Untergrundkirche und geheime Weihen

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Zur Methode der wissenschaftlichen Arbeit: Für diese Studie musste eine Methodenvielfalt angewendet werden. Für den historischen Teil wurde die historischdeskriptive Methode mit Nutzung der oral history verwendet. Die Interviews mit Zeitzeugen wurden (teilweise) gesteuert. Die Methode oral history birgt selbstverständlich Risiken in sich – sie fordert von dem Forscher eine sehr solide Vorbereitung; eine große Rolle spielen die zwischenmenschliche Kommunikation, die Beobachtungsfähigkeit des Forschers oder auch manche unvorhersehbare Faktoren (der momentane Gesundheitszustand, Laune, wichtiges Telefongespräch usw.). Es besteht eine bemerkbare Grenze zwischen den Informationen, die die interviewten Personen „ins Mikrofon“ sagen, und solchen Informationen, die sie, wenn überhaupt, nur außerhalb der Aufnahme bereit sind mitzuteilen. Diese Grenze muss von dem Forscher respektiert werden. In der vorgelegten Dissertation werden außerdem folgende Gesprächssituationen unterschieden: Interview (mit Audio-Aufnahme), Gespräch, Treffen, Telefonat (ohne Aufnahme).
Ein weiterer Schritt ist die kritische Arbeit mit Archivmaterial der staatlichen, kirchlichen und privaten Archive. Im Prager Archiv der Sicherheitskräfte (Archiv bezpečnostních složek, ABS) handelte es sich um Untersuchungs- und Gerichtsakten von Bischöfen und Priestern aus der ersten Hälfte der 1950er Jahre. Dieses Material muss mit Kenntnissen über den Verlauf und vor allem über die Methoden des Verhörs zu dieser Zeit des kommunistischen Totalitarismus gelesen werden. In manchen Akten dieses Archivs werden zwei oder sogar drei unterschiedliche Seitenzahlen angegeben, was zur Verwirrung führen kann. Für den Zugang in die Diözesanarchive in Erfurt, Görlitz und Magdeburg war die vorherige Zustimmung des Ortsordinarius notwendig. Kardinal Miloslav Vlk ermöglichte mir großzügig alles zu kopieren, was zwei Kartons aus seinem Privatarchiv mit unsortiertem Material über geheime Weihen beinhalteten.17 Seine einzige Bedingung war, dass ich alle Dokumente ordentlich zitieren werde. Erst kurz vor Abgabe der Dissertation wurde ich von der Kanzlerin der Prager Erzdiözese darauf aufmerksam gemacht, dass sich bei ihr im Büro noch ein Teil des Privatarchivs von Kard. Vlk zum Thema der geheimen Weihen befindet.18 Zitiert werden in dieser Arbeit viele Archivdokumente, um sie auf diese Weise weiteren Forschern zugänglich zu machen. Bei der Übersetzung der Zitate ins Deutsche habe ich mich um eine wortgetreue Übertragung bemüht. Bei der Transkription einiger Archivdokumente aus den Jahren 1949/1950 stieß ich auf folgende Schwierigkeiten: manche lateinische Texte sind schwer lesbar, es handelt sich meistens um schon damals angefertigte Kopien mit Tippfehlern und, wenn sie in mehreren Akten auftauchen, mit kleinen Abweichungen im Wortlaut.
Für den kirchenrechtlichen Teil wurde eine rechtlich-historische und systematisch-analytische Methode unter Anwendung der wichtigsten kanonistischen Prinzipien verwendet. Letztendlich wurde für die verschiedenen „Arten“ der geheimen Weihen die komparative Methode genutzt.
