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Marianne Sydow, die den Berliner Fan und Sammler Heinz-Jürgen Ehrig geehelicht hatte, war allerdings – vorläufig – nur ein halbes Jahr für die ATLAN-Exposés zuständig, dann übernahm Peter Griese Exposé-Redaktion.
ATLAN-Jubiläum und Neustart
Im Vorjahr hatte PERRY RHODAN das große Jubiläum zum Erscheinen von Band 1000 gefeiert, jetzt stand für Ende April 1981 das nächste Jubiläum an: der ATLAN-Band 500. Nachdem der sehr fantasylastige Vorgänger-Zyklus um Atlantis und den Dunklen Oheim bei den Lesern auf wenig Gegenliebe gestoßen war, sollte die Serie wieder zurück zu ihren Wurzeln geführt werden. Und da bot sich eine Thematik an, die bei PERRY RHODAN sehr gut angekommen war und sich auch bei ATLAN größerer Beliebtheit erfreuen sollte: das Generationenraumschiff SOL. William Voltz verfasste ein Arbeitspaper und veröffentlichte es auf den Leserseiten aller SF-Publikationen des Verlags, so auch Mitte April 1981 in TERRA ASTRA 503.
Essay: Die Abenteuer der SOL – Von William Voltz
Ebenso wie die PERRY RHODAN-Serie ist auch die ATLAN-Serie in Handlungszyklen unterteilt, allerdings nach einem völlig anderen Schema. In PERRY RHODAN ist der Ablauf der Zyklen ein chronologischer, das heißt, trotz verschiedener Zeitsprünge wird die Geschichte der Menschheit kontinuierlich fortgesetzt. Bei der ATLAN-Serie stellen wir jeweils wichtige Abschnitte im Leben des Arkoniden Atlan heraus. Das begann mit dem Zyklus »Im Auftrag der Menschheit«, in dem jene Epoche geschildert wurde, in der Atlan als Lordadmiral der United Stars Organisation (USO) der Menschheit zur Seite stand. Im zweiten Zyklus, »Der Held von Arkon«, wurden die Jugenderlebnisse des Arkoniden geschildert. Nun geht in diesen Tagen mit den Bänden Nr. 498 und 499 der dritte Zyklus in der ersten Auflage der ATLAN-Serie zu Ende. Er hieß »Der König von Atlantis« und schilderte in einer Mischung von Science Fiction und Fantasy die Abenteuer Atlans auf dem verlorenen Kontinent Atlantis.
Nachdem wir bei der PERRY RHODAN-Serie vor einigen Monaten mit Band Nr. 1000 ein großes Jubiläum feiern konnten, ist nun die ATLAN-Serie mit Band 500 an der Reihe. Natürlich wird dieser Jubiläumsband in einer Sonderausstattung erscheinen, mit umlaufendem Titelbild, erweitertem Umfang usw. Das Wichtigste jedoch ist, dass mit diesem Jubiläumsband in der ATLAN-Serie ein völlig neuer Zyklus beginnt. Sein Titel ist »Die Abenteuer der SOL«. Insider haben, nachdem sie diesen Titel gehört haben, geargwöhnt, wir könnten die Serien PERRY RHODAN und ATLAN so eng miteinander verknüpfen, dass für den Leser zum Verständnis einer Serie die Lektüre beider Serien nötig ist. Diese Bedenken habe ich auf verschiedenen Leserkontaktseiten schon zerstreut, aber ich will an dieser Stelle noch einmal darauf hinweisen, dass kein RHODAN-Leser die ATLAN-Serie lesen muss (und umgekehrt), um »seine« Serie zu verstehen. Zwar baut der neue Zyklus, der ab Nr. 500 beginnt, auf dem RHODAN-Material auf, aber er ist völlig in sich abgeschlossen. Auch der Zyklus »Im Auftrag der Menschheit« war schließlich eng an die PERRY-RHODAN-Serie angelehnt, ohne dass er zum besseren Verständnis dieser Serie von RHODAN-Lesern gelesen werden musste.
