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„Schön, dass Sie gekommen sind Luisa“, begrüßt er mich mit einem strahlenden Lächeln und nimmt mir meinen Mantel ab.
Ich habe kaum Luft zum Atmen, als ich ihn auch begrüße und wir an dem kleinen runden Tisch Platz nehmen.
Es dauert nicht lange, und schon kommt eine rothaarige Kellnerin zu unserem Tisch. Sie erinnert mich irgendwie an Pippi Langstrumpf, nur ohne Zöpfe.
„Was darf ich Ihnen bringen?“, fragt sie mit französischem Accent und knabbert ungeduldig an ihrem Stift. Max schaut mich in Erwartung meiner Bestellung an.
„Café au lait bitte.“
„Für mich bitte einen Espresso. Kuchen?“
Ich blicke zur Kuchenvitrine, obwohl ich immer den Zitronenkuchen nehme. Ob es schicklich ist Kuchen zu essen?
„Der Zitronenkuchen soll hier besonders gut sein“, meint er, als ob er meine Gedanken lesen könnte.
„Es ist der beste der Stadt“, erwidere ich mit einem Lächeln.
„Dann nehmen wir bitte zwei Stück.“
„Natürlich gerne Monsieur.“
Die Kellnerin wieselt davon. Da ich nicht weiß, was ich sagen soll, bedanke ich mich erst einmal für die Blumen.
„Danke für die schönen Rosen, sie sind traumhaft. Ich war sehr überrascht, habe ich Ihnen überhaupt erzählt wo ich arbeite?“
„Nein, aber es war nicht so schwer das ausfindig zu machen, ich konnte Sie ganz leicht mit Ihrem Namen auf der Homepage des Krankenhauses finden.“
Als die Kellnerin mit dem Tablett ankommt, lehnt Max sich ganz entspannt am Sessel zurück.
„Ich habe Sie gestern einfach so stehen lassen, das ist eigentlich nicht meine Art.“
Er blitzt mich an, ich muss auf seine schönen Hände schauen. Ich hoffe keinen Ehering zu entdecken und nein, da ist keiner. Er ist unglaublich höflich und zuvorkommend.
„Sie sind also Hebamme, ein sehr schöner Beruf.“
„Ja, ich liebe meine Arbeit. Es ist vor allem ein wunderschönes Gefühl einem so zerbrechlichen Geschöpf den Weg ins Leben zu bereiten. Babys sind so unglaublich stark und trotzdem zerbrechlich. Eine werdende Mutter und auch der Vater sind bei einer Geburt in einem Ausnahmezustand, den sie im normalen Leben nie wieder so erleben werden. Das ist die Herausforderung in meinem Beruf, und ich liebe es. Haben Sie Kinder?“
Die Frage sprudelt ungewollt aus mir heraus, ich glaube ich bin ein bisschen rot geworden und habe ein wenig Angst vor der Antwort. Er schlägt ein Bein über das andere, es scheint als hätte ihn meine Frage etwas überrascht.
„Nein, ich habe keine Kinder, aber so wie sie das beschreiben, wäre es vermutlich schön welche zu haben.“
Irgendwie klingt das fast ein bisschen traurig, aber trotzdem bin ich erleichtert über die Antwort. Kein Ehering, keine Kinder, wobei den Ring kann man ja abnehmen. Wir unterhalten uns noch lange über alles Mögliche, die Zeit vergeht so schnell, ich vergesse fast, dass ich noch zur Arbeit muss.
„Es tut mir leid Max, ich würde gerne noch mit Ihnen plaudern, aber ich habe auch heute wieder Nachtdienst, und wenn ich nicht zu spät kommen will muss ich jetzt los.“
„Ja natürlich, die Zeit ist ja wie im Flug vergangen.“
Er winkt die Kellnerin her und bezahlt, während ich meinen Mantel vom Kleiderständer nehme. Als ich hinein schlüpfen will, nimmt er ihn mir ab und hilft mir hinein.
„Haben Sie Kinder?“, fragt er mich fast beiläufig, während ich in meinen Mantel schlüpfe.
„Nein ich habe keine Kinder, das liegt vermutlich auch daran, dass mir der Mann dazu fehlt.“
Ich drehe mich zu ihm um und kann in seinem Blick erkennen, dass ihm meine Reaktion etwas überrascht. Ich befürchte mein Ton war unangemessen schroff.
