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Die für die Reise bestimmten Instrumente bestanden aus zwei Barometern, zwei Bussolen, einem Sextanten, zwei Chronometern, einem künstlichen Horizont und einem Altazimut, um entfernte und unerreichbare Gegenstände mehr hervortreten zu lassen. Die Sternwarte in Greenwich hatte sich dem Doktor zur Verfügung gestellt. Dieser hatte übrigens nicht die Absicht, physikalische Experimente zu machen. Er wollte nur über die Richtung im Klaren sein und die Lage der hauptsächlichen Flüsse, Berge und Städte bestimmen können. Er versah sich mit drei eisernen, genau erprobten Ankern sowie mit einer leichten, widerstandsfähigen, etwa fünfzig Fuß langen seidenen Leiter.
Fergusson berechnete auch das genaue Gewicht seiner Lebensmittel; diese bestanden aus Tee, Kaffee, Zwieback, gesalzenem Fleisch und Pemmikan, einem Gericht aus getrocknetem Fleisch, welches bei sehr geringem Umfang viele nährende Bestandteile enthält. Als Getränk stellte er, außer einem genügenden Vorrat Branntwein, zwei Wasserkisten auf, die jede 22 Gallonen[3] fassten.
Der Verbrauch dieser verschiedenen Nahrungsmittel sollte allmählich das von dem Luftschiff getragene Gewicht verringern, denn das Gleichgewicht eines Ballons in der Atmosphäre ist bekanntlich äußerst empfindlich. Der Verlust eines ganz unbedeutenden Gewichts genügt, um eine sehr merkliche Änderung der Stellung hervorzubringen.
Der Doktor vergaß weder ein Zelt, das einen Teil der Gondel schützen sollte, noch die Decken, welche das ganze Reisebettzeug ausmachten, noch auch die Flinten oder den Kugel- und Pulvervorrat des Jägers.
Hier eine Übersicht seiner verschiedenen Berechnungen:
Fergusson 135 Pfund Kennedy 153 Pfund Joe 120 Pfund Gewicht des ersten Ballons 650 Pfund Gewicht des zweiten Ballons 510 Pfund Gondel nebst Stricken 280 Pfund Anker, Instrumente, Flinten, Decken, Zelt, verschiedene Utensilien 196 Pfund Fleisch, Pemmikan, Zwieback, Tee, Kaffee, Branntwein 380 Pfund Wasser 400 Pfund Apparat 700 Pfund Gewicht des Wasserstoffs 276 Pfund Ballast 200 Pfund Summe 4.000 PfundDiese Bestimmung gab der Doktor im einzelnen den 4.000 Pfund, welche er mitzunehmen beabsichtigte; er nahm nur 200 Pfund Ballast auf, ›nur für unvorhergesehene Fälle‹, wie er sagte, denn Dank seinem Apparat hoffte er stark darauf, keinen Gebrauch davon machen zu müssen.
ACHTES KAPITEL
Joes Selbstgefühl. – Der Befehlshaber der Resolute. – Kennedys Arsenal. – Einrichtungen. – Das Abschiedsessen. – Die Abreise am 21. Februar. – Wissenschaftliche Sitzungen des Doktors. – Duveyrier, Livingstone. – Einzelheiten der Luftreise. – Kennedy wird zum Schweigen gebracht.
A
m 10. Februar waren die Vorbereitungen ihrem Ende nahe und die ineinander gefügten Ballons vollständig fertig. Sie hatten einen starken Luftdruck, der hineingetrieben worden war, ausgehalten, und diese Probe legte ein gutes Zeugnis für ihre Solidität sowie für die bei ihrem Bau angewandte Sorgfalt ab.
