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Gesundheitsämter sind entweder staatliche Behörden der Landesverwaltung (z. B. die Gesundheitsämter in Baden-Württemberg und Bayern als untere Gesundheitsbehörden in den kreisfreien Städten und Landkreisen) oder kommunale Behörden (vgl. z. B. § 2 Abs. 1 S. 2 NGöGD). Gesetzliche Grundlage für die Arbeit der Gesundheitsämter sind die Landesgesundheitsgesetze (Gesetze über den öffentlichen Gesundheitsdienst) bzw. rechtliche Vorschriften auf Bundesebene wie das Infektionsschutzgesetz und die Trinkwasserverordnung. Aufgaben der Gesundheitsämter sind u. a. der Amtsärztliche sowie der Sozialpsychiatrische Dienst, der Infektionsschutz und die Aids-Beratung, die Schwangeren- und Schwangerenkonfliktberatung sowie die Hygieneüberwachung.
Schulämter sind staatliche Behörden für ein bestimmtes Gemeindegebiet. Nach den Schulgesetzen der Bundesländer unterscheidet man staatliche und kommunale Aufgaben. Das Land ist zuständig für die Lehrer und die (pädagogischen) Fachinhalte im Bereich der Schulen, während sich die Städte und Landkreise als Träger ihrer Schulen für die baulichen Anlagen, deren Ausstattung und Betrieb, die sächlichen Kosten sowie die personelle Besetzung der Schulsekretariate und Hausmeisterstellen verantwortlich zeichnen.
4.1.2.2 Privatrechtlich organisierte Träger
Neben den juristischen Personen des Öffentlichen Rechts gibt es auch solche des Privatrechts, die ebenso wie natürliche Personen Träger von Rechten und Pflichten sein können (Rechtsfähigkeit, hierzu II-1). Wie bereits beschrieben (s. o. Verwaltungsprivatrecht, 1.1.4), kann die öffentliche Verwaltung ihre Aufgaben nicht nur durch öffentlich-rechtliches Verwaltungshandeln, sondern auch in privatrechtlichen Rechtsformen erbringen (z. B. kommunale Wohnungsbau GmbH).
Beleihung
Der Staat kann darüber hinaus auch anderen, nicht von ihm selbst gegründeten juristischen Personen des Privatrechts oder natürlichen Einzelpersonen aufgrund eines Gesetzes Aufgaben der öffentlichen Verwaltung übertragen. Es handelt sich dabei aber nicht um eine Privatisierung, da die wahrzunehmende Aufgabe nach wie vor von einer Stelle erledigt wird, deren Handeln dem Staat zugerechnet wird. Von „Beleihung“ und „beliehenen Unternehmern“ spricht man nach h. M. allerdings erst, wenn dem Privaten zur Wahrnehmung der ihm überlassenen Zuständigkeiten zugleich auch öffentlich-rechtliche Hoheitsbefugnisse (insb. zum Erlass von VAs; Eingriffskompetenzen) übertragen werden. Die Übertragung der öffentlichen Rechtsmacht ist für die Beleihung konstitutiv, ansonsten handelt es sich lediglich um Verwaltungshelfer oder eine sog. Indienstnahme Privater im öffentlichen Interesse. Bekannte Alltagsbeispiele sind der TÜV oder die DEKRA, die als Vereine hoheitliche Aufgaben der Verkehrssicherheit wahrnehmen (vgl. §§ 29, 47 Abs. 9, 47a Abs. 5 StVZO, Anlage VIIIB zur StVZO). Beliehene Unternehmer sind aber auch die Notare, Bezirksschornsteinfeger und Seeschifffahrtskapitäne. Privatschulen sind dann Beliehene, wenn sie öffentlich („staatlich“) anerkannt sind; dann sind sie staatlichen Schulen gleichgestellt, dürfen Prüfungen abhalten und berechtigende Zeugnisse ausstellen. In all diesen Fällen liegt mittelbare Staatsverwaltung vor. Aber auch ohne Übertragung von Hoheitsbefugnissen sind von den Privatpersonen die rechtlichen Grenzen staatlichen Handelns einzuhalten, wenn sie öffentliche Aufgaben wahrnehmen. Der Staat kann sich seiner Verantwortung und Rechtsbindung nicht durch die Einbeziehung privatrechtlicher Personen entziehen (s. 1.1.4).
