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„Also, höre mir zu“, beginnt sie zu antworten. „Die Karawane in den Südsudan machte den ersten Halt an einer Raststätte, die von sesshaften Beduinenfamilien bewirtschaftet wird. Die mitgereisten Fußballanhänger setzten diesen Halt durch, weil vor Freude auf ein großes Fußballspiel ordentlich gefeiert wurde. Die Raststätten auf den Verkehrshauptadern Ägyptens, hier in diesem Fall der Nord – Südroute, sind auf diese Anstürme bestens vorbereitet. Die Betreiber planten vorausschauend und nachhaltig, so dass die Kapazitäten der sanitären Anlagen der Menge der feiernden Schlachtenbummler standhielten. Ich nutzte die Pause in dieser Selbstbeduinenraststätte und deckte mich mit Proviant ein“, berichtet Schi Tot. „Ein wenig Zeit bis zur Abreise blieb mir noch. Ich entschloss mich, hinter der Raststätte in einem ruhigen und schattigen Dattelhain eine ausgewiesene Frauenhängematte zu einem kleinen Schläfchen zu nutzen“, berichtet Schi Tot. Sofort sei sie eingeschlafen. Im Halbschlaf sah sie sich noch auf der Weiterreise. Ihr Leihkamel beschleunigte die Reisegeschwindigkeit so heftig, dass sie sich ängstlich um den Hals des Tieres klammern musste. Und jetzt wird die Geschichte merkwürdig. „Ja, lieber Freund, nun geschahen Dinge, die ich dir nicht erklären kann. War es nur ein Traum? Oder war es eine Mischung aus Traum und Wirklichkeit? Ich war plötzlich an einem Ort, den man schlecht beschreiben kann“, fährt Schi Tot mit ihrer Erzählung fort. „Das kann nicht die Heimat der Nubier sein, nein. Dazu waren das Licht, der Duft und die Bewohner des Ortes viel zu anders. Ein freundlicher älterer Herr, mit dem Namen Albert hat mich empfangen und mir fantastische Dinge übermittelt und aufgetragen. Da waren schwierige Rechen- und Geometrieaufgaben, da war von der Drittelung eines geometrischen Würfels die Rede, um die Budgeteinhaltung abzusichern und da war diese neue Polyederform einer Pyramide, die das Ergebnis einer mathematischen Berechnung wurde. Das hat mir Albert alles erläutert und versprochen, dass all das, was ich jetzt höre und sehe, intuitiv in mein künstlerisches Schaffen einfließen wird“, führt Schi Tot weiter aus. „Und tatsächlich, wie von alleine sprudelten meine Gestaltungsideen für die Inszenierung der Pyramide auf zwei Schmuckstücken nur so aus mir heraus. Es war alles ganz leicht, ich hatte keine Mühe und keine Zweifel.“ Schi Tot unterbricht ihren Bericht und öffnet das obere Schubfach einer in der Nähe stehenden prächtigen Kommode. Sie winkt mich heran und legt ein Leinentuch beiseite. Ich erkenne eine flache Schatulle aus dunklem Holz, die Schi Tot nun vorsichtig öffnet. Fassungslos schlage ich die Hände über meinem Kopf zusammen und erstarre beim Anblick dieses blendend schönen Schmuckstückes. Ein Kunstwerk, da bin ich sicher. Ich übermittle Schi Tot gern diese ehrliche Beurteilung. „Und dann noch die Zeremonie der Überbringung der Pyramidenidee, ein echter Hingucker, meine Kleidung, die Kosmetik und mein Duft. Sämtliche Wacheinheiten an den verschiedenen Kontrollposten vor und im Palast hielten sich an ihren Lanzen fest, um nicht umzufallen. Keiner war im Stande, mich aufzuhalten. Keiner stellte irgendeine Frage zum Zweck meines Einlassbegehrens. Alle waren wie erstarrt und wichen sprachlos zur Seite. Wie ein heißes Messer durch Butter gelangte ich zu Cheops. Gut, die letzten entscheidenden Meter wurde ich von einem starken Wachsoldaten getragen, aber sonst bin ich ziemlich einfach zum Pharao gelangt. Er selbst versuchte seine staatsmännische Haltung zu bewahren. Es gelang ihm aber nicht. Er zeigte nur auf meinen Brustschmuck, wohlgemerkt nur auf den Schmuck, und rief sogleich euphorisch, dass es entschieden sei. Die junge Frau vor ihm bringe die Erleuchtung und sei ab sofort als von den Göttern auserwählt zu betrachten. Sie genieße seinen persönlichen Schutz. Cheops holte seine Diener und ein paar Staatssekretäre zu sich und befahl, dass ich ab sofort Ehrenmitglied der Palastwache bin. Ich wäre die erste Frau, der diese höchste Ehrung widerfährt, erfahre ich wenig später bei der Aushändigung der Nutzungsvertragsunterlagen und bei Übergabe des Grundstückschlüssels. Dann hat man mich hierherfahren lassen und mein Einverständnis zur kostenfreien Übernahme dieses herrlichen Wohnsitzes erbeten.“
Schi Tot hält inne und bittet mich nach einer kleinen Pause, ihr Verhalten bei den Rückkehrmodalitäten zu respektieren. Eine starke unbekannte Kraft habe sie dazu getrieben, zunächst diese höchste Staatsangelegenheit zu regeln. Nun wäre sie wieder diese einfache bescheidene Künstlerin, die jetzt sehr froh sei, zuallererst ihren Freund in diese aufregenden Entwicklungen einzuweihen. Schmunzelnd fügt sie noch hinzu, wie praktisch es sei, dass sie als Freundin des Bauleiters beim Bauherrn einen Stein im Brett habe. Einen Pyramidenstein, wie sie scherzend ergänzt.
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