Komplexe Dynamische Evaluation (KDE): Ein Instrument zur Optimierung des universitären Fremdsprachenunterrichts

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Dies zeigt auch die nahezu unüberschaubar gewordene Zahl1 an Publikationen, Projekten, Tagungen und Kongressen zu diesen Themen, die allein in den vergangenen Jahren zu beobachten war. So finden beispielsweise seit Anfang der 1990er Jahre von der Hochschulrektorenkonferenz (HRK) in regelmäßigen Abständen initiierte Tagungen und Kongresse zu den Themen Qualität und Qualitätsmanagement bzw. Evaluation an Hochschulen statt, und es wurden auch bereits einige mehrjährige Projekte von der HRK zu diesen Themen ins Leben gerufen.
Auch in Österreich rückte das Thema der Qualitätssicherung und -entwicklung in der Bildung in den Fokus vermehrter Aufmerksamkeit. Eine erste Tagung zum Thema Qualitätsentwicklung in der Erwachsenenbildung wurde zum Beispiel im Jahr 2000 am Bundesinstitut für Erwachsenenbildung durchgeführt. Hierzu erschien ebenso die gleichnamige Publikation. Im Bereich der Hochschulen wurden nicht nur zahlreiche Forschungsprojekte zu diesen Themen ins Leben gerufen, sondern 2012 auch die Agentur für Qualitätssicherung und Akkreditierung Austria (AQ Austria) gegründet, die, wie auf der Homepage deklariert, als unabhängige Einrichtung für Qualitätssicherung, Evaluierung und Zertifizierung im Hochschulbereich u.a. externe Qualitätssicherungsverfahren und Audits durchführt, um die Qualitätsentwicklung an den österreichischen Hochschulen zu fördern.
2.1.4 Zwischenresümee
Resümierend kann somit festgehalten werden, dass sowohl Qualität als auch Evaluation in der heutigen Zeit weder aus dem Alltag noch aus der Wissenschaft wegzudenken, sondern – ganz im Gegenteil – auch im Bildungsbereich in aller Munde sind. Selbst wenn die beiden Termini nicht immer explizit die Themen eines Werkes oder einer Veranstaltung darstellen, so muss man sich in der Regel nicht allzu lange in Geduld üben, bis einer dieser Begriffe in der einen oder anderen Art Erwähnung findet – und sei es nur in Form eines Feedbacks zur Qualitätsoptimierung oder -sicherung, um das man als Lehrperson das Auditorium am Ende einer Lehrveranstaltung bzw. die TeilnehmerInnen einer Fortbildung oder Tagung bittet, oder um welches man selbst vom/von der Vortragenden gebeten wird.
Im Bereich der Hochschulen werden die beiden Begriffe auch vielfach miteinander kombiniert, was dann als Qualitätsoptimierung durch Evaluation1 bezeichnet wird und das Herzstück dieser Arbeit bildet. Zahlreiche Verfahren, allen voran das Evaluieren von Lehrveranstaltungen (siehe Kapitel 3), haben sich hierzu mittlerweile auch im Bildungsbereich auf allen Ebenen etabliert. Obwohl das Evaluieren, spätestens seit es in den Hochschulgesetzen im deutschsprachigen Raum gesetzlich verankert ist (für Österreich siehe Kohler, 2009, für Deutschland siehe Schmidt, 2009 und für die Schweiz siehe Rhyn, 2009), einen fixen Bestandteil des universitären Qualitätsmanagements darstellt, ist es nach wie vor heftig umstritten und wird von manchen sogar als Evaluitis (Simon 2000, Frey 2007) bezeichnet.
Dies hat unterschiedliche Ursachen, die in den folgenden Kapiteln im Detail diskutiert werden. Es sei jedoch bereits an dieser Stelle vorweggenommen, dass nach Analyse der Sachlage die Hauptgründe für eine Evaluitis in vielen Fällen relativ einfach auf den Punkt gebracht werden können: Sie entsteht vor allem dann, wenn Maßnahmen, die der Qualitätsverbesserung dienen sollen, mit wenig durchdachten Methoden durchgeführt werden, mit einem erheblichen Aufwand von Seiten der Beteiligten verbunden sind und gleichzeitig kaum ein sinnvolles und nachhaltiges Follow-up in Form von Verbesserungen nach sich ziehen.