Worum geht es also in diesem neuen Zyklus? Die SOL ist bekanntlich das größte Fernraumschiff (wenn man die BASIS, die ja eine völlig andere Geschichte hat, einmal ausklammert), das jemals von der Menschheit gebaut worden ist. Die RHODAN-Leser werden sich erinnern, dass Perry Rhodan die SOL im Dezember des Jahres 3586 an die Solgeborenen abgeben musste. Die Solgeborenen waren Menschen, die an Bord des riesigen Schiffes »zur Welt« gekommen waren und es als ihr rechtmäßiges Eigentum betrachteten. Diese Menschen hatten zunehmend Schwierigkeiten, sich außerhalb des Schiffes, z.B. auf Planeten, zurechtzufinden. Sie beanspruchten die SOL, um zukünftig ausschließlich an Bord zu leben. Rhodan gab diesen Wünschen nach, und am 24. 12. 3586 brach die SOL mit ihrer ausschließlich aus Solgeborenen bestehenden Besatzung mit unbekanntem Ziel auf. (Dies wurde von Marianne Sydow in PERRY-RHODAN-Band Nr. 907 »Das Weltraumbaby« erzählt.)
In der PERRY-RHODAN-Serie taucht die SOL ab Band 1001 zunächst als Mythos, später als (wenn auch nicht mehr komplettes) Fernraumschiff wieder auf – man schreibt das Jahr 4012 alter Zeitrechnung. Die SOL blieb also über 400 Jahre aus der Handlung der RHODAN-Serie verschwunden. Atlan, unser Held, verschwand im November des Jahres 3587 ebenfalls vorübergehend aus der PERRY-RHODAN-Serie (erzählt von William Voltz in PERRY-RHODAN-Band Nr. 982 »Der Auserwählte«). Er wurde von den Kosmokraten in das Gebiet jenseits der Materiequellen geholt. Ebenso wie die SOL tauchte Atlan indirekt ab Band Nr. 1002 bereits wieder in der PERRY-RHODAN-Serie auf. Bald wird er dort wieder unmittelbar am Geschehen teilnehmen.
Die Handlung des neuen Zyklus, der in Band Nr. 500 der ATLAN-Serie beginnt, spielt in den Jahren 3791 – 3810, in einer Zeit also, in der weder die SOL noch Atlan in der PERRY-RHODAN-Serie eine Rolle spielten. Es wird sich nun ab Band Nr. 500 herausstellen (die RHODAN-Leser wissen es spätestens seit dem Band Nr. 1014 der PERRY-RHODAN-Serie), dass die SOL und Atlan sich in einem gemeinsamen großen Abenteuer im Einsatz befanden. Unser neuer ATLAN-Zyklus »Die Abenteuer der SOL« beginnt am 4. März 3791 alter Zeitrechnung. Seit über 200 Jahren haben sich die Solgeborenen von der übrigen Menschheit getrennt und sind ihre eigenen Wege gegangen. Über 200 Jahre ist es her, seit Perry Rhodan den Solanern das große Schiff zur Verfügung stellte, damit sie ihren eigenen Neigungen nachgehen und ihre Entwicklung ungestört vorantreiben konnten.
Doch die optimistische Stimmung der Solaner ist längst verflogen, das riesige Schiff wird seit Jahren von heftigen Krisen geschüttelt; völlig neue Gruppierungen haben sich an Bord gebildet – Machtkämpfe zwischen den einzelnen Parteien sind im Gang. Noch schlimmer: SENECA, die allwissende Bordpositronik mit ihrem Roboterpärchen Romeo und Julia, erledigt die ihr zugewiesenen Aufgaben nur noch fehlerhaft und unvollkommen, ohne dass der Grund des Schadens erkannt werden kann. Zu allem Überfluss ist die SOL vor einiger Zeit in eine gigantische kosmische Falle geraten: Sie sitzt fest im Traktorstrahl eines fremden Planeten, der sie, zusammen mit kosmischem Müll und anderen eingefangenen Raumschiffen, in ein unheimliches Sonnensystem hineinzieht. Außerhalb der SOL operieren einige Buhrlos. Das sind jene Menschen, die sich aufgrund einer evolutionären Entwicklung ohne Schutzanzug im Vakuum aufhalten können. Während ihres Aufenthalts im Weltraum laden sie sich wie lebendige Akkumulatoren mit einer geheimnisvollen, angeblich lebensverlängernden Energie auf – dem E-kick. Doch sie repräsentieren nur einen Teil der bunt zusammengewürfelten Bordgemeinschaft, die mittlerweile 92.340 Mitglieder zählt.
