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Die Wärter meinten, so brauchen wir ihn nicht mehr erschießen, ließen ihn abholen und in ein Massengrab werfen.
Mein Mann, Hans-Werner, hieß ab diesem Tag Hans-Georg. Wir hielten dies natürlich geheim, ich hatte aber immer vor meiner Tochter Angst, dass sie es
herausbekommt. In den Aktenordnern hätte sie vielleicht einen Hinweis finden können. Die Jahre vergingen, als Barbara volljährig wurde, zog sie aus.“
„Was ist denn aus Gerhard geworden, er hat ja schließlich deinem Mann das Leben gerettet?“
„Er wollte so schnell wie möglich hier weg, er ließ sich nach Hamburg zur Marine versetzen. Später, hab ich nichts mehr von ihm gehört.“
„Aber dein Mann hat doch eine ganz andere Art gehabt, hat denn nie jemand etwas bemerkt, dass da was nicht stimmt.“
„Nein, er hat sich krank gemeldet, hat einen Nachfolger bestimmt. Die ganze Einheit, hat aufgeatmet. Sie dachten natürlich alle, ich hätte über Nacht die Fronten gewechselt.“
„Aber wann ist denn der Junge zur Welt gekommen“?
„Es ist nicht unser Sohn, wir haben ihn gefunden, auf einem Transport war er zwischen den Männern. Ich bat, ob ich ihm was zu essen geben dürfte. Der Transportführer meinte, nimm ihn, aber rede nicht darüber.
So kam Wilhelm im Alter von etwa zehn Jahren zu uns. Er ist noch heute verstört, hat ein Trauma.“
„Wie alt ist er denn heute“?
„Er ist inzwischen zweiunddreißig. Fast so alt wie Barbara.“
„Wie kam denn eigentlich Betti zu euch?“
„Betti stand eines Tages vor der Türe, etwa drei Jahre alt, genaues wissen wir bis heute nicht. Selbst der Suchdienst konnte keine Mutter oder Eltern ausfindig machen. Sie hatte Papiere bei sich, in denen stand, „Ich heiße Bettina Papenbruck.“
„Seitdem haben wir uns um sie gekümmert.“
„Aber von was habt ihr denn gelebt?“, frage ich.
„Ach, die Rente von Onkel Werner war sehr gut.“ Ich musste lachen, so viel Schlitzohrigkeit hätte ich ihr nicht zu getraut.
„Sie dürfen sicher sein, über meine Lippen wird nichts nach Draußen dringen.“
„Er wird sterben, ich weiß es.“
„Sie sind aber noch sehr rüstig, und ich finde, sie sollten öfter mal unter Menschen. Sie müssen mir bei Gelegenheit ein wenig mehr erzählen. Ich finde sie sehr sympathisch, wir sollten alle mal zusammen Abendessen. Aber jetzt wollen wir erstmal sehen, was aus ihrem Mann wird.“
Das Telefon läutet. „Das sind die Kinder, tatsächlich, und was gibt es Neues?“
Barbara berichtet, „Die Ärzte haben ihn an den Tropf gehängt, aber es sieht nicht gut aus. Wir kommen jetzt wieder zurück.“
„Es wird noch dauern, darf ich sie nun alleine lassen?“ frage ich vorsichtig.
„Machen Sie, ich habe nur eine Bitte, retten Sie dieses Anwesen. Ich habe so auf Sie gesetzt.“
„Ich werde mein Möglichstes tun. In den nächsten Tagen wissen wir mehr. Also Gute Nacht.“ Es fallen mir die Gespräche mit Barbara ein, so genau weiß sie anscheinend über ihre eigene Familie nicht Bescheid, man hat ihr wohl vieles bis heute verschwiegen.
Es war so um neun Uhr, als ich sie beide kommen hörte. Ich sah mir im Fernsehen gerade einen Krimi an, als die Türe aufging und Betti herein kam. „Du hattest wohl noch nicht genug von Mord und Todschlag?“, meint sie süffisant.