freie Träger
Keine Beleihung liegt grds. bei den sog. freien, d. h. nach den Regeln des Privatrechts (z. B. als Verein, GmbH, aber auch als Einzelperson; hierzu II-1.1.1) organisierten Trägern der Sozial- und Jugendhilfe vor. Zu diesen gehören insb. die in der Bundesarbeitsgemeinschaft der freien Wohlfahrtspflege zusammengeschlossenen sechs Spitzenverbände (vgl. § 75 Abs. 3 SGB VIII):
Träger der freien Wohlfahrtspflege
■ Arbeiterwohlfahrt
■ Caritasverband
■ Deutsches Rotes Kreuz
■ Diakonisches Werk
■ Paritätischer Wohlfahrtsverband
■ Zentralwohlfahrtsverband der Juden in Deutschland
Neben diesen können sowohl andere Organisationen, die im Sinne des § 52 AO gemeinnützig tätig sind, als auch frei-gewerbliche (gewinnorientierte) Organisationen als Leistungsanbieter auftreten. Als „frei“ bezeichnet man diese Träger, weil sie aufgrund ihres autonomen Betätigungsrechts handeln und nicht in Erfüllung staatlicher Aufgaben. Sie sind nicht für die Erfüllung gesetzlicher Verpflichtungen verantwortlich (vgl. z. B. § 3 Abs. 2 S. 2 SGB VIII; § 5 Abs. 5 SGB XII) und damit auch nicht Träger der öffentlichen Sozialverwaltung. Als zivilgesellschaftliche Akteure können sie aus karitativen, humanitären, politischen oder kommerziellen Gründen im Rahmen der Sozialen Arbeit tätig werden, müssen es aber nicht. Freie Träger werden aber gerade im Bereich der Sozialen Arbeit des Sozialrechts sehr häufig von den öffentlichen Sozialleistungsträgern bei der Erbringung von Sozialleistungen, insb. Dienstleistungen, eingebunden und somit die freien Träger durch die öffentliche Hand zumindest teilweise refinanziert, sei es über Zuwendungen (Subventionen) für Projekte (zur Problematik der Subventionszuwendung aufgrund europäischen Rechts s. 1.1.5.1 a. E.; von Boetticher / Münder 2009; Münder / Trenczek 2015, 324 ff.) oder zunehmend aufgrund von Leistungs- und Entgeltvereinbarungen (zum sozialrechtlichen Leistungsdreieck s. III-1.1). Nach dem sog. Subsidiaritätsprinzip (s. 2.1.3), sollen die öffentlichen Träger der Jugend- bzw. Sozialhilfe von der Durchführung eigener Leistungen absehen, wenn diese von freien Trägern erbracht werden (können) (sog. Betätigungsvorrang freier Träger; § 4 Abs. 2 SGB VIII; § 5 Abs. 4 SGB XIII). Die Übertragung von Aufgaben schließt aber die Übertragung von Hoheitsbefugnissen (also die Beleihung) grds. nicht mit ein. Auch wenn freie Träger im Auftrag eines öffentlichen Trägers tätig werden, agieren sie gegenüber ihren Klienten in privatrechtlichen Rechtsformen.