Joe wusste sich vor Freude nicht zu halten. Er war beständig auf dem Wege von Greek Street nach der Werkstatt der Herren Mitchell, immer geschäftig, aber immer aufgeräumt, jedem, der es hören wollte, von der betreffenden Angelegenheit erzählend und vor allem stolz darauf, dass er seinen Herrn begleiten durfte. Ich vermute sogar, dass der gute Junge sich einige halbe Kronen damit verdiente, das Luftschiff zu zeigen, die Gedanken und Pläne des Doktors zu berichten und die Leute auf dessen jetzt viel besprochene Persönlichkeit aufmerksam zu machen, wenn er an einem halbgeöffneten Fenster lehnte oder bei Gelegenheit durch die Straßen ging. Wir dürfen Joe deshalb nicht zürnen; er hatte wohl das Recht, etwas auf die Bewunderung und Neugier seiner Zeitgenossen zu spekulieren.
Am 16. Februar legte sich der ›Resolute‹ auf der Höhe von Greenwich vor Anker. Es war ein Schraubendampfer von achthundert Tonnen Last und ein guter Segler, der zuletzt den Auftrag gehabt hatte, die Expedition von Sir James Ross nach den Polargegenden von neuem mit Proviant zu versorgen. Der Befehlshaber Pennet stand in dem Rufe eines liebenswürdigen Mannes und nahm an der Reise des Doktors, den er schon von früher her kannte, einen ganz besonderen Anteil. Pennet hätte eher für einen Gelehrten als für einen Soldaten gelten können; trotzdem führte sein Fahrzeug vier Kanonaden, die jedoch nie jemandem etwas zuleide getan und nur den Zweck hatten, bei den allerfriedlichsten Gelegenheiten abgeschlossen zu werden.
Der Schiffsraum des ›Resolute‹ wurde für die Aufnahme des Ballons eingerichtet, und dieser mit der größten Vorsicht am 18. Februar hinübergeschafft. Man lud ihn auf dem Boden des Schiffes ab, um jedem Unfall vorzubeugen. Die Gondel nebst Zubehör, die Anker, Stricke, Lebensmittel sowie die Wasserkisten, welche nach der Ankunft gefüllt werden sollten, alles wurde unter Fergussons Augen verstaut.
Zur Erzeugung des Wasserstoffgases verlud man zehn Tonnen Schwefelsäure und zehn Tonnen altes Eisen. Diese Menge war mehr als hinreichend, doch musste man sich vor möglichen Verlusten eindecken. Der Gasentwicklungs-Apparat, welcher aus etwa dreißig Fässern bestand, wurde in den unteren Schiffsraum gebracht.
All diese verschiedenen Vorbereitungen waren am Abend des 18. Februars beendet, und zwei bequem eingerichtete Kajüten erwarteten den Doktor Fergusson und seinen Freund Kennedy. Soviel dieser Letztere auch schwur, dass er nicht mitreisen würde, begab er sich doch mit einem Jagdarsenal an Bord, das aus zwei vorzüglichen, doppelläufigen Hinterladern und einem vielfach erprobten Karabiner aus der Fabrik der Herren Purdey Moore und Dickson in Edinburg bestand. Mit solchen Waffen konnte der Jäger mit Sicherheit aus einer Entfernung von 2.000 Schritt einer Gams das Auge ausschießen. Zu diesen Gewehren fügte er für unvorhergesehene Fälle zwei sechsläufige Colt-Revolver; Pulverhorn, Patronentasche, Blei und Kugeln in hinreichender Menge überstiegen nicht das von dem Doktor angegebene Gewicht.

Die drei Reisenden gingen am 19. Februar an Bord und wurden vom Kapitän und seinen Offizieren mit großer Anerkennung aufgenommen. Der Doktor erschien ziemlich kalt und einzig mit seiner Expedition beschäftigt; Dick war in außerordentlicher Aufregung, aber doch bemüht, dieselbe zu verbergen, und Joe schließlich sprang, außer sich vor Vergnügen, hin und her, indem er sich in den lustigsten Reden erging. Er wurde bald der Bruder Lustig auf dem Schiffe und bei jedermann beliebt.