„Wieso, was meinst du?“
„Na, alles was du heute so gesehen hast.“
„Na ja, es hing ja nirgends eine Leiche. Ich habe vorhin lange mit Barbaras Mutter gesprochen, sie hat mir einiges erzählt.“
„Alles?“
„Ich glaube schon.“
„Na, dann weißt du ja nun Bescheid. Ich finde es gut, wenn du alles weißt, schließlich gehörst du ja nun fast zur Familie.“
Dann kam auch schon Barbara herein. Betti meint, „er weiß über alles Bescheid.“ „Ich wollte eigentlich vorschlagen, dass wir mal alle zusammen, ich meine auch mit deiner Mutter, Abendessen“, meint Barbara.
„Wir werden das in den nächsten Tagen arrangieren.“ Barbara kommt auf mich zu, „Ich habe ja völlig vergessen, dir ein Tuch um deinen empfindlichen Hals zu wickeln, damit du besser schlafen kannst.“ Barbara beginnt damit, eines ihrer großen langen Tücher aus einem Regal zu nehmen. Sie kommt auf mich zu und führt es vor. „Ich glaube, das ist für dich das richtige.“
„Was wird das denn? keift Betti sofort“
„Betti, du kannst natürlich auch eines von mir haben, damit du nicht eifersüchtig wirst.“
„Nein lass nur, nun weiß ich ja Bescheid. Hätte nicht gedacht, dass Manfred auf Tücher steht.“
Am nächsten Morgen, komme ich kaum aus dem Bett. Erst gegen neun, als Betti an der Türe steht und meinte, „willst du denn heute liegen bleiben?“, entschloss ich mich aufzustehen. Die beiden waren mit dem Frühstück schon fast fertig, als ich in den Salon kam. „Ach, sieh mal“, lästert Betti, „Er trägt dein Tuch immer noch.“
„Was steht heute auf dem Programm?“
„Wir wollten uns doch den alten Karren ansehen, ob wir ihn in Gang bringen“
Antwortet Barbara.
„Ja, irgendeine Lösung musst du haben, denn ein Auto brauchst du.“
Wir gehen gemeinsam zur Rampe und schieben die Türe auf.
Betti fährt mit ihrem Wagen in die Garage. Bei Tageslicht sieht der alte Wagen noch viel eindrucksvoller aus. Wir holen einen Besen und den Wasserschlauch. Wir sind richtig begeistert, es kommt ein kleiner Traum zum Vorschein. Wir klemmen das Batteriekabel um und versuchten zu starten. Wie zu erwarten, macht er keinen Mucks. Er muss in eine Werkstatt und das wird sicher nicht billig. Vielleicht mach ich den Vorschlag, ihn erneut einzumotten.
„Wir werden in den nächsten Tagen einen Entschluss fassen, was meint ihr?“
„Da bin ich ganz deiner Meinung. Vielleicht ist es billiger, momentan einen Leihwagen zu nehmen?“
„Glaub ich auch.“
„Wo ist denn Betti abgeblieben?“
„Keine Ahnung, du kannst sie ja suchen gehen, vielleicht erwartet sie ja, dass du nach ihr siehst.“
„Sie ist vorhin in diese Richtung gegangen.“ Wir gehen zu den Zellen. Alle Türen stehen offen. Wir sehen Zimmer für Zimmer durch, keine Betti. Da hinten sind die Waschräume, „vielleicht nimmt sie ja gerade ein Vollbad?“
Tatsächlich steht sie hier, mit beiden Händen an eine Wasserleitung gefesselt. Mit Handschellen, linke Hand an ein Rohr, rechte Hand ebenfalls. Die Augen verbunden und einen Knebel im Mund.
„Was soll das denn?“ frage ich sie, aber was soll sie antworten, sie kann ja gar nicht reden.
„Viel Spaß“ meint Barbara zu Betti! Wir sehen dann später nochmal nach dir.“
„Na gut, ich werde inzwischen mal in den Salon gehen, so treffen wir uns einfach später bei Betti, um sie zu erlösen.“ Am späteren Nachmittag, treffe ich wieder auf Barbara, „Hast du mal nach Betti gesehen?“
„Wieso, ich dachte du hast.“
„Nein, ich wollte mich da nicht einmischen, es ist ja wenn ich es richtig sehe, eure Sache.“ Wir gehen beide gemeinsam zu Betti in den Waschraum.