Kirchen und Religionsgemeinschaften
Auch die katholische Kirche und die Mitgliedskirchen der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) sowie der Zentralrat der Juden in Deutschland gelten aus historischen Gründen in Deutschland als Körperschaften des öffentlichen Rechts (vgl.Art. 140 GG i. V. m.Art. 137 Abs. 5 Weimarer Reichsverfassung), sie gehören aber nicht zur mittelbaren Staatsverwaltung. Ihre Wohlfahrtsorganisationen, der Deutsche Caritasverband (und seine Mitgliedsorganisationen), das Diakonische Werk (bzw. seine Landesverbände) sowie die Zentralwohlfahrtsstelle der Juden in Deutschland, sind i. d. R. als Vereine (II-1.1.1) organisiert und werden wie die Kirchen selbst (vgl. z. B. § 75 Abs. 3 SGB VIII) den freien, nicht staatlichen Trägern zugerechnet. Andere Religionsgemeinschaften, wie die muslimischen Glaubensgemeinschaften, kommen nicht in den Genuss des historischen Privilegs und erwerben die Rechtsfähigkeit nach den Vorschriften des bürgerlichen Rechts (Art. 140 GG i. V. m.Art. 137 Abs. 4 Weimarer Reichsverfassung). Sie sind ebenso wie ihre Wohlfahrtsorganisationen i. d. R. als Verein organisiert, z. B. Zentralrat der Muslime in Deutschland e. V., Islamrat für die Bundesrepublik Deutschland e. V., Türkisch-Islamische Union der Anstalt für Religion e. V. (DITIB) und Verband Islamischer Kulturzentren e. V. (VIKZ).

Blanke et al. 2011; Bogumil / Holtkamp 2013; Maurer / Waldhoff 2017; Papenheim et al. 2015, Kap. 5 – 15; Wolff / Bachof et al. 2010/2017
4.2 Rechtsberatung
Recht haben und Recht bekommen ist zweierlei – so lautet ein geflügeltes Wort. Viele Menschen wissen nicht, welche Rechte und Pflichten sie haben. Intellektuelle, emotionale und materielle Zugangshindernisse verhindern oft, dass Hilfe- und Ratsuchende zu ihrem Recht kommen. Die Sprache der öffentlichen Verwaltung und Justiz ist die Rechtssprache und als solche überwiegend schriftlich fixiert. Fachkräfte der psychosozialen Arbeit müssen deshalb hier sehr häufig eine Dolmetscherfunktion übernehmen. Die Information über die den Bürgern zustehenden Rechte und Wege zu ihrer Verwirklichung gehört deshalb zu den Grundpfeilern eines sozialen Rechtsstaats.
Beratung
Nach § 13 SGB I sind alle Sozialleistungsträger und ihre Verbände im Rahmen ihrer Zuständigkeit verpflichtet, die Bevölkerung über ihre Rechte und Pflichten nach dem SGB aufzuklären. Dies tun sie in der Regel mit Informationsbroschüren, Plakaten, der Internetpräsenz, mit Informationsveranstaltungen oder durch die Erteilung von Auskünften (vgl. § 15 SGB I). Darüber hinaus hat aber jeder Bürger Anspruch auf individuelle Beratung über seine Rechte und Pflichten nach dem SGB (§ 14 SGB I, vgl. auch §§ 10 Abs. 2, 11 SGB XII). Beratung als wesentlicher Bestandteil der Sozialen Arbeit besteht also nicht nur in der non-direktiven Vermittlung neuer Einsichten zur Bewältigung von Lebensschwierigkeiten, sondern ist in vielen Fällen vor allem Rechtsberatung. Oft sind beide Bereiche, Lebens- und Rechtsberatung, untrennbar miteinander verknüpft, z. B. in der Schuldnerberatung, der Trennungs- und Scheidungsberatung, der Pflege- sowie der unabhängigen Teilhabeberatung (§ 32 SGB IX, tritt zum 01.01.2018 in Kraft). Auch die Rechtsberatung ist eine Form der persönlichen Hilfe, die den Ratsuchenden neue Handlungsoptionen erschließen kann. Schon deshalb müssen Sozialarbeiter in Rechtsfragen besonders bewandert sein. Gerade hierin liegt ihre spezifische, die psychosozialen Qualifikationen ergänzende Handlungskompetenz. Beratung geht über die bloße Information über zustehende Rechte hinaus und beinhaltet auch die Aktivierung des Leistungsberechtigten, sodass er ihm zustehende Ansprüche geltend machen kann (u. U. kann hier sogar eine Formulierungshilfe geboten sein). Von wesentlicher Bedeutung ist aber vor allem die Klärungshilfe im Hinblick auf den zugrunde liegenden Konflikt (zur Mediation vgl. 6.3).