„Bitte verzeihen Sie, ich wollte Ihnen nicht zu nahe treten, aber zumindest weiß ich jetzt, dass die Männerkosmetik nicht für Ihren Freund ist, was mich ehrlich gesagt doch freut.“
Ich erwidere seinen Blick und lächle ihn an, während ich mir denke wie unnötig das jetzt war.
„Nein zumindest nicht für so einen „Freund“, außerdem würde ich mich dann nicht mit Ihnen hier treffen. Ich wollte nicht so forsch sein, Entschuldigung.“
Er lächelt zurück, ich versuche die Situation möglichst galant zu überspielen.
„Sie sind kein Amerikaner, oder? Dafür sind Sie viel zu höflich“, frage ich ihn.
Er schaut mich verwundert an und erklärt mir, dass er Ire ist, aber seit über zehn Jahren in New York lebt. Wir verlassen das Café, irgendwie hab ich kein gutes Gefühl, vielleicht bin ich doch zu viel ich selbst. Draußen ist es kühl geworden, Er zieht seine schwarzen Lederhandschuhe über.
„Soll ich Sie noch zum Krankenhaus bringen? Mein Fahrer steht eine Straße weiter.“
„Danke, das ist wirklich nett, aber ich nehme die U-Bahn.“
Ich schlage die Gelegenheit zum Mitfahren ein weiteres Mal aus.
Er streicht fast beiläufig über meinen Arm.
„Es wäre schön Sie wieder zu treffen, Luisa.“
Auch wenn mein Verstand versucht es abzuwehren, mein Herz hüpft mit den Schmetterlingen in meinem Bauch um die Wette. Ich gebe mir Mühe mir meine Begeisterung nicht anmerken zu lassen. Ich nicke wortlos und ich glaube ein verlegenes Lächeln huscht mir über die Lippen. Bevor ich antworten kann, klingelt sein Telefon und ruiniert die Situation. Er nimmt meine Hand zum Abschied und verspricht mir mich anzurufen. Ich drehe mich um und gehe los Richtung U-Bahn. Als ich mich umdrehe, treffen sich unsere Blicke, während er mir noch einmal zuwinkt verschwindet er auch schon hinter dem nächsten Haus.
Kurz vor sieben Uhr schaffe ich es gerade noch pünktlich ins Krankenhaus. Auf dem Weg zum Aufzug kommt mir ein bekanntes Gesicht aus der Ferne entgegen. Mein Vater. Dr. Frank Miller. Er ist Chefarzt der Chirurgie im Krankenhaus, und scheinbar auf dem Weg nach Hause.
„Hi Dad, ich bin spät dran.“
„Ja das sehe ich, wo kommst du den her, du bist heute so chic?“
„Nicht anders als sonst, Dad.“
Ihm entgeht auch nichts, aber er fragt nicht weiter nach. Er küsst mich auf die Wange und erinnert mich an unser wöchentliches Mittagessen am Sonntag. Wie könnte ich es vergessen. Ich winke ihm noch flüchtig hinterher und steige in den Lift. Mein Vater, der einflussreiche Herr Doktor. Er hat wirklich schon vieles bewegt in diesem Krankenhaus, er ist ein toller Arzt und macht seinen Job außerordentlich. Ich konnte seine Erwartungen in mich leider nicht erfüllen. Er hätte mich immer gerne als Spitzenchirurgin und seine Nachfolgerin gesehen, aber mein Traum war das nie, ich habe ihm diese Illusion schon sehr lange genommen. Ich wollte schon als kleines Mädchen in die Fußstapfen meiner Mutter als Hebamme treten. Ich fand es immer spannend ein neues Leben auf die Reise ins Leben zu begleiten. Ärzte waren mir immer zu selbstverliebt in ihren Beruf, Götter in Weiß eben. Ich steige aus dem Lift, nein heute schwebe ich aus dem Lift, ich muss für mich selbst grinsen. Zeit, um alles für die heutige Nacht zu checken habe ich nicht, denn mir läuft bereits Dr. Cooper entgegen.
