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Ist Liebe immer »wahr«?
Hierzu greife ich auf meine aktuellsten Forschungsarbeiten zu und spiegele sie anhand der weltpolitischen und gesellschaftlichen Krisen und Unruhen. Es entsteht die Beobachtung, dass es eine Wahrheit und eine verfälschte Wahrheit gibt. Lange wurde immer behauptet, das Gegenteil der Wahrheit sei die Wahrheit des anderen, und jeder Mensch hat seine eigene Wahrheit. Diese These lässt sich anhand der Unterscheidung zwischen »Liebe« und »wahrer Liebe« entkräften. In der nachfolgenden Tabelle habe ich Erkenntnisse aus meiner Arbeit gegenübergestellt und bin dabei auf eine bis dato noch nicht erkannte verdrehte oder täuschende Darstellung von Wahrheit und infolge auch von falsch dargestellter wahrer Liebe gestoßen. Das, was viele Menschen unter Wahrheit verstehen oder als Wahrheit wahrnehmen, entspricht dem Kern nach nicht der »wahren Wahrheit«. Es handelt sich demnach, wie in dem rechten Teil der Tabelle dargestellt, um irgendeine Form der Liebe, die in ihrer Ausprägung und Auslebung in keiner Art und Weise der wahren Liebe entspricht.
Menschen wurden oftmals getäuscht mit einer falsch dargestellten »Wahrheit«, die sie gutgläubig für die echte (wahre) Wahrheit hielten. Wird diese falsch dargestellte Wahrheit jedoch dahin zurückverfolgt, aus wessen Ursprung, Absicht und Wirkweise sie stammte, kann dank der quantenphysischen und mathematischen Erkenntnisse der wahre Ursprung – der sogenannte quantenphysische UR-Code und die Ursprungsenergie – festgestellt werden. Um diesen Ursprung zu verbergen, wurde auf der Erde schon über viele Zeiten mit verdrehten, invertierten Wahrheiten und damit auch falsch dargestellten Formen der Liebe gearbeitet. Weil diese Formen der Wahrheit so täuschend echt aussehen beziehungsweise dargestellt werden, haben die Menschen immer an sie geglaubt. In Tat und Wahrheit war es jedoch eine verdrehte/invertierte Wahrheit.
Wahre LiebeLiebeUrsprung: Höchste LiebeUrsprung: Mensch, Beeinflusser …?Ausprägung: wahr, klar, rein, ehrlichAusprägung: verfälscht, verblendet, täuschendÜbertragung: direkt, frei von VerdrehungÜbertragung: verdreht, umgekehrtHerkunft: im Kern positiv (+)Herkunft: im Kern negativ (–)Wahrheitsgrad: wahre WahrheitWahrheitsgrad: umgekehrte, negative WahrheitDarstellungsbeispiel:Darstellungsbeispiel:Multiplikation: + x mal + y = + z (wahres Plus)Multiplikation: – x mal – y = + z (verdrehtes Plus)Addition: + x plus + y = + z (wahres Plus)Addition: - (-x) plus - (-y) = + z (verdrehtes Plus)Fazit:Fazit:Beide Vorzeichen + ergibt + (wahres Plus)Beide Vorzeichen – ergibt + (verdrehtes Plus)Mit diesem Darstellungsbeispiel lässt sich die ursprüngliche Herkunft einer wahren oder aber einer verdrehten Wahrheit einfach erklären. Parallel lässt sich die Beweisführung auch über die Resonanz- und Schwingungsgesetze (→ Kapitel »Das Herz – Zentrum der Gefühle …«, Seite 36) erhärten beziehungsweise bestätigen.
Wie ich bereits vorher erwähnt habe, ist die Welt physikalisch aufgebaut, also können auch die physikalischen und mathematischen Regeln in Form von Umkehrungen, Vorzeichen oder gedrehten Vorzeichen für alles andere in unserem Leben angewendet werden und haben hier eine Gültigkeit. Physikalische oder mathematische Regeln gehören zu den Naturgesetzen der kosmischen Ordnung und gelten für alle und alles. Jeder Mensch, der von Natur aus mit einem gesunden natürlichen Menschenverstand und Telepathie (→ Seite 32 f.) ausgestattet ist, spürt, dass in einem vorliegenden Fall von Verdrehungen oder Umkehrungen etwas nicht stimmt. Sie kennen die Aussagen »Da stimmt was nicht«.
