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„Ich glaube, ich bin da nicht die Richtige, dafür gibt es hier wunderbares Fachpersonal.“
Die Verkäuferin lächelt gekünstelt, aber er lässt nicht locker.
„Was würden Sie denn nehmen, zum Beispiel fürs Büro, oder für die Arbeit?“
„Gar kein Parfum“, entgegne ich bestimmt nach kurzem Überlegen, was ihm wiederum einen überraschten Blick entlockt.
„In meinem Job kommt Parfum nicht so gut an“, füge ich hinzu, jetzt scheint er neugierig zu werden.
„Ich bin Hebamme“, ergänze ich, bevor er etwas sagen kann, obwohl ihn das eigentlich gar nichts angeht, aber ich versuche die Fragerei abzukürzen. „Wie alt ist denn die Dame?“
„Welche Dame?“
Jetzt sieht er mich fragend an.
„Für die Sie das Geschenk brauchen.“
„Ja natürlich…fünfundzwanzig bis dreißig“, antwortet er etwas verdutzt darüber, dass ich nun doch behilflich sein will. Also für seine Frau wird es zumindest nicht sein, von der würde er ja das Alter hoffentlich genau wissen. Ich überlege kurz.
„Nehmen Sie Miss Dior Blooming Bouquet, das passt immer.“
„Sehr gute Wahl. Darf ich Ihnen das zum Probieren aufsprühen?“, bringt sich die Verkäuferin wieder ein.
„Nein Danke, ich verlasse mich da auf den Geschmack von Mrs…“ er unterbricht sich kurz und sieht mich an. „Bitte entschuldigen Sie, ich habe mich nicht vorgestellt. Max Deveraux.“ Er streckt mir freundlich seine rechte Hand entgegen.
„Luisa Miller“, erwidere ich etwas verlegen sein Händeschütteln.
Sein Händedruck ist fest und seine Hände sind angenehm warm.
„Ich verlasse mich da auf Mrs. Miller. Ich brauche bitte drei Stück davon“, fährt er fort, nachdem er meine Hand wieder losgelassen hat.
„Wie Sie wünschen“, entgegnet die Verkäuferin.
Drei Stück?! Ich bin so blöd, was mache ich hier eigentlich? kein Zweifel, er ist charmant und sieht gut aus, aber welcher normale Mann kauft denn drei gleiche Parfums?
„Drei?“, rutscht mir ungewollt mit entgeistertem Unterton heraus.
„Ja, für alle dasselbe, dann gibt es keinen Anlass, das sich eine der Damen benachteiligt fühlt.“
Er sagt das ganz selbstverständlich, er scheint sich jedenfalls dabei nichts zu denken. Was? Hat er einen Harem? Ich glaube, ich höre nicht richtig, ich habe Mühe mich zurück zu halten, aber schließlich geht mich das nichts an. Ich kenne diesen Mann nicht und ich muss jetzt auch los, also erspare ich mir einen weiteren Kommentar. Ich lehne eine Geschenkverpackung für den After Shave Balsam dankend ab und bezahle. Er bittet die Verkäuferin seine Sachen einzupacken und mit den anderen Einkäufen aus der Accessoires Abteilung in seine Firma zu schicken.
„Natürlich sehr gerne Sir“, säuselt die Barbie.
„Also dann, ich muss jetzt auch los, auf Wiedersehen.“
Ich verabschiede mich und gehe los Richtung Ausgang, aber er folgt mir erneut.
„Mrs. Miller…“
Ich bleibe noch einmal stehen, er berührt fast freundschaftlich meinen Oberarm.
„Danke für Ihre Hilfe.“
Ich bin von so viel unerwarteter Körpernähe total verblüfft und stehe reglos da, mehr als ein „Gerne“ bekomme ich nicht heraus und das Schlimmste, seine Berührung fühlt sich gut an, richtig gut.
„Ich würde mich gerne für Ihre Hilfe revanchieren, aber mein Fahrer ist schon da und Sie scheinen es auch eilig zu haben.“
Er zeigt nach draußen wo am Fahrbahnrand eine schwarze Limousine parkt.