„Notsectio Luisa, wir brauchen Sie dringend, wo bleiben Sie denn?“
Der Alltag ruft mich zurück in meinen Beruf und ich habe gerade noch Zeit mich umzuziehen und mich OP fertig zu machen. Alles geht ganz schnell. Eine junge Mutter mit einem Notkaiserschnitt, 30. Schwangerschaftswoche. Dr. Cooper führt den Kaiserschnitt wie immer routiniert durch, ich kann schon das Köpfen des Winzlings sehen. Es ist ein kleines Mädchen. Er legt sie mir vorsichtig auf das vorbereitete Tuch.
Ich schaue das Baby durch die Scheibe des Inkubators an. Es sieht so winzig aus, aber ganz friedlich, als es an der Tür klopft. Ich winke den frisch gebackenen Vater herein.
„Hallo Mr. Mayr, kommen Sie, ihrer Tochter geht es gut.“
Er traut sich erst gar nicht richtig sein Baby anzuschauen. Ich erkläre ihm alles, schlussendlich kann ich ihn doch noch dazu bewegen seine Tochter zu bestaunen. Es ist mittlerweile Mitternacht geworden, als ich das erste Mal auf die Uhr schaue. Inzwischen ist auch noch eine andere Geburt auf die Station gekommen. Die werdende Mutter hatte einen Blasensprung und klagt bereits über Wehen in kurzen Abständen. Heute hab ich keine Zeit um durchzuschnaufen. Um 05.21 Uhr halte ich den kleinen, kerngesunden Lewis in Händen.
Die junge Frühchen Mutter von vorhin hat sich vom Notkaiserschnitt bereits gut erholt, als ich sie kurz vor meinem Dienstende noch auf der Station besuche. Als ich im Schwesternzimmer einen Schluck Kaffee nehme schaue ich das erste Mal seit gestern Abend auf mein Handy. Ich habe ein paar neue Nachrichten erhalten.
18.47 Uhr Lizzy: Und wie war es? Kannst du dich vielleicht bitte mal melden? Ich sterbe vor Neugier?
19.21 Uhr Matt: Hi Luisa, bin am Wochenende in NY. Morgen Mittag Pizza und Cocktails mit Lizzy und Andy? Freue mich. Kuss Matt
20.21 Uhr Max: Danke für den Abend im Café. Ich hoffe Sie bald wieder zu treffen. Max.
Klingt ziemlich verhalten, aber es gibt noch eine weitere Nachricht.
23.54 Uhr Max: Liebe Luisa, ich weiß nicht wie es Ihnen geht, aber ich denke den ganzen Abend an Sie, ich muss Sie unbedingt wieder treffen. Es ist eigentlich nicht meine Art SMS zu schreiben, aber ich kann nicht schlafen, ohne dass Sie wissen wie sehr ich an Sie denke. Gute Nacht, Max.
Er denkt an mich, er denkt an mich…es juckt mich in den Fingern, ich will sofort zurück schreiben, aber ich tue es nicht, er soll sich nur ein bisschen anstrengen um meine Gunst zu gewinnen. Ich bin froh als der Nachdienst zu Ende ist und verlasse das Krankenhaus. Zwei Tage frei. Endlich. Während ich zur U-Bahn spaziere überlege ich, ob ich nicht doch auf die SMS antworten soll, aber ich bleibe hart zu mir. Zu Hause angekommen falle ich erschöpft in mein Bett, ein paar Stunden schlafen, ich bin todmüde. Heiteres Gelächter aus der Küche weckt mich. Ich öffne noch etwas schlaftrunken meine Augen, es ist früher Nachmittag. In der Küche sitzen Lizzy, Andy und Matt. In dem Trubel habe ich ganz vergessen, dass er heute kommt. Er springt freudig auf als er mich sieht und drückt mich zur Begrüßung, was ich abgeschlagen erwidere.
„Hey Luisa, ich dachte schon, du stehst heute gar nicht mehr auf! Freust du dich denn gar nicht mich zu sehen?“
Er schüttelt mich ein bisschen, fast als wolle er den restlichen Schlaf aus mir herausrütteln. Dann knuddelt er mich abermals, ich komme mir vor wie eine Gummipuppe.
„Doch natürlich freue ich mich, aber ich bin noch total k.o.“ Ich gebe ihm einen kleinen Schubs. „Du lässt dich doch nie hier blicken.“
Bevor wir unser Geplänkel fortführen können, schiebt mich Lizzy aus der Küche.