Weiter werden in dieser Arbeit mehrere Listen der Geweihten veröffentlicht. Aus zeitlichen Gründen – da dies eine sehr mühsame und zeitaufwendige Arbeit ist – konnten solche Listen nicht zu allen Bischöfen, die im Geheimen die Weihen erteilten, erstellt werden.19 Oftmals war es eine Puzzlearbeit – in der Fußnote wird oft nur eine Quelle angeführt, aber in Wirklichkeit handelte es sich um den Vergleich von mehreren Quellen. Selbstverständlich ist auch eine Vollständigkeit der hier publizierten Listen nicht möglich – um eine Ergänzung oder Korrektur wird ausdrücklich gebeten! In diesen Listen werden Namen der geheim Geweihten veröffentlicht, die entweder schon gestorben sind oder deren Name bereits in der Literatur bzw. im Internet im Zusammenhang mit geheimen Weihen veröffentlicht wurde oder deren Ordensoberer bzw. Ordensarchivar der Autorin gegenüber die Namen bestätigte oder die selber der Autorin gegenüber ihre Weihe bestätigten. Die unten angeführten Geheimweihen sind nach dem Ort, dem Weihespender und chronologisch – von der ältesten Weihe an – geordnet. Dabei sind der Weihespender und das Weihedatum nicht immer sicher – in manchen Fällen, besonders um das Jahr 1968, nahm ein offiziell wirkender Bischof eine von ihm selbst oder von einem anderen Bischof früher erteilte geheime Weihe auf sich, damit diese nicht verraten wurde und der betroffene Kleriker in die Seelsorge eintreten konnte. Auf diese Weise handelten z. B. die Bischöfe Pobožný, Trochta, Skoupý und Rusch (Innsbruck). Falls es bekannt ist, dass die einzelnen Weihen (Diakonats- und Priesterweihe) an unterschiedlichen Terminen stattfanden, wird dies ausdrücklich erwähnt. Wenn die Diakonen- und Priesterweihe auf einmal erteilt wurde, wird nur „geweiht“ angegeben.
1 Fiala, Petr /Hanuš, Jiří, Die Verborgene Kirche. Felix M. Davídek und die Gemeinschaft Koinótés, Paderborn [u. a.] 2004, 17-19.
2 Preunkert-Skálová, Petra, „Die ganze Welt schaut zu, wie sie uns um Gott betrügen“ Ekklesiologie und Pastoral der tschechischen Untergrundkirche, Ostfildern 2016, 12.
3 Vaško, Václav, Dům na skále, 3 Bde., Kostelní Vydří 2004-2008.
4 Kaplan, Karel, Staat und Kirche in der Tschechoslowakei 1948-1952, München 1990.
5 Cuhra, Jaroslav, Československo-vatikánská jednání 1968-1989, Praha 2001.
6 Balík, Stanislav /Hanuš, Jiří, Katolická církev v Československu 1945-1989, Brno 2007.
7 Fiala, Petr /Hanuš, Jiří, Die Verborgene Kirche.
8 Liška, Ondřej, Jede Zeit ist Gottes Zeit. Die Untergrundkirche in der Tschechoslowakei, Leipzig 2003.
9 Bachelor-Arbeiten: Černý, Michal, Život podzemní církve na Moravě na příkladu některých vybraných osobností, Bachelorarbeit an der CMTF UP, Olomouc 2012. Murín, Jozef, Metzov pojem nebezpečnej pamäti a jeho aplikácia na dejiny skrytej církvi na Slovensku, Bachelorarbeit an der ETF UK (IES), Praha 2008. Hlavica, Stanislav, Tajně organizovaná teologická studia a příprava diecézních a řeholních čekatelů kněžství na pastorační činnost v letech 1948-1989 v centralizačních klášterech, internačních a přeškolovacích táborech, věznicích a individuální studium při zaměstníní, Bachelorarbeit an der PF MU, Brno 2013. Voženílek, Jan, Život a pastorační činnost františkánské komunity v Liberci v období normalizace, Bachelorarbeit an der KTF UK, Praha 2014.
Diplomarbeiten: Blaha, Karel, Žena jako kněz. Zkušenost Koinótés, Diplomarbeit an der HTF UK, Praha 2005. Kahounová, Miloslava, Život a odkaz biskupa Ladislava Hlada, Diplomarbeit an der KTF UK, Praha 2001. Sadílek, Jakub František, Studium teologie v české františkánské provincii (sonda do dějin české teologie), Diplomarbeit an der KTF UK, Praha 2000.
Dissertationen: Sepp, Peter, Geheime Weihen. Die Frauen in der verborgenen tschechoslowakischen Kirche Koinótēs, Ostfildern 2004. Preunkert-Skálová, Petra, „Die ganze Welt schaut zu, wie sie uns um Gott betrügen“ Ekklesiologie und Pastoral der tschechischen Untergrundkirche, Ostfildern 2016. Nedorostek, Miroslav, „Moravská“ skrytá církev, Dissertation an der FHS UK, Praha 2017. Usw.
10 Bačíková, Lucia, Poď a nasleduj ma! Zo spomienok tajne vysvätených kňazov, Prešov 2005. Konzal, Jan, Duch a nevěsta. Z dějin církevního podzemí ve 2. polovině 20. století, Brno 2010. Hirka, Ján, Pod ochranou Márie. Pastier v službe Cirkvi, Prešov 2013. Beránek, Josef/Rybář, Jan, Deník venkovského faráře. Hovory s Janem Rybářem, Praha 2016. Usw.
11 https://www.getsemany.cz/archiv (abgerufen am 18.5.2017).
12 Bitterli, Marius Johannes, Wer darf zum Priester geweiht werden? Eine Untersuchung der kanonischen Normen zur Eignungsprüfung des Weihekandidaten, Essen 2010. Woestman, William H., The Sacrament of Orders and the Clerical State. A Commentary on the Code of Canon Law, 3. Auflage, Ottawa 2006.
13 Němec, Damián, Mimořádná kanonická opatření pro pokračování řeholního života v letech 19481989, in: Hanuš, Jiří /Mačala, Pavol /Marek, Pavel (ed.), Církve 19. a 20. století ve slovenské a české historiografii, Brno 2010, 573-594.
14 Der in der deutschen Sprache fest eingewurzelte Terminus „Rituswechsel“ ist nicht präzis. Die beiden in der katholischen Kirche heute geltenden Codices verwenden den Begriff „Übertritt in eine andere eingenberechtigte Kirche (Kirche sui iuris)“, siehe c. 112 CIC/1983 und c. 32 CCEO.
15 Adam, Miroslav Konstanc, L’ascrizione ad una determinata Chiesa sui iuris e passaggio da una Chiesa sui uiris ad un’altra in Cecoslovacchia (1918-1990), in: Angelicum 88 (3/2011) 773-799.
16 Aufgrund der unterschiedlichen Schreibweise des Begriffs “sub condicione” (vgl. CIC/1983) bzw. „sub conditione“ (vgl. CIC/1917; lat. Normae 1992) ist für diese Arbeit ein einheitlicher Begriff zu finden, um Missverständnisse zu vermeiden. Langenscheidt führt in seinem lateinischen Wörterbuch den Begriff „conditio, onis f“ als falsche Schreibweise für „condicio, onis f“ an. Demnach wird im Folgenden die Schreibweise aus dem CIC/1983 verwendet. Vgl. Menge, Hermann, Langenscheidt Taschenwörterbuch Latein-Deutsch, 9. Auglage, Berlin [u. a.] 2006, 119.
17 Den Kontakt vermittelte mir Dr. Petra Preunkert-Skálová, bei der ich mich recht herzlich bedanken will.
18 Für den Hinweis und die Möglichkeit der Einsichtnahme des Archivmaterials bin ich der Kanzlerin JUDr. Ing. Marie Kolářová, Th.D. zu Dank verpflichtet.
19 Eine vollständigere Liste der geheim Geweihten ist für die tschechische Übersetzung dieser Studie geplant.
1. DAS WEIHERECHT 20
Das Sakrament der Weihe (sacramentum ordinis) ist eines der sieben Sakramente der Kirche. Die Weihe (ordinatio) drückt, ebenso wie Taufe und Firmung, ein unauslöschliches Prägemal (character indelebilis) ein, weshalb sie, wenn sie einmal gültig gespendet wurde, nicht wiederholt werden kann.
Der Begriff ordinatio leitet sich vom lateinischen ordo ab, womit ursprünglich die Ordnung oder der privilegierte Sozialstatus im Römischen Reich bezeichnet wurde. Diejenigen, die zum ordo gehörten, wurden von den einfachen Bürgern (status) unterschieden. Auf die Kirche übertragen bedeutet dies, dass Personen, die durch Weihe zum ordo (clericalis) gehören, Glieder des Klerikerstandes sind und von solchen, die aus den Reihen des Laienstandes stammen, unterschieden werden. In der alten Kirche der ersten Jahrhunderte gehörten zum Presbyterium nicht nur die Ordinierten, sondern auch die Charismatiker, Asketen, Märtyrer und einige Frauen. Alle diese Personen hatten einen ausgezeichneten Sitz beim Gottesdienst. Später erfolgte die Aufnahme in den Klerikerstand meist nur durch Erteilung der Tonsur. Die Bezeichnung ordinatio galt für alle Weihestufen. Eine Ausnahme davon bildet die Bischofsweihe, die ebenfalls als consecratio (Bischofskonsekration) bezeichnet wird. Dieses Wort ist jedoch problematisch, weil es ebenfalls mit dem geweihten Leben verbunden ist – vita consecrata, consecratio virginum – und heute ebenso im Zusammenhang mit der Weihe der heiligen Öle, Hostien, Chrisam, früher noch mit der Kirchenweihe, Altarweihe oder Glockenweihe Anwendung fand. Für solche Handlungen, die Sakramentalien genannt werden, gibt es neben dem Begriff consecratio noch weitere Begriffe wie benedictio oder dedicatio.
Das Verständnis des Weihesakramentes bildete sich sehr langsam heraus. Viele theologische und kanonistische (Fach-) Begriffe entstanden erst in der Scholastik. Bis zum 20. Jahrhundert waren viele Einzelheiten zum Weihesakrament vom kirchlichen Lehramt nicht geklärt (Sakramentalität der einzelnen ordines) oder wurden im 20. Jahrhundert geändert (Abschaffung der Tonsur, der niederen Weihen und des Subdiakonates, Bestimmungen zu Materie und Form des Weihesakramentes, mehrmalige Änderung der Weihegebete usw.). Das Weihesakrament erfuhr im Vergleich zu den anderen Sakramenten während seiner Geschichte vielleicht die größten Umwandlungen. Deswegen ist die rechtsgeschichtliche Entwicklung des Sakramentes der Weihe von großem Interesse.
Behandelt werden in diesem Kapitel besonders jene Weihestufen, die nach heutigem Verständnis sakramental sind und zum Weihesakrament gehören – und zwar die Diakonen-, Priester- und Bischofsweihe. Jedoch auch die nichtsakramentalen Weihestufen sind für das Thema von Bedeutung, zum einen, weil sie zum Weihesakrament gehörten, zum anderen, weil die Linie zwischen den sakramentalen und den nichtsakramentalen Weihestufen nie eindeutig verlief. Die Tonsur stand außerdem an der Schwelle zum Eintritt in den Klerikerstand, wo heute das Diakonat zu finden ist.
1.1 Weihestufen
Die tridentinische Gliederung der Weihen wurde in das erste kirchliche Gesetzbuch Codex iuris canonici von 1917 übernommen. C. 949 unterscheidet die heiligen oder höheren Weihen (maiores) – Presbyterat, Diakonat, Subdiakonat – von den niederen Weihestufen (minores) – Akolythat, Exorzistat, Lektorat und Ostiariat. Nach c. 950 versteht man im Kirchenrecht unter den Begriffen ‘(sacra) ordinatio’, ‘ordinare’ neben den genannten Weihestufen noch die Bischofsweihe und die erste Tonsur,21 wobei man Kleriker wird durch den Empfang der ersten Tonsur (c. 108). Jeder Kleriker muss entweder in einer Diözese oder in einer Religiosengemeinschaft inkardiniert werden (c. 111 § 1), was durch den Empfang der ersten Tonsur erfolgt (§ 2). Es ist verboten, eine Weihestufe zu überspringen (sog. ordinatio per saltum, c. 977)
Durch das Zweite Vatikanische Konzil wurden drei Weihestufen - Episkopat, Presbyterat und Diakonat - als zur hierarchischen Verfassung der Kirche gehörend erklärt. Obwohl noch im Jahre 1957 Papst Pius XII. die Idee des ständigen Diakonates für „noch nicht reif“ erklärte22, veranlasste wenige Jahre später das Konzil trotz einer innerkirchlichen Oppositionsgruppe (Kard. Ottaviani)23 das Wiederaufleben des Diakonats als eine eigene Weihestufe durch die Einführung des ständigen Diakonats für geeignete im Zölibat lebende Männer24 und (hauptsächlich) für verheiratete Männer (LG 29). Die Entscheidung vieler Konzilsväter war maßgeblich von dem beobachteten wachsenden Priestermangel geprägt, welchem man durch Diakonenweihe verheirateter Männer abhelfen wollte. Die zuständigen Bischofskonferenzen sollen nach LG 29 entscheiden, ob die Einführung des ständigen Diakonats für ihr Gebiet angebracht sei. Der Wunsch des Zweiten Vatikanischen Konzils nach Wiederbelebung des ständigen Diakonats fand mit dem Motu Proprio Sacrum diaconatus ordinem vom 18. Juni 196725 Pauls VI. eine konkretere Gestalt.