Rechtsdienstleistung
In Deutschland ist die Rechtsberatung erlaubnispflichtig und war als sog. geschäftsmäßige Besorgung fremder Rechtsangelegenheiten nach dem (alten) RBerG grds. „Volljuristen“ (d. h. Personen, die beide juristischen Staatsexamina bestanden haben), insb. den Rechtsanwälten und Notaren vorbehalten (sog. Rechtsberatungsmonopol). Seit Juli 2008 gelten für die außergerichtliche Besorgung fremder Rechtsangelegenheiten die Regelungen des Rechtsdienstleistungsgesetzes (RDG). Die Befugnis zur Vertretung im Gerichtsverfahren ist in den jeweiligen Prozessordnungen der Gerichte geregelt. § 2 Abs. 1 RDG definiert den Begriff der Rechtsdienstleistung, um diesen von anderen rechtsbezogenen Tätigkeiten abzugrenzen: Rechtsdienstleistung ist jede Tätigkeit in konkreten fremden Angelegenheiten, sobald sie eine rechtliche Prüfung des Einzelfalls erfordert. Keine Rechtsdienstleistung dagegen stellen nach § 2 Abs. 2 RDG die Erstattung wissenschaftlicher Gutachten, die Tätigkeit von Einigungs- und Schlichtungsstellen sowie die Mediation und jede vergleichbare Form der alternativen Streitbeilegung (hierzu I-6) dar. Im Unterschied zu diesen ist die Rechtsdienstleistung erlaubnispflichtig nach § 3 RDG und damit weiterhin im Wesentlichen zugelassenen Rechtsanwälten vorbehalten. Allerdings erlaubt das RDG weitreichende Ausnahmen (vgl. §§ 5 ff. RDG). So sind Rechtsdienstleistungen erlaubt,
■ als Nebenleistung im Zusammenhang der Hauptaufgabe (§ 5 RDG), z. B. Testamentsvollstreckung, Haus- und Wohnungsverwaltung, Fördermittelberatung;
■ unentgeltlich im Familien-, Freundes- und Nachbarschaftskreis oder in der Kirchengemeinde (§ 6 RDG), außerhalb dieses personellen Nahbereichs nur durch einen Volljuristen oder durch diesen angeleitet;
■ durch Berufs- und Interessenvereinigungen (z. B. Gewerkschaften, Mietervereine, Sozialverbände, Automobilklubs) für ihre Mitglieder im Rahmen des satzungsgemäßen Aufgabenbereiches (§ 7 Abs. 1 RDG);
■ durch öffentliche und öffentlich anerkannte Stellen (§ 8 RDG), d. h. gerichtlich oder behördlich bestellte Personen (Nr. 1), Behörden (Nr. 2), die Schuldnerberatungsstellen (Nr. 3), die Verbraucherberatungsstellen (Nr. 4) sowie die Verbände der freien Wohlfahrtspflege im Sinne des § 5 SGB XII, die anerkannten Träger der freien Jugendhilfe im Sinne des § 75 SGB VIII und die nach § 15 Abs. 3 BGG anerkannten Verbände zur Förderung der Belange von Menschen mit Behinderung (Nr. 5).
