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Der Indianer schüttelte langsam seine Pfeife aus, steckte sie in den Gürtel und erhob sich. Erst jetzt vermochte man die schlanke und doch muskulöse Gestalt des Mannes, der zwischen dreißig und vierzig Jahren zählen mochte, ganz zu würdigen. Er sagte: »Komm!« und schritt auf eines der Fenster zu, die andern folgten ihm. Hier wies der Indianer mit dem Finger auf die Erde. Grover beugte sich nieder und untersuchte den Boden mit Kennerblick, richtete aber dann sein Auge wieder fragend auf John. »Iltis,« sagte der lakonisch.
»Iltis? der kleine Fred?«
»So nennst du ihn!«
»Segne meine Seele, war dieser Hauptgauner, dieser Pferdedieb und Hehler am Wege?«
»Stand gestern abend hier am Fenster.«
»Was wollte er denn?«
»Zählte die Männer, die bei uns waren.«
»Hatte er es auf meine Pferde abgesehen?«
»Deine nicht. Denke, Jones hat zwanzig im Pferch im Walde.«
»Nun, dann ist es ein Glück, daß der gestern abend den Tyron erkannt hat, er wird Fürsorge treffen, daß ihm kein Pferdeschwanz abhanden kommt. In dieser Nacht werden sie doch schwerlich bereits ihre Räuberhände ausgestreckt haben.«
»Iltis sehr klug. Wußte, daß Farmer viel in Brook zu Versammlung.«
»Alle Wetter, daß mir das alles erst jetzt erfahren! Hat sich mit einemmal die ganze Mord und Gaunerbande hier versammelt? Das ist ja eine Gefahr für das Land weit und breit. Was beginnen wir, John?«
»Denken, ihm schießen tot wie Battle.«
»Sollte mir auf den Schuß Pulver nicht ankommen,« brummte Grover, »nur erst haben. Daß die Halunken sich hierher trauen, wo erst kürzlich das blutige Exempel an ihrem Spießgesellen Battle vollstreckt worden ist? Muß ihnen anderswo zu heiß geworden sein. Hätte große Lust, zu Jones zu reiten und Nachfrage zu halten, wie es dort steht.«
Graf Edgar hatte mit Aufmerksamkeit der Unterhaltung der beiden gelauscht und wandte sich nun an Grover mit der Frage: »Ihr habt hier viel unter Pferdediebstahl zu leiden?«
»Es war eine Zeit lang eine Landplage hier in den westlichen Counties, haben uns vor ein paar Jahren endlich Ruhe geschafft. Wurde die Zeit über nichts von Pferdediebstählen gehört, war den Burschen der Boden zu heiß geworden. Wundre mich, daß sie sich hierher wagen; müssen das Land aufbieten, sind gefährliche Leute. Und hat der Indianer sich nicht geirrt, war der Kerl, mit dem Ihr gestern abend anbandet, wirklich der Morris, der blutige Mörder, dann macht sich auch alles, was eine Büchse führen kann, auf, um den Schurken zu verfolgen, sobald es nur im Lande bekannt ist. Schlimme Nachbarschaft, vor Hunger wahnsinnige Wölfe sind mir lieber.« Mit sorgenvoll gefalteter Stirn ging er ins Haus hinein. Der Graf winkte Heinrich heran und teilte ihm mit, daß der Indianer hier auf dem Erdreich unter dem Fenster Fußspuren entdeckt und sogar die Persönlichkeit des Lauschers festgestellt habe. Er forderte ihn auf, mit ihm gemeinschaftlich den Boden zu untersuchen. Beide beugten sich nieder und durchforschten denselben mit geschärften Blicken. Nach einer Weile richtete sich der Graf auf und sagte: »Ich kann nichts bemerken, du, Heinrich?«
»Nein, Herr Graf, ich würde hier nimmer eine Menschenspur entdecken. Wenn der rote Mann hier etwas sieht, dann muß er andre Augen haben als ich.«
Der Indianer stand dabei und verfolgte das Tun der beiden mit ruhiger Aufmerksamkeit. Zu ihm wandte sich jetzt Graf Edgar mit den Worten: »Will der rote Mann uns sagen, wie er hier menschliche Fußspuren zu entdecken vermag? Wir erblicken nichts.«
John oder Athoree, wie sein indianischer Name lautete, trat näher und sagte mit höflicher Gebärde: »Der Fremde möge seine Augen auftun.« Er wies auf das kurze Gras, welches unter den Fenstern wucherte, und sagte: »Ihm steht gerade, hoch. Hier,« und er zeigte auf eine andre Stelle, »er nicht gerade beugt sich.« Und in der Tat bemerkten die beiden jetzt, daß, was ihnen gar nicht aufgefallen war, an einigen Stellen das Gras weniger aufrecht stand. »Iltis hier Gras niedertreten, Gras sich wieder aufrichten, hier entzweitreten,« und er zeigte ihnen einige geknickte Grashalme. Heinrich, hierauf aufmerksam gemacht, sagte staunend: »Das sind Jägeraugen, Herr Graf, das hätte ich niemals geglaubt, wenn ich es nicht selbst gesehen. Wahrhaftig, ja, jetzt, wo ich aufmerksam gemacht bin, glaube ich, daß ein Mensch hier gestanden haben kann.«
Der Graf verwunderte sich nicht weniger über diese Probe indianischer Spürkraft, von der er bis jetzt nur gelesen hatte.