Zur grundlegenden Reform der niederen Ordines kam es erst einige Jahre nach dem Konzil durch das Motu Proprio Ministeria quaedam von Papst Paul VI. (über die Neuordnung von Erster Tonsur, niederen Weihen und Subdiakonatsweihe in der lateinischen Kirche)26, welches vom 15. August 1972 mit Wirkung ab dem 1. Januar 1973 datiert ist. Alle entgegenstehenden Vorschriften (gemeint ist CIC/1917 und Missale Romanum vom 1969) wurden zu diesem Datum außer Kraft gesetzt. Als Motivation für die Reform der genannten nichtsakramentalen Weihestufen ist der Wunsch, die bisherige Praxis neu zu überdenken und den Bedürfnissen der nachkonziliaren Zeit anzupassen, genannt.27 Die erste Tonsur wurde mit diesem Motu Proprio abgeschafft, und der Eintritt in den Klerikerstand wurde mit dem Diakonat verbunden (Art. I).28 Die niederen Weihen wurden ebenfalls abgeschafft, bzw. in sog. Dienste (ministeria) umbenannt. Die neu entstandenen Dienste sind der Dienst des Lektors und des Akolythen (Art. IV-VI), welche die bisherigen Aufgaben des Subdiakons übernehmen (Art. IV). Das neue Gesetzbuch der lateinischen Kirche CIC/1983 übernimmt die nachkonziliare Neuordnung der Weihestufen.
Die Ostkirchen zeigen, was die niederen Weihen betrifft, eine noch vielfältigere Entwicklung als der Westen. Die Zahl der niederen Weihen schwankte anfangs im Osten zwischen zwei und acht, wovon einige auch Frauen zugänglich waren.29 Bis zum Zweiten Vatikanischen Konzil erhielten sich in den meisten Ostkirchen nur die niederen Weihestufen des Lektors und des Subdiakons.30 In OE 17 wünscht das Konzil die Wiedereinführung des ständigen Diakonats dort, wo diese Weihestufe nicht mehr ausgeübt wird. Die Motivation zu diesem Schritt war nicht wie in der lateinischen Kirche der Priestermangel, sondern die Wiederherstellung der alten Tradition. Was das Subdiakonat und die niederen Weihen betrifft, wird es der Entscheidung der partikularrechtlichen Autoritäten überlassen.