Wer auch immer Rechtsdienstleistungen erbringt, muss nach § 7 Abs. 2 RDG über die zur sachgerechten Erbringung dieser Rechtsdienstleistungen erforderliche personelle, sachliche und finanzielle Ausstattung verfügen (vgl. auch § 6 Abs. 2 RDG). Schon deshalb sollten die Fachkräfte der Sozialen Arbeit (vgl. § 72 SGB VIII, § 6 SGB XII) im juristischen Denken und in der Rechtsanwendung geschult sein. Wenn die Beratung nicht unmittelbar durch einen Rechtsanwalt / Volljuristen erfolgt, muss eine qualifizierte juristische Anleitung durch einen Rechtsanwalt oder sonstigen Volljuristen sichergestellt sein (§ 6 Abs. 2 S. 2 RDG).Hierzu reichen ggf. auch Kooperationsvereinbarungen mit (externen) Rechtsanwälten aus (z. B. regelmäßige Beratungssprechstunde eines Rechtsanwalts für Klienten und Mitarbeiter eines Jugendklubs, Gemeindetreffs, Selbsthilfevereins).
Rechtsberatung durch soziale Dienste
Die Fachkräfte der öffentlichen Jugend- und Sozialbehörden dürfen nicht nur, sie müssen im Rahmen ihrer Zuständigkeit Rechtsberatung leisten (§ 14 SGB I), die Sozialämter z. B. in allen mit der Sozialhilfe zusammenhängenden Fragen (vgl. §§ 10 Abs. 2, 11 SGB XII). Die Beratungspflicht und -erlaubnis ist allerdings inhaltlich begrenzt und erstreckt sich nicht auf die über den spezifischen Zuständigkeitsbereich hinausgehende, allgemeine rechtliche Konfliktbewältigung. So dürfen z. B. im Rahmen der Trennungs- und Scheidungsberatung nach § 17 SGB VIII die Klienten der Jugendämter rechtlich nur beraten werden, soweit dies vom Handlungsauftrag der Kinder- und Jugendhilfe gedeckt ist. Dabei darf in einer Beratung in einer sozialen Angelegenheit auch auf Rechtsfragen aus sonstigen Rechtsgebieten eingegangen werden, wenn dies aus Sorge um das Wohl der Kinder und ihrer Familien notwendig ist, so z. B. bei rechtlichen Hinweisen, die im Zusammenhang mit der persönlichen Hilfe in einer besonderen Lebenslage gegeben werden (etwa Aufklärung über die rechtlichen Folgen einer Scheidung; nicht aber z. B. die Regelung der Haushalts- oder Vermögensauseinandersetzung). Mit der persönlichen Hilfe nach dem SGB ist die Rechtsberatung umfasst, nicht aber die rechtliche Vertretung oder gerichtliche Durchsetzung von Ansprüchen. Eine Ausnahme bilden die rechtsbezogenen Tätigkeiten, die auf die Erlangung von Rechtsberatungs- und Prozess- bzw. Verfahrenskostenhilfe (s. u.) gerichtet sind (vgl. LG Stuttgart 21.6.2001 – 5 KfH O 21 / 01 –info also 2001, 169).
Im strafrechtlichen Bereich (s. IV-6) haben sowohl die sozialen Dienste (des JA im Rahmen der Mitwirkung in gerichtlichen Verfahren, sog. JGH, sowie die Gerichts- und Bewährungshilfe) eine Rechtsberatungskompetenz (vgl. § 8 Abs. 1 Nr.2 RDG) als auch die freien Träger der Jugend- und Straffälligenhilfe (§ 8 Abs. 1 Nr. 5 RDG). Das Gleiche gilt für den sog. Beistand im Jugendstrafverfahren, der zudem ein Akteneinsichtsrecht und in der Hauptverhandlung die gleichen Rechte wie ein Verteidiger hat (§ 69 JGG). Gerichtlich bestellte Betreuer (§§ 1896 ff. BGB) als gesetzliche Vertreter insb. geschäftsunfähiger Personen (hierzu II-2.4.3.2) und die Verfahrensbeistände nach §§ 158, 174 FamFG (sog. Anwalt des Kindes, hierzu II-2.4.6.4) bzw. Verfahrenspfleger (§§ 276, 317 FamFG) gehören zu den gerichtlich bestellten Personen i. S. d. § 8 Abs. 1 Nr. 1 RDG, denen die Erbringung von Rechtsdienstleistungen erlaubt ist.