Kein Wunder, dass bei dieser Zahl der Kampf um das tägliche Überleben an Bord der SOL bestimmend ist. Beherrscht wird die SOL in diesen Tagen von dem Ehernen Orden unter der Führung des High Sideryt. Der High Sideryt ist der Diktator Chart Deccon, für den Magniden, Ferraten, Trolliten, Pyrriden, Ahlnaten und Vystiden (alles Brüder der verschiedenen Wertigkeit) arbeiten und seine Macht ausdehnen. Eine andere Machtgruppe sind die Terra-Idealisten, die den Mythen und Legenden der Urheimat Erde anhängen und das Schiff dorthin zurückbringen wollen. Dazu kommen die Monster, ausgestoßene körperliche Mutanten. Ebenfalls an Bord der SOL leben die Extras, Außerirdische, die bei verschiedenen Besuchen auf Planeten an Bord genommen wurden. Im Augenblick des Handlungsbeginns noch nicht aktiv sind die Schläfer, geheimnisvolle Wesen aus vergangenen Tagen der SOL, die nur im äußersten Notfall geweckt werden sollen.
Während die SOL unaufhaltsam in das fremde Sonnensystem treibt, findet das unverantwortliche Spiel um Macht und Gewinn an Bord seinen Fortgang, niemand scheint da, der das Schiff vor allen Bedrohungen retten könnte. Da entdecken einige Weltraummenschen, die Buhrlos, mitten in den dahintreibenden Trümmern im All eine menschliche Gestalt im Raumanzug. Auch sie scheint von dem unwiderstehlichen Traktorstrahl ergriffen worden zu sein. Die Buhrlos retten den Unbekannten und bringen ihn in die SOL. Es ist ein schlanker, großer Mann mit rötlichen Augen und langen silbernen Haaren – Atlan!
Kaum, dass Atlan an Bord der SOL ist, beginnt er seinen einsamen Kampf um die Rettung des Schiffes. Er weiß, dass er die verschiedenen Gruppen befrieden und auf jenes neue Ziel einschwören muss, das die Kosmokraten ihm genannt haben: Varnhagher-Ghynnst. Diesen Raumsektor muss die SOL unter allen Umständen erreichen, wenn sie den Auftrag der Kosmokraten ausführen will. Atlan stellt sich der schier unlösbar erscheinenden Aufgabe, die SOL aus der Falle zu befreien, die Krisen an Bord zu bewältigen und schließlich das Schiff auf einen neuen Kurs zu bringen, der zu einer langjährigen Odyssee der SOL werden kann.
Dies ist, im großen Rahmen und ohne im Interesse der Spannung viel zu verraten, die Geschichte, die in ATLAN Nr. 500 »Die Solaner« von William Voltz beginnt. Es handelt sich um einen SF-Zyklus ohne Fantasy-Einschlag.
Nachdem die Buhrlos auf einem ihrer Weltraumspaziergänge den bewusstlos im All treibenden Arkoniden Atlan gefunden und an Bord der SOL gebracht haben, ist dieser in den nächsten Monaten in erster Linie damit beschäftigt, das Generationenschiff aus der Falle, in die es geraten ist, zu befreien und an Bord wieder geordnete Verhältnisse zu schaffen. Dann nimmt er mit der SOL Kurs auf sein neues Ziel Varnhagher-Ghynnst, dessen Koordinaten ihm die Kosmokraten in seinem Gehirn eingespeichert haben. Doch der Flug verläuft nicht ohne Komplikationen, denn immer wieder versuchen feindliche Kräfte, ihn an der Erfüllung seiner Aufgabe zu hindern. Als Erstes kristallisiert sich HIDDEN-X als gefährlicher Gegenspieler heraus, eine Spiegelung der negativen Superintelligenz Seth-Apophis, die neue Raumgebiete für ihr Original vorbereiten soll, das dabei ist, sich in eine Materiesenke zu verwandeln und das verhindern will, indem es sich Teile der Mächtigkeitsballung der positiven Superintelligenz ES aneignet und mit den dort gesammelten positiven Energien auflädt.
Ein neuer Autor für ATLAN
Mit Band 501 gab ein neuer Autor bei ATLAN sein Debüt, der sich binnen kurzem zu einem der wichtigsten Autoren der PERRY RHODAN-Schwesterserie entwickelte und etliche Jahre auch ihren weiteren Handlungsverlauf bestimmte oder zumindest mitbestimmte. Dabei war er zu diesem Zeitpunkt im PERRY RHODAN-Universum schon längst kein Unbekannter mehr, denn sein erster Beitrag zum Perryversum war bereits 1977 unter dem Titel »Das Erbe der Pehrtus« erschienen. Sein Name: Peter Griese!