„WIE IST ER? WIE WAR ES?“
Ich strecke mich erst einmal durch, es ist lustig wie sie vor mir her zappelt vor Neugier.
„Bekomme ich nicht vorher wenigstens einen Kaffee?“, spanne ich sie weiter auf die Folter.
„Du bekommst schon noch deinen Kaffee, außerdem warum willst du jetzt Kaffee? Du trinkst doch nie Kaffee um diese Zeit? Also komm schon, raus mit der Sprache.“
Sie gibt mir einen kleinen Rempler, um endlich etwas aus mir heraus zu bekommen.
„Tja wie soll ich sagen, ich möchte jetzt einfach gerne einen Kaffee.“
„Willst du mich verarschen?“ Sie verdreht vorwurfsvoll die Augen und macht einen Schmollmund.
Ich gebe ihr einen kleinen Schubs.
„Er ist sehr nett und unglaublich höflich, ich möchte nur keine voreiligen Schlüsse ziehen.“
„Ach Luisa…Und wie geht es jetzt weiter? Triffst du ihn wieder?“
Ich zucke mit den Schultern.
„Ich weiß es noch nicht, aber ich denke, es wäre schön.“
Dieser Satz reicht aus, um sie wieder zum Lächeln zu bringen. Nach meinem Kaffee werfe ich einen Blick auf mein Handy. Drei Anrufe in Abwesenheit von Max, er scheint sich wirklich für mich zu interessieren, ich verspüre ein ungewohnt aufgeregtes Gefühl im Bauch. Ich beschließe mich zuerst zu duschen und anzuziehen, bevor ich zurück rufe. Ich binde gerade meine Haare zusammen, als ich mein Handy summen höre. Noch einmal Max, ich grinse für mich selbst und hebe ab.
„Hi.“
Meine Freude über seinen Anruf hallt in meiner Stimme wieder.
„Hallo Luisa.“ Kurze Stille. „Störe ich Sie?“
Er wiederum klingt sehr angespannt, fast genervt würde ich sagen.
„Nein, natürlich stören Sie mich nicht“, antworte ich verwundert.
„Gut.“ Wieder ein kurzes Schweigen. „Also ich würde Sie heute gerne zur Eröffnung der Ausstellung einer guten Bekannten einladen, natürlich nur, wenn Sie Zeit und Lust haben.“
Irgendwie klingt er sehr kurz angebunden, gestern war er ganz anders, aber ich freue mich über seine Einladung, wahrscheinlich ist er im Stress.
„Ja sehr gerne, die Freude ist ganz meinerseits.“
Er würgt mich in meinen Worten fast ab. Ich schüttle für mich selbst verwundert den Kopf.
„Ich komme Sie dann um 19.30 Uhr abholen. Schreiben Sie mir bitte noch eine SMS mit Ihrer Adresse.“
„Ja gerne, mache ich.“
Bevor ich noch etwas sagen kann, verabschiedet er sich auch schon und legt auf. Komisch. Ich tippe gleich die SMS mit meiner Adresse, er antwortet darauf nicht weiter. Jetzt war er wirklich seltsam drauf, aber ich treffe ihn wieder. Ich muss wieder grinsen.
„Lizzy!“, rufe ich lauthals und es dauert nicht lange, bis sie ihren Kopf zur Tür herein streckt.
„Was ist denn los? Brennt es?“
Ich schmunzle und zeige auf mein Handy. „Heute Abend treffe ich ihn wieder.“
„Wusste ich es doch, der lässt jetzt nicht mehr locker, mach jetzt bloß keinen Blödsinn“, ermahnt sie mich. „Die Jungs warten schon, bist du soweit, wir wollen los.“
„Was für einen Blödsinn sollte ich schon machen?“
„Ich kenne dich Luisa…aber jetzt mach, wir wollen los.“
Ja, ich bin schon so weit.“
Kapitel 3
Wir sitzen gemeinsam in einer kleinen Pizzeria, ich lausche amüsiert den Geschichten von Matt. Als Jurist bei einer großen Fluggesellschaft erlebt er wirklich immer Spannendes bei seinen Reisen quer durch Amerika. Ich hätte mir früher nie gedacht, dass er einmal einen so seriösen Beruf ergreifen wird. Er war immer der coole, durchtrainierte und braungebrannte Sunnyboy. Immer von hübschen Mädchen umgeben, und die hat er reihenweise gekillt. Obwohl, das hat sich nicht wirklich geändert, zumindest was die Frauen betrifft. Ich frage mich, ob er jemals die Richtige für sich finden wird. Nach seinem Studium hat er sehr viel Zeit damit verbracht das Surferimage aufrecht zu halten, immer auf der Suche nach der perfekten Welle. Das war auch der Grund, warum er sein Anwaltspraktikum in Florida verbracht hat. Tagsüber Anzug, Badehose nach der Arbeit. Irgendwie ist er immer noch der coole Sunnyboy, jetzt eben im Anzug mit seinen schönen hellbrauen Locken lässig zurück gegelt. Seine Haut ist immer leicht gebräunt, mit einem smarten Lächeln auf den Lippen. Er ist eben Matt, auch wenn er mit den Jahren zumindest ein wenig reifer geworden ist. Ich nasche an meiner Pizza, obwohl ich gar keinen Hunger habe. Plötzlich fällt mir ein, auf einer Vernissage werden alle bestimmt im Abendkleid sein, oder im Cocktailkleid? Keine Ahnung, ich habe beides nicht. Ich möchte Max auf keinen Fall blamieren…Ich möchte mich nicht blamieren…Shit. Ich ziehe mein Handy aus der Tasche und tippe eine SMS an ihn.
Hi Max, ich bin mir nicht sicher welcher Dresscode für den heutigen Abend der Richtige ist? Luisa.
Diesmal dauert es nicht lange und er antwortet mir.
Max: Luisa, Sie sehen in ALLEM gut aus, machen Sie sich keine Sorgen, ich bin mir sicher, Sie finden das Richtige. Kein Dresscode. Bis später. Max.
Das hilft mir jetzt sehr weiter, denke ich mir. Ich schubse Lizzy, die gerade genüsslich an einer Olive knabbert.
„Ich habe nichts anzuziehen, für die Ausstellung heute Abend…“
Lizzy denkt kurz nach, diese Sprechpause nutzt Matt sofort um nachzufragen.
„Welche Ausstellung?“
Ich komme erst gar nicht dazu eine Antwort zu geben, das übernimmt Andy für mich.
„Mr. Deveraux…sehr erfolgreicher Typ und scharf auf unsere Luisa.“
Er zwinkert Matt zu.
„Ah…das klingt ja hochinteressant“, dann nimmt er einen Schluck von seinem Bier. „Du wirst dich doch neuerdings nicht von einem Mann verbiegen lassen?“
„So das reicht jetzt“, mischt sich Lizzy wieder ein. „Hier lässt sich niemand verbiegen, aber Luisa und ich gehen jetzt shoppen, wir sehen uns dann zu Hause.“
„Sie schiebt ihren Teller zur Seite und zwinkert mir zu.
„ Shopping Time.“
„Sehen wir uns später noch?“, frage ich Matt und gebe ihm noch einen Kuss auf die Wange zum Abschied.
„Das will ich hoffen, bis dann.“
Wir schlendern zum Kaufhaus an der nächsten Ecke und fahren mit der Rolltreppe in den dritten Stock. Bevor wir uns umsehen können, stöckelt uns schon eine hübsche Verkäuferin entgegen. Nachdem ich ihr kurz den Anlass meines kurzfristigen Shoppingvorhabens schildere, schreitet sie auch schon zur Tat.
„Am besten Sie nehmen etwas Schlichtes, damit können Sie nie falsch liegen.“
Sie zeigt mir einige kurze schwarze Kleider und eines in einem Aubergineton, ganz dunkelviolett, fast schwarz. Alle sehen zumindest am Bügel toll aus.
Gut, dann probiere ich die einmal.“
„Sie braucht auch passende Schuhe, ergänzt Lizzy, am besten recht hoch…“
Mein Augenrollen ignoriert sie und schiebt mich in die Kabine.
