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Der Encke'sche Komet ist derjenige, welcher seinen Umlauf im kürzesten Zeitraume vollendet, denn er braucht dazu im Mittel nur 1203 Erdentage, also weniger als drei und ein halbes Jahr. Er bewegt sich in directer Richtung von Westen nach Osten. Zuerst entdeckt am 26. November 1818, erkannte man doch nach Berechnung seiner Bahnelemente, daß er mit einem schon im Jahre 1805 gesehenen identisch sei. Wie es die Astronomen schon damals voraussagten, erschien er in den Jahren 1822, 1825, 1829, 1832, 1835, 1838, 1842, 1845, 1848, 1852 u.s.w. regelmäßig wieder, und hat überhaupt niemals ermangelt, zur bestimmten Zeit über dem Horizonte der Erde sichtbar zu werden, wobei seine Umlaufszeit sich merkwürdiger Weise jedesmal um 6 Stunden verkürzte, ein Umstand, welcher trotz Encke's eigener und Bessel's späterer Hypothese noch keine allgemein angenommene Erklärung gefunden hat. Seine Bahn liegt noch innerhalb der des Jupiter. Er entfernt sich von der Sonne somit nicht weiter als höchstens 93 1/2 Millionen Meilen, und nähert sich ihr bis 7.8 Millionen Meilen, d.h. mehr als der Merkur. Wie schon durch die Verminderung der Umlaufszeit angedeutet, vermindert sich die große Achse seiner elliptischen Bahn allmälig, und verkleinert sich demnach seine mittlere Entfernung von der Sonne. Es ist folglich gar nicht unwahrscheinlich, daß der Encke'sche Komet endlich in die Sonne stürzt, die ihn jedenfalls absorbiren wird, im Fall er nicht schon vorher durch die mit der Annäherung an dieselbe steigende Hitze verflüchtigt wurde.
Der Gambart'sche oder Biela'sche Komet ward in den Jahren 1772, 1789, 1795 und 1805 schon beobachtet, seine Bahnelemente aber erst am 28. Februar 1826 genau bestimmt. Auch er besitzt eine directe Bewegung. Seine Umlaufszeit beträgt 2410 Tage, also fast sieben Jahre. Zur Zeit seines Perihels kommt er an der Sonne in der Entfernung von 19,626,000 Meilen, also ein wenig näher als die Erde vorüber, und entweicht bei seinem Aphel bis auf 141,222,000 Meilen, also bis jenseit der Bahn des Jupiter. Eine merkwürdige Erscheinung bot dieser Himmelskörper im Jahre 1846. Er erschien über dem Erdhorizonte in zwei Theilen; er hatte sich also unterwegs, jedenfalls unter dem Einflusse eigener, innerer Kräfte, getrennt. Die beiden Theile bewegten sich gemeinschaftlich, aber mit einem Zwischenraume von 36,000 Meilen weiter: im Jahre 1852 betrug diese Entfernung schon 350,000 Meilen. Zuletzt wurde der Biela'sche Komet – ob vollständig in Auflösung begriffen, ist noch nicht festgestellt – am 28. November 1872 als ein unerhört starker Sternschnuppenfall beobachtet. Die Erde ist an jenem Tage also wahrscheinlich durch jenen Haarstern hindurchgegangen.
Faye's Komet, mit directer Bewegung, wurde zuerst am 22. November 1843 bemerkt. Auf die Berechnung seiner Elemente gründete man die Vorhersage, daß er 1850 und 1851, nach siebenundeinhalb Jahren oder 2718 Tagen, wieder erscheinen würde. Diese Prophezeiung ging in Erfüllung: das Gestirn zeigte sich zur damals bestimmten und für später berechneten Zeit, wobei es in 38,790,000 Meilen Entfernung seine Sonnennähe passirte, dem Centralsterne also nicht ganz so nahe kam wie der Mars, und sich dann bis auf 135,936,000 Meilen, d.i. weiter als der Jupiter, von ihm entfernte.
Brörsen's Komet wurde am 26. Februar 1846 in Kiel entdeckt. Er vollendet, in directer Bewegung, seinen Kreislauf binnen circa fünfundeinhalb Jahren oder 2042 Tagen. Sein Perihel-Abstand beträgt 14,768,400 Meilen; seine Aphel-Entfernung 129,600,000 Meilen.