Auf die Liebe und wahre Liebe bezogen, bedeutet es, dass der Unterschied zwischen beiden darin besteht:
• Liebe wurde von Menschen und Institutionen in irgendeiner zurechtgelegten Form oder Ausprägung dargestellt.
• Liebe wurde oftmals verdreht, umgekehrt dargestellt.
• Liebe wurde als falsche wahre Liebe vorgegaukelt, vorgespielt.
Als Folge davon dachten viele Menschen auf der Erde zu allen Zeiten, dass das, was sich ihnen als Liebe zeigte, die wahre Liebe sei. Den Menschen darf jedoch kein Vorwurf gemacht werden, dass sie die wahre Liebe nicht erkannten. Hier liegen noch weitere, bis heute nicht offensichtliche Gründe vor. Grundsätzlich glaubt jeder Mensch im tiefsten Inneren oder im tiefsten Herzen an das Gute und dass auch die wahre Liebe in jedem Menschen vorhanden ist oder sein sollte. Aufgrund dieser positiven Grundeinstellung und Grundüberzeugung der Menschen konnten diese leicht hinters Licht geführt werden. Hinzu kommen noch zwei weitere Faktoren wie: Verfälschungen in der Wahrnehmung von Emotionen und in der Telepathie (→ »L(i)eben – das i-Tüpfelchen in unserem Leben«, Seite 32 f.) des Menschen.
Emotionen gehören, wie ich eingangs erwähnt habe, zur emotionalen Liebe. Diese beeinflussen unbewusst unseren Ausdruck und unsere Ausstrahlung. Ebenso wirken Emotionen von außen kommend durch ein anderes Herz, durch andere Herzen kommend, auf uns ein. Emotionen werden transformiert in Gefühle, die das Herz berühren oder im Herzen gespeichert werden. Es ist daher ganz wichtig zu wissen, was für eine »Wahrheit«
hinter der Emotion steckt und ob diese verdreht oder verfälscht ist. Oftmals entsprechen Emotionen nicht der wahren Liebe, da sie durch Vortäuschung, Verblendung, Vorspiegelung falscher Tatsachen erzeugt wurden. Viele Menschen geraten in diese Fallen hinein, da sie selbst sich oft nach der wahren Liebe sehnen und diese in die verfälschten Emotionen hineininterpretieren.
Im Normalfall sind Emotionen im Zusammenhang mit der wahren Liebe Momentaufnahmen oder Reaktionen tief aus dem Herzen, die sich aus dem Hier und Jetzt ergeben. Wenn sie spontan hervorgerufen wurden, können sie in den seltensten Fällen manipuliert werden. Wenn Emotionen mit manipulierten Vorinformationen versehen sind, können diese als verdrehte, verfälschte Emotionen negativ wirken. Vorinformationen können von anderen Menschen, Partnerschaftsbörsen, Medien etc. mit positivem oder negativem Ursprung erstellt werden. Je nachdem können sie positive oder negative Emotionen erzeugen und fördern.

Fazit
Der Unterschied zwischen Liebe und wahrer Liebe liegt darin, dass die wahre Liebe frei ist von einer vorgegaukelten falschen Liebe, von verfälschten, vorgespielten Emotionen, von verdrehten, umgekehrten Wahrheiten und Störungen in der menschlichen Wahrnehmung.
Ihre persönliche Definition der wahren Liebe
Jeder Mensch hat seine eigene Betrachtung, sein eigenes Gefühl und seinen eigenen Bezug zur wahren Liebe. Ich finde es immer wieder spannend, wie das individuell zum Ausdruck gebracht wird. Formulieren Sie doch einmal aus Ihrer Sicht Ihre persönliche Definition von Liebe und was die wahre Liebe für Sie ausmacht. Sie können die Fragen zum Beispiel auf einen Waldspaziergang mitnehmen und bei einer Pause an einem schönen Ort oder gleich danach alles aufschreiben, was Ihnen dazu in den Sinn kommt. Diese Definition können Sie danach als persönliche Begleitung, Motivation und Spiegelung täglich nutzen und sie beim weiteren Lesen des Buches vergleichend verwenden. Wundern Sie sich nicht, wenn sich Ihre Definition im Laufe der Lektüre und während Ihrer persönlichen Weiterentwicklung verändert …
Als Anregung können Sie die nachfolgenden Beispiele nutzen oder eigene Worte finden. Bitte vervollständigen Sie den Satzanfang jeweils so, dass er eine Art Slogan oder Kraftsatz für Sie wird. Schreiben Sie die fertige Formulierung gern ins Reine auf ein DIN-A6-Kärtchen (Postkartenformat), das Sie sich an einem schönen Platz in Ihrem privaten Umfeld aufhängen. Es soll Ihnen als Motivation und zur Freude dienen. Ihre eigenen Sätze zeigen Ihnen täglich, wer Sie selbst in Verbindung mit der wahren Liebe sind. Viel Spaß beim »Sich-selbst-Erkennen«!
Ich gewinne, weil ich in Liebe …
(Beispiel: Ich gewinne, weil ich in Liebe handle und mich von meinem Herz und meiner Intuition leiten lasse.)
Ich liebe, weil ich …
(Beispiel: Ich liebe, weil ich stets in Einklang mit der Liebe in und zu mir und zu anderen handle.)
Liebe ist für mich, wenn …
(Beispiel: Liebe ist für mich, wenn alle in Balance von Nehmen und Geben miteinander leben.)
Abschließend als praktisches Beispiel eine kleine Geschichte. Ein Kunde indischer Abstammung, der das unternehmerische Gen seines Großvaters vererbt bekommen hatte, erzählte mir das Folgende:
Unsere ganze Familie traf sich im Sommer bei meinem Großvater, der in England lebte. Als ich kurz mit ihm allein war, fragte ich ihn: »Großvater, warum bist du so ein reicher Mann? Du hast Häuser, Fabriken, viel Geld …« Der Großvater ging gar nicht auf den Besitz oder sachliche Gründe ein. Er schmunzelte nur bei der Frage und antwortete: »Weißt du, warum? Ich bin reich, weil ich ein großes Herz habe und ganz viel Liebe gebe und weil ich alles aus der Liebe heraus tue.«

Fazit
Zwischen dem Begriff »Liebe« und dem der »wahren Liebe« besteht ein Unterschied. Die Liebe stellt sich breitgefächert mit unendlich vielen Ausprägungen und Nuancen dar. Die wahre Liebe ist authentisch, unverfälscht, einfach, klar und vollkommen.
Lebenspraxisbeitrag 1: Liebe lässt sich nicht herstellen, doch bedienen
Prof. Dr. Jesús Hernández Aristu, Dozent, Coach und Autor, Navarra, Spanien
Einleitung zur Fallbeschreibung
Über die Liebe und dann noch über die »wahre« Liebe schreiben zu wollen, scheint mir fast unmöglich zu sein, einfach deswegen, weil Liebe keine Sache ist. Wir können höchstens über die Erfahrung der Liebe schreiben, darüber nachdenken, uns austauschen. Es ginge dann dabei aber nicht darum, ein Objekt verstehen zu wollen, weil eben Liebe keine Ware ist, sondern um das mögliche Echo, das die Beschreibung der Erfahrungsfälle beim Leser hervorruft. Dieses Echoempfinden, die Schwingungen, die eventuell dabei spürbar werden, wären meines Erachtens das Höchste, worauf wir hoffen, das wir jedoch nicht mit dem Verstand realisieren können. Es geht um Resonanzen zwischen dem Fallerzähler und dem Leser.
