Internet auch im Hinblick auf das Verfahrensrecht an Bedeutung. So ist es möglich, in allen Gerichtsbarkeiten und vielen Verwaltungsverfahren Schriftsätze auch elektronisch über das Elektronische Gerichts- und Verwaltungspostfach (EVGP) einzureichen, Anwälte nutzen zudem das besondere elektronische Anwaltspostfach (beA) und Behörden das besondere Behördenpostfach (beBPo). Inzwischen haben Änderungen des Handelsrechts, des Insolvenzrechts und des Gesellschaftsrechts zur Einrichtung von Portalen im Internet geführt, über die Informationspflichten und Informationszugangsrechte realisiert werden.14
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Selbstverständlich handelt es sich bei den vorgenannten Gesetzen nicht um eine erschöpfende Aufzählung. Sie soll die Rechtsbereiche beschreiben, die im Internet und E-Commerce betroffen sind und auch überwiegend im Rahmen der nachfolgenden Kapitel bearbeitet werden. Manche Aspekte sind allerdings speziellen Materien zugeordnet, die hier infolgedessen ausgeklammert werden können, so insbesondere Telekommunikationsrecht, Immaterialgüterrecht, eGovernment, Vergaberecht und Computerkriminalität.
4 Richtlinie 97/7/EG über den Verbraucherschutz bei Vertragsabschlüssen im Fernabsatz (Fernabsatzrichtlinie). 5 Richtlinie 2000/31/EG über bestimmte rechtliche Aspekte der Dienste der Informationsgesellschaft, insbesondere des elektronischen Geschäftsverkehrs, im Binnenmarkt (Richtlinie über den elektronischen Geschäftsverkehr oder E-Commerce-Richtlinie). 6 Richtlinie 2002/58/EG über die Verarbeitung personenbezogener Daten und den Schutz der Privatsphäre in der elektronischen Kommunikation (Datenschutzrichtlinie für elektronische Kommunikation oder E-Privacy-Richtlinie). Seit 2017 wird von der EU über eine sog. E-Privacy-Verordnung verhandelt, welche zeitgleich mit dem Wirksamwerden der DSVO die E-Privacy-Richtlinie ablösen sollte. Eine Einigung hierüber konnte bislang nicht erzielt werden, sodass weiterhin die E-Privacy-Richtlinie relevant ist. 7 Zur Wirkung einer EU-Richtlinie am Beispiel der Datenschutz-Richtlinie 95/46/EG Kremer, RDV 2014, 73, 75f. 8 W. Schroeder, in: Streinz, EUV/AEUV, 3. Aufl., 2018, Art. 288 AEUV Rn. 87ff. 9 Verordnung 2016/679 zum Schutz natürlicher Personen bei der Verarbeitung personenbezogener Daten, zum freien Datenverkehr und zur Aufhebung der Richtlinie 95/46/EG (Datenschutz-Grundverordnung); Ausführlich zum Datenschutzrecht im E-Commerce und Internet s. Kap. 8; zur Datenschutz-Grundverordnung Laue/Kremer, Das neue Datenschutzrecht in der betrieblichen Praxis, 2018. 10 Verordnung 2019/1150 zur Förderung von Fairness und Transparenz für gewerbliche Nutzer von Online-Vermittlungsdiensten; ausführlich dazu Kap. 7. 11 Abrufbar unter https://www.rlp.de/fileadmin/rlp-stk/pdf-Dateien/Medienpolitik/ModStV_Text.pdf; der Mediendienstestaatsvertrag (MDStV) und der Rundfunkstaatsvertrag (RStV) sind nicht mehr anzuwenden. 12 Zum TKG und den aktuellen Entwicklungen siehe Sassenberg/Mantz/Kiparski, K&R 2020, 337, und K&R 2019, 309; Nacimiento/Küll, K&R 2020, 190, und K&R 2019, 95. 13 Abrufbar unter https://www.kjm-online.de/fileadmin/user_upload/Rechtsgrundlagen/Gesetze_Staatsvertraege/JMStV_geaend._durch_19._RAEStV.pdf. 14 Beispielsweise das Unternehmensregister unter www.unternehmensregister.de und die Registerbekanntmachungen unter www.handelsregisterbekanntmachungen.de.
III. Ökonomische Grundlagen
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In diesem Abschnitt werden zunächst abstrakt die grundsätzlichen Vorteile erläutert, die sich für die Ökonomie durch die technische Entwicklung des Internet ergeben.15 Danach werden exemplarisch konkrete Geschäftsmodelle erklärt, die sich durch die Nutzung des Internet entwickelt haben.
1. Eigenschaften der Internet-Ökonomie
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Das Internet hat den Rahmen für wirtschaftliches Handeln neu abgesteckt. Die damit verbundenen modernen Kommunikationsformen haben großen Einfluss auf die wirtschaftliche Entwicklung. Diese Entwicklung wird durch die folgenden wichtigen Eigenschaften charakterisiert: