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Am Mittwoch wollte Frank-Peter seine Stundezettel vorbereiten. Er hatte eine Folientasche, in der neben einem Block ein Notizbuch und die Stundezettel verstaut waren. Der Schreck war groß, als Frank-Peter erkennen musste, dass die vermeintliche Reserve an Formularen nach Entnahme der vergangenen Woche nur der leere Block war. „Scheiße“, entfuhr es ihm. Die Stundenzettel als Formulare für den Tätigkeitsnachweis waren alle. Es war bereits 17 : 00 Uhr. Wenn er anruft und sich neue schicken lässt, ist nicht sicher, dass diese auch am Donnerstag im Briefkasten stecken werden. Also rief Frank-Peter bei seiner Zeitarbeitsfirma an und erkundigte sich, wie lange noch jemand im Büro anzutreffen sein würde. Man versprach, auf Frank-Peter zu warten und so fuhr er nach Teuma, um neue Stundenzettel in Empfang zu nehmen. Dort erfuhr er von der Chefin, dass sein derzeitiger Arbeitgeber mit ihm sehr zufrieden sei und bereits eine Verlängerung des Einsatzes von Frank-Peter beantragt habe. „Die andern waren doch bestimmt auch alle zufrieden?“, wollte Frank-Peter wissen. „Ja, sehr sogar, vor allem der aus dem Westen. Irgendetwas müssen sie dem gesagt haben. Er fragt jedes Mal nach Ihnen!“
Die Lohnüberweisung war das reinste Desaster. Für die Arbeit des ersten Monats, davon vierzehn Tage Montage in den alten Bundesländern, gab es gerade einmal 83 Euro mehr, als das Arbeitslosengeld betragen hatte, rund 885 Euro. Diese 83 Euro wurden aber mehr als aufgebraucht durch die damit verbundenen Unkosten, wie Verpflegungskostenmehraufwand, Fahrkosten zu den einzelnen Arbeitsstellen (auch wenn mit dem Jahressteuerlohnausgleich ein kleiner Teil als Rückerstattung wieder zurück kommt), den Dauerbetrieb der Waschmaschine am Wochenende für die Arbeitssachen, Arbeitsschutzschuhe und nicht zu unterschätzen die fast wöchentlichen Fahrten zur Zeitarbeitsfirma, natürlich in der Freizeit. Für diese „immense“ Lohnzahlung gibt es auch noch einen Haken: fast eine weitere Hälfte unbezahlter, aber erforderlicher Stunden als Fahrzeit, unbezahlte Anfahrten zu den Großhändlern, Wartezeiten, weil ein Monteur verschlafen hatte usw. Die privaten Belange wurden der Arbeit völlig untergeordnet und blieben dabei auf der Strecke. In dieser Konstellation kommt Frank-Peter zu dem Schluss, dass er lebt um zu arbeiten, nicht umgekehrt, wie ihm schlaue Personaltrainer in unzähligen Schulungen einzureden versuchten. Zu den Fahrkosten hatte Frank-Peter vor Jahren einmal eine interessante Studie des ADAC gelesen. Demnach sind die Spritkosten nur ein kleiner Teil der tatsächlichen Kosten. Fahrzeugversicherung, Unterhaltungskosten, Abschreibung …, wenn Frank-Peter dieses alles in seine Rechnung einbezieht, muss er zwangsläufig feststellen, dass sich die Arbeit nicht lohnt. Mit dem realen Nettolohn, also abzüglich der oben angeführten umfangreichen Nebenkosten, liegt Frank-Peter mit seinem Einkommen deutlich unter Hartz IV. Der Vollständigkeit halber sei aber erwähnt, dass für den ersten Monat eine Woche fehlt, der Start war am 07. 06. 2010! Trotzdem stellt sich die Frage, ob sich Frank-Peter die Arbeit überhaupt leisten kann? Legt er sich dagegen zu Hause in seinen Sessel, bezieht Hartz IV (sofern er bezugsberechtigt wäre), hat er alle diese Ausgaben nicht und es bliebe am Ende sogar noch mehr übrig. Er könnte dann auch mit Schwarzarbeit hier und da ein paar Euro hinzu verdienen. Der Markt dafür ist riesengroß. Wenn er, wie er später noch feststellen wird, offiziell bei einem Kunden einen Schalter wechselt, ist eine Anfahrtspauschale, mindestens eine halbe Stunde Arbeitszeit und die zu vernachlässigenden Materialkosten fällig. Alles in allem sind das etwa 70 Euro. Für 25 Euro wechselt Frank-Peter diesen Schalter als Schwarzarbeit. Es wird immer gesagt, Schwarzarbeit macht die Wirtschaft kaputt. Das trifft bestimmt dort zu, wo ganze Grundstücke in dieser Art entstehen. Nicht selten sind die Bauherrn Juristen und andere Personen des öffentlichen Lebens. Die kleinen Handlangungen dagegen würden niemals beauftragt werden, wenn die offiziellen Gebühren erhoben werden würden. Das kann sich der kleine Mieter mit seinem schmalen Einkommen oder seiner Bonsai-Rente nicht leisten, zumal in den meisten Mietverträgen steht, dass Kleinreparaturen bis 70 Euro, neuerdings meistens bis 100 Euro vom Mieter selbst zu tragen sind. Warum eigentlich? Ist die Miete nicht schon genug? Diese Aufwendungen fehlen also in den Aufrechnungen niemals!