Am 20. lud die Königlich-Geographische Gesellschaft Doktor Fergusson und Herrn Kennedy zu einem großen Abschiedsessen ein. Der Befehlshaber der ›Resolute‹ und seine Offiziere wohnten gleichfalls diesem Mahle bei, das unter allseitiger, fröhlicher Laune verlief und bei dem es an einer Masse schmeichelhafter Trinksprüche für unsere Freunde nicht fehlte. Gesundheiten wurden in einer so reichen Zahl ausgebracht, dass sie genügt hätten, um den Gästen ein hundertjähriges Leben zu sichern. Sir Francis M... führte mit mäßiger, aber würdevoller Rührung den Vorsitz.
Zu Herrn Dicks großem Missfallen erhielt auch er seinen reichlichen Anteil an diesen Glückwünschen. Nachdem man auf den unerschrockenen Fergusson, den Ruhm Englands, getrunken hatte, durfte man nicht verabsäumen, auf den nicht minder heldenmütigen Kennedy, seinen kühnen Begleiter, zu trinken. Dick errötete über und über, was ihm jedoch als Bescheidenheit ausgelegt wurde und nur zur Folge hatte, dass man die Beifallsbezeugungen verdoppelte. Dick Kennedy errötete noch tiefer.
Beim Dessert kam eine Botschaft der Königin an. Sie sandte den beiden Reisenden ihre Grüße und ließ ihnen Glück zu ihrem Unternehmen wünschen. Dies erforderte natürlich wiederum Toasts ›auf Ihre allergnädigste Majestät‹.
Endlich, um Mitternacht, trennten sich die Gäste nach einem rührenden Abschied und manch warmem Händedruck. Die Boote der ›Resolute‹ warteten an der Westminster-Bridge; der Kommandant nahm in Gesellschaft seiner Passagiere und Mannschaften darin Platz, und der Strom der Themse brachte die Gesellschaft schnell nach Greenwich. Um ein Uhr lag alles an Bord im tiefsten Schlafe.
Am Morgen des 21. Februar, um drei Uhr früh, waren die Kessel geheizt, um fünf Uhr lichtete man die Anker, und unter dem Druck der Schraube steuerte die ›Resolute‹ der Mündung der Themse zu.
Während der langen, unbeschäftigten Stunden der Reise ging der Doktor mit den Offizieren einen förmlichen geographischen Kursus durch. Die jungen Leute interessierten sich lebhaft für die seit vierzig Jahren in Afrika gemachten Entdeckungen. Er erzählte ihnen von den Forschungsreisen Barths, Burtons, Spekes, Grants und schilderte ihnen dieses geheimnisvolle Land, das gegenwärtig so rege von der Wissenschaft in Angriff genommen war. Im Norden erforschte der junge Duveyrier die Sahara und brachte die Häuptlinge der Tuareg nach Paris. Unter Oberaufsicht der französischen Regierung wurden zwei Expeditionen ausgerüstet, die vom Norden herab nach Westen gehend sich in Timbuktu kreuzen sollten. Im Süden rückte der unermüdliche Livingstone immer weiter Richtung Äquator vor, und vom Mai des Jahres 1862 ab ging er in Gesellschaft Mackensies an dem Rovoonia-Flusse aufwärts. Das 19. Jahrhundert würde gewiss nicht zu Ende gehen, ohne dass Afrika die in seinem Schoß seit sechstausend Jahren vergrabenen Geheimnisse enthüllt hätte.
Das Interesse der Zuhörer Fergussons wurde besonders geweckt, als er ihnen im Einzelnen von den Vorbereitungen zu seiner Reise erzählte. Sie wollten die Probe seiner Berechnungen machen und begannen eine Erörterung, in welche der Doktor sich ohne alle Umschweife einließ. Im Allgemeinen staunte man über die verhältnismäßig geringe Menge an Lebensmitteln, welche er mit sich führte, und eines Tages befragte jemand den Doktor in Bezug hierauf.