„Das ist nicht nötig, keine Ursache“, erwidere ich. „Ich muss zur Arbeit.“
„Darf ich Sie vielleicht ein Stück mitnehmen?“
„Nein Danke, das ist sehr nett. Ich steige gleich da vorn in die U-Bahn.“ Ich blicke auf meine Uhr. „Ich bin wirklich schon spät dran.“
Ich bilde mir ein seinem Blick ein wenig Enttäuschung zu bemerken. Ich bin ein weiteres Mal mehr als überrascht. Ich steige doch zu keinem Mann ins Auto den ich gerade mal eine Viertelstunde kenne und wenn er noch so gut aussieht. Als wir am Ausgang angekommen sind, treffen sich unsere Blicke noch einmal.
„Schön Sie kennen gelernt zu haben und passen Sie auf Ihren Handschuh auf.“
Er lächelt mich ein letztes Mal an.
Ich nicke etwas verlegen. „Ja, das finde ich auch und Danke noch einmal, ich hätte ihn bestimmt schon bald vermisst, also den Handschuh…“
„Auf Wiedersehen Luisa Miller.“
Er legt seine Hand kurz auf meine, bevor er die Drehtür durchschreitet. Ich ertappe mich dabei ihm ungewollt lange nachzuschauen.
„Auf Wiedersehen…“, sage ich noch vor mich hin, bevor ich mich besinne, ist er schon ins Auto gestiegen und fährt weg. Ich gehe nach draußen und atme die frische nebelfeuchte Luft tief ein. Was war das bitte? Noch nie hat es sich so gut angefühlt meine Handschuhe anzuziehen. Auf dem Weg in die Klinik muss ich immer wieder über diese Begegnung nachdenken. Komisch, eigentlich mache ich mir über solche Dinge gar keine Gedanken, aber ich erwische mich dabei wie ich lächeln muss.
Der Nachtdienst gestaltet sich heute ruhig. Ich habe mich auf die Betreuung von Frühgeburten spezialisiert, betreue aber auch ganz normale Entbindungen. Meine Gedanken sind heute Nacht nicht ganz bei der Sache, das war wirklich eine eigenartige Begegnung vorhin. Am liebsten bin ich im Babyzimmer und schaue in die unschuldigen Gesichter der Kleinen. Hier gibt es immer etwas zu tun und trotzdem gelingt es mir heute nicht mich abzulenken. Immer wieder muss ich an die blauen Augen und das Lächeln denken. Vergiss es, sage ich mir vor, er hat dich schon längst vergessen und verschwendet vermutlich keinen Gedanken mehr an dich, du siehst ihn sowieso nie wieder. Außerdem möchte ich nicht die Vierte sein, die ein Parfum bekommt. Ich lasse mich auf den Sessel im Babyzimmer fallen und versuche auf andere Gedanken zu kommen.
„GUTEN MORGEN!“
Meine Kollegin reißt mich voller morgendlicher Energie aus dem Schlaf. Ich bin wohl eingenickt.
„Guten Morgen, sorry ich bin kurz eingedöst, es war eine ruhige Nacht.“
„Schön, dann schau mal ins Schwesternzimmer, da ist schon ordentlich was los…von Ruhe keine Spur“, entgegnet sie mir mit schelmischem Unterton.
Ich habe keine Lust zu fragen was sie meint und freue mich auf einen Kaffee. Im Schwesternzimmer angekommen grinsen mich meine Kolleginnen an. Auf dem Tisch steht ein riesiger Strauß mit unzähligen rosa Rosen.
„Der ist für dich, sieht nach Verehrer aus!“ Da ist auch eine Karte dabei“, zwinkert mir die Stationsschwester zu.
Die Mädels platzen fast vor Neugier. Ich stehe regungslos vor dem Strauß.
„Ist bestimmt ein Geschenk von dankbaren Eltern.“, antworte ich recht sachlich, während ich mir einen Kaffee einschenke und weder dem Strauß, noch der Karte Beachtung schenke, zumindest so lange bis sich die Meute verzogen hat. Außerdem traue ich mich gar nicht nachzusehen was auf der Karte steht. Ich glaub so nervös war ich das letzte Mal in Schule als Lizzy und ich heimlich Liebesbriefe geschrieben haben. Dieser Mann wird mir wohl keine Blumen geschickt haben? Er weiß doch nicht mehr als meinen Namen.
„Hey Luisa, guten Morgen. Alles klar bei dir? Du siehst aus, als ob du ein Gespenst gesehen hast?“
Lizzy klopft mir auf die Schulter. Wenn morgens Zeit ist, kommt Sie mich gerne vor Ihrem Dienst auf meiner Station besuchen. Der Auflauf im Schwesternzimmer hat sich blitzartig aufgelöst, als der Stationsarzt grimmig die Ansammlung mit einem „Heute nichts zu tun?“ zerschlagen hat. Mein Dienst ist für heute vorbei und ich bin froh, dass ich allein mit Lizzy endlich den ersten Schluck von meinen Kaffee nehme. Stumm blicke ich zuerst Lizzy und dann die Blumen am Tisch an.
„Blumen für dich, cool, von wem?“ Ihre Stimme erhebt sich vor Aufregung.
„Keine Ahnung, also ich weiß nicht, bin mir nicht sicher, ähhm, hab die Karte noch nicht gelesen.“
Sie schaut mich verwirrt an, fragt mich ob ich neuerdings die Sprache verloren habe, und warum ich die Karte nicht lese. Da ich selbst vor Neugier fast platze, nehme ich die Karte aus dem Strauß. Sie ist weiß in sich gemustert mit einem rosa Rand, passend zur Farbe der Blumen. In gefühlter Zeitlupe öffne ich den Umschlag:
Liebe Luisa,
Danke noch einmal für Ihre Hilfe. Ich würde mich wirklich nur allzu gerne bei Ihnen bedanken. Vielleicht treffen wir uns auf einen Kaffee?
Ich freue mich auf Ihren Anruf. Max.
Darunter noch eine Telefonnummer, alles in schöner Handschrift.
Oh mein Gott, das ist ja unglaublich, woher weiß er wo ich arbeite? Womöglich ist er ein Agent, ein Spion? Nein Blödsinn, zu viel James Bond…So schwer war das bestimmt nicht heraus zu finden, trotzdem, ich fasse es nicht. Ich starre immer noch ungläubig auf die Karte.
„Wer ist bitte MAX?“
Ich zucke erschrocken zusammen. Lizzy schielt mir über die Schulter und platzt vor Neugier. Ich mache die Karte schnell zu.
„Das erzähle ich dir heute Abend, du musst zu deinem Dienst, und ich gehe jetzt nach Hause.“
Mir klopft mein Herz, und meine Hände zittern ein wenig, ich muss mich erst wieder fangen, bevor ich ihr alles erzähle.
„Na gut, ich bin sowieso schon spät dran, aber heute Abend musst du mir alles erzählen!“ Sie zappelt aufgeregt neben mir und ich fühle mich innerlich mindestens ebenso zappelig, versuche es aber lässig zu überspielen. Ich stehe noch ein paar Minuten vor dem Strauß, fast hätte ich auf meine Dienstübergabe vergessen. In der Umkleide schaue ich in den Spiegel und ich finde, trotz Nachtdienst sehe ich heute ganz gut aus. Ich streiche meine dunklen Haare im Nacken zusammen und lächle mich selbst im Spiegel an. Heute wird ein guter Tag. Wird auch wirklich einmal Zeit für gute Tage. Zuhause stelle ich die Rosen ans Fenster neben dem Esstisch. Die Karte liegt am Tisch und ich sitze daneben. Zum Schlafen bin ich viel zu aufgedreht und gar nicht müde. Ich sehe abwechselnd auf die Rosen, dann auf die Karte, und auf mein Handy. Soll ich anrufen? Jetzt schon? Sieht aus, als ob ich es nötig hätte. Besser noch warten? Ich will nicht den Eindruck erwecken ihm nachzulaufen, er soll ruhig zappeln. Was soll ich überhaupt sagen? Ich warte auf Lizzy, sie weiß immer was zu tun ist. Oder soll ich doch nicht anrufen, bringt vermutlich sowieso nichts? Keine Ahnung. Eigentlich habe ich keine Lust für solche Spielchen die sich am Ende immer als Flop herausstellen. Wer schickt denn heutzutage noch Rosen an eine Unbekannte? Das gibt es doch nur im Film. Ich habe mir abgewöhnt mich euphorisch in irgendwelche amourösen Abenteuer zu stürzen. Zu Lizzys Leidwesen die mich immer gern verkuppeln will. Lizzy und ich führen sozusagen eine Mädels WG und teilen uns eine Wohnung. Zumindest noch zurzeit. Sie ist verlobt und wird im nächsten Jahr heiraten. Die beiden haben auch schon fast den Kauf eines wunderschönen Hauses etwas außerhalb der Stadt abgeschlossen, sofern alle Formalitäten klar gehen, werde ich bald allein in der Wohnung sein. Ich kann mir das zwar noch nicht vorstellen, aber ich werde mich daran gewöhnen müssen. Lizzy und ich sind seit Kindertagen beste Freundinnen. Unsere Familien sind seit jeher eng verbunden, und es fühlt sich an, als ob wir Schwestern wären, vor allem weil ich ein Einzelkind bin. Wir haben so viel gemeinsam erlebt, sie ist der wichtigste Mensch in meinem Leben. Genau wie ihr Bruder Matthew, der seit ich denken kann von allen Matt genannt wird. Er ist aber die meiste Zeit rund um die Welt unterwegs, wir sehen uns zu meinem Leidwesen leider viel zu selten. Normalerweise bin ich nach dem Nachdienst immer k.o., aber heute wusle ich schon den ganzen Vormittag durch die Wohnung. Es ist jetzt 14.45 Uhr. Lizzy kommt gegen 19.00 Uhr. Ich beschließe mich sportlich abzulenken und fahre zum Schwimmen ins Sportbad. Ich gehe schon seitdem ich fünf bin zum Schwimmtraining. Als Kind habe ich richtig professionell im Verein trainiert und war auch gut vorn dabei, aber mit den Jahren verschieben sich die Prioritäten im Leben, wenn auch nicht immer freiwillig. Jetzt mache ich es aus Spaß und speziell heute um den Kopf frei zu bekommen.
Es ist Abend geworden. Ich rühre in der Spaghetti Soße. Kochen ist immer eine gute Ablenkung, denn das Schwimmen hat mich auch nicht weiter gebracht. Ich wundere mich über mich selbst warum mir die Sache nicht aus dem Kopf geht, es waren doch nur wenige Augenblicke, in denen ich mit ihm zu tun hatte. Aus dem Augenwinkel schiele ich wieder auf den Rosenstrauß, der sich im Fenster spiegelt. Ist es nun besonders romantisch einen solchen Strauß zu bekommen, oder eher aufdringlich und altmodisch? Auf jeden Fall sind es die schönsten Rosen, die ich je bekommen habe. Jetzt denke ich schon den ganzen Tag über etwas nach, was ich schon längst hätte erledigen können. Ich könnte die Karte auch einfach wegwerfen und alles vergessen. Ich könnte aber auch… da höre ich die Tür zufallen. Gut das sie endlich da ist, sie weiß immer Rat.
„Hey Luisa, ich habe einen riesen Hunger!“ Lizzy plumpst sichtlich erschöpft auf den Küchenstuhl und grinst mich an, nachdem sie die Blumen auf der Fensterbank bewundert hat.
„Ich will jetzt genau wissen von wem die Blumen sind!“ Sie mustert die Karte. „Schöne Handschrift für einen Mann, also Arzt ist er sicher nicht!“, analysiert sie jeden Satz. „Hast du angerufen?“
„Nein. Ich weiß nicht…ich hab auf dich gewartet.“
„Erzählst du mir jetzt bitte einmal wie du zu Max und seinen Rosen kommst? Ich platze fast vor Neugier!“
Ich seufze. „Natürlich, vorher gibst du ja doch keine Ruhe.“
Spaghetti schlürfend lauscht Lizzy meinem Erlebnis und ist sichtlich amüsiert über meine Begegnung.
„Na bitte, das hast du alles mir zu verdanken, sonst wärst du gestern nie in das Geschäft gegangen.“ Sie schiebt mir das Telefon vor die Nase. „Du rufst jetzt an.“
„Lizzy, ich weiß nicht, ob das wirklich einen Sinn macht…der Mann kauft drei gleiche Parfums, was würdest du dir denn dabei denken? Am Ende ist alles eine Enttäuschung…und wer bitteschön spricht Frauen in einem Kaufhaus an?“
„Ach Luisa…er wird schon kein Frauenmörder sein…“ Sie stößt einen kurzen amüsierten Lacher aus, wird dann aber gleich wieder ernst. „Er hat dir die Rosen geschickt, folglich musst du einen bleibenden Eindruck hinterlassen haben, und wenn er ein Arsch ist, dann weißt du es zumindest nachher.“
Direkte Worte von Lizzy, wie immer. Genau das sind die Weisheiten einer Freundin, solche Ratschläge kann einem sonst keiner geben, aber Scherz beiseite, es stimmt, wenn ich nicht anrufe, werde ich ewig darüber nachdenken.
„Er ist bestimmt Mitte vierzig und sicher verheiratet, alles was er will ist ein bisschen Spaß, und dafür bin ich nicht die Richtige.“
„Warum denn nicht? Meinst du ein bisschen Spaß würde dir schaden? Woher willst du denn das alles wissen und außerdem, du musst ihn ja nicht gleich heiraten“, belehrt sie mich.
Meine Argumente gegen ein Treffen interessieren sie absolut nicht, und so gebe ich irgendwann doch nach.
„Na gut, na gut, sonst hörst du wohl nie auf, ich ruf jetzt an.“
Ich nehme allen Mut zusammen und räuspere mich, bevor ich nervös die Nummer wähle und warte bis es auf der anderen Seite läutet. Zweimal, Dreimal, Viermal. Super, er geht gar nicht ran. Ich wusste es. Zeitverschwendung. Was mache ich eigentlich? Die Sache ist doch zu aufgelegt, alles ein Flop. Wahrscheinlich doch verheiratet und sitzt um diese Zeit beim Abendessen mit der Familie und mustert die Schularbeiten der Kinder, oder doch Arsch, oder beides. Es läutet immer noch, in meinem Kopf spielen sich wirre Geschichten ab und ich fange an mich über mich selbst zu ärgern. Was denke ich mir eigentlich, das ist doch lächerlich. Kurz bevor ich auflegen will höre ich: „Max Deveraux.“
Ich zucke kurz zusammen, ich habe nicht mehr damit gerechnet, dass er noch abnimmt. Seine Stimme klingt ganz ernst. Mein Herz klopft, mit einem Mal fühle ich mich unglaublich angespannt.
„Hallo…Hier spricht Luisa. Luisa Miller“, stammle ich.
Mist, ich weiß immer noch nicht, was ich sagen soll, aber viel Zeit darüber nachzudenken habe ich jetzt nicht.
„Hallo Luisa, ich habe gar nicht mehr damit gerechnet das Sie mich noch anrufen. Ich bin gerade in einem Meeting.“
Jetzt klingt er wieder ganz freundlich, ich würde fast meinen er freut sich wirklich meine Stimme zu hören.
„Ich wollte Sie auch gar nicht stören…“, entschuldige ich mich immer noch stammelnd und nicht wissend was ich sagen soll.
„Nein, nein, das macht nichts. Ich freue mich sehr, dass Sie anrufen. Ich kann nur momentan schlecht sprechen. Wenn Sie Zeit haben würde ich Sie gerne morgen auf einen Kaffee treffen?“
Innerlich springe ich vor Aufregung, obwohl ich der Meinung bin, die Sache nimmt ein unerwartetes Tempo an. Ich kenne den Mann doch gar nicht, mehr als seinen Namen und dass er einen Chauffeur hat, weiß ich nicht von ihm, und dass er Parfum für seine Freundinnen kauft.