Am 26. 07. 2010 arbeitete Frank-Peter mit dem seit einer Woche aus dem Urlaub zurück gekehrten Marco Rechenberger7, Thilo Eckert hatte für einen Tag vorbereitende Arbeiten in der Firma zu erledigen. In ihrem Materialraum mussten sie Lampen für die Installation vorbereiten. Die werksseitig montierten Kabel waren zu lang und mussten gekürzt werden. Dabei erzählte der sonst so wortkarge Marco Rechenberger, dass seine Eltern beide arbeitslos seien und Hartz IV bezogen. Seine Mutter, Jahrgang 1955 ist gelernte Verwaltungsfachfrau, sein Vater, Jahrgang 1951, also ein Jahr älter als Frank-Peter, Kfz-Elektriker. Er ist schon so lange arbeitslos, dass er keinen Mut mehr hat, eine Arbeit anzunehmen. Er traut sich den heutigen Stress einfach nicht mehr zu. „Wirkt sich das nicht aufs Familienleben aus?“, fragte Frank-Peter. Marco Rechenberger nickte stumm und nachdenklich.
Abends traf Frank-Peter im seinem Wohnhaus einen Mitbewohner, der seit kurzer Zeit Rente bekam. „Die haben mir den Abschied wahrlich sehr leicht gemacht“, sprach Dietmar Dullmann, einst Hausmeister mit Leib und Seele in einer der größten Wohnungsgenossenschaften Deutschlands. Erst haben sie allen 90 Hausmeistern den Lohn um 400 Euro gekürzt, weil das Unternehmen angeblich rote Zahlen schreibt. Es muss gespart werden, hieß es. Dietmar Dullmann, die nahe Rente schon sicher, fragte auf einer Betriebsversammlung: „Der Bereich Hausmeister besteht doch nicht nur aus den 90 Hausmeistern, sondern auch noch aus einer Verwaltung und einer nicht mal geringen Führungsetage. Werden dort auch solche Einsparungen vorgenommen?“ Es wurde dort nicht gespart, sagte er verbittert zu Frank-Peter. Als nächstes sollten die Überstunden, die noch aus dem vergangenen Jahr stammten, ersatzlos gestrichen werden. Dietmar Dullmann ist sofort zum Betriebsrat und hat damit gedroht, vor Gericht gehen zu wollen. Seine Überstunden wurden daraufhin nicht gestrichen, wohl aber die aller anderen Hausmeister, die sich nicht trauten, den Mund aufzumachen. Deren Zeit bis zur Rente ist noch bedeutend länger und die Möglichkeit, missliebige Kollegen zu kündigen schwebte wie ein Damoklesschwert über deren Häuptern. Erpressung mit staatlicher Genehmigung?
Am Dienstag erfuhr Frank-Peter, was für vorbereitende Arbeiten Thilo Eckert in der Firma gemacht hatte. Er durfte Leuchtenteile für die große Halle umlackieren. Die Firma hatte weiße bestellt und silberfarbene sollten eingebaut werden. Weiß ist die Standardfarbe und ohne Preisaufschlag zu bekommen, konnte Frank-Peter später bei anderen Produkten feststellen. Der Chef war dagegen, dass Thilo Eckert die Umlackierung auf der Baustelle vornimmt, denn das darf keiner sehen, sagte er. So gab es also einen Tag Innendienst für Thilo Eckert und neue Erfahrungen beim Umgang mit Sprayflaschen und Felgenlack.