1.2 Sakramentalität der Ordines
Bei unterschiedlichen Theologen und Kanonisten ergaben sich in der Scholastik und auch dann später große Differenzen bei Beantwortung der Frage, welche der einzelnen Ordines als sakramental anzusehen seien. Lediglich die Priesterweihe wurde durchgängig als sakramental verstanden. Das Konzil von Trient entschied aus diesem Grund nicht endgültig in der Streitfrage.31 Bis ins 20. Jahrhundert hielten jedoch nur einige überzeugte Thomisten an der Lehre über die Sakramentalität der niederen Weihen und des Subdiakonates fest.32 Der ersten Tonsur wird in der nachtridentinischen Zeit die Sakramentalität von den meisten Theologen und Kanonisten abgesprochen.33
In der Apostolischen Konstitution Sacramentum Ordinis34vom 30. November 1947 von Papst Pius XII., welche die notwendigen Riten zu einer gültigen Spendung der Diakonats-, Priester- und Bischofsweihe feststellt, wird die Sakramentalität dieser drei Weihestufen vorausgesetzt. Die übrigen Ordines werden wahrscheinlich als (Vor- ?) Stufen des Weihesakraments betrachtet.35
Diese theologische Überzeugung bestätigte später das Zweite Vatikanische Konzil. Die Hauptaussage zur Sakramentalität der Bischofsweihe findet sich in LG 21, wo gesagt wird, dass „durch die Bischofsweihe die Fülle des Weihesakramentes übertragen wird.“ Dies wird in LG 16 und CD 4 nochmals betont. Die Priester „werden kraft des Sakraments der Weihe […] geweiht“ (LG 28). „Auf einer niedrigeren Stufe der Hierarchie stehen die Diakone, denen die Hände ‘nicht zum Priestertum, sondern zum Dienst’ aufgelegt werden. Mit sakramentaler Gnade gestärkt, dienen sie […] dem Volk in Gemeinschaft mit dem Bischof und seinem Presbyterium“ (LG 29). Alle Aussagen des letzten Konzils wurden gemäß der Absicht des Konzils nicht in Form unfehlbarer Lehrentscheidungen veröffentlicht, wenngleich heute wahrscheinlich kein Theologe die Sakramentalität der drei Weihestufen bezweifeln würde. Die Lehre von sakramentalen Weihen des Episkopats, Presbyterats und Diakonats übernimmt ebenfalls der neue Kodex CIC/1983, z. B. in cc. 1008 und 1009 § 1.
1.3 Gültigkeit und Erlaubtheit der Sakramente
In dieser Frage wurde die Kanonistik von der augustinischen Theologie beeinflusst, man verwendete in der Geschichte die Begriffe ‘sacramentum verum’ oder ‘falsum’. Gratian arbeitete mit Begriffen wie ‘rata, irritum, falsa, inania, infectum, legitimum’ usw.36 Die Terminologie wurde erst viel später vereinheitlicht – ‘gültig/ungültig, nichtig’ (validus/invalidus, ratus/irritus) und ‘erlaubt/unerlaubt’ (licitus/inlicitus, illicitus) – und seit dem Pontifikat von Papst Benedikt XIV. (1740-1758) auch vom kirchlichen Magisterium verwendet.37 Dabei wird der Begriff ‘nullus’ im selben Sinne wie ‘invalidus’ verstanden. Wer im Gesetz für den Sakramentenempfang als ‘unfähig’ (inhabilis, incapax) bezeichnet wird, kann das Sakrament nicht gültig empfangen.
Das neue kirchliche Gesetzbuch schreibt vor, dass nur die höchste kirchliche Autorität darüber bestimmen kann, was zur Gültigkeit (validitas) der Sakramente erforderlich ist. Kriterien für die Erlaubtheit setzt entweder die höchste Autorität der Kirche oder auch eine andere Autorität (c. 841 CIC/1983), meistens die Bischofskonferenz oder der Diözesanbischof, fest.
1.4 Der Weihespender
Die Apostel Christi weihten ihre Schüler und andere angesehene gläubige Männer zu Kirchendienern. Auf diese Weise entwickelte sich durch die Weitergabe der Weihe die apostolische Sukzession (successio apostolica) wie eine „Begabungskette“.38
In der Scholastik unterschied man zwischen dem ordentlichen und außerordentlichen Spender. Als ordentlicher Spender gilt gemeinhin der Bischof. Bei dem außerordentlichen Weihespender stellte sich die Frage, ob einem Priester die Vollmacht zur Erteilung der niederen Ordines oder auch der höheren Ordines durch den Papst verliehen werden könne. Die erste Position vertraten mehrere Theologen (z. B. Thomas von Aquin), die zweite Position unterstützten neben einigen Theologen insbesondere Kanonisten. In der Geschichte sind einige Beispiele der Erteilung von höheren Weihen durch bloße beauftragte Priester bekannt.39 Es gab sogar Stimmen, die von der Möglichkeit der Beauftragung eines einfachen Priesters durch den Papst zur Erteilung der Bischofskonsekration sprachen.40