»Wenn ich nicht irre, weiß der rote Mann auch, wer hier gestanden hat, wie hat er das herausgefunden?«
Der Indianer bückte sich und bog das Gras an den gestern abend niedergetretenen Stellen auseinander.
»Will der Fremde hierher blicken?« Die Augen des Grafen und Heinrichs folgten dem hinweisenden Finger Johns. »Hier, Eindruck eines Stiefels;« und in der Tat bemerkten sie in dem weichen Erdreich einen Eindruck, ohne indessen unterscheiden zu können, wovon er herrührte. »Absatz« sagt der Indianer »schief dicke Nägel. Sah Iltis im Walde gestern, gehen auf seiner Spur, hier wieder Spur Iltis gestern abend hier.«
Das Erstaunen der beiden ward hiernach nicht geringer.
»Ich sehe mit Vergnügen, daß der rote Mann ein großer Spurenfinder ist und daß die Gerüchte über den Scharfsinn der roten Leute nicht übertrieben sind.«
Der Indianer verstand wohl nicht alles, doch begriff er so viel, daß ihm ein Kompliment gemacht wurde, er entgegnete mit einem leichten Lächeln: »Roter Mann, viel sehen, viel hören, Erde sprechen, Baum sprechen, Wind auch, er viel sehen.«
»Ich habe es mit Staunen wahrgenommen. Wie nenne ich den roten Mann?«
»Grover nennen ihm John, weißer Name, Indianer nennen ihm Athoree, ihm sagen >Pfeil< in Sprache von Inglis.«
»Gut, bleiben wir bei Athoree.«
»Ihm lieber hören.«
»Desto besser.«
»Wie heißt der weiße Mann?«
»Graf Bender.«
»Nicht verstehen, ihm ander Namen geben.«
»Nun gut, Athoree, so gib mir einen andern Namen.«
»Er Krieger?«
»Ja, ich bin Soldat.«
»Gut. Er tapfer.«
»O,« lächelte Graf Edgar, »steht mir die Tapferkeit auf der Stirne geschrieben?«
»Gestern abend viel Nebel hier,« sagte der Indianer und deutete auf seine Stirne, »Nebel im Kopf, Nebel vor Auge, dicker Nebel, nicht viel hören, nicht viel sehen, Hand lahm, Fuß lahm.«
»Ja, es schien mir auch so, als ob der Nebel ziemlich dicht gewesen sei, der dein Haupt umwallte.«
»Dicker Nebel nicht viel sehen, nicht viel hören, aber ein wenig. Sehen jungen Krieger vor Rothand stehen er tapfer.«
»Also das hast du doch trotz deines starken >Nebels< bemerkt?«
»Ihm sehen. Gut.«
»Aber nun, mein Name. Ich werde nicht wenig stolz darauf sein, einen indianischen Namen mit nach Hause nehmen zu können.«
»Jungen Krieger nennen Neataru, ihm sagen in Inglis: Gutherz, er gutes Herz, er tapferes Herz, Athoree es sehen.«
»Gut, den Namen acceptiere ich und will ihm allezeit Ehre machen. Nun mußt du hier für Heinrich auch einen indianischen Namen finden.«
»Ihm später geben, erst kennen.«
»Schön.«
Indem kam Grover wieder aus dem Hause.