Was die anderen Kometen mit kurzer Umlaufszeit betrifft, so vollendet der von d'Arrest seine Bahn binnen etwa sechsundeinhalb Jahren, und schweifte derselbe 1862 gegen 6,500,000 Meilen jenseit des Jupiter; der von Tuttle beschreibt seine Ellipse in dreizehn und zwei drittel Jahren; jener von Winnecke in fünfundeinhalb Jahren; der Tempel'sche Komet fast in derselben Zeit, dagegen scheint sich der de Vicosche in ungemessene Himmelsfernen verloren zu haben. Die letztgenannten Haarsterne wurden noch nicht so eingehend untersucht wie die ersten fünf.
Wir hätten nun noch die Kometen von »mittlerer oder langer Umlaufszeit« anzuführen, von denen vierzig mehr oder weniger eingehend studirt worden sind.
Der von 1556, der sogenannte »Komet Karl's V.«, wurde zwar 1860 erwartet, ist aber nicht erschienen.
Den von Newton 1680 beobachteten Haarstern, welcher nach Whiston durch zu große Annäherung an die Erde deren Untergang herbeiführen sollte, müßte man im Jahre 619 und 43 v. Chr. gesehen haben, später 531 und 1116. Seine Umlaufszeit beträgt gegen fünfhundertfünfundsiebzig Jahre und streift er in seinem Perihel so dicht an der Sonne vorüber, daß er von derselben eine achtundzwanzigtausendmal stärkere Wärme erhält als die Erde, d.h. zweitausendmal die Hitze des schmelzenden Eisens!
Der Komet von 1586 ließ sich, der Lebhaftigkeit seines Glanzes nach, mit einem Fixsterne erster Größe vergleichen.
Der Komet von 1811, der seinen Namen (»das Kometenjahr«) dem Jahre seines Erscheinens gegeben, besaß einen Ring (Kern) von 103,000 Meilen Durchmesser, eine Nebelhülle von 270,000 Meilen und einen Schweif von 27 Millionen Meilen Länge.
Der Komet von 1843, den man mit dem von 1668, 1494 und 1317 identificiren zu sollen glaubte, wurde von Cassini beobachtet, doch stimmen die Astronomen bezüglich seiner Revolutionsperiode keineswegs überein. Er geht an der Sonne in einer Entfernung von nur 7200 Meilen und mit einer Schnelligkeit von 8000 Meilen in der Secunde vorüber. Die Wärme, welche er dabei empfängt, gleicht derjenigen, welche 87,000 Sonnen der Erde in ihrem mittleren Abstande zustrahlen würden. Sein Schweif war sogar am hellen Tage sichtbar.
Der Donati'sche Komet, der seiner Zeit zwischen den Sternbildern des nördlichen Himmels in so lebhaftem Glanze schimmerte, hatte eine etwa siebenhundertmal geringere Masse als die Erde.
Der mit heller leuchtenden Strahlenbüscheln geschmückte Komet von 1861 glich einer ungeheuren, phantastischen Muschel.
Der Komet von 1864, dessen Umlaufszeit nicht weniger als 280,000 Jahre beträgt, verliert sich also sozusagen im Weltraume.
Die dritte Frage: Wie verhält es sich mit der Wahrscheinlichkeit eines Zusammenstoßes zwischen der Erde und irgend einem jener Kometen?
Wenn man die Bahnen der Planeten und die der Kometen auf Papier zeichnet, so schneiden sich dieselben an vielen Punkten. In der Wirklichkeit liegt das aber anders. Die Ebenen dieser Bahnen stehen gegen die Ekliptik, d.i. die Kreisbahnebene der Erde, in sehr verschiedenen Winkeln geneigt. Kann es nun aber trotz dieser »Vorsichtsmaßregeln« des Schöpfers, bei der ungeheuren Anzahl der Kometen nicht einmal vorkommen, daß einer derselben gegen die Erde anstößt?
Hier die Antwort:
Die Erde verläßt, wie bekannt, niemals die Ebene der Ekliptik, und die von ihr um die Sonne beschriebene Bahn liegt in jedem Punkt in dieser Ebene.
Was muß also zusammentreffen, damit ein Komet gegen die Erde stoßen könne:
1 Dieser Komet muß ihr in der Ebene der Ekliptik begegnen.
2 Die Stelle, welche der Komet schneidet, muß dieselbe sein, an welcher sich die Erde eben befindet.
3 Die Entfernung zwischen den Mittelpunkten der beiden Gestirne muß kleiner sein als die Summe ihrer Halbmesser.
Können nun diese drei Bedingungen erfüllt werden und in Folge dessen einen Zusammenstoß herbeiführen?
Als man diese Frage einst Arago vorlegte, antwortete er:
»Die Wahrscheinlichkeitsrechnung liefert uns die Unterlagen, die Chancen eines solchen Zusammentreffens abzuschätzen, und zwar lehrt sie, daß man bei dem Auftreten eines bisher unbekannten Kometen 280 Millionen gegen 1 wetten kann, daß derselbe die Erde nicht treffe.«
Laplace leugnete die Möglichkeit eines solchen Zusammenstoßes nicht vollständig und beschreibt dessen Folgen in seiner »Darstellung des Weltsystemes«.
Sind die Aussichten nun hinreichend beruhigend? Darüber wird Jeder je nach seinem Temperamente urtheilen. Es verdient hierbei übrigens bemerkt zu werden, daß die Berechnung des berühmten Astronomen auf zwei Elemente basirt ist, welche unendlich verschieden sein können. Er verlangt nämlich: 1. daß der Komet in seinem Perihel der Sonne näher sei als die Erde, und 2. daß der Durchmesser dieses Kometen (-kernes) dem halben Radius der Erde mindestens gleichkomme.
Bei diesem Exempel handelt es sich also nur um den Zusammenstoß zwischen einem Kometenkerne und der Erdkugel. Wollte man auch ein Zusammentreffen mit der Nebelhülle in Betracht ziehen, so müßte man jene Zahl um das Zehnfache vermindern, also entweder 280 Millionen gegen 10, oder 28 Millionen gegen 1 dafür einsetzen.
Bleiben wir zunächst bei Arago's Auseinandersetzung stehen, so sagt er weiter:
»Nehmen wir einmal an, daß ein die Erde treffender Komet das Leben des ganzen Menschengeschlechtes vernichtete; dann wäre die Todesgefahr für das einzelne Individuum bei der Erscheinung eines unbekannten Kometen ebenso groß, als befände sich in einer Urne eine einzige weiße Kugel unter 280 Millionen anderen Kugeln, und seine Verurtheilung zum Tode würde davon abhängig gemacht, daß diese einzige weiße Kugel bei der ersten Ziehung zum Vorschein käme!«
Aus Allem geht immerhin hervor, daß die Möglichkeit des Zusammenstoßes eines Kometen mit der Erde nicht unbedingt auszuschließen ist.
Ist ein solches Ereigniß schon jemals dagewesen?
Nein, behaupten die Astronomen, weil »seit die Erde sich um ihre unveränderte Achse dreht, sagt Arago, man mit aller Sicherheit darauf schließen kann, daß sie keinen Stoß von einem Kometen erlitten habe. In Folge eines solchen Stoßes wäre plötzlich eine andere Rotationsachse an Stelle der jetzigen Hauptachse getreten, und die Zonen der Erde hätten nach und nach entstandene Veränderungen aufweisen müssen, für welche aber keinerlei Beweise beizubringen sind. Die Constanz der irdischen Zonen spricht also dafür, daß unser Planet seit seiner Entstehung durch keinen Kometen getroffen worden ist.. Auch kann man nicht, wie es mehrere Gelehrte wollten, jene etwa hundert Meter unter die Meeresoberfläche betragende Senkung des Caspischen Beckens etwa von dem Anprall eines Kometen herleiten«.
Daß also kein solcher Zusammenstoß stattgefunden, scheint sicher zu sein aber hätte denn jemals einer stattfinden können?
Diese Frage erinnert unwillkürlich an den Gambart'schen Kometen.
Als derselbe im Jahre 1832 erschien, erfüllte er die Welt mit einem gewissen Entsetzen. In Folge einer sonderbaren kosmographischen Coïncidenz schneidet die Bahn dieses Kometen fast diejenige der Erde. Am 29. October, kurz vor Mitternacht, mußte derselbe sehr nahe an einem Punkte der Erdbahn vorbeikommen. Würde die Erde zu derselben Zeit sich ebenda befinden? Wenn das der Fall war, so mußte ein Zusammenstoß stattfinden, denn die Länge des Kometen-Radius betrug nach Olber's das Fünffache des Erd-Radius und eine Strecke der Erdbahn war von seiner Nebelhülle bedeckt.
Glücklicher Weise gelangte die Erde nach diesem Punkte ihrer Bahn erst einen Monat später, am 30. November, und als sie daselbst mit der ihr eigenen Geschwindigkeit von 46,400 Meilen im Tage vorüberkam, war der Komet von ihr schon gegen 13 Millionen Meilen entfernt.
Recht schön; doch wäre sie an diesem Punkte einen Monat früher, oder der Komet einen Monat später eingetroffen, so hätte ein Zusammenstoß stattgefunden. Wäre das möglich gewesen? Unzweifelhaft, denn wenn man auch gar nicht anzunehmen braucht, daß irgend ein fremder Einfluß die Rotation des Erdsphäroïdes hätte beschleunigen können, so wird doch Niemand bestreiten, daß der Lauf eines Kometen nicht verzögert werden könnte, da diese Gestirne auf ihrer Bahn bekanntermaßen oft ganz gewaltige Störungen erleiden.
Wenn ein solcher Stoß in der Vergangenheit also nicht stattgehabt hatte, so spricht doch nichts dagegen, daß es hätte der Fall sein können.
Uebrigens war der in Rede stehende Gambart'sche (Biela'sche) Komet im Jahre 1805 schon einmal zehnmal näher, d.h. in einer Entfernung von nur 1,200,000 Meilen, bei der Erde vorübergegangen. Bei der Unbekanntschaft mit diesem Verhältniß rief jene Constellation damals aber keinerlei Besorgniß hervor. Nicht ganz so verhielt es sich mit dem Kometen von 1843, denn man fürchtete, daß die Erde ganz und gar von dessen Schweif verhüllt und unsere Atmosphäre vielleicht zum Athmen untauglich würde.
Die vierte Frage: Was würde die Folge eines solchen Stoßes sein, je nachdem der betreffende Komet einen harten Kern besäße oder nicht?
Die Einen dieser weit im Weltraume umherschweifenden Gestirne haben nämlich in der That einen Kern, der den Anderen abgeht.
Fehlt den Kometen ein solcher Kern, so erweisen sie sich aus einem so zarten Nebel bestehend, daß man durch denselben selbst Fixsterne zehnter Größe wahrzunehmen vermochte. Hierdurch erklärt sich auch der nicht seltene Wechsel in der Form dieser Himmelskörper und die Schwierigkeit, sie allemal sicher wieder zu erkennen. Dieselbe überaus seine Materie bildet auch ihren Schweif. Letzterer erscheint fast nur als eine unter dem Einflusse der Sonnenwärme entstehende Ausdünstung aus dem Kerne, resp. der Nebelhülle.
Ein Beweis hierfür liegt darin, daß dieser Schweif, sei es in der Form einer seinen Feder oder in der eines mehrtheiligen Fächers, sich erst dann auszubilden beginnt, wenn die Kometen nur noch 18 Millionen Meilen, also weniger als die Erde, von der Sonne entfernt sind. Daneben beobachtet man jedoch auch, daß gewisse, vielleicht dichtere, massenreichere und gegen hohe Temperaturgrade widerstandsfähigere Kometen kein Anhängsel dieser Art zeigen.
Im Falle ein Zusammenstoß der Erde mit einem Kometen ohne Kern einmal stattfände, könnte von einem Stoße im eigentlichen Sinne des Wortes nicht wohl die Rede sein. Der Astronom Faye behauptete, ein Spinnengewebe würde einer Büchsenkugel mehr Widerstand darbieten als ein Kometennebel. Wenn die Stoffe, welche Nebelhülle und Schweif bilden, nicht an sich gesundheitsgefährlich sind, so wäre bei einem solchen Vorkommniß gar nichts zu fürchten. Dagegen scheint zweierlei nicht ganz außer Acht zu lassen: entweder daß diese Materien glühend wären und vielleicht die ganze Erdoberfläche in Brand setzten, oder daß sie unserer Atmosphäre nicht athembare Gase zuführten. Letztere Eventualität ist allerdings nur schwer denkbar. Nach Babinet besitzt die Erdatmosphäre gegenüber jenen kometarischen Nebeln unzweifelhaft eine so überwiegende Dichtigkeit, so zart sie in den höchsten Schichten auch sein mag, daß sie jenen Nebel am Eindringen hindern würde. Nach Newton's Behauptung wäre die Zartheit dieser Kometendünste eine so große, daß, wenn ein Komet mit einem Radius von 219 Millionen Meilen bis zum Dichtigkeitsgrade der Erdatmosphäre condensirt würde, er in einem Würfel von fünfundzwanzig Millimeter Seite hinreichend Platz fände.