„Luisa? Sind Sie noch dran?“
„Ja… Ja natürlich, ich bin dran.“
Auch wenn ich es noch so sehr wollte, ich würde es nicht übers Herz bringen ihm einen Korb zu geben, daher nehme ich die Einladung an, er wird also hoffentlich kein Frauenmörder sein. Wir vereinbaren ein Treffen in einem kleinen französischen Café das er zwar nicht kennt, ich aber war schon öfter dort, und es ist gleich neben der U-Bahn Station, ich kann also im Notfall schnell flüchten.
„Ich freue mich auf morgen“, sage ich noch und bin von meinen Worten selbst überrascht. Ich höre ein „Ich mich auch“, bevor ich auflege.
Meine Wangen glühen und mein Herz klopft wie verrückt, und das alles wegen eines Telefonates und einer Verabredung.
„Da hat wohl jemand ein Date…“, neckt mich Lizzy grinsend, die meine Aufregung natürlich gleich bemerkt.
„Kein Date, nur Kaffee trinken.“
Ich bessere sie mit hochgezogenen Augenbrauen aus.
„Ja, Ja…nenn es wie du willst.“ Sie verdreht belustigt die Augen.
Ich sage dazu gar nichts mehr, ich werde morgen mit ihm einen Kaffee trinken, das wird es dann vermutlich auch gewesen sein. Ich lehne mich auf meinem Stuhl zurück und lächle den Rosenstrauß betrachtend. Was für ein Tag…Ich atme tief durch. Ich nehme mir trotz allem vor die Angelegenheit sachlich anzugehen. Keine voreiligen Entschlüsse, ich habe keine Lust auf Enttäuschungen.
Kapitel 2
„Guten Morgen Süße, gut geschlafen?“
Lizzy hopst mir mit bester Laune entgegen. Ich schleppe mich unmotiviert und verschlafen in die Küche. Der Frühstückstisch ist schon gedeckt und Andy, Lizzys Verlobter, packt gerade frische Croissants aus einer Papiertüte. Der Duft des frischen Gebäcks umschmeichelt meine Nase. Durch das Küchenfenster strahlt angenehm die Sonne, die sich heute durch den New Yorker Nebel gekämpft hat auf meine Rosen.
„Guten Morgen, Andy, ich dachte, du kommst erst morgen von deiner Geschäftsreise zurück?“
Er arbeitet für eine große Telekommunikationsfirma, die gerade eine riesige Fusion anstrebt und ist deshalb viel unterwegs. Er sieht mich müde an und schnauft kurz durch.
„Ja die Verhandlungen gestalten sich doch schwieriger als gedacht, wir mussten den Termin leider erfolglos abrechen, aber dafür bin ich schon einen Tag früher wieder zurück.“
Heute ist Freitag, ich habe meinen letzten Nachdienst für diese Woche, am Wochenende hab ich zum Glück frei. Ich muss an meine Verabredung denken, mein leerer Magen zieht sich zusammen, die Angelegenheit macht mich weiterhin unglaublich nervös.
„Dein Tee ist fertig, und es gibt deine Lieblingscroissants!“
Lizzy schiebt mich zu meinem Stuhl.
„Wir haben heute noch viel vor bis zum Nachmittag, schließlich hat Luisa heute ein Date!“ Lizzy grinst Andy an, der verwundert seine Lippen kräuselt. Richtig zu interessieren scheint ihn das aber nicht, er liest weiter in seiner Zeitung.
Ich verdrehe meine Augen und seufze. „Ich gehe auf keinen Ball Lizzy, ich gehe nur Kaffee trinken.“
„Trotzdem. Ich hab heute gegoogelt.“
„Was hast du gegoogelt?“, frage ich an meinem Tee nippend nach.