»Das erstaunt Sie?«, fragte Fergusson zurück. »Aber wie lange glauben Sie denn, dass ich unterwegs sein werde? Doch nicht etwa Monate? Da irren Sie sehr. Wenn meine Reise sich in die Länge ziehen sollte, wären wir verloren und würden gar nicht ans Ziel gelangen. So wissen Sie denn, dass von Sansibar nach der Küste von Senegal nicht mehr als 3.500, nehmen Sie an 4.000 Meilen sind. Wenn man nun in zwölf Stunden 240 Meilen zurücklegt, was der Schnelligkeit unserer Eisenbahnen nicht nahe kommt, und wenn man Tag und Nacht reist, so würden sieben Tage genügen, um Afrika zu durchfahren.«
»Aber dann könnten Sie nichts sehen, keine geographischen Aufnahmen machen, noch das Land gehörig kennen lernen.«

»Ich werde mich deshalb auch«, antwortete der Doktor, »überall aufhalten, wo ich es für gut befinde, besonders auch dann, wenn zu heftige Luftströmungen mich fortzureißen drohen.«
»Und das wird nicht ausbleiben«, sagte Pennet; »es wüten bisweilen Orkane, welche über 240 Meilen in der Stunde zurücklegen.«
»Sie sehen«, versetzte der Doktor, »bei einer solchen Schnelligkeit könnte man Afrika in zwölf Stunden durchfahren. Man würde in Sansibar aufstehen, um in Saint-Louis zu Bett zu gehen.«
»Aber«, äußerte ein Offizier, »könnte denn ein Ballon in solcher Schnelligkeit mit fortgerissen werden?«
»Man hat das schon erlebt«, erwiderte Fergusson.
»Und der Ballon hat gehalten?«
»Vollkommen. Zur Zeit der Krönung Napoleons im Jahr 1804 ließ der Luftschiffer Garnerin um elf Uhr abends von Paris einen Ballon ab, der in goldenen Lettern die folgende Inschrift trug: ›Paris, 25. Frimaire, Jahr 13, Krönung des Kaisers Napoleon durch Seine Heiligkeit Pius VII.‹ Am folgenden Morgen, um fünf Uhr, sahen die Einwohner von Rom denselben Ballon über dem Vatikan schweben, die römische Campagna durchfliegen und sich in den See von Bracciano versenken. Dies ist der Beweis, meine Herren, dass ein Ballon gegenüber solcher Schnelligkeit standhalten kann.«
»Ein Ballon, mag sein, aber ein Mensch?«, wagte Kennedy einzuwerfen.
»Auch ein Mensch! Denn ein Ballon ist immer unbeweglich im Verhältnis zu der ihn umgebenden Luft: Er selber geht nicht, sondern die Luftmasse; zündet z. B. ein Licht in einer Gondel an, und die Flamme wird nicht hin und her flackern. Ein Luftschiffer auf dem Ballon Garnerins hätte durch diese Schnelligkeit keineswegs gelitten. Übrigens liegt mir durchaus nichts daran, mit einer solchen Geschwindigkeit zu experimentieren, und wenn ich mein Luftschiff während der Nacht an einen Baum oder irgendeine Unebenheit des Bodens ketten kann, werde ich mir das nicht entgehen lassen. Wir führen indessen für zwei Monate Lebensmittel mit uns, und nichts wird unseren geschickten Jäger daran hindern, Wildbret im Überfluss zu erjagen, wenn wir uns einmal auf der Erde niederlassen.«
»Ah, Herr Kennedy, Sie werden Gelegenheit haben, Meisterschüsse zu tun«, sagte ein junger Midshipman, den Schotten mit neidischen Augen betrachtend.
»Ganz abgesehen davon«, fügte ein anderer hinzu, »dass Ihr Vergnügen mit großem Ruhm Hand in Hand gehen wird.«
»Meine Herren«, antwortete der Jäger, »ich weiß Ihre Komplimente sehr wohl zu würdigen, aber ich kann dieselben nicht annehmen.«
»Wie?«, rief man von allen Seiten, Sie werden nicht mitreisen?«
»Ich werde nicht reisen.«
»Sie wollen Doktor Fergusson nicht begleiten?«
»Nicht nur das, sondern meine Anwesenheit hat keinen anderen Grund, als ihn im letzten Augenblick noch zurückzuhalten.«
Aller Blicke richteten sich auf den Doktor.