Von den einfachen Kometennebeln wäre also im Fall eines Zusammenstoßes so gut wie nichts zu fürchten. Wie möchte sich die Sachlage aber gestalten, wenn ein solcher Haarstern einen harten Kern besäße?
Zuerst die Frage: Giebt es überhaupt solche Kerne? Man wird hierauf antworten, daß das der Fall sein müsse, wenn der Komet einen hinreichenden Concentrationsgrad erlangt hat, um aus dem gasförmigen in den festen Zustand überzugehen. Tritt er dann zwischen einen Stern und einen Beobachter auf der Erde, so verdeckt er den ersteren.
Im Jahre 480 v. Chr., zur Zeit des Xerxes, soll die Sonne, nach Anaxagoras, durch einen Kometen verfinstert worden sein. Ebenso beobachtete Dion, einige Tage vor dem Tode des Augustus, eine ähnliche Finsterniß, welche vom Monde bestimmt nicht herrühren konnte, da sich dieser an dem betreffenden Tage in Opposition zur Sonne befand.
Die Komelographen erklären diese beiden Zeugnisse jedoch, und wohl nicht mit Unrecht, für werthlos. Dagegen setzen zwei neuere Beobachtungen die Existenz solcher Kometenkerne außer Zweifel. In der That verdunkelten die Kometen von 1774 und 1828 Fixsterne achter Größe. Ebenso wurde seiner Zeit durch directe Beobachtungen nachgewiesen daß die Haarsterne von 1402, 1532 und 1744 harte Kerne besaßen. Für den Kometen von 1843 ist ein solcher noch zweifelloser nachgewiesen, da man das Gestirn am hellen Tage ohne Hilfe eines Instrumentes nahe bei der Sonne wahrnehmen konnte.
Es existiren nun nicht allein feste Kerne in gewissen Kometenköpfen, sondern man hat jene sogar gemessen. So kennt man Durchmesser solcher von 6 1/2 und 7 Meilen bei den Kometen von 1798 und 1805 (Biela), bis zu 1920 Meilen, bei dem von 1843. Der Kern des letzteren überträfe an Größe also selbst die Erdkugel, so daß im Fall eines Zusammenstoßes der Vortheil vielleicht auf der Seite des Kometen bliebe.
Bezüglich der schon gemessenen Nebelhüllen hat man festgestellt, daß deren Durchmesser zwischen 4320 und 270,000 Meilen wechselt.
Wir schließen das Vorhergehende (mit Arago) also in folgende Sätze zusammen:
Es existiren oder können doch existiren:
1 Kometen ohne Kern.
2 Kometen mit einem jedenfalls durchscheinenden Kerne.
3 Kometen mit hellerem Glanze, als dem der Planeten, welche wahrscheinlich einen festen und undurchsichtigen Kern besitzen.
Um nun zu untersuchen, welcher Art die Folgen eines Zusammenstoßes der Erde mit einem jener Gestirne sein würden, so ist im Voraus zu bemerken, daß, selbst im Falle eines nicht ganz directen Stoßes, gewiß sehr eingreifende Erscheinungen eintreten müßten.
Schon der sehr nahe Vorübergang eines Kometen von hinreichender Masse würde nicht ohne Gefahr sein. Bei einer im Verhältniß zu der der Erde verschwindenden Masse wäre nichts zu fürchten. So hat z.B. der Komet von 1770, der in einer Entfernung von nur 360,000 Meilen an der Erde vorüberzog, die Dauer des Erdenjahres auch nicht um eine Secunde verändert, während der Einfluß der Erde die Revolution des Kometen um zwei Tage verzögerte.