Natürlich impliziert das hier Gesagte auch, dass Veränderungen, ganz besonders dann, wenn sie der Verbesserung dienen sollen, immer mit einem gewissen Aufwand verbunden sind. Dieser Umstand lässt sich nicht negieren. Es ist jedoch anzunehmen, dass Methoden der Verbesserung auf weniger Widerstand bzw. auf bessere Akzeptanz stoßen, wenn sie sich durch Effizienz und Effektivität auszeichnen und sich mit dem damit verbundenen Mehr an Arbeit für die Beteiligten auch eine tatsächliche Verbesserung einer suboptimalen Situation einstellt.
Ein zentrales Anliegen dieses Buches stellt daher auch die Entwicklung eines Evaluationsmodells dar, welches diesen Forderungen gerecht zu werden versucht und dadurch einer übermäßigen Evaluitis weitgehend entgegenwirken soll. Völlig verhindern kann man den mit qualitätsoptimierenden Maßnahmen verbundenen Mehraufwand jedoch nie, denn wie schon eine philosophische Beobachtung verdeutlicht: Ex nihilo nihil fit.
Bevor in den folgenden Kapiteln ausgeführt wird, welche Komponenten und Rahmenbedingungen ein Evaluationsmodell im Detail benötigt, damit es sich durch Effektivität und Effizienz auszeichnet, soll an dieser Stelle kurz auf die zentralen qualitätsoptimierenden Maßnahmen an Hochschulen eingegangen werden, da diese eine wichtige Basis für sämtliche weitere Ausführungen darstellen und ein Grundverständnis derselben für das Nachvollziehen vieler in diesem Buch beschriebenen Schritte essentiell ist.
2.2 Qualitätsoptimierende Maßnahmen an Hochschulen
An europäischen1 Universitäten wird seit gut zwei Jahrzehnten verstärkte Aufmerksamkeit auf qualitätsoptimierende Maßnahmen gerichtet, die auch nach außen transparent gemacht werden (müssen). Die Gründe hierfür sind vielfältig und hängen mit unterschiedlichen Faktoren zusammen, die seit Ende des zweiten Weltkrieges zu beobachten sind: Neave (vgl. 2012:3) nennt in diesem Zusammenhang die grundsätzlichen Veränderungen, die das Dreieck Regierung, Gesellschaft und Universität betreffen, und Weingart (vgl. 2003) spricht von einer generell stärkeren Bindung der Hochschulen an Politik, Wirtschaft und Medien.
Zudem kommen zu den traditionellen Aufgaben der Universitäten, die sich im Bereich der Forschung und Lehre befinden, neue Pflichten hinzu, die den Hochschulen im Interesse der Gesellschaft und/oder der Wirtschaft unter dem Deckmantel der Wettbewerbsfähigkeit auferlegt werden (vgl. Neave 2012:3). Weingart (vgl. 2003:110) bezeichnet diese sogenannte »dritte Mission« als kommerziell orientierten Innovationsmotor für die Industrie. Der damit in Verbindung stehende Druck auf Universitäten vergrößerte sich besonders auch in Europa durch die Lissabon-Strategie2, die darauf abzielte, die Europäische Union bis zum Jahr 2010 »zum wettbewerbsfähigsten und dynamischsten wissensbasierten Wirtschaftsraum« der Welt zu machen.