»O, ich sehe, Fremder, Ihr habt Euch bereits mit John bekannt gemacht.«
»Ja, er hat mich Spuren finden gelehrt und mir bereits einen Namen erteilt, der auf mein kleines Rencontre mit dem Burschen von gestern abend Bezug hat, er hat mich Gutherz genannt.«
»Ein schöner Name, und ist unter Umständen von einem Indianer erteilt etwas wert. Mich nennt er den Biber, weil ich mir so flugs ein eigenes Heim baue.«
»Ja, er Biber, er sitzen Winter im Bau,« sagte der Indianer.
Grover nahm den Grafen zur Seite und fragte halblaut: »Wie gefällt Euch die Rothaut?«
»Der Mann macht mir keinen unangenehmen Eindruck.«
»Der Bursche ist gut genug, wenn er nüchtern ist, er wäre schon der rechte Mann für Eure Fahrt. Wenn er übrigens gestern abend trotz seines schweren Rausches bemerkt hat, daß Ihr für ihn eingetreten seid, so ist das für sein künftiges Verhalten Euch gegenüber sehr günstig.«
»Er hat es wahrgenommen.«
»Das ist gut. Man sollte es kaum für möglich halten, daß solch ein roter Bursche selbst schwer betrunken noch mehr sieht und hört als wir. Wenn er übrigens dem Burschen, der ihm gestern die Haut ansengen wollte, begegnet, so darf sich dieser hüten, dies und den Tritt rächt der Indianer mit Blut. Wir wollen ihn doch übrigens gleich einmal befragen, ob er Euch auf Eurer Reise begleiten will. Wenn nicht, müssen wir für einen andern Führer sorgen.« Sie traten zu dem Indianer zurück und Grover sagte:
»Höre, John, der Herr hier will eine Fahrt in die Wälder machen, nach Norden zu, willst du nicht die Pfade für ihn suchen?«
»Will der Fremde jagen?«
»Nun, eigentlich nicht, er hat einen andern Zweck, er sucht eine Verwandte im Lande.«
»In den Wäldern des Nordens?«
»Es ist am besten, man schenkt dem Indianer, wenn man sich seiner versichern will, reinen Wein ein, Herr Graf.«
»Sagen Sie ihm die Wahrheit.«
»Der Herr, John, hat hier im Lande eine Schwester wohnen, oben am Manistee, sie ist von den Ottawas vor drei Jahren in die Gefangenschaft geschleppt, als diese die Streitaxt ausgegraben hatten, und er ist aus fernem Lande gekommen, um sie zu suchen.«
Der Indianer lauschte bewegungslos mit tiefem Ernste den Worten Grovers.
»Wird John ihn zu den Ottawas führen? Damit >Gutherz<, wie du ihn genannt hast, nach der Schwester sich umschaue?«
Der Indianer schwieg mit ehernem Gesicht, dann richtete er die dunklen Augen auf Graf Edgar und sagte langsam: »Athoree wird nachdenken. Er wird es sagen.«
»Ich fürchte, wie ich schon bei Baring äußerte,« flüsterte Grover dem Grafen zu, »er hat etwas bei den Leuten seiner Farbe auf dem Kerbholz, und traut sich nicht zwischen sie. Wir müssen's abwarten.«
»Hat der Biber die rote Hand und den Iltis vergessen?« sagte jetzt der Indianer.
»Des Teufels, nein. Fürchtest du Gefahr für uns, John?«
»Nein, er kommt nicht zurück. Ich werde bald auf seiner Spur sein.«
»Willst du ihn verfolgen, John?«
»Athoree wird ihm folgen.«
»Nun, und wie willst du ihn finden?«
»Wirst bald von ihm hören, Grover, dann Zeit, Spur zu folgen.«
Kaum hatte er ausgeredet, als er plötzlich das Haupt neigte und angestrengt nach der nach Westen hinführenden Straße lauschte. Dann sagte er: »Sie kommen schon, ihn zu jagen.«
Die andern lauschten auch, aber erst nach einer Weile erhaschte ihr Ohr fernher dröhnenden Hufschlag.