„So, nun schnauf mal durch.“ Meint Barbara zu Betti und nimmt ihr den Knebel aus dem Mund. Was zur Folge hat, dass sie in den Raum brüllt.
„Ihr seid ja so was von gemein, lasst mich hier hängen, seit Stunden, kommt niemand vorbei!“ Sie schimpft wie eine Furie.
„Hast du nun endlich genug?“, wird sie von Barbara gefragt.
„Wartet nur ab, meine Zeit kommt bestimmt und dann wird es euch schlecht ergehen.“
„Aber für heute sollte erstmal Schluss sein. Ich für meinen Fall, gehe zu Bett.“
Am nächsten Morgen treffen wir uns alle im Salon.
„Was steht denn heute auf dem Programm“?
„Wann fährt denn jemand mal zur Post, es könnte sein, dass für mich einiges aus München eingetroffen ist?“
„Wir könnten das am Nachmittag machen“ schlägt Barbara vor.
„Wir werden sehen, morgen reicht auch.“
Wir begeben uns in den etwas runtergekommenen Westteil. Betti hatte dann einen guten Einfall für die Verwendung des Anwesens. „Wir machen eine Grusel-Burg aus dem Anwesen. Vielleicht für das Fernsehen, so wie es dies schon in Frankreich gibt.“
Hier sind wohl früher mal die Herrschaftszimmer gewesen. Alle Räume haben Parkett und sehr große Türen. Auch Mobiliar ist teilweise noch vorhanden. Riesige Spiegel an den Wänden.
„Hier haben also die Großkopferten gewohnt.“ Es waren verschiedene Wohnungen, eine an der anderen. Die letzte aus dieser Reihe war schon eine richtige Südwohnung. Die Sonne hat sie trocken gehalten, daher roch sie auch nicht so modrig wie die anderen. Die Wohnung ist auch komplett ausgestattet. Wir reißen die Fenster auf und öffnen die Läden. Sogar die Betten sind noch drin. Betti gibt mir einen kräftigen Schubs und ich lande direkt in einem Federbett.
„Puh, ist das aber widerlich.“
„Hier werde ich dich mal eine Nacht zurücklassen“ verspricht Betti.
„Wahrscheinlich bin ich dann am nächsten Tag erstickt.“
„Das könnte schon sein.“
„Aber bei offenem Fenster, da werden dann die Fledermäuse kommen, vielleicht auch Vampire!“
„Das ist doch das Höchste.“ Barbara meint zu Betti, „du kannst ja gerne umziehen.“ „So schlecht ist das hier gar nicht. Ist doch eine große Wohnung. Sogar eine Küche ist vorhanden. Ein Badezimmer ist auch da. Seht euch mal die tollen Fliesen an. Die Waschbecken kommen gerade wieder in Mode.“ „Sehen wir mal was darunter ist. Hier geht eine Treppe hinab, völlig separat. Vielleicht eine Einleger-Wohnung?“
Im Untergeschoß finden wir einen Eingangsbereich. „Super, jetzt brauchen wir noch nach dem Speicher sehen, ob das Dach dicht ist. Dann steht ein Umzug für Betti an.“ Betti protestiert gleich, „ich will doch nicht alleine hier wohnen.“
„Hast du etwa Angst vor Geistern?“
„Na klar. Ich habe schon letzte Nacht Todesängste ausgestanden.“
„Hast du dir in die Hose gepinkelt?“ will Barbara wissen.
„Jetzt werde bloß nicht frech“, meint Betti.
„Los jetzt in den Speicher.“ Wir steigen in den Speicher, er ist nicht verschlossen. Gleich im Eingangsbereich gibt es hier zwei große Dachgauben. Die Räume sind sehr schön ausgebaut. Wir öffnen die Fenster, um frische Luft hereinzulassen. Hier finden wir eine Bibliothek. Sogar mit vielen Büchern darin. „Also… es kann nicht so lange her sein, dass hier jemand gewohnt hat.“ Ein Mädchenzimmer, in den Schränken sind noch ihre Kleider.
„Schau mal, dass könnte dir passen.“ Barbara hält sich eines vor die Brust. Unterwäsche, die stammt ja wohl noch aus Omas Zeiten. „Ein Mieder, dass kannst du ja mal probieren.“ Die beiden albern herum, wie kleine Kinder.