Trotz dieser hier angeführten Veränderungen und dem damit vielfach einhergehenden Wandel hinsichtlich der Finanzierung der Universitäten beziehen öffentliche Hochschulen nach wie vor einen Großteil ihrer finanziellen Mittel aus staatlichen Ressourcenzuwendungen, wenngleich diese heute nicht mehr so bedingungslos sind wie etwa noch vor 30 Jahren. Als Ausnahmebeispiel für Finanzierung wäre hier das britische Hochschulsystem vor den 1980er Jahren zu nennen, welches sich, wie Pechar (2006:59) konstatiert, durch einen einzigartigen »Vertrauensvorschuss der Gesellschaft in ihr Hochschulsystem« auszeichnete, der den Hochschulen zum einen eine überwiegend öffentliche Finanzierung sicherte, sie dadurch vom Markt unabhängig machte und zum anderen diese öffentliche Basisfinanzierung nicht an staatliche Auflagen und Eingriffe knüpfte. Im Vergleich dazu sieht die Finanzierung der Hochschulen heute völlig anders aus. In der Regel sind die staatlichen Ressourcenzuwendungen mit den Hochschulen vertraglich vereinbart und die Universitäten müssen darlegen, wie sie die jeweiligen Gelder einsetzen. Pechar (2006) spricht in diesem Zusammenhang von einem Kurswechsel »vom Vertrauensvorschuss zur Rechenschaftspflicht«.
Zudem haben Krisen in staatlichen Haushalten in Europa seit den 1980er Jahren oftmals dazu geführt, dass die staatlichen Mittel für Bildungseinrichtungen gekürzt wurden (vgl. Mittag 2006:1). Diese Mittelkürzung ist aktuell auch im Zusammenhang mit der Eurokrise zu beobachten und schließt dabei auch Länder ein, die von der Krise bisher weitgehend verschont wurden. An dieser Stelle sei auch auf das Stichwort »Bildungsmilliarde« und die Abschaffung des eigenständigen Wissenschaftsministeriums in Österreich (2013) hingewiesen.
Mit den Kürzungen bei den öffentlichen Ressourcenzuwendungen geht auch die bereits genannte stärkere Bindung der Universitäten an die Wirtschaft einher. Kaum eine Universität kann aktuell auf Gelder aus Drittmittelprojekten oder auf die Zusammenarbeit mit Unternehmen aus der Wirtschaft verzichten. Zwar pflegen in der Regel überwiegend technische Universitäten und Fachhochschulen einen sehr engen Kontakt zu Firmen, jedoch ist dies auch in vielen anderen Wissenschaftszweigen mittlerweile Usus geworden.
Nicht nur, dass wissenschaftliches Wissen zusehends zu einem »begehrten Gut« wird, »das die Privatwirtschaft zu kontrollieren sucht, um damit Profite zu machen«, wie Weingart (2003:103) feststellt, die »Wissenschaftspolitik drängt die Universitäten, sich enger an den Bedürfnissen der Wirtschaft zu orientieren« (ibid. 2003:104), was sich aller Voraussicht nach auch durch die in Österreich durchgeführte Integration des Wissenschaftsministeriums in das Wirtschaftsministerium noch verstärken könnte. Dass dies nicht nur (negative) Auswirkungen auf viele Universitäten per se hat, sondern auch dramatische Konsequenzen für einige Forschungsbereiche nach sich ziehen kann, die wenig bis keinen Nutzen für die Wirtschaft haben, leuchtet ein.
Ein weiterer Grund für das knappe Budget vieler (öffentlicher) Universitäten ist ein starker Zuwachs an Studierenden, der unter anderem mit dem raschen Wachstum des Wissenschaftssystems in Verbindung steht, welches seit dem zweiten Weltkrieg in den Industrienationen zu verzeichnen ist und zum einen dazu führte, dass es zu einer Ausweitung der Eliteuniversitäten kam und zum anderen zu einer Verlagerung des Hochschulsystems der Eliteuniversitäten hin zu Massenuniversitäten, wie Trow (vgl. 2005:6) vermerkt. Ermöglichte letztere Entwicklung im Prinzip allen Bildungsschichten den Hochschulzugang, so erschwerte sie die finanzielle Situation vieler Universitäten dramatisch, da bei steigender Zahl der Studierenden die Finanzierung vielfach bestenfalls gleichblieb. Die in manchen Ländern immer wieder entfachte (politisch geführte) Diskussion hinsichtlich der Abschaffung, Beibehaltung oder (Wieder-)Einführung von Studiengebühren ist in dieser Hinsicht auch nicht besonders hilfreich.