„Max Deveraux. Na da hast du ja einen dicken Fisch an Land gezogen!“
Sie steht auf und holt ihr Tablet an den Frühstückstisch.
„Ich habe gar nichts an Land gezogen.“
Ich bin mir nicht sicher, ob ich wissen will was sie gefunden hat. Sie hat einen Artikel in einem Wirtschaftsblatt herausgesucht. Unter dem Titel „Die TOP 100 Aufsteiger des Jahres“ ist ein Portrait von Max, daneben noch ein anderer Mann, beide sehr bussinesslike.
Lizzy liest mit sichtlicher Bewunderung vor:
„Max Deveraux, 45 Jahre und Richard Menson, 46 Jahre, führen ihr Unternehmen seit zehn Jahren sehr erfolgreich und konnten auch in diesem Jahr wieder eine Spitzenplatzierung im Ranking der besten Unternehmen in New York einnehmen. Deveraux und Menson haben sich auf die Verwertung insolventer Großbetriebe spezialisiert und erwirtschaften damit jährlich Millionengewinne.“
Sogar Andy hat sich von seiner Zeitung abgewandt und lauscht aufmerksam. Na toll! Jetzt ist er auch noch Spitzenunternehmer und ich trinke Tee aus meiner Kindertasse mit kleinen Blumen und Herzen drauf.
„Sonst steht nichts da? Familienstand? Kinder? Allergien? Haustiere?“, frage ich spitz.
Jetzt verdreht sie die Augen. „Jetzt hör doch bitte endlich auf so skeptisch zu sein, du erstickst ja jede Romantik im Keim. Wirst du schon noch herausfinden.“
Ich lasse ihre Worte unkommentiert, denn ich finde es nicht besonders toll, wenn ich während ich mich schon verliebt habe herausfinde, dass ich es mit einem verheirateten Mann zu tun habe. Wäre nicht das erste Mal dass mir das passiert. Soviel zur Romantik. Lizzy erklärt mir beim Abräumen des Frühstücksgeschirrs, dass Manager bestimmt sehr aufs Äußere einer Frau wertlegen. Sie schlägt mir etwas schadenfroh ein totales Umstyling vor. Genervt höre ich mir ihre Vorschläge an. Ich soll doch ihr dunkelblaues Kostüm, das sie zu ihrer Approbation getragen hat ausborgen und meine weiße Spitzenbluse dazu anziehen. Am besten noch die schwarzen High Heels dazu, das wäre bestimmt unglaublich chic.
„Lizzy, ich gehe einen Kaffee trinken. Ich ziehe ganz bestimmt dazu kein Kostüm mit High Heels an, ganz egal, ob das gut ankommt oder nicht. Ich werde mich mit Sicherheit für niemanden verkleiden und wenn er der Präsident ist. Wenn ihm nicht gefällt wie ich aussehe, soll er sich eine Rechtsantwaltstussi aufreißen.“
„Ja, ja, da hast du wohl recht. Du bist wie du bist. Außerdem hast du ihn bestimmt schon längst mit deinem süßen Lächeln und deinen strahlend grünen Augen verzaubert.“
So wie ich gestern aussah, kann ich mir das zwar nicht vorstellen, aber zumindest hab ich heute die Chance ihm eine halbwegs passable Frisur zu präsentieren. Ich bin ganz froh darüber, dass Lizzy und Andy den Tag bei Lizzys Eltern verbringen wollen und ich ein paar Stunden für mich allein habe.
„Macht es dir wirklich nichts aus wenn wir jetzt fahren?“, fragt sie mich, während sie Ihren Mantel anzieht.
„Nein, alles ok.“
Ich drücke sie zum Abschied noch kurz und sie flüstert mir noch viel Glück ins Ohr. Sie ist ganz aus dem Häuschen wegen der Sache, obwohl ich mir nicht allzu viele Hoffnungen mache. Trotzdem stehe ich jetzt vor meinem Schrank und überlege was ich anziehen soll. Ich entscheide mich doch für die weiße Spitzenbluse, aber in Kombination mit einer Strickjacke, Jeans und Stiefelletten. Das passt meiner Meinung nach perfekt zum französischen Café. Meine frisch gewaschenen Haare haben sich wieder einmal erfolgreich gegen meine Rundbürste gewehrt, und für das Glätteisen ist jetzt keine Zeit mehr, ich bin sowieso schon spät dran. Nun fallen sie in leichten, weichen Wellen über meine Schultern. Ich stehe vor dem Spiegel meiner Garderobe und begutachte mich noch einmal kritisch, bevor ich meinen schwarzen Mantel überziehe.