Ich persönlich habe so oft in meiner Beratungsarbeit diese Coniunctio oppositorum (lateinisch »Zusammenfall der Gegensätze«), die Behebung der Widersprüche im Leben meiner Kunden, erfahren, dass ich selbst nicht aus dem Staunen herauskomme über das, was unter uns Menschen möglich ist. Ich bin dem Autor Claus Walter sehr dankbar für die Aufklärungstheorien, die er vertritt. Er hat mich mit den Prinzipien der Quantenphysik vertraut gemacht und damit meinen Beratungserfahrungen bei bestimmten Kunden einen Namen bzw. eine Erklärung gegeben. Die Benennung ist nicht die Erfahrung selbst, doch sie ist bei der sprachlichen Mitteilung unter uns Menschen als Seinserfahrung sehr hilfreich und hat zur Folge, andere auf ihre eigenen Erfahrungen aufmerksam zu machen und sie zum Mitschwingen zu bringen. Wie es auch sein mag, meine Absicht bei meiner Falldarstellung ist es nicht, die Leser kognitiv verstehen zu lassen.
Es geht einfach darum, das von mir Erlebte als Liebessituation bei einer Beratung zum Ausdruck zu bringen, in der Hoffnung (nicht Erwartung), dass andere Menschen, Kunden oder Coaches, ähnliche Erlebnisse bei sich feststellen können. Vielleicht, damit sie bei zukünftigen Lebenssituationen auf die innere Dimension (innere Verbundenheit) des Miteinanders aufmerksam werden, auch innerlich berührt werden und dabei als Echo so etwas wie Gänsehaut, ein Schütteln, eine Seins-Fühlung (körperliche Hautreaktion auf ein inneres Erlebnis, wie es Graf Dürckheim benennt) empfinden.
Über die Liebe ist viel geschrieben worden. Sie wurde von Dichtern, Romanautoren, Therapeuten, in Filmen, Theaterstücken, Liedern usw. in der Geschichte der Menschheit immer wieder dargestellt. Sie wird in all den Kunstformen weiterhin besungen und gefeiert. Für meine Arbeit als Pädagoge, Therapeut, Coach und Supervisor und auch als Ausbilder dieser sozialen Berufe halte ich beim Behandeln des Themas Liebe die Erfüllung von drei Bedingungen für unentbehrlich, mit denen Liebe unter Menschen möglich ist:
• Gegenseitige Zuwendung und Annahme
• Freiheit: Liebe lässt sich nicht erzwingen
• Gegenseitige Anerkennung und Wertschätzung
Das heißt, wir können bei einer Beratungssituation keine Liebe herstellen, als ob es sich um eine Sache, um ein Objekt handeln würde. Sie ist kein Ergebnis bzw. keine Folge irgendeiner Ursache. Wir können nicht behaupten, hier und dort würde Liebe entstehen, wenn wir dieses oder jenes tun. Nein, wir schaffen keine Liebe, wir können höchstens die Bedingungen schaffen, unter denen Liebe entstehen kann. Wenn das geschieht, dann werden wir, ohne es zu wollen und ohne es verhindern zu können, selbst überrascht, ergriffen, mitgerissen, berührt.
Fallbeschreibung
Johanna ist eine Frau, Gattin, Mutter, Berufstätige. Sie arbeitet im sozialen Bereich in einer mittelgroßen Stadt im Osten Spaniens. Sie ist seit mehreren Monaten wegen Traurigkeit, Müdigkeit, Stress und Lustlosigkeit krankgeschrieben, alles Anzeichen einer Burnout-Situation. Trotz Medikamenteneinnahme, psychiatrischer Behandlung und Ruhe zeichnet sich bei ihr keine Besserung ab.
Sie kannte mich aus einer Team-Supervision-Veranstaltung und bat mich um Hilfe. Ich nahm die Anfrage gern an. Wir vereinbarten fünf bis sechs Sitzungen von jeweils einer Stunde, um daran zu arbeiten. Nach zwei Sitzungen im direkten Gespräch setzten wir unsere Coachingarbeit per Skype fort. Wir sind dabei ihre ganze Situation im Einzelnen durchgegangen: Schwierigkeiten in der Berufsausübung, verschleppte Probleme mit ihrer Herkunftsfamilie, Auseinandersetzungen in ihrer jetzigen Familie, die Sorge um ihren kranken Mann und um die zwei erwachsenen Kinder. In der vierten Sitzung sprach sie über ihren besseren psychischen Zustand und bewertete unsere Sitzungen positiv. Sie schien damit zufrieden zu sein und erwähnte einen Artikel, den sie gelesen hatte und der ihr sehr geholfen hätte. Ich bat sie, mir zu erzählen, was an dem Artikel sie so berührt habe. Sie sagte: »Die vier Prinzipien des Wohlergehens, die vier Vereinbarungen mit sich selber. Es stand in einer Zeitschrift (Integral Nr. 715), und es hat mir gutgetan, diese vier Prinzipien auf meine aktuelle Situation anzuwenden. Ich brauche diese vier Vereinbarungen mit mir selbst wirklich und habe darüber nachgedacht.«
Ich antwortete: »Dann erzähle mir bitte, worum es bei diesen Vereinbarungen geht und was du dabei gedacht bzw. gefühlt hast.«
Sie nannte mir die vier Vereinbarungen der Tolteken:6
»1. Sei tadellos in der Sprache!