»Hören Sie nicht auf ihn«, antwortete dieser mit ruhiger Miene. »Das ist eine Frage, die man nicht mit ihm erörtern darf; er weiß im Grunde recht gut, dass er mitreisen wird.«
»Beim heiligen Patrick!«, rief Kennedy aus, »ich beteure ...«
»Beteure nichts, Freund Dick; du bist ausgemessen, du bist gewogen, du bist mitsamt deinem Pulver, deinen Flinten und Kugeln in unser Luftschiff eingepasst; so lass uns nicht mehr davon sprechen.«
Und wirklich öffnete Dick von diesem Tage bis zur Ankunft in Sansibar nicht mehr den Mund; er sprach ebenso wenig von der Reise wie von etwas anderem. Er schwieg.
NEUNTES KAPITEL
Das Kap wird umfahren. – Das Halbverdeck. – Kosmographischer Kursus des Professors Joe. – Von der Lenkung des Ballons. – Von der Erforschung der atmosphärischen Ströme. – Heureka.
D
ie ›Resolute‹ segelte rasch auf das Kap der Guten Hoffnung zu, und das Wetter hielt sich gut, obgleich das Meer hoch ging.
Am 30. Mai, 27 Tage nach der Abreise von London, zeichnete sich der Tafelberg am Horizont ab; Kapstadt, am Fuße eines Amphitheaters von Hügeln gelegen, war mit den Ferngläsern wahrzunehmen, und bald legte sich die ›Resolute‹ im Hafen vor Anker. Aber der Kommandant hielt nur an, um Kohlen aufzunehmen, und dies war in einem Tage geschehen; am Folgenden schon hielt das Schiff südlich, um die mittägige Spitze Afrikas zu umsegeln und in den Kanal von Mozambique einzulaufen.
Joe machte nicht seine erste Reise zur See. Bald fühlte er sich heimisch an Bord, und jedermann hatte ihn wegen seiner Offenherzigkeit und guten Laune gern. Ein Abglanz von der Berühmtheit seines Herrn strahlte auch auf ihn über. Wenn er sprach, lauschte man ihm, wie auf ein Orakel. Während der Doktor seinen gelehrten Kursus in der Offizierskajüte fortsetzte, thronte Joe auf dem Halbverdeck und machte auf seine Weise Geschichte, ein übrigens von den größten Geschichtsschreibern aller Zeiten befolgtes Verfahren. Natürlich handelte es sich hierbei hauptsächlich um die Luftreise. Es war Joe schwer geworden, den störrischen Geistern die Unternehmung als überhaupt ausführbar vorzustellen. Nachdem man aber einmal von der Möglichkeit derselben überzeugt war, kannte die von der Erzählung Joes angestachelte Fantasie der Matrosen keine Grenzen. Der brillante Erzähler redete seiner Zuhörerschaft ein, dass man nach dieser Reise noch sehr viele andere machen würde; dies sei nur der Anfang einer langen Reihe großartiger Unternehmungen.
»Wissen Sie, meine Freunde, wenn man diese Art der Beförderung einmal versucht hat, so kann man dieselbe nicht mehr entbehren; bei unserer nächsten Expedition werden wir, anstatt von einer Seite zur anderen, geradeaus gehen, indem wir fortwährend steigen.«
»Gut! Also gerade auf den Mond los«, sagte ein staunender Zuhörer.
»Auf den Mond?«, entgegnete Joe; »nein wahrhaftig, das ist uns denn doch zu gewöhnlich! Nach dem Mond kann jeder reisen! Übrigens gibt es dort kein Wasser, und man ist genötigt, ungeheure Vorräte davon mitzunehmen ... ebenso auch einige Fläschchen Luft, so wenig man auch zum Atmen braucht.«
»Ob da wohl Gin zu haben ist?«, äußerte ein Matrose, der dieses Getränk sehr zu lieben schien.