Die kirchlichen Beratungsdienste von Caritas und Diakonie sind aufgrund des besonderen Rechtsstatus der Kirchen als Körperschaften des Öffentlichen Rechts (vgl. Art. 140 GG i. V. m. Art. 137 Abs. 5 Weimarer Verfassung) den öffentlichen Sozialleistungsträgern nach § 8 Abs. 1 Nr. 2 RDG gleichgestellt. Sie sind deshalb zur Rechtsdienstleistung berechtigt, i. d. R. aber nicht zur Abfassung von Schriftsätzen oder zur Prozessvertretung (vgl. noch unter Geltung des RBerG LG Stuttgart info also 2001, 167 ff.).
Rechtsberatungshilfe
Für Rechtsuchende (nach § 116 Nr. 2 ZPO auch juristische Personen wie Vereine oder GmbHs) mit beschränkten finanziellen Ressourcen ermöglicht das BerHG den Zugang zu einer nicht behördlichen, vor allem anwaltlichen Rechtsberatung außerhalb eines gerichtlichen Verfahrens und im obligatorischen Güteverfahren nach § 15a EGZPO (ausführlich Groß 2013). Die Beratungshilfe besteht bei zivil-, arbeits-, verwaltungs-, sozial-, steuer- und verfassungsrechtlichen Angelegenheiten nicht nur in der bloßen Beratung und Information, sondern soweit erforderlich auch in der Vertretung nach außen. Ist man in den Verdacht geraten, eine strafbare Handlung oder eine Ordnungswidrigkeit begangen zu haben, so kann man sich zwar beraten lassen, erhält jedoch über die Beratungshilfe keine Vertretung oder Verteidigung (vgl. § 2 Abs. 2 BerHG). Die Beratungshilfe ist grds. auf das deutsche Recht begrenzt; im Hinblick auf ausländisches Recht greift sie nur, wenn der Sachverhalt einen Bezug zum Inland hat. Bei Streitsachen innerhalb der EU mit grenzüberschreitendem Bezug wird Beratungshilfe für die vorprozessuale Rechtsberatung im Hinblick auf eine außergerichtliche Streitbeilegung sowie zur Unterstützung bei Anträgen auf Prozesskostenhilfe im Ausland gewährt (§ 10 Abs. 1 BerHG).

Nach § 1 BerHG erhält auf Antrag Beratungshilfe, wer die erforderlichen Mittel nach seinen persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen nicht aufbringen kann, wenn keine anderen zumutbaren Möglichkeiten der Rechtsberatung zur Verfügung stehen (z. B. aufgrund einer Rechtsschutzversicherung, durch die Sozialverwaltung, Gewerkschaften, Verbände oder z. B. durch die öffentlichen Rechtsauskunftstellen, wie die ÖRA in Hamburg, http://www.hamburg.de/oera/; vgl. die Sonderregelungen für Berlin und Bremen) und die Wahrnehmung der Rechte nicht mutwillig ist (z. B. bereits bei einer anderen Stelle erfolgt ist). Mutwillig wäre es nach § 1 Abs. 3 BerHG auch, wenn ein Rechtsuchender bei verständiger Würdigung aller Umstände der Rechtsangelegenheit ohne Beratungshilfe davon absehen würde, sich auf eigene Kosten rechtlich beraten oder vertreten zu lassen. Bei der Beurteilung der Mutwilligkeit sind die Kenntnisse und Fähigkeiten des Antragstellers sowie seine besondere wirtschaftliche Lage zu berücksichtigen. Einem Beschwerdeführer kann aber nicht zugemutet werden, den Rat derselben Behörde in Anspruch zu nehmen, deren Entscheidung er im Widerspruchsverfahren angreifen will (BVerfG 11.05.2009 - 1 BvR 1517 / 08 – info also 2009, 170-173).