Wenn ein Komet aber bei annähernder Gleichheit der Massen in der Entfernung von 33,000 Meilen an der Erde vorbeikäme, so würde er die Dauer des Jahres um sechzehn Stunden fünf Minuten verlängern und die Schieflage der Ekliptik um zwei Grad verändern. Vielleicht singe er uns dabei sogar den Mond weg.
Welches würden nun aber die Folgen eines directen Stoßes sein? Versuchen wir, sie im Folgenden darzulegen.
Entweder würde der Komet, im Fall er den Erdball nur streifte, auf demselben einen Theil von sich zurücklassen, oder er risse – wie das mit der Gallia der Fall war – verschiedene Stücke der Erde los, oder endlich er fügte sich der Erdkugel gänzlich ein, um auf derselben etwa einen neuen Continent darzustellen.
In jedem dieser Fälle könnte die Tangentialgeschwindigkeit der Erde plötzlich aufgehoben werden. Alle Wesen, Bäume, Häuser u.s.w. würden in der Schnelligkeit von 4.8 Meilen in der Secunde, welche sie vor dem Stoße hatten, weiter geschleudert werden. Die Meere müßten aus ihren natürlichen Bassins hervorbrechen, um Alles zu vernichten. Die noch feurig-flüssigen Bestandtheile des Erdinnern würden durch den Gegenstoß nach der verhältnißmäßig dünnen, festen Kruste unseres Planeten drängen und nach außen durchzubrechen suchen. In Folge der Veränderung der bisherigen Erdachse träte ein neuer Aequator an Stelle des früheren. Endlich könnte die Bahngeschwindigkeit der Erde wohl auch ganz gehemmt werden, wodurch unser Planet, wenn die Anziehungskraft der Sonne durch keine Tangentialkraft mehr aufgehoben würde, in gerader Linie nach dem Centralgestirn zu stürzen und nach einer Fallzeit von 64 1/2 Tagen von letzterem absorbirt werden würde.
Oder es würde sich, unter Berücksichtigung der neueren Wärmetheorie, nach der die Wärme nichts anderes ist als eine modificirte Bewegung, die plötzlich unterbrochene Geschwindigkeit unseres Sphäroïden mechanisch in Wärme umsetzen. Unter einer bis zu mehreren Millionen Graden gesteigerten Temperatur würde sich dann die Erde schon binnen wenigen Secunden verflüchtigen.
Indeß, um diese kurze Aufzählung solcher nicht wünschenswerthen Aussichten abzuschließen, der Zusammenstoß zwischen der Erde und einem Kometen hat nur die Wahrscheinlichkeit von 281,000,000 gegen 1 für sich.
»Das ist ganz richtig, äußerte später Palmyrin Rosette, doch wir, wir haben die eine weiße Kugel gezogen.«
Viertes Kapitel
In welchem man Palmyrin Rosette so entzückt über das ihm zugefallene Schicksal sehen wird, daß das allerlei zu denken giebt.
»Mein Komet!« das waren des Professors letzte Worte gewesen. Dann runzelte er die Stirn und fixirte seine Zuhörer, als könne Einer derselben den Gedanken haben, ihm seine Eigenthumsrechte auf die Gallia streitig zu machen. Vielleicht fragte er sich auch, mit welchem Rechte sich die ihn umstehenden Eindringlinge auf seinem Gebiete niedergelassen hatten.
Kapitän Servadac, Graf Timascheff und Lieutenant Prokop verharrten in tiefstem Schweigen. Jetzt kannten sie die ganze Wahrheit, der sie schon recht nahe gekommen waren. Man erinnert sich der nach verschiedenen Erörterungen allmälig angenommenen Hypothesen: zunächst bezüglich der Veränderung der Rotationsachse der Erde und der Vertauschung der beiden Cardinalpunkte des Himmels; dann der Ansicht, daß ein Fragment des Erdsphäroïdes von diesem abgesprengt und in den Weltraum hinausgeschleudert worden sei; endlich daß ein unbekannter Komet die Erde gestreift, einige Theile derselben losgerissen habe und sie nun vielleicht bis zur Fixsternwelt hinaus entführe.
Die Vergangenheit kannte man. Die Gegenwart hatte man vor Augen. Was würde nun die Zukunft bringen? Hatte dieses Original eines Gelehrten es vorausgesehen? Hector Servadac und seine Gefährten zauderten, diese Frage an ihn zu richten.