Kurzbiografie: Peter Griese
Peter Griese wurde am 2. Juni 1938 in Frankfurt am Main geboren und wuchs in der Nähe des Tegernsees auf. Schon als Schüler war Griese ein begeisterter Leser, doch damals stand die SF noch nicht im Mittelpunkt seines Interesses: »Am Anfang war der Wildwestroman; mit zehn und elf Jahren las ich BILLY JENKINS, TOM PROX oder KANSAS-JACK. Mit zwölf Jahren entwarf ich eine eigene Serie, DIN-A 7, alles per Hand gezeichnet und geschrieben. Auflagenhöhe: 1. Immerhin kam die »Serie« BEN EVING bis Band 18! Dann spielte mir der Zufall ein Heft RAH NORTON – DER EROBERER DES WELTALLS Nr. 4 – »Der rote Baldachin« – in die Hände, Nach der Lektüre verbannte ich alle Wildwestromane in die Abstellkammer und ging mit meinem Bruder Erhard der Herkunft des Heftchens nach (…). Das war etwa 1951/52. Das Samenkorn für den SF-Fan war gelegt. Griese studierte an der Fachhochschule Neubiberg Elektrotechnik, schloss sein Studium als Diplom-Ingenieur ab und war von 1959 bis 1986 bei der Bundeswehr tätig. Ausbildung und eine erste Ehe verhinderten weitere eigene schriftstellerische Aktivitäten vorerst ebenso wie andere Hobbys, darunter Angeln und Amateurfunk. Zum Schreiben kam Peter Griese dann durch die PERRY RHODAN-Serie, die er mit einigen Unterbrechungen vom Start weg mitverfolgt hatte. Ein Aufruf von William Voltz auf der LKS, ihm Amateurkurzgeschichten zur eventuellen Veröffentlichung zu senden, führte zum Verfassen zweier Storys, die 1975 publiziert wurden. Ein Probemanuskript wurde nach einigen Überarbeitungen von Günter M. Schelwokat angenommen, der den Roman 1977 in TERRA ASTRA unter dem Titel »Im Bann der Psi-Intelligenz« heraus brachte. Star-Agent Thor Delgado und die Geheimdienstorganisation SEDOR standen auch mit Mittelpunkt der Folgeromane »Die Intelligenzfresser«, »Invasion der Symbionten«, »Am Tag der sechs Monde«. »Das Energie-Labyrinth«, »Mann aus der Tiefe« und »Als die Sonne erlosch«. Nicht zu diesem SF-Agentenzyklus gehören die zusammenhängenden Romane »Die unsichtbare Grenze« und »Der galaktische Bote«. Die meisten seiner Kurzgeschichten sind in den Sammlungen »Er kam aus der Sonne«, »Sturz in die Vergangenheit« und »Mondgeschichten« enthalten. Nachdem er 1977 mit dem PLANETENROMAN »Das Erbe der Pehrtus« sein Debüt im Perryversum gegeben hatte, wurde er von Willi Voltz beauftragt, die Schlussauswahl der zum Thema »Psi in PERRY RHODAN« eingereichten Leserstorys durchzuführen und die besten Beiträge dieses Wettbewerbs in einem PR-Taschenbuch zu präsentieren – das war »Unternehmen Psi« (1978). Weitere Romane in der Taschenbuchreihe folgten, wobei er bevorzugt Themen aufgriff, die in der PERRY RHODAN-Heftserie – und später auch bei ATLAN – seiner Meinung nach nicht ausführlich genug behandelt worden waren, wie »Das Tor zur Tiefe«, »Welt der Flibustier«, »Findelkinder der Galaxis«, »Die Weltraummenschen«, »Paladin«, »Ultimatum für Terra«, »Geheimprojekt der Hyptons«, »Der Zeitkäfig« und »Der lange Weg der SOL«. In den PERRY RHODAN-Jubiläumsbänden war Griese ab Band 2 regelmäßig vertreten.