»Das sind Farmer und in starker Zahl,« sagte der Wirt, »die kommen eilig heran, da muß etwas geschehen sein. Sollten die blutigen Schurken das Land schon in Aufruhr versetzt haben?«
Sie horchten schweigend, das Geräusch galoppierender Pferde wurde vernehmlicher und da bog auch schon um die Waldecke eine wild heranwagende Reiterschar.
Bald erkannte man, daß es Landleute der Umgegend waren.
Voran ritt Bill Jones, die Büchse quer über dem Sattel, und rief schon von weitem: »Die Schurken, Grover, die blutigen Schurken, fünf meiner besten Pferde sind fort.«
Heransprengend zügelte er sein schäumendes Roß und sprang aus dem Sattel.
»Laßt die Pferde verschnaufen, Männer, nützt nichts, sie tot zu jagen.«
Die Männer, sämtlich wohlbewaffnete Farmer der Umgegend, unter ihnen mehrere, welche gleich Jones gestern abend bei Grover geweilt hatten, folgten dem Rate und stiegen ab.
»Beim Himmel, Grover, fünf meiner besten Pferde. Die Halunken müssen von hier direkt zu meinem Pferch geritten sein.«
»Wann habt Ihr's denn entdeckt, Jones?«
»Der verwünschte Whisky, Grover. Reite nach Hause, lege mich aufs Ohr. Ging mir zwar unterwegs manchmal durch den Kopf, daß der Tyron im Lande, aber es war Nacht, mein Pferch liegt gut versteckt im Walde, denke an keine Gefahr. Als ich aufwache, fällt mir die Sache von gestern abend wieder ein, sattle und reite flugs nach meinen Pferden hinaus. Damned rascals! Denke dir, Grover, das blutige Entsetzen, der Pferch leer leer. Habe in meinem ganzen Leben keinen solchen Schreck gehabt. Hatte siebzehn Stück Prachttiere im Walde. Wundre mich, daß mich nicht der Schlag gerührt hat. Wie ich zu mir komme, blase ich das Horn, das kennen die Tiere, alles meine eigene Zucht, kommen verschüchtert herbei, sind nur zwölf, die fünf besten fort. O, die blutigen Schurken!«
»Nehmt erst einen Schluck, Männer,« sagte Grover und befahl Jim, der, als die Kavalkade heranjagte, aus dem Stalle getreten war, Becher und Whisky zu bringen, der alsbald gastfrei kredenzt wurde.
Auch die Frauen hatte der Lärm aus dem Hause gelockt.
»Die Halunken müssen einen Helfershelfer gehabt haben, der genaue Ortskenntnis hatte, sonst hätten sie nimmer, besonders im Dunkeln, meinen Pferch gefunden.«
»Den Iltis, Jones.«
»Was?« fuhr der auf, »der? Ist der hier? Woher weißt du's?«
»Er hat gestern abend dort am Fenster gestanden und gelauscht, der Indianer hat heute morgen die Spur gefunden.«
»Der? hier? Indianer, weißt du's sicher?«
»Dort Spur, so gut als ihn sehen.«
»Dann ist's klar, der Schurke kannte Schritt und Tritt bei mir. Dachte, er wäre längst irgendwo gehangen worden, weil wir ein Jahr lang nichts von ihm hörten. Dann hat er uns auch den Tyron und die beiden andern hierher gelockt und sich mit ihnen hier an der Straßenkreuzung ein Rendezvous gegeben.«
»Nun, und weiter?« fragte Grover.