„Zieh doch mal an.“ Blusen und Röcke aus der Jahrhundertwende.
„Toll, hier die Schals und Tücher. Komm wir binden Manfred ein Tuch um, vielleicht mag er es ja so gerne wie die deinen.“
Ich ließ es geschehen. Betti wickelte und wickelte, sie hatte ihre wahre Freude.
„So nun noch eines, dann ist das so wie früher.“ Sie zog es sehr streng zu. Wenn es nicht so modrig wäre - die Mode war gar nicht so schlecht, angenehm warm.
„Wir werden sie waschen. Dann darfst du sie tragen.“ Sie bindet mir noch eines vor die Augen und lacht. „So bleibst du jetzt.“ Sie nehmen mich am Arm und gehen mit mir in das nächste Zimmer. Ich tastete mich ein bisschen herum, zum Gelächter der beiden. Ich kam in ein anderes Zimmer, verschloss die Türe und befreie mich von den vielen Tüchern. „Na Gott sei Dank.“
Da gibt es noch eine weitere Türe. Wir öffnen sie, hier geht es wohl in eine Art Wäschespeicher. Da hängen noch Bettlaken, Vorhänge, Tischdecken.
„Guck mal Betti, da sind noch Stoffwindeln, die müssen ein Baby gehabt haben.“
„Die kann ich ja dann für dich verwenden.“, meint Betti lachend.
„Diese Wohnung könnte man sicher mit wenigen Mitteln renovieren.“
„Das Bettzeug muss noch gebügelt werden“, merke ich an.
„Das wäre doch eine Wohnung für Manfred“, meint Betti.
„Ich will doch nicht ewig bleiben!“
„Wir werden dich zu überzeugen wissen, dass kannst du uns glauben.“
Wir steigen die Treppen hinunter, „Wir hätten einen Koffer mitnehmen sollen.“
Ich gehe noch mal nach oben, um den Lederkoffer zu holen. Er ist ziemlich schwer, aber ich schaffe es. Als wir im Hof stehen, sehe ich Barbara mit einem großen Stoffpaket. „Was ist das denn, willst du etwa heute noch Waschen?“
„Na die Tücher und Schals, die werde ich dir waschen.“
„Aber die Windeln, hast du hoffentlich dort gelassen.“
„Mal sehen.“
Am Abend treffen wir uns wieder im Salon, um den Koffer zu inspizieren. Er ist abgeschlossen und das Schloss ist ziemlich stabil. „Wir brauchen einen Schraubenzieher, dann werden wir es schaffen“. Gegen die rohe Gewalt hatten die Schlösser keine Chance. Die Schnappriegel sprangen auf und wir staunten nicht schlecht über den Inhalt. Der Koffer war voll von Fotos. Die Qualität war teilweise sehr schlecht. Alle Bilder hatten etwas mit Militär zu tun. Gruppenfotos, aber auch Panzer und Granatwerfer. „Am besten wir bringen den Koffer zum Roten Kreuz. Vielleicht gibt es Hinweise auf Vermisste.“ Wir leeren den Koffer vollständig aus, ganz unten finden wir dann doch noch etwas Interessantes. Jede Menge Fotos vom Anwesen. „Sieh mal, hier ist das große Garagentor. Und im Hintergrund kann man die Lastwagen sehen, die stehen heute noch dort.“
Auf einem Bild erkannten wir Barbaras Mutter in der Küche. Auf weiteren haben wir sogar Barbara im Kinderwagen entdeckt. „Schau Mal, da ist ja unsere alte Schule und Betti ist auch auf dem Bild.“
„Kommt lasst uns ein Glas Wein trinken.“ Ich hole Gläser und ein wenig zum Knabbern haben wir auch noch. „Wie war das denn früher bei euch mit der Schule? Ich habe mal gehört, dass es Schulen gab, da waren mehrere Klassen in einem Raum.“
„Ja, so war das bei uns auch, zumindest die ersten vier Klassen. Wir sind ja schon sehr früh von hier weggekommen, wir, da meine ich Betti und ich. Es war für uns etwas Besonderes, dass wir zur Tante durften, in die Großstadt nach Stralsund.“
In Stralsund gab es ein Schwimmbad, und natürlich jede Menge Jungs. Wir gingen ins Kino, tanzen und konnten auch mal ans Meer zum Segeln.