Die Rechenschaftspflicht, die die Universitäten bzw. die Wissenschaft gegenüber ihren Geldgebern haben, gibt es zusehends auch gegenüber der Öffentlichkeit. Dies ist, wie Weingart (vgl. 2003:113) bemerkt, u.a. darauf zurückzuführen, dass die Universitäten bzw. die Wissenschaft zwar öffentlicher Gelder bedürfen, aber ihre Gegenleistungen für die Gesellschaft aufgrund der Ausdifferenzierung und Spezialisierung oft unverständlich bleiben. Demgemäß suchen die Hochschulen vermehrt die öffentliche Akzeptanz, wobei die Medien eine besonders wichtige, wenn auch nicht immer unumstrittene Funktion einnehmen. Unter dem Stichwort der Qualität bzw. der Qualitätsoptimierung, -verbesserung und -sicherung werden die Universitäten auch in der Öffentlichkeit in regelmäßigen Abständen evaluiert.
So gibt es beispielsweise Universitätsrankings, wie sie etwa vom Magazin Times Higher Education seit 2004 veröffentlicht werden, die die Qualität von Forschung und Lehre bewerten und in weiterer Folge die Hochschulen in verschiedene Ranggruppen einteilen. Die Ergebnisse werden dann üblicherweise in den Medien diskutiert, was den Druck und den Wettbewerb unter den Universitäten erneut verstärkt. Zweifelsohne wurde durch diese Rankings der Wettbewerb der Hochschulen untereinander bewusster und hat auch die Bedeutung dieser »Hitlisten«, wie sie Hommelhoff (vgl. 2008:9) bezeichnete, gesteigert, jedoch ist auch zu erwähnen, dass die Kriterien und Methoden bei der Erstellung der Rankings in der öffentlichkeitswirksamen Auswertung oft im Hintergrund stehen (vgl. ibid.).
Das Resümee, welches daraus gezogen werden kann, lässt sich aus Sicht der Hochschulen subsumieren unter monetärem Ressourcenrückgang von öffentlicher Seite, vielfach steigender Zahl der Studierenden, erhöhtem Wettbewerbsdruck, zunehmender Autonomie, stärkerer Bindung der Hochschulen an die Wirtschaft und vermehrtem Rechtfertigungsdruck gegenüber den GeldgeberInnen, der Gesellschaft und den Studierenden.
Neben diesen bisher genannten externen Faktoren, die die Universitäten von außen förmlich dazu zwangen, sich mit der Frage der Qualitätsverbesserung und -sicherung auseinanderzusetzen, ist auch ein Umdenken an den Universitäten selbst zu beobachten, eine Wandlung von innen. Waren viele Lehrende vor Jahren noch der Ansicht, dass Qualitätsmanagement, Evaluation, Akkreditierung etc. an Universitäten »unnötig« wären, oder etwa das »Tun« an Hochschulen in Frage stellen würden, wie Gaethgens dies in der Herbsttagung der HRK 2008 bereits feststellte, so wurde mittlerweile erkannt, dass man, will man im internationalen Wettstreit um Studierende bestehen, auf Qualitätssicherungsaktivitäten nicht verzichten könne. Ganz im Gegenteil, man muss aktiv Methoden und Einrichtungen schaffen, die sich mit Qualität an der Hochschule in ihrer Mannigfaltigkeit auseinandersetzen und diese auch sichtbar machen. Nicht zuletzt hängt vielfach davon das Budget – und bei kleineren Instituten sogar deren Überleben ab.
Stangl (o.J.) resümiert diesbezüglich treffend: »Wer zur Elite der Universitäten zählen will, unterwirft sich den Anforderungen des Qualitätsmanagements und dokumentiert diese für die Öffentlichkeit und vor allem für die Stakeholder gut sichtbar auf der Homepage der Universität«. Dabei müssen sich sämtliche dieser Qualitätssicherungsaktivitäten auf die gesamte Universität beziehen, sowohl auf die Verwaltung als auch auf die Forschung und die Lehre.