„Du brauchst Schuhe, hohe Schuhe. Punkt.“
Als ob ich ständig in Schlappen unterwegs wäre, sie übertreibt wieder einmal hoffnungslos. Ich probiere die Kleider, zwei davon passen mir erstaunlicherweise wirklich richtig gut. Eines davon ist kurz, sehr figurbetont und schwarz aus einem glatten edel glänzenden Stoff, das mir entgegen meiner Erwartung wirklich sehr gut steht. Ich kann mich gar nicht erinnern dass meine Figur so gut in einem Kleid aussieht. Ich muss mich selbst bestaunen. Das auberginefarbene ist aus einem samtigen Stoff und reicht mir bis knapp übers Knie. Es hat kurze Ärmel, die gerade meine Schultern bedecken, und einen aufregenden, aber nicht zu verführerischen Ausschnitt. Es sieht sehr elegant aus. Lizzy überredet mich beide zu kaufen, man weiß ja nie, wofür man die Kleider brauchen kann. Dazu schwarze spitze High Heels mit einem Bleistiftabsatz von mindestens 10 cm. Ich komme mir zwar vor wie ein Storch, der Storch der die Babys bringt, wie passend, aber sie sehen wirklich richtig gut aus. Ich würde sogar sagen sexy. An der Kasse trifft mich zwar fast der Schlag, aber zumindest bin ich jetzt beruhigt und freue mich auf heute Abend.
„Jetzt müssen wir uns nur noch etwas mit deinen Haaren überlegen.“
Lizzy scheint voll in ihrem Element und erklärt mir, wie es zu Hause mit dem Beauty Programm weiter geht. Nach einer Rundumerneuerung von Kopf bis Fuß, sitze ich mit frisch lackierten, dunkellila Fingernägeln, passend zur Farbe des Kleides, im Bademantel auf meinem Bett, inzwischen Lizzy meine Haare bearbeitet. Meine schulterlagen Haare bekommen sanfte Wellen. Ich muss sagen, wenn ich mich so im Spiegel betrachte, macht sie das wirklich gut. Kurz vor 19.15 Uhr schlüpfe ich in das auberginefarbene Kleid und in meine Schuhe. Musternd betrachtet Lizzy ihr Gesamtkunstwerk.
„Du sieht einfach unglaublich aus Luisa, also wäre ich ein Mann, wir würden nie bei der Vernissage ankommen!“
Ich schüttle wortlos mit einem Grinsen den Kopf, aber ja, es stimmt, ich sehe ziemlich gut aus. Schon lange habe ich mich nicht mehr so herausgeputzt.
Ich ziehe gerade meinen Mantel über und zupfe meine Strümpfe noch einmal zurecht, als Matt aus der Küche lugt.
„Wow Luisa…“ Er kommt zu mir den Flur. „Schön siehst du aus…“
Er überlegt kurz, während er mich von oben bis unten mustert.
„Nein… Scheiße du siehst heiß aus, ich weiß nicht ob ich dich so gehen lassen kann…“
„Ach Matt, ich wüsste nicht, seit wann du das entscheiden könntest. Hab ich da etwas verpasst? Mach dir keine Sorgen um mich, du kennst mich ja…“
Er nickt und lächelt mich mit seinen strahlend weißen Zähen an. „Schönen Abend.“
Als er wieder in der Küche verschwindet, klingelt es auch schon an der Türe. Ich drücke auf die Gegensprechanlage.
„Miss Miller, der Wagen wäre da.“
Der Wagen wäre da? Ok, na gut. Ich bin verwundert, so wurde ich auch noch nie abgeholt, aber ich wurde auch noch nie von einem Mann mit Chauffeur abgeholt, daran muss ich mich erst gewöhnen.
„Ich bin gleich unten“, antworte ich.
„Ich wünsche dir einen schönen Abend Luisa, du siehst wunderschön aus, tu nichts was ich nicht auch machen würde“, ruft mir Lizzy noch nach, als ich im Stiegenhaus verschwinde. Draußen steht bereits die Limousine, die ich schon kenne. Ein schwarzer Mercedes mit getönten Scheiben. Davor ein älterer Mann im dunkelgrauen Anzug mit schwarzen Lederhandschuhen.
„Guten Abend Miss Miller.“
Er lächelt mich höflich an, bevor er mir die hintere Fahrzeugtür öffnet, wo ich Max auf der der anderen Seite sitzen sehe. Er hätte höflicherweise auch aussteigen können, denke ich mir und steige ein. Max gibt dem Fahrer ein Zeichen.