Im Hinblick auf die wirtschaftlichen Verhältnisse sind die Voraussetzungen der Beratungshilfe gegeben, wenn jemand Prozess- bzw. Verfahrenskostenhilfe nach den Vorschriften der ZPO (bzw. § 76 FamFG) ohne einen eigenen (Raten-)Beitrag erhalten würde (§ 1 Abs. 2 BerHG, § 115 ZPO, §§ 82 f. SGB XII; vgl. 5.3.3; zur Berechnung der Beratungs- bzw. Prozess-/Verfahrenskostenhilfe s. http://www.pkh-fix.de, 27.06.2017). Von den Gerichtskosten und den Kosten des eigenen Rechtsanwalts völlig befreit wird, wer kein Vermögen hat und dessen einzusetzendes Einkommen weniger als 20 € beträgt. Die Angaben zu den Einkommensverhältnissen bzw. zu den abziehbaren Kosten, auch des Ehegatten / Lebenspartners, müssen bei der Beantragung mit Belegen nachgewiesen werden. Vermögen ist einzusetzen, wenn es zumutbar ist (also insb. nicht sog. Schonvermögen bis zur Höhe von 5.000 €, § 115 Abs. 3 ZPO i. V. m. § 90 Abs. 2 Nr. 9 SGB XII i. V. m. DVO, s. hierzu III-4.2.3 a.E.).
Einzusetzen sind alle Einkünfte in Geld oder Geldeswert (§ 115 Abs. 1 ZPO). Ausgangspunkt ist das Bruttoeinkommen der rechtsuchenden Partei (aus Lohn, Mieten, Kapitalvermögen etc., auch das Kindergeld). Hiervon werden zunächst Steuern, Vorsorgeaufwendungen (z. B. Sozialversicherung, angemessene private Versicherungen) und Werbungskosten abgezogen. Weiter werden nach § 115 ZPO verschiedene sog. Freibeträge abgesetzt, deren Höhe sich entsprechend der Entwicklung der für die Gewährung von Sozialhilfe maßgeblichen Regelsätze ändert und die jeweils im Bundesgesetzblatt bekannt gemacht werden. Derzeit (Stand 01.01.2017) kann von den Einkünften abgezogen werden
■ ein Freibetrag von 473 € für die rechtsuchende Partei;
■ ein zusätzlicher Freibetrag von 215 € für die Partei, wenn sie Einkünfte aus Erwerbstätigkeit erzielt;
■ ein Freibetrag von ebenfalls 473 € für den Ehegatten oder eingetragenen Lebenspartner. Dieser Freibetrag mindert sich um eigenes Einkommen des Ehegatten bzw. eingetragenen Lebenspartners;
■ ein Freibetrag für jedes unterhaltsberechtigte Kind (gemindert jeweils um dessen eigenes Einkommen) abhängig von seinem Alter:
a) Erwachsene: 377 €,
b) Jugendliche vom Beginn des 15. bis zur Vollendung des 18. Lebensjahres: 359 €,
c) Kinder vom Beginn des 7. bis zur Vollendung des 14. Lebensjahres: 333 €,
d) Kinder bis zur Vollendung des 6. Lebensjahres: 272 €;
■ die tatsächlichen Wohnkosten (Miete, Mietnebenkosten, Heizung); ggf. nur anteilig, wenn der Ehegatte / Lebenspartner hierzu durch eigenes Einkommen beiträgt;
■ ggf. Mehrbedarfe (ins. für Schwangere und ältere Menschen) nach § 21 SGB II und nach § 30 SGB XII;
■ weitere Beträge, soweit dies mit Rücksicht auf besondere Belastungen (z. B. körperliche Beeinträchtigung) angemessen ist (§ 115 Abs. 1 Nr. 5 ZPO).