Als Konsequenz wurden in den vergangenen Jahren unterschiedlichste Verfahren der Qualitätssicherung und -verbesserung an europäischen Hochschulen ein- und durchgeführt, die in Folge kurz besprochen werden, bevor im Anschluss daran konkret auf Qualitätsverbesserung auf Basis von Lehrveranstaltungsevaluation eingegangen wird.
2.3 Zentrale Maßnahmen im Detail
Qualitätssichernde Maßnahmen an Hochschulen im europäischen Raum waren zu Beginn vielfach wenig systematisch und wurden anfangs nur von einigen ExpertInnen thematisiert. Zudem waren diese von Staat zu Staat mitunter sehr verschieden, was nicht zuletzt auch auf die unterschiedliche Organisation der Universitäten zurückzuführen ist (vgl. The Danish Evaluation Institute 2003:7). Ein wesentlicher Schritt zu einer einheitlichen europäischen Lösung wurde in Zusammenhang mit der Schaffung des gemeinsamen europäischen Hochschulraums (siehe Bologna-Prozess) gesetzt.
Im »Kommuniqué der Konferenz der europäischen Hochschulministerinnen und -minister am 19. September 2003 in Berlin« (2003:4) beauftragten die MinisterInnen jener Staaten, die den Bologna-Prozess unterzeichnet hatten, das »European Network for Quality Assurance in Higher Education (ENQA)« »über seine Mitglieder und in Zusammenarbeit mit der EUA1, EURASHE2 und ESIB3 ein vereinbartes System von Normen, Verfahren und Richtlinien zur Qualitätssicherung zu entwickeln, Möglichkeiten zur Gewährleistung eines geeigneten Begutachtungsprozesses (peer review4) für Agenturen und Einrichtungen zur Qualitätssicherung und/oder Akkreditierung zu prüfen und durch die Follow-up-Gruppe den Ministerinnen und Ministern bis 2005 darüber Bericht zu erstatten«. Zudem sollte die ENQA dabei »die Fachkenntnis anderer Verbände und Netzwerke für Qualitätssicherung« gebührend berücksichtigen (vgl. ibid.).
Im Zuge dessen erarbeitete die ENQA Standards und Leitlinien für die Qualitätssicherung im Europäischen Hochschulraum (ESG5) in Form interner und externer Qualitätssicherungsstandards für Hochschulen und externer Standards für Qualitätssicherungsagenturen, die zusätzlich zum bereits 1998 vorgeschlagenen »Vier-Phasen-Modell« (four-stage model) des Rates zum Einsatz kommen sollten. Das Vier-Phasen-Modell sieht im Wesentlichen vor, dass die qualitätssichernden Maßnahmen an den Universitäten intern (durch Selbstevaluation) und extern (durch unabhängige Agenturen und ExpertInnen) evaluiert werden und in Folge ein Bericht hierzu veröffentlicht wird.
2.3.1 Standards und Leitlinien (ESG)
Die ESG (Standards und Leitlinien für die Qualitätssicherung im Europäischen Hochschulraum), die primär entwickelt wurden, um den Bedarf für ein gemeinsames Verständnis von Qualitätssicherung in Europa zu decken (vgl. The Danish Evaluation Institute 2009:6) bzw. einen gemeinsamen Referenzrahmen für Qualitätssicherung im europäischen Hochschulraum bereitzustellen (vgl. HRK 2015:10), bestehen sowohl in ihrer ursprünglichen Fassung aus dem Jahr 2005 (Originalfassung in Englisch, siehe ENQA 2005 bzw. Übersetzung ins Deutsche, siehe Alphei/Michalk 2006) als auch in ihrer überarbeiteten Fassung aus dem Jahr 2015 (siehe ENQA 2015 bzw. HRK 2015) inhaltlich aus folgenden drei Teilen:
1 Standards und Leitlinien für interne Qualitätssicherung;
2 Standards und Leitlinien für externe Qualitätssicherung;
3 Standards und Leitlinien für externe Qualitätssicherungsagenturen.
Erstere richten sich dabei an die universitätsinternen Maßnahmen der Qualitätssicherung, zweitere befassen sich mit jenen, die von den Qualitätssicherungsagenturen durchgeführt werden. Diese sollen überprüfen, wie wirksam die einzelnen Institutionen die Standards für die interne Qualitätssicherung umsetzen. Letztere stellen sozusagen eine Meta-Qualitätssicherung der Agenturen dar, damit gewährleistet wird, dass diese nach denselben Richtlinien prüfen. »Diese drei Teile sind inhaltlich aufeinander bezogen und bilden zusammen die Basis eines europäischen Referenzrahmens für die Qualitätssicherung« (vgl. HRK 2015:15) und stellen daher auch einen wichtigen Bezugspunkt bei der Evaluation der Lehrqualität dar. Für den Kontext der KDE sind primär die Standards und Leitlinien der internen Qualitätssicherung wichtig, weswegen an dieser Stelle näher auf diese eingegangen wird.
2.3.1.1 ESG für interne Qualitätssicherung
Während die ESG 2005 generell allgemeiner und vielfach auch freier formuliert wurden, sind bei der Version aus dem Jahr 2015 für die interne Qualitätssicherung konkret folgende zehn Standards definiert (siehe: HRK 2015:41–43): (1) Strategie für die Qualitätssicherung, (2) Gestaltung und Genehmigung von Studiengängen, (3) Studierendenzentriertes Lernen, Lehren und Prüfen, (4) Zulassung, Studienverlauf, Anerkennung und Studienabschluss, (5) Lehrende, (6) Lernumgebung, (7) Informationsmanagement, (8) Öffentliche Informationen, (9) Fortlaufende Beobachtung und regelmäßige Überprüfung der Studiengänge und (10) Regelmäßige externe Qualitätssicherung.
Nach Analyse der einzelnen Punkte gestalten sich folgende acht Standards als besonders wichtig in Hinblick auf Qualitätsoptimierung des universitären Fremdsprachenunterrichts durch Lehrveranstaltungsevaluation:
2.3.1.1.1 Strategie für die Qualitätssicherung
Das Qualitätssicherungssystem fördert eine kontinuierliche Verbesserung. Entscheidend ist somit, dass Qualitätsverbesserung im Unterricht nicht etwas Punktuelles ist, sondern ein Prozess, der kontinuierlich erfolgen soll. Zudem trägt dieses System »zur Bildung einer Qualitätskultur bei, in der alle internen InteressensvertreterInnen für die Qualität verantwortlich sind und auf allen Ebenen der Institution Verantwortung für die Qualitätssicherung übernehmen (HRK 2015:17)«. Dies schließt Lehrende und Studierende mit ein. Alle am Unterrichtsgeschehen haben daher nicht nur das Recht auf Qualität, sondern auch die Pflicht, sich aktiv an der Schaffung und Verbesserung von Qualität zu beteiligen und müssen ihre dementsprechenden Aufgaben wahrnehmen (vgl. ibid.).
2.3.1.1.2 Gestaltung und Genehmigung von Studiengängen
Den Studierenden sollen nicht nur akademisches Wissen und Fähigkeiten vermittelt werden, sondern auch Schlüsselkompetenzen, »die die persönliche Entwicklung der Studierenden beeinflussen und für ihre spätere Berufslaufbahn nützlich sein können« (HRK 2015:19). Hierzu ist, wie im Kapitel zur Evaluation noch detailliert angeführt wird, auch die Selbstreflexionskompetenz zu zählen, da die Fähigkeit, über das eigene LernerInnenselbst zu reflektieren, als ein wesentlicher Aspekt der persönlichen Entwicklung von Studierenden anzusehen ist.
Des Weiteren wird gefordert, dass die Studiengänge und daher auch die einzelnen Kurse so zu gestalten sind, dass die gewünschten Lernziele klar definiert werden und sowohl die Studierenden aktiv an der Mitgestaltung beteiligt sind als auch andere externe Referenzpunkte genutzt werden.