„Toni geben Sie uns zwei Minuten bitte.“
Der Fahrer schließt mit einem höflichen Nicken die Autotür. Ich komme gar nicht dazu etwas zu sagen, er blickt mich mit ernster Miene an.
„Guten Abend Luisa, bevor wir fahren, muss ich etwas loswerden.“
Sein Ton klingt ernst, sehr ernst. Ich fühle mich verunsichert, irgendetwas stimmt hier so ganz und gar nicht.
„Sie müssen ein paar Dinge über mich wissen. Es ist eigentlich nicht meine Art Frauen in einem Kaufhaus anzusprechen, und auch nicht ihnen Blumen in die Arbeit zu schicken. Ich verbringe keine Verabredungen im Café und ich schreibe keine SMS, und schon gar nicht telefoniere ich einer Frau nach.“
Ich atme einmal kurz tief durch, was soll das und was will er denn von mir? Ich lasse mich zu einer voreiligen Antwort hinreißen.
„Haben Sie aber alles getan, wenn ich mich recht erinnere.“
Er reagiert nicht auf meinen Einwand.
„Luisa, wenn Sie spielen wollen, bin ich nicht der Richtige. Dazu habe ich keine Zeit und auch keine Lust, dafür gibt es bestimmt andere.“
Meine Aufregung schwenkt schnell in Ärger um, was bildet er sich eigentlich ein, ich habe IHN ja weder gebeten mir Blumen noch SMS zu schicken.
„ICH verstehe dieses Spiel hier gerade nicht. SIE haben mich zu diesem Abend eingeladen. Was wollen Sie denn von mir hören? Ich kann auch gerne wieder aussteigen.“
Meine Hand wandert wie von selbst Richtung Türschnalle.
Er greift über mich und nimmt meine Hand von der Türschnalle. Das ist nicht gerade die Art von Date, wie ich sie mir vorstelle. Ich kann mich doch nicht so getäuscht haben? Doch seine Hand auf meiner fühlt sich so gut an, dass diese wie von selbst von der Türschnalle gleitet. Er hat so schöne Hände und lange schlanke Finger, das ist mir schon im Café aufgefallen. Dieser Mann ist wirklich perfekt, nur dass ich gerade nicht weiß warum er so ein Tamtam macht.
„Ich will, dass Sie mich jetzt zur Vernissage begleiten, aber nur wenn Sie es auch wollen.“
Ganz kurz ist es totenstill im Wagen, ich würdige ihn keines Blickes und schaue schmollend aus dem Fenster, mein rechter Zeigefinger klopft unbewusst auf die Verkleidung der Autotür.
„Es gibt nur zwei Möglichkeiten. Ja, Sie wollen, oder Nein, Sie wollen nicht“, ergänzt er kühl und fährt weiter fort. „Sie sind eine höfliche Person, ich glaube, Sie wissen nicht ganz genau was Sie wollen, aber ich möchte nicht dass sie irgendetwas nur aus Höflichkeit mir gegenüber tun. Sie wollten ja schon vor dem Café lieber wieder umdrehen als hinein gehen, oder täusche ich mich?“
Ja wollte ich, Mist, ich wusste nicht, dass er das mitbekommen hat. Aber es ist wahr, was will ich eigentlich? Seine augenblickliche Autorität gefällt mir nicht, oder doch? Ich weiß es nicht und trotzdem sprudelt mir renitent ein „Ja gut, ich komme mit.“ heraus. Ich sehe ihn nicht an und kaum ausgesprochen ärgere ich mich über dieses knappe ja gut, ich komme mir vor wie ein trotziger Teenager. Wenn diese Vorstellung hier nicht bald eine andere Richtung einschlägt, sehe ich kein Licht mehr für diesen Abend. Er atmet scharf ein, während er seine Beine ausstreckt und sich zurücklehnt, als ob er alle Zeit der Welt hätte, sagt aber kein Wort. Ich weiß genau er wollte das so nicht hören, jetzt komme ich mir richtig belämmert vor. Ich muss hier raus. Oben in der Wohnung sind meine Freunde und die schätzen meine Gesellschaft, und zwar so wie ich bin. Ich greife erneut zur Tür, aber jetzt öffne ich sie auch und habe bereits einen Fuß draußen auf der Straße.