2. Nimm nichts persönlich!
3. Ziehe keine voreiligen Schlüsse!
4. Gib dein Bestmögliches!«
Ich fragte sie, woran oder an wen sie dabei dachte und was es für sie hieß. Sie begann zu erzählen, dass sie eine Tendenz dazu habe, immer wieder negativ zu denken, sich bei jeder Gelegenheit die schlimmsten Sachen auszumalen, wie sie sich zurechtspinnen würde, was alles passieren könne. Auf meine Frage, wann oder bei wem sie sich schlimmste Szenarien ausmalen würde, gab sie ziemlich unvermittelt ihre Arbeitsstelle und ihren Sohn an. Bei ihrem Sohn bedrücke es sie besonders. Sie hatte in den Sitzungen davor schon erzählt, wie schlimm es um ihren Sohn bestellt sei. Er hätte keinen richtigen Beruf und keinen richtigen Job. Er arbeite nur ab und zu, verdiene sich etwas Geld, und dann ginge er auf Reisen und sei auf und davon. Er schien dabei glücklich zu sein, doch sie mache sich große Sorgen um ihn. »Was wird aus ihm werden? Wir, mein Mann und ich, haben uns unsere Existenz mühsam unter schlimmeren Umständen aufgebaut … Er hat zwar eine tolle Frau, die auch einen Beruf und eine anständige Arbeitsstelle hat, doch er kann und soll seine Existenz nicht auf ihrem Rücken errichten.«
Johanna erzählte bei dieser Sitzung wiederholt die Geschichte von ihrem Sohn, und es zeigte sich, dass sie ihn einerseits mit ihren Sorgen verurteilte, wegen der Dinge, die er tat bzw. nicht tat, andererseits stellte sie fest, wie glücklich er zu sein schien. Das konnte sie (kognitiv) akzeptieren (er hat eine tolle Frau und sie führen ein glückliches gemeinsames Leben), doch emotional konnte sie es nicht gutheißen.
Die Beziehungen zueinander (Mutter-Sohn, Vater-Mutter-Sohn) wären sehr widersprüchlich deswegen, und sie leide sehr darunter. Das Ganze belaste sie massiv, und wenn sie an die Zukunft der beiden denke, male sie sich die schlimmsten Situationen für beide (den Sohn und seine Frau) aus: »Wenn er nicht bald eine Ausbildung macht oder sie ihn nicht dazu zwingt, eine vernünftige Arbeit zu finden …«
Johanna klagte dann über sich selbst, sie könne bei diesen Gedanken verrückt werden, was ihrem Sohn und seiner Partnerin so alles passieren könne, wenn alles so bliebe wie bisher. Zugleich mache sie sich selbst Vorwürfe, denn sie hasse es, sich in das Leben ihres Sohnes einzumischen und es nicht einfach so stehen lassen zu können. Sie habe es satt, immer wieder den Teufel an die Wand zu malen und sich immer wieder auf die schlimmsten Situationen zu fixieren. Deswegen hätte sie diese erste Vereinbarung für so wichtig gehalten: »Sei tadellos in der Sprache!« Sie fragte sich, warum sie nicht alles positiv deuten oder es in positiven Sätzen ausdrücken konnte. »Warum benutze ich immer wieder eine negative Sprache?«
Alle anderen drei Prinzipien kreisten um das Gleiche. Sie würde dies alles nicht persönlich nehmen wollen, schließlich seien es doch die Angelegenheiten ihres Sohnes und seiner Frau. »Warum mache ich immer wieder die schlimmsten Prophezeiungen für die Zukunft?«, warf sie sich selbst vor. Und schließlich fragte sie sich, was sie tun könne, um da herauszukommen bzw. die schlimmen Ereignisse zu verhindern.