2.3.1.1.3 Studierendenzentriertes Lernen, Lehren und Prüfen
Ein besonders wichtiger Punkt, der unter diesem Standard angeführt wird, betrifft die Durchführung der Studiengänge in der Form, dass die Studierenden ermutigt werden, »eine aktive Rolle in der Gestaltung des Lernprozesses zu übernehmen (HRK 2015:20)«. Somit wird ein verstärkter Wert auf studierendenzentriertes Lernen und Lehren gelegt, was, wie in den Leitlinien expliziert, »eine große Bedeutung für die Motivation, die Selbstreflexion und das Engagement der Studierenden während des Lernprozesses (ibid.)« hat. Als wichtige Punkte hierbei werden folgende genannt (HRK 2015:20):
»die Diversität der Studierenden und ihrer Bedürfnisse zu respektieren und ihnen durch flexible Lernwege Rechnung zu tragen;
wo es angebracht ist, unterschiedliche Vermittlungsweisen in Betracht zu ziehen und zu nutzen;
unterschiedliche pädagogische Methoden flexibel einzusetzen;
regelmäßige Evaluierungen und Anpassungen der Vermittlungsweisen und pädagogischen Methoden vorzusehen;
die Studierenden zu selbstständigem Lernen zu ermutigen und ihnen als Lehrer gleichzeitig angemessene Orientierung und Unterstützung zu bieten;
gegenseitigen Respekt in der Beziehung zwischen Lernenden und Lehrenden zu fördern;
ein angemessenes Verfahren für den Umgang mit studentischen Beschwerden bereitzustellen«.
Dieser Standard ist zentral in Hinblick auf Qualitätssicherung und darf daher in einem Evaluationsmodell, welches Daten zur Qualitätsoptimierung generieren soll, nicht fehlen. Wenn das Modell richtig konzipiert und eingesetzt wird und die Lehrenden die Rückmeldungen der Studierenden ernst nehmen und diese bei ihrer Unterrichtsgestaltung bzw. eventuell nötigen Adaption berücksichtigen, kann damit auch das Ausmaß an Beschwerden gering gehalten werden, denn Beschwerden kommen überwiegend dann zustande, wenn Probleme, auf die hingewiesen wurde, nicht gelöst werden bzw. die Studierenden überhaupt keine Möglichkeit haben, auf ein eventuell vorhandenes Suboptimum hinzuweisen. Das bedeutet auch, dass in einem qualitativ hochwertigen Unterrichtsgeschehen Probleme gezielt zu Tage gefördert und bearbeitet werden müssen.
2.3.1.1.4 Zulassung, Studienverlauf, Anerkennung und Abschluss
Ein wichtiger Aspekt dieses Standards ist, dass Hochschulen Verfahren und Instrumente benötigen, »die es ihnen ermöglichen, Informationen zu den Studienverläufen zu erfassen, zu beobachten und diesbezügliche Maßnahmen zu ergreifen (HRK 2015:22). Dies zielt bei Fremdsprachenkursen – die sich vielfach durch Heterogenität der KursteilnehmerInnen auszeichnen – u.a. auch darauf ab, die Vorkenntnisse der LernerInnen zu ermitteln. Welche Kurse haben sie bereits besucht? Wie schätzen sie ihre eigenen Kenntnisse ein? Welche Lehr- und Lernmethoden sind ihnen geläufig und für sie besonders geeignet? etc.
2.3.1.1.5 Lehrende
Dieser Standard ist – zusammen mit jenem der Studierendenzentriertheit – meiner Lehrerfahrung nach besonders wichtig, denn viele Evaluationsmodelle berücksichtigen die veränderte Rolle der Lehrenden kaum oder gar nicht bzw. wird viel zu häufig nach wie vor die Lehrperson als Wissensvermittlungsinstanz evaluiert und dem Lernen der Studierenden zu wenig Aufmerksamkeit geschenkt. Darüber hinaus kann ein Evaluationsmodell auch so gestaltet sein, dass es den Lehrenden als didaktisches Hilfsmittel dient und sie – durch die richtige Art des Feedbacks – auch dabei unterstützt werden, ihre eigenen Lehrmethoden zu verbessern. Dadurch kann letztendlich auch die Lehrkompetenz gefördert werden, die auch eine zentrale Forderung der ESG darstellt.