1.4.1 CIC/1917
Der alte Kodex von 1917 unterschied noch zwischen dem ordentlichen und dem außerordentlichen Weihespender. Der ordentliche Spender der höheren Ordines ist ein gültig geweihter Bischof:
C. 951 – „Sacrae ordinationis minister ordinarius est Episcopus consecratus.“
Als außerordentlichen Spender einiger Weihestufen (womit die erste Tonsur und die nichtsakramentalen Ordines gemeint sind) bezeichnet c. 951 einen Nichtbischof, der von Rechts wegen oder durch einen päpstlichen Indult die notwendige Vollmacht besitzt.41 Von Rechts wegen besitzen diese Vollmacht für die Erteilung der ersten Tonsur und der niederen Weihen die Kardinäle überall in der Kirche (vorbehaltlich eines vorliegenden Weiheentlaßschreibens, c. 239 § 1, 22°), die apostolischen Vikare und Präfekten auf ihrem Gebiet (c. 294 § 2) und die gefreiten Äbte und Prälaten (Abbas vel Praelatus nullius, c. 323 § 2). Die regierenden Regularäbte (Abbas regularis de regimine) dürfen, wenn sie Priester sind und die Abtsweihe empfangen haben, die erste Tonsur und die niederen Weihen an ihre Untergebenen mit wenigstens einfacher Profess erteilen (c. 964, 1°). Ohne Besitz des vorgeschriebenen Amtes oder des Indults des Apostolischen Stuhls und bei Nichtbeachtung der anderen Vorschriften sind die nichtsakramentalen Weihen ungültig (irrita).42
1.4.1.1 Besondere Normen für die Bischofsweihe
Die Bischofsweihe ist dem Papst reserviert und ohne seinen Auftrag ist eine solche Weihe verboten (c. 953). Bei Nichteinhaltung dieser Vorschrift werden die beteiligten Bischöfe und der Empfänger ipso iure suspendiert, wobei der Erlass dieser Strafe dem Apostolischen Stuhl vorbehalten ist (c. 2370). Mit dem Dekret des Hl. Offiziums vom 9. April 1951 wurde diese Vorschrift noch verschärft: Wenn ein Bischof, egal welchem Ritus er angehört, jemanden auch aus schwerer Furcht (metu gravi) zum Bischof ohne Zustimmung des Apostolischen Stuhls weiht, wird er ipso facto exkommuniziert und der Nachlass der Strafe ist specialissimo modo dem Apostolischen Stuhl reserviert. Dieselbe Strafe gilt auch für den Geweihten, auch wenn er sich aus schwerer Furcht weihen ließ.43
Für eine erlaubte Weihespendung muss der Bischof - Hauptkonsekrator im Normalfall noch zwei weitere Bischöfe zur Assistenz hinzuziehen, sofern er davon vom Apostolischen Stuhl keine Dispens bekam (c. 954). In besonderen Fällen, wenn es sich z. B. um abgelegene Gegenden handelt, beauftragt der Apostolische Stuhl zwei Priester, die statt der zwei vorgeschriebenen Bischöfe bei der Bischofsweihe assistieren.44
Bei der Bischofsweihe war bis in das 20. Jahrhundert die Rolle der zwei oder mehr Bischöfe neben dem Hauptkonsekrator nicht eindeutig geklärt, nämlich ob diese Bischöfe ebenfalls die Spender der Bischofsweihe sind oder ob sie nur als bloße Zeugen assistieren. Diese Frage entschied kraft seiner päpstlichen Vollmacht erst Papst Pius XII. mit seiner Apostolischen Konstitution Episcopalis Consecrationis vom 30. November 194445: die bischöflichen Assistenten sollen ‘Mitkonsekratoren’ (Conconsecratores) genannt werden, weil sie die Mitspender der Bischofskonsekration sind.46 Aus diesem Grund müssen die bischöflichen Mitkonsekratoren die entsprechende Intention zu weihen haben und bestimmte Gebete zusammen mit dem Hauptkonsekrator rezitieren. Die Motivation für das Festhalten an den mindestens drei Bischöfen-Spendern der Bischofsweihe war mehr die „Rechtssicherheit zur Gewährleistung der apostolischen Sukzession“ als die sichtbare Eingliederung des neugeweihten Bischofs in das Bischofskollegium.47








