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Der gerechte Shōgun Yoshimune selbst ging 1745 in den Ruhestand. Die letzten sechs Jahre seines Lebens waren aber zunehmend von Krankheit überschattet.
Die unfähigen Shōgune Ieshige, Ieharu und Ienari und der »charismatische Bürokrat« Matsudaira Sadanobu (1759 – 1829)
Yoshimunes Sohn Ieshige (1711 – 1761, Regierungszeit 1745 – 1760) wurde als Fünfunddreißigjähriger der neunte Shōgun. Die Historie bezeichnet ihn als einen der am wenigsten fähigen Tokugawa-Shōgune, Isaac Titsingh als nicht gesund schon bei Amtsantritt wegen einer »ungeordneten Leidenschaft für Frauen und stark alkoholhaltige Getränke«. Die Bevölkerung sprach (hinter vorgehaltener Hand) über Ieshige als anpontan, was mehr oder weniger »Dummkopf« bedeutet. Auch dem zehnten Shōgun Ieharu (geboren 1737, Regierungszeit 1760 – 1786) wurde von einem Holländer, Jan Crans, Faulheit, Dummheit und Lüsternheit unterstellt. Trotzdem lief die vom achten Shōgun Yoshimune überholte Regierungsmaschine jahrelang gut weiter, bis sich kritische Stimmen und lokale Bauernaufstände zu häufen begannen. Die wirtschaftliche und soziale Dynamik des Landes hatte sich seit 1603, dem Beginn des Shōgunats, stark verändert. Nirgendwo war das stärker zu spüren als in der Metropole Edo, aber die konservative Obrigkeit fürchtete Neuerungen und reagierte daher zunehmend unzureichend.
Der Anfang der Regierung des elften Shōgun Tokugawa Ienari (1773 – 1841, Regierungszeit 1787 – 1837) war geprägt von der Dominanz des Fürsten Matsudaira Sadanobu (1759 – 1829), eines Verwandten des jungen Herrschers. Diesem Shōgun wird nachgesagt, im Frauenquartier der Burg Edo, dem abgeriegelten Ōoku, rund 900 Frauen gehabt zu haben, mit denen er mehr als 75 Kinder zeugte, die kostspielig versorgt werden mussten. Matsudaira Sadanobu war aus ganz anderem Holz geschnitzt. Geboren in der Burg Edo in eine Nebenlinie der Tokugawa, kam er aus einem Haus, das Wert auf männliches Auftreten und moralische Lebensführung legte. Sein Vater Munetake war ein Sohn des achten Shōgun Yoshimune, war aber zugunsten des dekadenten Ieshige übergangen worden. So bereitete Munetake seinen Sohn Sadanobu mit einer überaus gründlichen Erziehung darauf vor, die nächste Chance auf das höchste Staatsamt zu ergreifen. Doch auch Sadanobus erhoffte Adoption durch Shōgun Ieharu scheiterte. Stattdessen wurde Sadanobu von den Matsudaira von Shirakawa adoptiert.
Adoptionen von Söhnen als Ersatz für fehlende Erben waren in den besitzenden Familien weit verbreitet; eine Fürstenfamilie ohne Erben lief Gefahr, ihres gesamten Lehens verlustig zu gehen. Für die abgebende, söhnereiche Familie war das nicht selten mit handfesten Vorteilen verbunden. So wurde der ehrgeizige Sadanobu 1783 Fürst von Shirakawa, und 1787 war er ganz oben angekommen, als er noch vor seinem 30. Geburtstag unter dem gerade fünfzehnjährigen Shōgun Ienari den neuen Posten des Obersten der Großen Räte (rōjū shūseki) übernahm, also eine Art von Premierminister wurde, dazu offizieller Berater des Shōgun (hōsa), ein Posten, der 150 Jahre vakant gewesen war. Alle Reformen mussten mit der verkrusteten Regierungsbürokratie beginnen, und hier war ein charismatischer Mann gefragt (Charismatic Bureaucrat ist der Titel von Sadanobus moderner Biographie von Herman Ooms). Sadanobu wurde zum Architekten der Kansei-Reformen. Kansei bedeutet in etwa »milde Regierung«, aber tatsächlich war seine Regentschaft das Gegenteil. Zuerst entledigte er sich seiner Gegner in der Regierung. Sein Geheimdienst nahm Edo und die Provinzen in den Griff und verbreitete Furcht. Informanten und Denunzianten konnten auf reichen Lohn hoffen. Matsudaira Sadanobu sah den Staat der Tokugawa fatal bedroht und kämpfte um dessen Überleben. Eine ungewöhnliche Häufung von Erdbeben, Vulkanausbrüchen, Missernten und Bränden hatte Japan in Unruhe versetzt. 1786 gab es 57 Bauernaufstände, 1787 Aufstände sogar in Edo und 1788 insgesamt 117 Revolten. Allein im Bezirk Kuramae in Edo, wo gut gefüllte Lagerhäuser standen, fielen hungrige Massen über fast 1.000 kura her und plünderten sie. Sadanobu ordnete an, dass die allzu lasch gewordenen Samurai der Tokugawa verstärkt Kampfkünste zu trainieren hätten und der ganzen Gesellschaft verordnete er zur »Gesundung« strikt orthodox konfuzianische Werte. Er ließ andere philosophische Richtungen als Häresie brandmarken und bannte »Pornographie«, was zur Verfolgung einer Reihe prominenter Autoren und Künstler in Edo führte, die sich vor den Zensoren der Regierung in Acht nehmen mussten.