Im Jahr 1980 wurde Peter Griese ins Autorenteam von PERRY RHODAN berufen. Sein erstes PR-Heft war Band 963, »Mission der Flibustier«, und er schrieb zunächst bis Band 1065, also ziemlich genau zwei Jahre lang, an der Serie mit. 1981 wurde er von William Voltz, der gerade den Zyklus »Die Abenteuer der SOL« für ATLAN konzipierte und die Exposés gestaltete, aufgefordert, auch an der zweiten SF-Serie des Verlags mitzuschreiben, wo mit Band 501 »Die Terra-Idealisten« sei erster Beitrag erschien. Noch im gleichen Jahr erhielt er das Angebot, die Exposé-Redaktion von ATLAN zu übernehmen, was ab Band 533 erfolgte. Um in die Serie etwas frischen Schwung zu bringen, wurde er mit Band 698 von Marianne Sydow als Exposé-Schreiber abgelöst, um von Band 708 bis 764 mit ihr im Team die Wege der Serie zu steuern, bis Marianne Sydow ihrerseits durch H.G. Ewers ersetzt wurde. Mit ihm konzipierte Griese die Handlung bis zur Einstellung der Serie mit Band 850, einem von beiden gemeinsam geschriebenen Roman. Einige noch offen gebliebene Themen der ATLAN-Serie arbeitete Griese in der Folge in den PR-Taschenbüchern »Der lange Weg der SOL« und »Am Rand des Universums« auf. Nach dem Tod von William Voltz im Jahr 1984 wurde Griese vom damaligen PERRY RHODAN-Redakteur Horst Hoffmann wieder ins PR-Autorenteam zurückgeholt und feierte mit Band 1240 »Kampf um das Technotorium« seinen Wiedereinstieg. In den Folgejahren war er ein regelmäßiger Mitarbeiter bei PR, weshalb für ihn die Einstellung der ATLAN-Serie nicht so existenzbedrohend war wie für etliche seiner Autorenkollegen. Trotzdem traf sie ihn schwer, weil er bei der Bundeswehr seinen Abschied genommen hatte, um sich ausschließlich dem Schreiben zu widmen. Nach dem Tod von Kurt Mahr übernahm Griese 1993 den PERRY RHODAN COMPUTER, 1994 auch den PERRY RHODAN REPORT. In der Nacht vom 28. auf den 29. April 1996 starb Peter Griese völlig überraschend in Bad Ems, wo er mit seiner zweiten Frau und den beiden Kindern in den letzten Jahren gelebt hatte, an Herzversagen. Sein letzter Roman »Flucht durch Bröhnder« lag zu diesem Zeitpunkt erst zum Teil vor; er wurde von Robert Feldhoff fertig geschrieben und erschien posthum als Band 1827.
Kein neuer Autor für ATLAN
In der Vorschau von ATLAN 514 wurden die Leser darauf aufmerksam gemacht, dass der Folgeband von einem neuen ATLAN-Autor stammen werde. Und tatsächlich betrat in diesem Heft ein neuer Autor die Bühne: Wilfried A. Hary. Was aber niemand zu diesem Zeitpunkt wusste: Es sollte sein einziger Beitrag für das PERRY RHODAN-Universum bleiben, gewissermaßen ein Gastroman. Das war allerdings nichts zu erwarten gewesen, nachdem Hary im Jubiläumsband noch euphorisch gemeint hatte, er freue sich schon auf die Schilderung der Abenteuer des »Beuteterraners«.