Ich höre sehr gespannt zu.
„Ihr hattet ja riesiges Glück, dass ihr beide bei der Stadtverwaltung untergekommen seid, oder seht ihr das anders?“
„Wir haben ja auch hart dafür studiert. Wir waren die einzigen, die sich mit den alten Schlössern und Burgen auskannten. Jetzt sind wir inzwischen verbeamtet. Wir bekommen also später mal eine gute Pension.“
Kapitel: 9 Erzähl mal
„Erzähl mal, wie war das bei dir?“, will Betti wissen.
„Ich bin in München geboren. Hatte eine ziemlich Chaotische Kindheit, als Jugendlicher bin ich im Winter zum Skifahren. Im Sommer war ich im Segelclub. „Ich werde dann noch mal eine Flasche Wein öffnen. Soll ich noch ein paar belegte Brote dazu machen?“
„Was ist denn noch im Kühlschrank?“
„Salami, Streichwurst, dass war es.“
„Na dann machen wir doch eine richtige Brotzeit.“
Barbara tritt an meine Seite. „Ich werde dir helfen. Ich schneide das Brot und streich es mit Butter, du verteilst die Salami“. Betti lacht, „wenn man euch so zuhört, dann könnte man glauben, ihr seid seit zehn Jahren verheiratet.“
Betti kommt mit einer Flasche Wein zurück, „ich hoffe es ist ein Trockener.“
Wir saßen recht lustig in der Runde, als im Hausgang etwas mächtig klapperte und schepperte. Wir springen auf und sehen eine Person davon rennen.
„Wer war das denn?“, fragen wir uns wie aus einem Mund.
„Seht mal her, das ist mein Laptop. Er hat ihn verloren. Sicher ist er hin.“
Wir gehen sofort in mein Zimmer und müssen feststellen, dass alles durchwühlt ist. „Einbrecher?“
„Aber hier kommt doch niemand herein.“
„Ich werde mal nach Wilhelm sehen, vielleicht weiß er etwas.“
„Komm bitte mit, vielleicht ist ja der Einbrecher noch im Haus.“
Wilhelm stammelte herum, „ich habe letzte Woche im Ausbildungsheim von den wertvollen Sachen erzählt, die Manfred entdeckt hat. Du weißt ja, wir haben doch noch den alten Stollen, durch diesen kommt man doch in die Anlage.“
Wir waren sprachlos. „Stollen, von welchem Stollen redest du?“
„Na ihr wisst doch, der hinten am zweiten Ausgang herauskommt.“
Ich vermute, da hat sich jemand einen Eingang gemacht. „Los, wir müssen nachsehen, Wilhelm, du kommst mit und zeigst uns den Stollen.“ Jeder von uns schnappt sich eine Taschenlampe, so ziehen wir los. Wilhelm geht mit uns in den Keller. „Da ist er gelaufen“, stellte Wilhelm fest. Wir müssen uns etwas bücken und nach etwa sieben Metern kommen wir zu einem Eisengitter. Es steht offen, dahinter sahen wir ein kleines Wäldchen und einen Weg. Ein Kleinbus versucht sich davon zu machen, aber er sitzt im Morast fest. Die Räder drehen im nassen Laub durch. Wir gehen auf ihn zu und Wilhelm erkennt seine Kumpane.
„Was habt ihr euch den dabei gedacht. Los kommt raus.“
„Ihr habt ja nur Glück, dass wir hier keine Polizei brauchen. Macht auf, mal sehen was ihr erbeutet habt.“
„Da schau her, mein Handy und mein kleines Radio. Na viel war es ja nicht. So und jetzt geht ihr zu Fuß nach Hause. Den Wagen könnt ihr morgen abholen. Gebt den Schlüssel her.“
Sie meckerten und fluchten, aber sie stapften los. Wir schlossen den Wagen ab und gingen wieder zum Stollen zurück. Das Eisen Tor zogen wir sicherheitshalber zu.