»Auch das nicht, mein Lieber! Nein, mit dem Mond ist es nichts, aber wir wollen unter den Sternen lustwandeln, unter den reizenden Planeten, über die sich mein Herr so oft mit mir unterhalten hat. – Und wir werden damit anfangen, dem Saturn einen Besuch abzustatten ...«
»Dem, der so einen Ring um sich herum hat?«, fragte der Quartiermeister.
»Ja, einen Hochzeitsring. Man weiß nur nicht, was aus seiner Frau geworden ist.«
»Wie! So hoch würdet ihr hinaufsteigen?«, fragte ein Schiffsjunge verwundert. »Da ist Ihr Herr wohl der leibhaftige Teufel?«

»Der Teufel? Nein, dazu ist er zu gut!«
»Also zum Saturn?«, fragte einer der ungeduldigsten Zuhörer.
»Zum Saturn? Ja, natürlich! Und dann statten wir dem Jupiter einen Besuch ab; das ist ein komisches Land, in welchem die Tage nur neuneinhalb Stunden lang sind – ganz bequem für die Faulenzer; wo ein Jahr z.B. zwölf Jahre dauert, was sehr vorteilhaft für die Leute ist, die nur noch ein halbes Jahr zu leben haben. Das verlängert ihr Leben etwas!«
»Zwölf Jahre!«, wiederholte der Schiffsjunge erstaunt.
»Ja, mein Kleiner; wärest du dort geboren, so würdest du jetzt noch als Säugling auf dem Arm deiner Mama getragen werden, und jener Alte im fünfzigsten Jahr wäre ein niedliches Püppchen von kaum vier Jahren.«
»Das ist nicht zu glauben!«, rief das Halbverdeck wie aus einem Munde.
»Die reine Wahrheit«, beteuerte Joe zuversichtlich. »Aber wie das so geht! Wenn man, ohne sich anderwärts umzusehen, in dieser Welt immer weiter vegetiert, so lernt man nichts und bleibt unwissend wie ein Meerschwein. Kommt nur erst auf den Jupiter, dort werdet ihr euer blaues Wunder erleben! Man muss sich da oben anständig benehmen, denn er hat eine unangenehme Leibwache von Trabanten um sich!«
Man lachte, aber doch glaubte man ihm halb und halb; er redete weiter vom Neptun, bei dem die Seeleute gut aufgenommen würden, und vom Mars, auf welchem das Militär allen anderen den Rang ablaufe, was schließlich ganz unerträglich wäre. Was den Merkur anlangte, so sei das eine garstige Welt, nichts als Diebe und Kaufleute, die sich einander so ähnlich sehen, dass man sie schwer unterscheiden könne. Endlich entwarf er ihnen von der Venus ein wahrhaft entzückendes Bild.
»Und wenn wir von dieser Expedition zurückkehren«, sagte der liebenswürdige Erzähler, »wird man uns mit dem Stern des südlichen Kreuzes dekorieren, der da oben an dem Knopfloch des lieben Gottes leuchtet.«
»Und ihr habt ihn dann mit Recht verdient!«, sagten die Matrosen.
So vergingen in heiteren Scherzreden die langen Abende auf dem Halbverdeck, während im Kreise der Offiziere die lehrhaften Unterhaltungen des Doktors ihren Fortgang nahmen.
Eines Tages unterhielt man sich über die Lenkung der Ballons, und Fergusson wurde dringend aufgefordert, dahingehend seine Meinung abzugeben.