»Ich, wie ein Sturmwind heim, nachdem ich die übrigen Pferde gesichert hatte, rufe meine Leute, jage sie zu den Nachbarn, blase das Horn, und als hier Myers und Turnbull, welche mir am nächsten wohnen, eingetroffen waren, machten wir uns auf die Suche. Nach und nach trafen dann die Freunde hier ein. Denke dir, Grover, die Schurken sind frech die Straße entlang geritten, wir verfolgten die offene Spur bis zum Devilskreek, da sind sie ins Wasser gegangen. Sie müssen nach dem Muskegon, können nicht seitwärts durch die Sümpfe. Wir ließen Tom Raggle und Ramsgate hinter ihnen und schneiden jetzt die Biegung ab, die der alte Fluß macht, bei Harpers Trift treffen wir wieder zusammen.«
»Ja, aber wo glaubst du denn, Jones, daß die Burschen mit der Beute hin wollen?«
»Stromunter sind sie nicht, denn vom Devilskreek können sie nur den Muskegon hinauf. Nehmen den Weg nach Osten auf den Saginaw zu, oder haben da oben Hehler, welche ihnen die Beute vorläufig in Sicherheit bringen.«
»Wird so sein, Jones. Wird 'ne lange Jagd werden, ist wilder Boden dort, Sumpf, Wasser und dann steht ihnen die Bigprairie offen.
»Wenn sie die nehmen, wäre das noch das Glücklichste, aber ich fürchte, sie wissen die Pferde dort zu verbergen, um sie erst in Wochen nach Osten zu führen. Denn jetzt, wo ich weiß, daß der Iltis hier war und mit den Banditen zusammentraf, so ist es mir ganz klar, daß es von vornherein auf meine Pferde abgesehen war, und da fürchte ich auch, daß der abgefeimte Bursche ein Versteck in Bereitschaft hat.«
»Nun, Jones, wollen tun, was Männer tun können.«
»Willst du reiten, Grover?«
»Will, Mann, habe noch meinen besondern Grund. Weißt du, Jones, wer der lange Kerl war, der gestern abend zum Messer griff.«
»Nun?«
»Der Morris!«
»Der Morris?« klang es in wilden Rufen ringsum. »Der Mörder vom Kalamazoo? Der Johnsons Weib und Kinder erschlagen hat?«
»Der Indianer sagt es.«
»John, Rothaut, ist es wahr?«
»Die >rote Hand<, hier. Ihm gestern sehen ganz durch Nebel, heute aufwachen, denken nach, suchen Spur, ihm noch finden, kenne Spur von >rote Hand<, habe sein Maß, er hier.«
»Nein, beim Himmel,« schrie Jones fast, »der soll lebendig nicht zum Lande hinaus. Was meint ihr, Männer?«
»Hast recht, Jones, müssen ihn haben, schreit vergossenes Blut zum Himmel. Wollen ihn jagen.«
»Mögen meinetwegen die Pferde zum Teufel gehen, aber den Morris müssen wir haben.«
Während sie so sprachen, klang auf der Straße von Süden her eiliger Hufschlag. Aller Augen wandten sich dorthin, da erschienen auch bereits vier Reiter, welche rasch herantrabten. Der Voranreitende trug eine blaue Uniform, während die drei folgenden bürgerliche Kleidung zeigten. Bewaffnet waren sie mit Büchsen und der Beamte führte noch einen Säbel.
»Weller, der Konstabel,« sagten die Farmer, als sie die Uniform erkannten.
Die Reiter zügelten, als sie herankamen, die Pferde und der Konstabel sagte: »Guten Morgen, Männer.«
Die Farmer, welche ihn fast alle kannten, erwiderten den Gruß freundlich.
»Gebt uns einen Schluck, Grover, haben einen langen Ritt hinter uns.«
»Seid willkommen, Weller, bei Bill Grover, sollt's haben,« und rasch wurden die neuen Gäste bewirtet.
»Was führt euch hier zusammen, Männer?« fragte der Konstabel, »komme von Süden, bin auf der Jagd.«
»Könnt gleich mit uns jagen, Weller,« sagte Jones, »sind mir diese Nacht fünf Pferde gestohlen, sind eben dabei, sie uns wieder zu holen.«
»Pferde?« sagte der Konstabel gedehnt. »Jetzt? Das wäre gar toll. Will euch sagen, Leute, habe augenblicklich höhere Jagd, bin hinter dem Morris her.«
»So hat der Indianer also ganz recht gesehen.«
»Nun, Weller,« meinte Jones, »so tut Ihr wohl am besten. mit uns zu reiten, denn der war mit Tyron, dem Iltis und noch einem diese Nacht an meinem Pferch.«
»Irrt Ihr Euch nicht, Jones?« fragte ernst der Beamte, ein untersetzter, energisch dreinschauender Mann.