Als Coach fragte ich mich beim Zuhören: »Warum hält sie alles so fest (auch ihren Sohn)? Wovor hat sie Angst? Warum kann sie ihn nicht loslassen? Anders ausgedrückt, wie kann sie ihren Wunsch, ihren Willen, ihre Sehnsucht nach Freiheit, Vertrauen und Wertschätzung, nach Annahme ihres Sohnes erfüllen? Wie kann ich ihr dabei als Coach helfen?«
»Mir scheint«, intervenierte ich, »dass die Botschaften dieser vier Prinzipien bei dir nur kognitiv ankommen. Sie berühren dich irgendwie, doch es scheint dir sehr schwerzufallen, sie auch in die Tat umzusetzen. Du bist jedoch auf der Suche nach Möglichkeiten, sie zu verwirklichen. Ist das so? Stimmt das?«
Sie nickte bejahend und fuhr fort: »Es fällt mir sehr schwer, ihn in seiner Art glücklich sein zu lassen, ihn loszulassen, ihm zu vertrauen, dass er sein Leben zu meistern vermag …«
Ich bemerkte, wie treffend meine Intervention war und wie sie sie schweigsam eine Zeit lang auf sich wirken ließ. Ich begleitete sie dabei, mal mit einem einfühlenden Wort, mit Schweigen, mit Nicken …
Dann sagte sie: »Du wirst es nicht glauben: Nachdem ich dir alles so erzählt habe, haben wir, mein Mann und ich, unseren Sohn und seine Frau vorige Woche besucht und mit ihnen zu Mittag gegessen. Bei der Heimkehr sprachen mein Mann und ich darüber, wie schön es bei ihnen war, wie harmonisch und liebevoll sie miteinander umgehen, mit welcher Gelassenheit und friedlicher Annahme sie sich behandeln, wie ruhig sie beide mit den Schwierigkeiten des Lebens und der eigenen Situation umgehen.« Johanna und (angeblich) auch ihr Ehemann staunten und bewunderten die Art, wie der Sohn und seine Frau das gemeinsame Leben gestalteten. Sie fragten sich, ob sie selbst etwas davon lernen könnten, ob sie vielleicht nicht ständig auf (unbedingte) Sicherheit bedacht sein müssten, und dachten darüber nach, wie sie selbst denken und in bestimmten Lebensvorstellungen haften geblieben waren etc. Dann intervenierte ich erneut und sagte mit lauterer Stimme etwas herausfordernd und mit einer leichten Ironie: »Und das habt ihr ihnen (ihrem Sohn und seiner Frau) auch sofort mitgeteilt, oder?« »Nein«, sagte sie, »das haben wir nur untereinander besprochen.« Dabei lächelte sie, als hätte sie sich selbst erwischt.