Nun, das war vor oder während seiner Arbeit an ATLAN 515. Daraufhin befragt, warum es bei diesem Gastspiel geblieben sei, antwortete er dem Chronisten dieses Bandes am 5. September 2012 per Mail:
»Was meinen ATLAN betrifft: Ich war vorgesehen für das PR-Team. Der ATLAN sollte mein Einstiegsband werden. Danach sollte ich noch den einen oder anderen schreiben, ehe ich endgültig Mitglied im Hauptteam werden sollte. So war das damals mit Schelwokat abgemacht. Er kannte mich ja von TERRA ASTRA und wollte mich unbedingt als PR-Autor haben. Als der Roman entstand, hatte ich monatelanges PR-Studium hinter mir. Dennoch quälte mich jeder einzelne Satz, weil ich ständig Angst hatte, etwas falsch zu machen. Immerhin hatten die Fans weit über tausend Bände Vorsprung (tausend allein in der Hauptserie und fünfhundert im ATLAN-Ableger). Da ich gleichzeitig als Erno Fischer TERRANAUTEN für Bastei schrieb, musste ich mich entscheiden, und ich entschied mich für die TERRANAUTEN. Das heißt, ich schied freiwillig aus dem Team aus, zu einem Zeitpunkt, da die nächsten Exposés und somit der nächste Auftrag für ATLAN bereits auf dem Weg waren. Aus heutiger Sicht gesehen mit Sicherheit ein dicker Fehler, zumal die TERRANAUTEN anschließend eingestellt wurden, trotz aller anderslautender Beteuerungen von Seiten Basteis, der meine Treue in keiner Weise honorierte …«
»Gastromane« und Gastromane
Wilfried A. Harys einmalige Betätigung bei ATLAN mit Band Nr. 515 »Die Flucht der Solaner« kann man nach Kurt Brands ATLAN-Band Nr. 15 »Die Transmitter-Falle« und Harvey Pattons PERRY RHODAN-Band Nr. 747 »Die Körperlosen von Grosocht« als den dritten Gastroman für eine im PERRY RHODAN-Universum handelnde Serie ansehen, auch wenn es bei den beiden letztgenannten nicht aus freien Stücken bei dem einen Roman geblieben ist. In den 90er Jahren sollte dann der Begriff »Gastroman« eine neue Bedeutung erhalten: Autoren, die sich in der SF-Szene – und auch darüber hinaus – einen Namen gemacht hatten, wurden gebeten, einen Beitrag zur größten SF-Serie zu leisten, basierend auf einem speziell für sie zugeschnittenen Exposé. Zahlreiche bekannte deutschsprachige Autoren und auch frühere Teamautoren, die aus den unterschiedlichsten Gründen ihre Mitarbeit an der Serie beendet hatten, wurden seit 1997 zu einem Gastspiel bei PERRY RHODAN eingeladen, wie beispielsweise Gisbert Haefs, Frank Böhmert, Titus Müller, Markus Heitz, Richard Dübell und natürlich Andreas Eschbach, der dieses neue Tradition mit PERRY RHODAN Band 1935 »Der Gesang der Stille« begründete.
Der bekannte und beliebte SF-Bestseller-Autor verriet, wie es dazu kam:
Erinnerungen eines Mitarbeiters: Wie die Gastromane erfunden wurden – von Andreas Eschbach
Alles begann im März 1997 in Dortmund, im Auditorium des futuristischen Harenberg-Centers. Es waren die 9. Science-Fiction-Tage NRW und ich hatte gerade den Kurd-Laßwitz-Preis für meinen Roman »Solarstation« entgegengenommen, als ein hagerer Mensch mit grünen Stoppelhaaren auf mich zukam und mich fragte, ob ich schon mal was von PERRY RHODAN gehört hätte?
Diese Frage verschlug mir die Sprache, hatte ich doch mehr oder weniger meine Jugend damit verbracht, an der Seite von Perry, Atlan und Gucky das Universum zu bereisen. Locker um die tausend Hefte lagerten damals bei mir im Keller und belegten die besten Plätze im Schrank, staubgeschützt hinter Glas.
Ja, brachte ich heraus, von PERRY RHODAN hätte ich durchaus schon einmal gehört.
Daraufhin stellte sich der Typ mit den grünen Haaren als Klaus N. Frick vor, Chefredakteur besagter Serie, und erklärte, er habe »Solarstation« gelesen, ausgesprochen spannend gefunden und wolle mich fragen, ob ich mir vorstellen könne, auch mal etwas zu schreiben, das im Universum Perry Rhodans spielte?
Das konnte ich mir nicht nur vorstellen, das hatte ich im Prinzip sogar schon gemacht: Meine allerersten Schreibversuche – circa vierundzwanzig Jahre vor diesem Tag – hatten darin bestanden, mit Hausmitteln eigene Romanhefte zu basteln und mit Text zu füllen, die meiner damaligen Leib- und Magenlektüre, vorsichtig ausgedrückt, ausgesprochen stark nachempfunden waren. Im Alter von zwölf Jahren darf man das. Außerdem hatten diese Hefte nur meine Schulfreunde zu lesen bekommen (und ehe jemand fragt: Dabei bleibt es auch!).
Ich antwortete also, ohne diese Details zu erwähnen – es war nicht die Situation dafür –, dass ich mir das durchaus vorstellen könne.