»Denke nicht,« entgegnete dieser und setzte nun dem Konstabel den ganzen Sachverhalt auseinander.
Nach kurzem Nachdenken sagte dieser: »Es wird so sein, Männer. Der Iltis auch hier? Den glaubte ich weit. Und den Tyron habt ihr selbst gesehen?«
»Wie ich Euch sehe, Weller, nur leider zu spät erkannt.«
»Auch das ist mir neu. Daß der Morris im Lande war, wußten wir. Er hat sich in letzter Zeit in Indiana herumgetrieben, ist dann am Grand River gesehen worden, und es wurde festgestellt, daß er sich nach Norden gewendet habe. Ich bin seit drei Tagen hinter ihm her. Einmal war ich ihm dicht auf den Fersen, habe aber gestern abend die Spur verloren. Dann hat er also sich mit Tyron und dem Iltis hier zusammengefunden und die hatten ein Schlupfloch für ihn offen. Wie sah denn der dritte Mann aus?« Man schilderte dem Konstabel die Persönlichkeit, er nahm darauf ein Buch aus der Tasche und überlas einige Notizen. »Hm, habe nichts von dem Burschen hier, aber gesehen habe ich ihn schon, weiß nur nicht wo und wann. Werden ja hoffentlich seine Bekanntschaft machen? Wo denkt ihr denn, Männer, die Gesellschaft und Jones' Pferde zu finden?«
Jones erklärte ihm ihre Ansicht über die Richtung, welche die Pferdediebe genommen haben konnten.
»Könnt recht haben, wird so sein. Dachte erst, der Morris wolle nach Norden, zu seinen Freunden, den Ottawas, oder nach Canada hinüber.«
»Zu den Ottawas?« fragte Grover.
»Ist ein Fakt, hat schon oft bei den roten Spitzbuben einen Unterschlupf gefunden. Haben aber von Regierungs wegen dem Häuptling Peschewa einen Wink geben lassen: solle ihm teuer zu stehen kommen, wenn er den Mörder noch einmal verstecke. Uebrigens, Männer, wenn eure Pferde wieder Atem haben, wird es Zeit sein, sich auf den Weg zu machen.«
»Ist Zeit,« sagte Jones, »mußten aber die Pferde verschnaufen lassen, können jetzt wieder einen Ritt aushalten.« Die Farmer bestiegen nach und nach ihre Rosse. In der Türe stand Grover bei seiner Frau und seinen Kindern. »Wird dir nichts in meiner Abwesenheit geschehen, Nelly, ist das Land sicher, wo wir die blutigen Schurken vor uns haben.«
»Reite mit Gott, Grover,« sagte die Frau, »ist Mannespflicht, den grausamen Mord am Kalamazoo zu rächen. Weißt, bin im Walde groß geworden und verstehe mit der Büchse umzugehen. Reite mit Gott.«
»Bist mein braves altes Weib. Würde mich zeitlebens schämen, wenn ich zu Hause bliebe, wenn es der Jagd auf den Morris gilt und zugleich einem Nachbarn sein Eigentum wieder zu schaffen.«
Er gab den Befehl, sein Pferd, welches Jim schon gesattelt hatte, vorzuführen.
»Reitet denn der Indianer mit?« fragte der Konstabel.
Da erschien Athoree auch schon auf einem andern Pferde des Wirts vollständig bewaffnet.
»Hallo!« schrieen die Farmer, »die Rothaut geht mit; gut so. Seine Spürnase können wir brauchen. Ist recht, John, daß du dabei bist.«
»Athoree, ein Wörtchen reden mit der >roten Hand<.«
»Wir auch! Wir auch!«
Die Frauen reichten den Männern noch Mundvorräte in den Sattel.
»Wird gerne gegeben, Männer, kann eine lange Jagd werden, und ist nicht gut mit hungrigem Magen schlafen.«
Die ganze Scene über hatten Graf Edgar und Heinrich ruhig dabei gestanden und den Worten der Männer gelauscht, auch der Graf von Zeit zu Zeit dem Jäger Kenntnis von dem Inhalt der Gespräche gegeben.