„Sei immer du selbst!“, hat meine Mutter immer zu mir gesagt. Ich habe ihre Stimme ganz klar in meinem Ohr, als ich die Tür hinter mir zuziehe. Sie war so eine schöne, kluge Frau, in diesem Moment wäre ich gerne ein kleinwenig mehr wie sie. Das kleine Café liegt ganz unscheinbar in einer Seitengasse an der Ecke eines nostalgisch anmutenden Hauses. Draußen ist es leicht dämmrig geworden und das sanfte Licht aus dem Café scheint einladend auf die Straße hinaus. Ich bleibe kurz stehen. Warum mache ich das eigentlich? Das ist doch alles Irrsinn. Alles ist in wunderbarer Ordnung und gut so wie es ist. Soll ich wegen einem Mann alles durcheinander bringen? Er ist sowieso nichts für mich, und ich nichts für ihn. Jetzt kann ich noch gehen. Ja ich gehe wieder, er wird es schon verkraften, und ich sowieso. Ich drehe mich um und setze zum Rückzug an. Nach drei Schritten bleibe ich aber wieder stehen und blicke auf meine Handschuhe. Ich atme tief durch. Es ist nur ein Kaffee. Nur ein Kaffee Luisa, dreh jetzt nicht gleich durch. Er hat sich Zeit für mich genommen, es wäre unfair ihn jetzt sitzen zu lassen. Er ist ein netter höflicher Mann. Ich gehe wieder zur Tür und steige die drei Stufen hinauf, bevor ich die große Glastür öffne, über der ein Messingschild hängt auf dem in geschwungen Lettern „Café la douceur“ steht. Ich war schon öfters hier. Es ist klein und gemütlich, an den runden dunklen Holztischen stehen Stühle in französischem Bistro Stil mit grün weiß gestreifter Polsterung. Der dunkle Holzboden ist glänzend poliert, wenn man das Café betritt, fällt einem sofort die große Glasvitrine mit einer bestechenden Auswahl an verführerischer Patisseriekunst ins Auge. Es duftet herrlich nach frischem Kaffee, an den Wänden hängt zeitgenössische Kunst, die sich perfekt in das Flair der Umgebung einfügt. Es ist ein bisschen altmodisch, die Möbel sind leicht abgenutzt, aber es hat Stil. Die Kellnerinnen tragen weiße Spitzensschürzen, auf denen „La douceur“ aufgestickt ist. Man kann sich leicht einen Überblick über die Gäste verschaffen, und so sehe ich auch gleich Max der ganz rechts hinten an einem Ecktisch Platz genommen hat und gerade telefoniert. Als er mich erblickt bricht er sein Telefonat ab, steht auf und kommt mir ein paar Schritte entgegen. Irgendwie passt er gar nicht in das Ambiente des Cafés. So straight und beschäftigt zwischen den Schülern und Studenten die in ihre Bücher schauen, oder sich auf einen abendlichen Plausch getroffen haben. Ich muss mich zusammenreißen, um ihn nicht offensichtlich zu mustern. Anzug, weißes Hemd, grau-weiße Krawatte, die schwarzen Schuhe glänzen frisch poliert, er ist wirklich eine Erscheinung. Ich kenne keinen Mann der so ein perfektes Äußeres hat, außer vielleicht Matt, Lizzys Bruder. Er ist Rechtsanwalt, und im Anzug macht er auch eine sehr gute Figur, trotzdem kein Vergleich. Mr. Deveraux ist wirklich ein schöner Mann, und das stelle ich nicht oft fest.