Er erklärte mir daraufhin, dass ihn das freue, dass das alles aber erst ein spontaner Gedanke sei, sozusagen ins Unreine gedacht, und man mal sehen müsse, wo man mich unterbringen könne. Er dachte weiter laut nach, die ganzen Nebenserien und Reihen durchhechelnd, wobei ich mich nur erinnere, dass ich sagte, mit Atlan hätte ich es nicht so, und dass er etwas sagte von wegen, leider gebe es die PR-Taschenbücher nicht mehr, das wäre ideal gewesen.
»Am liebsten«, gestand ich geradeheraus, »wäre mir die PERRY-Serie selber. Dass ich dafür ein Heft schreibe.«
Er lachte so nachsichtig wie ein Kardinal, dem ein kleines Kind vorschlägt, man könne doch zur Abwechslung mal eine Päpstin wählen. Nein, sagte er, das gehe natürlich nicht; die PERRY RHODAN-Serie sei doch so etwas wie das Allerheiligste. Aber man werde schon eine Möglichkeit finden. Sie hätten zum Beispiel gerade eine schicke neue Romanreihe in der Pipeline – Romane im Hardcover, etwa vom doppelten Heftumfang – »Space Thriller« hießen die. Da werde er mir mal was schicken.
Das tat er auch prompt. So kam ich an Robert Feldhoffs Roman »Grüße vom Sternenbiest«, einen in Terrania City angesiedelten, äußerst spannenden und für die Verhältnisse von PERRY RHODAN ungewöhnlich düsteren Krimi, den ich mehr oder weniger in einem Rutsch weglas.
Und dann hatte ich ein Problem. Der Roman als solcher hatte mir gut gefallen, aber: Erstens war er mit über zweihundert Seiten viel zu dick für ein Zwischendurchprojekt, zweitens fand ich die Aufmachung alles andere als berauschend, und drittens brauchte ich eigentlich nicht den Rahmen einer Serie, um diese Art Roman zu schreiben. Ich wisse nicht so recht, schrieb ich zurück, das sei doch etwas aufwendiger, da müsse ich erst sehen, wo ich das zeitlich unterbrächte.
Kein Problem, hieß es, es sei nicht so dringend, es müssten ja erst mal die vier Bände herauskommen, die schon geschrieben seien.
So blieb das Projekt in der Schwebe, und zu meiner Erleichterung wurde die »Space Thriller«-Reihe mit Erscheinen des vierten Bandes eingestellt.
»Aber«, ließ mich Klaus N. Frick zusammen mit dieser Mitteilung wissen, »es könnte sein, dass wir die PERRY RHODAN-Taschenbücher wiederbeleben; da sind wir gerade in Gesprächen.«
Danach hörte ich erst einmal lange nichts.
Im Oktober 1997, in Frankfurt auf der Buchmesse, liefen wir uns wieder über den Weg. Genauer gesagt, als ich am VPM-Stand vorbeischaute, saß Klaus Frick gerade mit Robert Feldhoff zusammen und lud mich ein, mich dazuzusetzen. Er wollte immer noch, dass ich etwas für PERRY RHODAN schrieb, doch je länger wir diskutierten, desto mehr zeigte sich, dass immer noch unklar war, wo man mich unterbringen konnte.
Irgendwann in diesem Sommer hatte ich jemanden etwas über die amerikanische Fernsehserie »Dallas« erzählen hören: nämlich dass es unter amerikanischen Schauspielern irgendwann geradezu Kult geworden sei, kleine oder kleinste Gastauftritte in dieser (nun nicht gerade höchste cineastische Kunst verkörpernden) Serie zu absolvieren; dass es sich selbst Oscar-Preisträger und Shakespeare-Darsteller nicht nehmen ließen, für winzige Nebenrollen mit ein paar Worten Text auf der Southfork Ranch vorstellig zu werden.
Ich weiß bis heute ehrlich gesagt nicht mal, ob das überhaupt stimmt; ich habe in meinem Leben keine zehn Minuten »Dallas« gesehen. Aber damals habe ich das für bare Münze genommen und den beiden erzählt, weil es mich dazu ermutigte, noch einmal den Vorschlag zu machen, mich einfach eine Folge für die Erstauflage schreiben zu lassen: einen »Gastroman« sozusagen. Was in einer Serie wie »Dallas« möglich sei, könne einer Serie wie PERRY RHODAN doch nicht schaden, oder?