Als jetzt die Farmer mit dem Konstabel langsam sich in Bewegung setzten, trat der Graf auf Grover zu und sagte: »Mich sollte eigentlich die heilige Pflicht, welche ich hier zu erfüllen habe, abhalten, an eurem Zuge teilzunehmen, doch da Ihr, Grover, und auch der Indianer sich entfernen, ist mein Aufenthalt hier nutzlos, und wenn es Euch recht ist, will ich mich der Expedition anschließen.«
»Ist recht, Mann, hatte es auch so erwartet. Kalkuliere, ist gut für Euch und Eure fernere Fahrt, könnt da manches lernen. Seht, wie's in den Wäldern zugeht. Ist recht, Mann, seid willkommen bei der Jagd.«
Jim hatte wie selbstverständlich die Pferde der beiden Fremden gesattelt und in weniger als einer Minute ritten sie mit Grover zur Farm hinaus, in raschem Galopp bald die übrigen einholend, welche jetzt eine stattliche, wohlbewaffnete Reiterschar von achtzehn Männern darstellte.
In rascher Gangart ging es die Straße nach Süden entlang. Der Indianer ritt an der Spitze, ihm folgte der Konstabel und Grover mit dem Grafen und Heinrich schlossen den Zug.
Schweigend ritten sie so drei Stunden dahin, als der Indianer endlich mit der Hand winkte und zum Halten aufforderte.
»Was gibt's, Rothaut?« fragte Weller.
»Müssen hier in Wald, wenn an die Biegung des Muskegon wollen.«
»Jetzt schon? Ist's nicht besser, bis zum Bluefill zu reiten?«
»Es besser hier, Boden besser, Baum besser, Weg kürzer.«
»Ich denke, Gentlemen, wir folgen dem Rate des Indianers,« äußerte Jones.
»Tut's,« sagte Grover, »John kennt jeden Baum hier.«
»Dann voran, Indianer, führe uns nach Harpers Trift.«
Unter des Indianers Führung ritten sie nun rasch im Walde einher, so rasch, als es die sich entgegenstellenden Hindernisse erlaubten. Doch standen die Bäume, Ahorn, Ulmen und Walnuß, nicht gar zu eng, und die von Jugend auf an den Wald gewöhnten Pferde überwanden leicht alle Schwierigkeiten des Weges. Sie mochten wohl zwei Stunden geritten sein, als das Holz dichter wurde und die Verfolger zwang, langsamer zu reiten. Im Walde hatte man sich erst recht schweigend verhalten. Der Konstabel, der selbst ein sehr erfahrener Hinterwäldler war, ritt zu dem Indianer und fragte: »Wie weit glaubst du noch den Muskegon, John?«
»Er ganz nahe. Hier warten. Athoree will an den Fluß gehen.«
»Gut, Indianer, geh.«
Er forderte zum Halten auf und der Reitertrupp stand schweigend unter den Bäumen, während der Indianer, der sein Pferd verlassen hatte, rasch zwischen den Büschen verschwand.
Nach kurzer Zeit erschien Athoree wieder.
»Können gehen,« sagte er, nahm sein Pferd am Zügel und schritt voran, die andern folgten.
Nach wenigen Minuten erreichten sie nun das Flußufer. Der Muskegon, welcher stromab nach Grovers Landing hin einen großen Bogen machte, bildet hier fast einen rechten Winkel, so daß die Reiter sowohl stromauf als stromab weithin den Fluß überschauen konnten. Das Ufer war da, wo sie es erreichten, frei von Bäumen und nur niedriges Gebüsch säumte dasselbe ein. Dicht vor ihnen zeigte sich ein verfallenes Blockhaus. Das Ufer des ziemlich breiten Flusses war auf beiden Seiten durch Menschenhände abschüssig gemacht, denn diese Stelle bot für die Bewohner weithin die einzige passierbare Furt durch den tiefen Fluß. Etwas oberhalb derselben mündete der Devilskreek in den Muskegon. Die Ufer waren dicht bewaldet und eine feierliche Stille lagerte über dem Strom und seiner in jungem Grün prangenden Umgebung.