»Ich glaube nicht«, sagte er, »dass es gelingen wird, die Ballons zu lenken. Ich kenne alle in dieser Beziehung versuchten oder vorgeschlagenen Systeme, aber nicht ein einziges hat Erfolg gehabt, nicht ein einziges ist ausführbar. Sie begreifen wohl, dass ich mich eingehend mit dieser Frage beschäftigen musste, die ein so großes Interesse für mich hat; aber ich habe sie mit den von den gegenwärtigen Kenntnissen der Mechanik gelieferten Mitteln nicht lösen können. Man müsste eine bewegende Kraft von außerordentlicher Macht und unmöglicher Leichtigkeit entdecken! Und auch dann noch wird man gegen beträchtliche Luftströmungen nicht anzukämpfen vermögen. Bis jetzt hat man sich übrigens viel mehr damit beschäftigt, die Gondel zu lenken als den Ballon. Und das ist ein Fehler.«
»Es bestehen aber doch«, entgegnete man, »genaue Beziehungen zwischen einem Luftschiff und einem Schiff, und dies kann man nach Belieben lenken.«
»Ich muss das in Abrede stellen«, antwortete der Doktor Fergusson. »Die Luft ist unendlich weniger dicht als das Wasser, in welches das Schiff nur zur Hälfte sinkt, während das Luftschiff ganz und gar in der Atmosphäre schwebt und in Beziehung auf das umgebende Fluidum unbeweglich bleibt.«
»Sie sind also der Meinung, dass die aerostatische Wissenschaft ihr letztes Wort gesprochen hat?«
»Keineswegs! Wenn man den Ballon nicht lenken kann, so muss man etwas anderes zu erreichen suchen, ihn zumindest in den für ihn günstigen atmosphärischen Strömungen erhalten. In dem Maße wie man sich hebt, werden diese einförmiger und folgen dann beständig derselben Richtung. Sie werden nicht mehr durch die Täler und Berge, welche die Oberfläche der Erdkugel durchfurchen, gestört, und das ist ja bekanntlich die Hauptursache der Veränderungen des Windes und seiner ungleichen Stärke. Wenn nun aber einmal diese Zonen bestimmt sind, so braucht man den Ballon nur in die für ihn passende Strömung zu versetzen.«
»Aber man wird dann«, begann der Kommandant, »beständig steigen oder fallen müssen, um sie zu erreichen. Darin liegt die eigentliche Schwierigkeit, mein lieber Doktor.«
»Und warum, mein lieber Herr Pennet?«
»Einigen wir uns darauf: Das wird nur für die ausgedehnten Reisen eine Schwierigkeit und ein Hindernis sein, nicht für einfache Luftspaziergänge.«
»Und weshalb denn, wenn‘s beliebt?«
»Weil man nur steigt, wenn man Ballast abwirft, und sich nur mit dem Ablassen von Gas herablässt, und weil bei diesem Verfahren Ihre Gas- und Ballastvorräte schnell erschöpft sein werden.«
»Mein lieber Pennet, dies eben ist die ganze Frage, dies ist die einzige Schwierigkeit, welche die Wissenschaft zu besiegen streben muss. Es handelt sich nicht darum, die Ballons zu lenken, sondern vielmehr darum, sie von oben nach unten zu bewegen, ohne dieses Gas zu vergeuden, welches, wenn man sich so ausdrücken darf, die Kraft, das Blut, die Seele des Ballons ist.«
»Sie haben Recht, mein lieber Doktor, aber dieses Problem ist noch nicht gelöst, das Mittel dafür noch nicht gefunden.«
»Bitte um Verzeihung, es ist gefunden.«
»Von wem?«
»Von mir!«
»Von Ihnen?«
»Sie begreifen wohl, dass es mir ohne dies nicht hätte in den Sinn kommen können, eine Bereisung Afrikas im Ballon zu unternehmen; nach 24 Stunden wäre ich mit meinem Gas aufs trockene gesetzt worden!«
»Aber in England haben Sie davon nichts verlauten lassen?«
»Nein, denn es lag mir nichts daran, meine Erfindung öffentlich besprochen zu sehen; dies schien mir überflüssig. Ich habe in der Stille vorbereitende Versuche gemacht, die befriedigend ausgefallen sind, und weiter brauche ich nichts.«