Palmyrin Rosette legte »die volle Amtsmiene« an und schien nur darauf zu warten, daß ihm die in dem allgemeinen Saale versammelten Fremden unter aller Form vorgestellt würden.
Hector Servadac bequemte sich zu dieser Ceremonie, um den mißtrauischen und mürrischen Gelehrten nicht zu reizen.
»Herr Graf Timascheff! sagte er, seinen Begleiter vorstellend.
– Seien Sie mir willkommen, Herr Graf, antwortete Palmyrin Rosette mit jener wohlwollenden Herablassung des Herrn, der sich ganz zu Hause fühlt.
– Herr Professor, ließ sich der Graf vernehmen, es lag im Grunde keineswegs in meiner Absicht, daß ich auf Ihren Kometen gekommen bin, doch schulde ich Ihnen deshalb nicht geringeren Dank für Ihre gastfreundliche Aufnahme.«
Hector Servadac fühlte die Ironie dieser Worte und sagte lächelnd:
»Der Lieutenant Prokop, Befehlshaber der Goëlette Dobryna, auf welcher wir eine Rundfahrt um die Gallia ausgeführt haben.
– Eine Umschiffung? ... rief der Professor lebhaft.
– Gewiß, eine volle Weltumseglung!« bestätigte Kapitän Servadac.
Dann fuhr er weiter fort:
»Ben-Zouf, meine Ordon ...
– Adjutant des General-Gouverneurs der Gallia!« fiel Ben-Zouf schnell ein, der diese beiden Aemter weder sich, noch seinem Kapitän streitig machen lassen wollte.
Einer nach dem Anderen wurden sodann die russischen Matrosen, die Spanier, der junge Pablo und die kleine Nina vorgestellt, welch' Letztere der Professor durch seine Riesenbrille anstarrte wie ein Knecht Ruprecht, der die Kinder nicht leiden mag.
Isaak Hakhabut trat selbst vor und sagte:
»Herr Astronom, eine Frage, nur eine einzige, aber sie ist mir von der größten Wichtigkeit ... Wann können wir hoffen, zurückzukehren? ...
– Ah, antwortete der Professor, wer spricht da schon von Rückkehr, da wir kaum erst abgefahren sind?«
Nach geschehener Vorstellung ersuchte Hector Servadac Palmyrin Rosette, seine Geschichte zu erzählen.
Dieselbe lautete in kurzen Worten:
Um die Bogenmessung des Meridians von Paris prüfen und bestätigen zu lassen, ernannte die französische Regierung eine wissenschaftliche Commission, zu welcher Palmyrin Rosette, seiner bekannten Unverträglichkeit wegen, nicht mit hinzugezogen wurde.
Wegen seiner Ausschließung erbittert, beschloß der Professor auf eigene Hand an die Arbeit zu gehen. In der Voraussetzung, daß die ersten geodätischen Aufnahmen Ungenauigkeiten enthielten, nahm er sich vor, den äußersten Theil des Netzes, der die Insel Formentera mit der spanischen Küste durch ein Dreieck von 24 Meilen längster Seite verband, nachzumessen. Derselben Arbeit hatten sich vor ihm Arago und Biot mit größter Sorgsamkeit unterzogen.
Palmyrin Rosette verließ also Paris. Er begab sich nach den Balearen, errichtete sein Observatorium auf dem höchsten Gipfel jener Insel und traf Anstalt, mit seinem Diener Joseph daselbst als Eremit zu wohnen, während einer seiner bewährten Gehilfen, den er zu diesem Zwecke mitnahm, auf einem erhöhten Küstenpunkte Spaniens eine Reverbère so anbrachte, daß deren reflectirtes Licht auf Formentera mittels Fernrohrs zu beobachten war. Einige Bücher, die nöthigen Instrumente und Lebensmittel auf zwei Monate bildeten das ganze Material, eines großen Himmelsfernrohres nicht zu vergessen, von dem sich Palmyrin Rosette niemals trennte, und das schon mehr einen Theil seines eigenen Ichs auszumachen schien. Es kam das von der Vorliebe des früheren Lehrers der Charlemagne her, die Tiefen des Himmels in der Hoffnung zu durchstöbern, daß ihm noch einmal eine Entdeckung gelingen werde, welche seinem Namen die Unsterblichkeit sicherte. Das war so seine fixe Idee.