„So hier ist zu. Wer weiß wie viele solche Eingänge es noch gibt?“
Wilhelm will nun gehen, es ist ihm sehr unangenehm. „Los zieh ab, „aber bitte nie wieder mit jemandem über dieses Anwesen sprechen“, beschwört in Barbara.
„Ich verspreche es.“
Betti meint, „hier war ich noch nie.“
„Doch, du kannst dich nur nicht mehr daran erinnern. Sie will die Pritsche sehen und ist begeistert. „Das ist ja äußerst praktisch, da muss man ja gar nicht lange rum tun, da bist du gleich fixiert.“
Anschließend gingen wir in das Verhörzimmer, und Barbara meint, „hier hat mich Manfred überrumpelt.“
„Wieso?“
„Er bat mich Platz zu nehmen, Sekunden später war ich angegurtet.“ Betti war begeistert.
„Na Manfred, möchtest du nicht Platz nehmen?“
„Sicher nicht.“
„Ach komm, nur ganz kurz.“ Fleht sie mich an.
„Ein anderes Mal, für heute hatten wir genug.“
„Versprochen?“
„Okay.“ Wir gingen auseinander und ich versuchte mein Laptop in Gang zu bringen, leider vergebens. Mein Handy war noch in Ordnung. Ich lege mich schlafen. Es war natürlich nicht gut, dass nun auch Fremde von diesen Wertsachen wussten. Ich beschloss mit Wilhelm zu reden, er scheint die Anlage besser zu kennen als die beiden Damen.
Zum Frühstück kamen wir alle ziemlich pünktlich gegen neun Uhr zusammen. Wir haben beschlossen, heute mal nach Stralsund zu fahren, um im Postfach nachzusehen.
„Kann ich mit euch kommen?“
„Wir wollten eigentlich mal wieder unter uns sein“ meint Barbara.
„Verstehe, ich habe ja auch alleine genug zu tun.“
„Ach hier ist eine Tüte, alles frisch gewaschen.“
„Super, vielen Dank.“ Wir packen alle zu, so steht das Frühstück schon nach kurzer Zeit auf dem Tisch. „Die Sonne kommt raus, ich werde mich mal ein wenig in die Sonne legen und den Tag ohne Arbeit genießen.“
„Mach das, du wirst es nicht für möglich halten, aber wir haben sogar Liegestühle. Wir werden den Innenhof mal ein wenig gemütlicher herrichten. Vielleicht noch ein paar Pflanzkübel. Auch ein Tisch könnte nicht schaden.“ „Ich werde von den Klapptischen und Bänken welche in den Hof stellen, vielleicht hilft mir ja Wilhelm dabei es ein wenig zu dekorieren?“
„Frag ihn, er ist immer froh, wenn er ein bisschen Kontakt hat.“
„Seht euch doch mal nach einem gebrauchten Auto um, auf die Dauer wird es notwendig sein. Ich bringe euch noch runter, vielleicht treffe ich ja auf Wilhelm.“ Tatsächlich kommt Wilhelm auf uns zu.
„Kannst du mir helfen?“ frage ich ihn gleich.
„Gerne, mir ist sowieso langweilig.“ Ich erkläre ihm meine Idee, den Hof ein bisschen ansprechender zu gestalten. So haben wir den halben Vormittag damit verbracht, Bänke zu schleppen und einen Tisch aufzustellen.
„Was hältst du von einer leckeren Brotzeit?“
„Finde ich prima.“ Er läuft hinüber zu seiner Mutter. Schon nach kurzer Zeit kommt sie mit ihm zusammen und einem gefüllten Korb zurück.