Auf der Gerüstdecke arbeitete auch ein Malermeister. Der war damit beschäftigt, die ursprüngliche Farbgebung wenigstens an einem kleinen Teil der Decke als Hommage an den Denkmalschutz wieder herzustellen. „Warum wird nicht die ganze Decke so gemalt?“, fragte Frank-Peter. Der Malermeister schaute über seinen Brillenrand und machte eine unmissverständliche Körperbewegung. „Das ist viel zu teuer!“, und mit einem Blick auf die von Frank-Peter und Marco Rechenberger installierten Lampen, die zum Leuchtenwechsel an einem eingebauten Lift herabgelassen werden können mit einem verschmitztem Augenzwinkern: „weil eure Lampen zu viel kosten!“ In einer anderen Halle zeigte Thilo Eckert Frank-Peter, wie dort damals die Farbgebung vorgenommen wurde. Die gesamte Wand wurde mit einem farbigen Putz versehen. Anschließend wurde eine zweite, andersfarbige Putzschicht darüber aufgetragen und das gewünschte Muster so tief ausgeschnitten, dass dort die erste Farbschicht sichtbar wurde. Im Rahmen der Rekonstruktion hat man sich aber dort nur auf Farbe verlassen. Die Grundsteinlegung für das gesamte Areal war 1953. Damals hatte das geschundene und mit vielen Kriegsnarben verunstaltete Land die Mittel aufbringen können, die gesamte Decke der riesigen Halle und die Wände der anderen Hallen farblich anspruchsvoll zu gestalten und eine regelrechte Talentfabrik für Künstler entstehen zu lassen.
In den Medien wurde in diesen Tagen eine Statistik veröffentliche. Demnach stieg in Deutschland und überproportional in Ostdeutschland zum einen der Anteil an Minilohn-Empfängern und zum anderen war bei Neueinstellungen der Anteil der Zeitarbeiter von 25 % in Januar auf über 34 % gestiegen. In Ostdeutschland hatten 2008 fast 13 Prozent der Beschäftigten in den neuen Ländern einen Stundenlohn von unter sechs Euro. Im Westen seien es dagegen 5,4 Prozent gewesen. Jeder fünfte Beschäftigte (20,7 Prozent)8 erhielten 2008 einen Niedriglohn. Nach einer OECD-Definition heißt das, Betroffene im Westen bekamen weniger als 9,50 Euro, in Ostdeutschland weniger als 6,87 Euro brutto pro Stunde. Etwa jeder dritte Geringverdiener (gut 2,1 Millionen) arbeitete sogar für Stundenlöhne unter sechs Euro brutto, 1,15 Millionen für weniger als fünf Euro. Seit 1998 ist die Zahl der Geringverdiener um fast 2,3 Millionen gestiegen! Sind denn die Ossis alle doof? Gibt das nicht auch mit der damit verbundenen Kaufkraft eine Rückwirkung auf die Industrie und den seit 20 Jahren erwarteten Aufschwung? Schlaue Gewerkschaftsfunktionäre deuteten dies als eine staatlich gewollte Maßnahme zur Lohnsenkung. Der DIHT-Präsident kritisiert hingegen die seiner Meinung nach noch zu wenigen Lenkungseingriffe vom Staat, damit noch kürzere Kündigungsfristen möglich werden und noch mehr befristeter Anstellung keine Bremse für einen Aufschwung sind. Warum wird immer der Wolf gefragt, wenn es um vegetarische Kost geht? „Gesundheit ist eine hässliche Krankheit - sagen die Bakterien.“9. Mit gleicher Präsenz müssten einmal die Arbeitnehmer gefragt werden, was sie vom Minilohn und von den Lohnsenkungen halten. Selbst in den relativ gut zahlenden Firmen werden durch Tarifwechselaktionen Zustände geschaffen, die für Neueinstellungen gewaltige Einschnitte bringt und bei den so hoch gelobten Tariferhöhungen den „alten“ Mitarbeitern nur eine Verschiebung des so genannten Auffüllbetrages bringt. Quasi erfahren diese dann im Laufe der Jahre eine Lohnkürzung in Höhe der Teuerungen. Frank-Peters Ehefrau hat so seit mehr als zehn Jahren keine Lohnerhöhung mehr erfahren. Die Beeinflussung durch die Medien ist schon prekär. Wenn Eisenbahner (gleiches betrifft auch alle anderen Bereiche) streiken, kolportiert die Presse die Auffassung der Arbeitgeber, die Beschäftigten würden die Bahnkunden als Geisel für die Durchsetzung ihrer (natürlich überhöhten) Lohnforderungen missbrauchen. Ist es nicht eher umgekehrt? Die oberen Führungsetagen missbrauchen die Bahnkunden als Geißel, um die Arbeitnehmer mit Dumpinglöhnen zu erpressen?