Nach einigen Sekunden des Sinken-Lassens schlug ich vor: »Wie wäre es für dich, wenn du deinem Mann und deinem Sohn von diesem Gespräch erzählst und betonst, wie stolz du auf die Art und Weise bist, wie er sein Leben führt?«
Zustimmend sagte sie: »Das mache ich!« Ich schloss die Beratungsstunde mit dem Satz ab: »Tu bitte genau das, er wartet schon lange darauf.«
Einige Tage später schrieb sie mir per WhatsApp Folgendes: »Hallo, Jesus! Wie geht’s dir? Uns geht’s bestens. Ich schicke dir gute Nachrichten: Einen Tag nach unserem Gespräch habe ich mit meinem Sohn Luis geredet. Ich habe ihm gesagt, dass sein Vater und ich sehr gern bei dem Mittagessen bei ihnen gewesen seien. Wie spürbar ihre innerliche Verbundenheit gewesen sei, wie viel Ruhe sie beide ausgestrahlt hätten, wie leicht ihre innere Komplexität wahrzunehmen gewesen sei. Auch sagte ich ihm, wie wir uns von ihnen beiden aufgenommen gefühlt hätten. Ich habe ihn darauf hingewiesen, wie froh mich diese Feststellung machte, sie beide miteinander so glücklich zu sehen, und dass ich sehr stolz darauf sei, wie er sein Leben gestalte …
Er antwortete mir, dass die beiden am selben Tag nach unserem Besuch auch über uns gesprochen und dabei festgestellt hätten, dass wir, mein Mann und ich, entspannt ausgesehen hätten. Sie hatten sogar beobachtet, dass wir unsere Schultern physisch locker fallen gelassen hätten, als ob wir uns gemütlich in einen Sessel hätten fallen lassen.« Johanna schloss ihre Nachricht mit dem Satz: »Wir haben uns mehrmals umarmt.«
Mein Kommentar dazu lautet: Die Mutter ist in der Beziehung von einer Position des Rechthaben-Wollens, des Sicherstellen-Wollens, des Kontrolle-behalten-Wollens, des Leben-festhalten-Wollens, d. h. von einer Position des Wollens, des Habens, der Macht, in eine Position des Seins, der Annahme, der Wertschätzung, des Loslassens und schließlich der Liebe gerückt. Dies ist noch nicht alles, doch der Weg hin zu sich selbst ist bei ihr gebahnt, da sie ihn freigelegt hat.
Von der Liebe zu anderen hin zu der Liebe zu sich selbst
Zwölf Tage später hatten wir ein weiteres virtuelles Treffen. Sie erzählte mir per Skype, dass es ihr viel besser gehe, dass diese Erfahrung mit dem Sohn eine gute gewesen und sie nun viel ruhiger sei. Sie sehe sich jedoch noch nicht in der Lage, wieder zu arbeiten und ihrem Beruf nachzugehen. Auch ihre Psychiaterin meinte, sie (Johanna) wäre noch nicht so weit. Andererseits dürfe sie zu diesem Zeitpunkt sowieso nicht zur Arbeit gehen, denn alle Beschäftigten im Sozialdienst sollten wegen des Corona-Virus zu Hause in Quarantäne bleiben. Was die Ärztin gesagt habe, beruhige sie zwar, doch das Problem bestehe auch weiterhin unabhängig von dem Corona-Virus. Einige ihrer Kollegen verrichteten ihre Arbeit von zu Hause aus. Sie meinte (vorwurfsvoll), sie sei eine Privilegierte, die einen Lohn und ein gutes Zuhause habe und es sich erlauben könne, krank zu sein. Es gäbe viele Menschen, die es nicht so gut hätten, die nicht zur Arbeit gehen könnten, weil sie keine Arbeit hätten. Sie habe dann ein furchtbar schlechtes Gewissen bekommen, als sie daran gedacht habe, wie schlimm die Situation bei anderen Menschen geworden sei. Gerade wenn man bedachte, dass sie einen sozialen Beruf habe, den sie nicht ausübe … Vielleicht wäre sie zu egoistisch, denn diese Menschen bräuchten sie, und doch bliebe sie krankgeschrieben zu Hause … Andererseits sagte sie, dass sie bemerke, wie gut es ihr tue, sich eine Zeit lang auszuruhen und es sich zu erlauben, nach so vielen Jahren ununterbrochener Arbeit zu sich selbst zu kommen. Doch sie empfinde bisher noch immer keinen Impuls, zurück zur Arbeit zu gehen. Dabei fühle sie jedoch nur ein schlechtes Gewissen, was sie belaste.
Ich fasste zusammen: Sie hatte zwei Stimmen in sich und wusste nicht, welcher Stimme sie Folge leisten sollte, was sie schließlich noch mehr belastete. Dies bestätigte sie. »Ich will zu Hause bleiben«, sagte sie, »aber es gibt eine innere Stimme (die zweite Stimme ›el Pepito Grillo‹ = das Teufelchen), die sich immer wieder dagegen sträubt und mich nicht in Ruhe lässt.« Ich schlug ihr vor, einen Dialog mit den zwei Stimmen zu führen.