„Das habt ihr aber toll gemacht, richtig gemütlich.“ Wir legen noch eine Tischdecke aus und dekorieren den Tisch mit einem Blumenstrauß. Als wir so beisammen sitzen, fühle ich mich richtig wohl und sage dies auch. „Ich bin übrigens Mathilde, sie können ja schlecht Mutter zu mir sagen.“
„Warum denn nicht, sie könnten ja auch die Mutter der Nation sein“. Sie lacht und meint, „es würde mir gefallen, wenn sie bleiben würden.“ Ich war völlig sprachlos. „Sie könnten hier so viele Anwesen herrichten, da hätten sie Arbeit für die nächsten fünfzig Jahre.“
Wilhelm knüpft gleich an und meint, „wir haben da noch eine sehr schöne Wohnung, nur ein bisschen Farbe fehle noch.“
„Ach, du meinst die im Südflügel?“
„Ja ich habe euch gestern gesehen, wie ihr sie besichtigt habt.“
„Weißt du Wilhelm, es ist nicht so leicht, einfach mal von München wegzugehen und nach Mecklenburg-Vorpommern zu ziehen.“
„Doch, doch du musst dir nur einen Möbelwagen nehmen. Beim Ausladen helfe ich dir.“
„Das ist aber lieb von dir. Was glaubst du denn, was deine Schwestern dazu meinen?“
„Die haben dich lieb, dass weiß ich.“
Mathilde sieht mich etwas nachdenklich an. „Wenn jetzt mein Mann stirbt, brauche ich unbedingt einen anderen Mann im Haus.“ Das Gespräch findet erst ein Ende, als wir die Auto Hupe hören.
Sie haben tatsächlich einen Gebrauchten mitgebracht. „Sieh ihn dir bitte an, du verstehst etwas davon. Ein alter Benz, er ist erst fünf Jahre alt und es ist ein Diesel, den können wir mit unserem Heizöl betanken.“
„Scherz beiseite. Hat er schon viel Kilometer drauf?“ Wir sehen ihn uns alle an, sogar Mathilde hat Interesse. Sie meint, „da zahl ich was dazu.“ Der Zustand ist recht ordentlich, keine Spur von Rost ist zu sehen.
Betti meint, „und schöner wie mein alter Corsa ist er auch.“
Erst jetzt bemerken sie den aufgebauten Tisch. „Da muss erst jemand aus München kommen, um unseren Hof auf zu frischen.“
„Du hast das toll gemacht“, lobt mich Betti.
„Aber ich hab das alles Wilhelm zu verdanken, der hat mir nämlich sehr geholfen.“ Wir setzen uns alle an den Tisch und stoßen mit einem Bier miteinander an.
„Auf den neuen Wagen.“ Wilhelm setzt den Satz fort, in dem er sagt, „und dass Manfred hier bleibt.“ Betti und Barbara sehen sich an, „ist ja toll!“
„Seit wann hast du dich entschieden?“
„Noch gar nicht, es war eine Idee von deiner Mutter. Wir haben gerade darüber gesprochen, da seid ihr gekommen.“
Betti meint, „da hab ich ja einen Spielgefährten, oder etwa nicht?“ Mathilde sieht sehr ernst zu Betti hinüber und meint, „bitte lass den Blödsinn. Dein letzter Freund ist drei Tage drüben gesessen und hat dich dann verlassen.“
„Hab ich gar nicht verstanden, ich habe ihm extra gesagt, er müsse schon etwas geduldig sein.“
„Dies hat er wohl falsch verstanden. Er hat uns fluchtartig verlassen“, meint Barbara. „Der war aber auch nichts für uns“, fügt Betti an.
„Also ich mache jetzt meine Siesta, wir sehen uns dann später.“
Nachdem es ein wunderschöner Tag ist, öffne ich die Fenster und lasse die Sonne herein. Gegen Abend treffen wir uns im Salon, das heißt, eigentlich kommt nur Betti. Barbara lässt sich entschuldigen, sie wollte noch mal zum Autohändler und alles klarmachen.
„Wenn du willst kann ich dir ja mal die Pläne erklären.“ Aber wichtig wäre doch, einmal zu wissen, was alle wollen. „Sag mal, hast du wirklich vor, eventuell hierzuziehen?“ „Was soll ich hier? Mein Leben ist doch in München und wenn ich mal für länger weg bin, freue ich mich wieder zurückzukommen. Für eine gewisse Zeit hierbleiben, warum nicht?“
„Wie meinst du denn, dass man Geld auftreiben könnte?“, fragt Betti.
„Ich glaube, dass man die alten Motorräder, Autos verkaufen kann. Auch wenn es kein Vermögen ist, aber für einen Teil der Sanierung wird es schon reichen. Da fällt mir gerade ein, ihr seid doch auf der Post gewesen, war nichts für mich da?“