Der Mittwoch brachte einen neuen Baustellenbereich im gleichen Areal. „Ganz schnell“ sollte am Treppenhaus hinter dem großen Hörsaal mit den Arbeiten angefangen werden. Also erst einmal Aktionismus, damit es nach Arbeit aussieht. Was sich so banal anhörte, erwies sich bei näherer Betrachtung als Arbeit für die nächsten vierzehn Tage. Der Denkmalschutz verlangte die Verwendung der alten Lampen. Die heutigen Vorschriften und der erkennbare Verschleiß durch über fünfzig Jahre Betrieb erlaubten indes die unsanierte Nutzung nicht mehr. Wer zum Teufel ist also nun für die Aufarbeitung der Lampen zuständig? Absprache? Fehlanzeige! Erst einmal wurden diese sehr vorsichtig demontiert, ein Kraftakt im Treppenhaus. Wie immer lassen die Verantwortlichen die Monteure „wursteln“, um sie bei Schäden abzustrafen, aber keinesfalls bei erfolgreichen Engagement mit Lob zu verwöhnen. Die Verantwortung wird durch Unterlassung von notwendigen Absprachen einfach nach unten delegiert. Der Haustechniker Dietmar Lohmann lagerte die Lampen auch freundlicherweise ein, damit sie im Bereich der Baustelle nicht noch mehr zu Schaden kommen. Die vorhandenen Unterlagen warfen für Marco Rechenberger und Frank-Peter eine Menge Fragen auf, die entscheidenden Einfluss auf Arbeit hatten. In einem Telefonat versprach der Chef, am Donnerstag auf die Baustelle zu kommen. Und er kam. Wie immer tat er sehr wichtig und versprühte eine Aura, die nach Hektik anmutete. Auch er hatte für einige der Fragen keine Antworten und wollte diese mit dem Elektroplaner klären. Für Frank-Peter hatte er eine schlechte Nachricht: „Du bist ab kommender Woche abgemeldet! Das hat nichts mit dir zu tun“, sprach er zu Frank-Peter. „Aber du siehst ja, die großen Hängepartien haben wir geschafft und jetzt können die eigenen Leute allein weiter machen!“ Frank-Peter hatte an diesem Tag ein Kabelsuchgerät von zu Hause mitgebracht, um den Verlauf der Zuleitungen zu den Lampen herauszubekommen und wenigstens die alten Rohre nutzen zu können. „Das erspart eine Menge Arbeit“, meinte Thilo Eckert, als er Frank-Peter bei der Arbeit zusah. Wenn Zeitarbeiter als „Feuerwehr“ auf die Baustellen bestellt werden und dort mehr machen, als man das von normalen Gesellen erwarten könnte, müssten doch diese Spezialisten, die also die Karre aus dem Dreck ziehen, einen höheren Verdienst bekommen, als die Festangestellten. Das würde ihren Einsatz sicher auch zeitlich befristen. Aber damit will sich in der Politik ja niemand beschäftigen. Die Wirtschaft soll schon selber machen, was sie für richtig hält. Den Unternehmen zumindest erspart es eine Menge an Kosten und flexibler ist man alledem. Auftragsschwankungen werden so besser abfedert und auf die Schultern der Kleinen verladen. Reicht das nicht mehr, muss der Staat mit Hartz IV die Grundsicherung übernehmen. Sicher kann man nicht alle Firmen über den gleichen Kamm scheren. Ein gewisser Trend ist jedenfalls nicht zu verkennen.
Als uralte Schalter demontiert wurden, fiel Frank-Peter die kyrillische Schrift auf. „Da siehst du mal“, sprach Thilo Eckert, dem er das Typenschild zeigte, „da heißt es immer, die Russen haben als Reparationen alles weg geholt, hier haben sie sogar geliefert!“ Ein Irrtum, wie sich bei genauer Betrachtung des Typenschildes heraus stellte. Es handelte sich ein Erzeugnis des Stalin Werkes in Berlin-Treptow.