Der danach verbleibende Rest ist das einzusetzende Einkommen, das für die Gewährung von Prozesskostenhilfe – mit oder ohne Ratenzahlungsverpflichtung – entscheidend ist. Rechtsuchenden Personen, deren einzusetzendes Einkommen mindestens 20 € beträgt, wird das Recht eingeräumt, die anfallenden Prozesskosten in monatlichen Raten in Höhe der Hälfte des einzusetzenden Einkommens zu zahlen (§ 115 Abs. 2 ZPO) – allerdings wird die kostenlose Beratungshilfe nicht gewährt.

Sind die Voraussetzungen für die Gewährung von Beratungshilfe gegeben und erledigt das für den Wohnort des Rechtsuchenden zuständige Amtsgericht (§ 4 Abs. 1 BerHG) die Angelegenheit nicht schon mit einer (kostenlosen) Auskunft oder einem Hinweis, stellt das Amtsgericht dem Rechtsuchenden mit genauer Bezeichnung der Angelegenheit einen Berechtigungsschein für Beratungshilfe durch einen Rechtsanwalt seiner Wahl aus (§ 6 BerHG). Vordrucke zur Beantragung der Beratungshilfe sind auch über das Internet verfügbar (http://www.justiz.de/formulare/zwi_bund/agI1.pdf, 27.06.2017). Der Rechtsuchende kann sich auch an die Rechtsantragsstelle des Amtsgerichts wenden, um den Antrag mündlich zu stellen und vor Ort schriftlich aufnehmen zu lassen.
Mit dem ausgestellten Berechtigungsschein kann dann der Rechtsuchende zu einem Anwalt seiner Wahl gehen. Man kann sich mit der Bitte um Beratungshilfe auch unmittelbar an einen Rechtsanwalt wenden, der dann den Antrag auf Bewilligung der Beratungshilfe an das Amtsgericht weiterleitet. Der Rechtsanwalt erhält seine Gebühren von der Landeskasse (§ 44 RVG und Anlage 1 zu § 2 Abs. 2 – Vergütungsverzeichnis: z. B. 35 € für einen Rechtsrat, Geschäftsgebühr von 85 € insb. für Schriftsätze sowie das Mitwirken bei Verhandlungen und Besprechungen; 270 € bei der Tätigkeit mit dem Ziel einer außergerichtlichen Einigung mit den Gläubigern über die Schuldenbereinigung). Er darf darüber hinaus vom Rechtsuchenden nur eine Gebühr von 15 € erheben (§ 8 BerHG; § 44 Satz 2 RVG, Nr. 2500 – 2508 Vergütungsverzeichnis). Aufgrund der relativ niedrigen Gebühren nehmen gut beschäftigte Anwälte gelegentlich nicht selbst zahlende Mandanten nicht gerne an. Jeder Rechtsanwalt ist aber zur Beratungshilfe standesrechtlich verpflichtet und darf sie nur im Einzelfall aus wichtigem Grund ablehnen. Freilich hilft ein nicht motivierter Anwalt genauso wenig wie ein schlechter Anwalt. Sowohl im Fall einer unbegründeten Ablehnung als auch im Fall einer Schlechtleistung durch den Anwalt ist eine Beschwerde bei der örtlichen Rechtsanwaltskammer möglich, die eine entsprechende Beschwerde- bzw. Schlichtungsstelle vorhalten muss. In der Tat kann man immer wieder feststellen, dass gut ausgebildete und erfahrene nicht juristische Fachkräfte in ihrem Arbeitsfeld auch in Rechtsfragen – zumal im Bereich des Sozialrechts – manchen Anwälten überlegen sind.