Die Typenschilder der demontierten Schalter in deutscher und kyrillischer Schrift
Von vier Schaltern war ein Typenschild in deutscher Sprache, drei in russischer. Das bedeutet, dass dort Produkte vor allem als Reparationsleistung für die Sowjetunion hergestellt wurden und ein Teil der Produktion seinerzeit für die Kunstschule abgezweigt worden war. Der Freitag war gekennzeichnet von Stemmarbeiten mit dem Bohrhammer. Obwohl der Schutt gleich zusammengekehrt wurde, zog eine gewaltige Staubwolke durch den 800 Meter langen Quergang. Jeder Schritt aus diesem Areal heraus zeichnete eine weiße Fußspur, die jeden Kriminalisten begeistert hätte. Aber hier nicht. „Du wirst am Montag bestimmt vom Bauleiter etwas zu hören bekommen“, sprach Frank-Peter zu Marco Rechenberger. Der zuckte mit den Schultern. „Als man hier den Putz abgehackt hat, war mit Folie eine Staubschutzwand errichtet worden. Vielleicht machen wir das auch. Aber jetzt ist schon der größte Teil der Wandschlitze gestemmt“. Nicht ganz, wusste Frank-Peter. Es kam noch einiges auf die Kollegen zu. Aber das mussten sie ohne ihn erledigen.
10. Rückzahlung eines Knöllchens!
Frank-Peter ist ein Wunder widerfahren, dass kaum zu fassen ist.
Eines Tages Mitte April flatterte Frank-Peter ein Strafbefehl (Knöllchen) ins Haus. Das Auto war auf seine Frau zugelassen, also war es erst einmal an sie adressiert. In der Begründung stand, dass das Fahrzeug am 08. März in der Gottschedstraße 23 verkehrswidrig geparkt wurde. Nach sechs Wochen kann man schlecht jeden Schritt nachvollziehen und weil Frank-Peter den Behörden in dieser Beziehung nicht über den Weg traute, vor allem wegen einer integrierten Drohung auf der Rückseite des Schreibens hat Frank-Peter den Widerspruch nicht gewagt und zähneknirschend bezahlt. Ein Widerspruch zu diesem Zeitpunkt hätte im ungünstigsten Fall den Weg vor ein Gericht eröffnen können. Das wiederum ist mit Zeit und vielleicht auch mit erneutem finanziellem Aufwand verbunden. Beides Dinge, über die Frank-Peter nicht verfügte. Außerdem waren gleich zwei Polizeiobermeister als Zeugen benannt worden. Für Frank-Peter war das ärgerlich, denn solche Sonderausgaben versuchte er seit Jahren zu vermeiden. Allerdings ist manchmal eine unklare Beschilderung oder eine ungünstige Warteposition, während die Ehefrau zum Beispiel in der Apotheke ein Rezept einlöst, eine Ursache, dass Vorschriften auch von Frank-Peter nicht erkannt oder schlichtweg ignoriert werden. Die angegebene Adresse hat ihm aber keine Ruhe gelassen, insgeheim ahnte er schon eine Verwechslung mit seiner Adresse. Spät, vielleicht zu spät suchte Frank-Peter dann diese beschriebene Stelle auf und musste feststellen, dass er in diesem Teil der Gottschedstraße seit Jahren nicht mehr mit dem Auto eingefahren war. Dieser Straßenabschnitt zwischen Käthe-Kollwitz-Straße und Thomasiusstraße ist eine so genannte verkehrsberuhigte Zone, das heißt, von einer Richtung (Thomasiusstraße) ist das Einfahren durch das Verkehrszeichen 267 nicht gestattet, allerdings auch nicht das Ausfahren in Richtung Käthe-Kollwitz-Straße. Im Bereich ab Gottschedstraße 17 ist auf beiden Seiten Parken erlaubt, rechts schräg zur Fahrtrichtung, links längs zur Fahrtrichtung. Es würde schon an Dummheit grenzen und auch akrobatische Aktionen erfordern, wenn er an dieser beschriebenen Stelle auf der linken Fahrbahnseite falsch geparkt haben sollte. Schon anhand dieser Tatsache entbehrt die Beschuldigung jeder Grundlage.
Lange überlegte Frank-Peter, was er unternehmen könnte. Es wurmte ihn mächtig, voreilig bezahlt zu haben. Wenn er aber niemals in dieser Straße mit dem Auto war, ist dann die Behauptung der „beiden“ als Zeugen genannten Polizeiobermeister nicht Falschbeurkundung zu seinem Nachteil? Als erstes schrieb Frank-Peter eine Beschwerde an das Ordnungsamt über die Art und Weise der Erlangung von Verwarngeldern und als zweites erstattete er eine Anzeige bei der Polizei wegen Falschbeurkundung. Daraufhin bekam seine Frau einen Anruf vom Polizeichef. Es war schon bühnenreif, was sich dann abspielte. So teilte der Chef der Polizei mit, dass es sich bei den angegebenen Zeugen nicht um zwei Polizisten handle, sondern um einen, wo man den Vornamen mit POM (Polizeiobermeister) und den Familiennamen erneut mit POM angegeben hatte. Diesen hatte man befragt und dabei feststellen müssen, dass es tatsächlich eine Falscheingabe gewesen sei, der richtige Ort ist die Straße, in der Frank-Peter wohnt. Der Tatvorwurf bleibt allerdings bestehen. Man werde eine Ortsbesichtigung vornehmen und sich dann gegenüber der zentralen Bußgeldstelle positionieren und auch seiner Frau eine Antwort zukommen lassen. Der Polizeichef äußerte sich noch besserwisserisch, dass die Bezahlung eines Verwarngeldes als Eingeständnis zu werten sei und eigentlich damit alles erledigt sei. Auch die Straße, in der Frank-Peter wohnt, ist eine verkehrsberuhigte Straße, eine „halbe“ Einbahnstraße.

Der ominöse Anhörungsbogen mit der „falschen“ Straße und „zwei“ Zeugen, wobei einfach der Vorname und der Familienname eines POM separat verwendet wurden
Immer wieder erhalten Einwohner von einem diensteifrigen Polizisten, vielleicht sogar von demselben, Knöllchen, wenn sie aus Richtung der einzig einzufahrenden Seite links parken, nicht aber von den allgegenwärtigen Politessen. Alle diese Knöllchen wurden bisher nach Protest der Anwohner zurück genommen.
Einige Tage später erreichte Frank-Peter ein Schreiben der Polizei. Darin wurde amtlich festgestellt, dass man eine Ortsbesichtigung gemacht hätte und außer der falsch angegebenen Straße hält man am Tatvorwurf des falschen Parkens fest. So ein Schreiben kam dann auch vom Ordnungsamt, allerdings wieder mit den zwei Polizeiobermeistern als Zeugen. Frank-Peter hatte die Sache insgeheim aufgegeben und wollte es dabei belassen. Um sein Gewissen zu beruhigen, verfasste er ein letztes Schreiben an die Bußgeldbehörde:
Sehr geehrte Damen und Herren,
hiermit lege ich Widerspruch gegen die Verwarnung gemäß Ihrem Schreiben vom 04. 05. 2010 ein.
Die irrtümliche Bezahlung der Gebühr basierte auf falschen Angaben, die Sie in Ihrem Schreiben bestätigen. Die gleiche Bestätigung habe ich auch von der Polizeidirektion erhalten. Damit ist Ihre auf dieser Basis ausgesprochene Verwarnung nichtig. Ich halte es für nicht vertretbar, wenn Sie eine auf offensichtlich falschen Angaben bestehende Verwarnung gegen eine andere vermeintliche Ordnungswidrigkeit aufrechnen.
Zudem ist in Ihrem Schreiben selbst wieder eine Unkorrektheit, die den Eindruck erwecken lassen, dass es sich um zwei POM als Zeugen handelt.
Ich bitte um Rücküberweisung der von mir aus den o. g. Gründen irrtümlich überwiesenen Gebühr sowie um eine Neuzustellung des Bescheides mit der Möglichkeit einer Stellungnahme. Vorsorglich möchte ich darauf verweisen, dass andere Bürger aus meinem Wohnbereich ebenfalls diese auf falschen Daten basierende Verwarnung erhalten haben und auf deren Widerspruch hin Sie das Verfahren eingestellt haben. Bei der Vielzahl mir vorliegender Einstellungen von Ordnungswidrigkeitsverfahren wegen Parken in der Manetstraße der letzten Jahre wäre die Ihnen ebenfalls seit Jahren vorliegende schriftliche Anmahnung einer rechtsverbindlichen Parklösung gemeinsam mit allen daran beteiligten Vertretern angeraten.
Mit freundlichen Grüßen
Zwei Wochen danach kam seine Frau von der Bank und zeigte Frank-Peter verwundert einen Zahlungseingang von fünfzehn Euro von der Stadt Leipzig! Erst nach einigem Überlegen kamen beide darauf, dass es sich hierbei um die Rückzahlung der entrichteten Gebühr für das Verwarngeld handelte, einem Umstand, an den beide von Anfang an niemals geglaubt hatten. Aber vielleicht zieht in den deutschen Amtsstuben doch Bürgernähe und Verständnis ein. Oder er wurde Zeuge eines kleinen Weltwunders?
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