Andere Maßnahmen, die Edo betrafen, erscheinen aus heutiger Sicht sinnvoller: So gab die Regierung Bauern aus verwüsteten Dörfern, die in der Hoffnung auf ein Auskommen in die Hauptstadt geflutet waren, Reisegeld, Werkzeug und teils sogar Land, wenn sie in die Provinz zurückkehrten, wodurch die Agrarproduktion gestärkt und die Spannungen in Edo gemindert wurden. Trotzdem zogen viele ehemalige Bauern eine marginale Existenz in der Hauptstadt der Schufterei auf dem Lande vor. Für Wohnungslose richtete Sadanobu ein Wohn- und Arbeitshaus in Ishikawajima ein, das aber verhasst war selbst bei den Ärmsten wegen der Zwangsarbeit und ungenügenden Ernährung und Kleidung.
Auch am anderen Ende der Einkommensskala in Edo wurde Sadanobus Regierung aktiv, indem sie Gruppen von reichen Kaufleuten, die vorher wegen ihres geringen sozialen Status offiziell missachtet worden waren, mehr Anerkennung entgegenbrachte und gleichzeitig finanzielle Anforderungen an sie stellte. Dies waren zunächst die auch den Tuchhandel dominierenden Gold- und Silbergilden, dann der Verband aller Edo-Niederlassungen der wichtigsten Kaufleute des ganzen Landes und schließlich diejenigen Unternehmer aus Edo, die sich mit neuartigen Geschäften befassten. Schließlich arbeitete die Regierung mit zehn solchen Gruppen zusammen, der wirtschaftlichen Elite von Edo. Und tatsächlich ließ sich diese darauf ein, dass die Regierung einen generellen Schuldenerlass für alle Samurai verhängte, der natürlich die Kaufleute schädigte. Aber die fortgesetzte Unterstützung durch die Regierung machte diesen Verzicht erträglich, der wiederum dazu beitrug, die Lage in der Stadt zu entschärfen.
Bei fast allem, was er veranlasste, machte sich Matsudaira Sadanobu, der politisch Verantwortliche, unbeliebt. Zwischen 1791 und 1793 bat er den Shōgun drei Mal darum, von seinen Pflichten entbunden zu werden. Beim dritten Mal entsprach Ienari seinen Wünschen.
Matsudaira Sadanobu zog sich nach und nach aus der shōgunalen Politik zurück und widmete sich noch viele Jahre anderen Aufgaben. Anscheinend gehörte zu seinem wirklichen Wesen aber noch mehr als sein Ruf als drakonischer Reformer und konfuzianischer Modellgelehrter. Wie viele Japaner stand er im Spannungsfeld von giri (dem als Pflicht Empfundenen) und ninjō (dem menschlich Erwünschten). Unter dem Pseudonym Rakuō führte er geradezu ein zweites Leben als Autor zahlreicher gelehrter und anderer Texte, darunter auch eine Autobiographie und entschieden leichteres Material, dass er »zur eigenen Zerstreuung« geschrieben hatte. Viele dieser Texte verbrannte er selbst, weil sie seinem der Nachwelt zugedachten konservativen Image nicht entsprachen, aber seine Mitarbeiter kopierten einige Manuskripte rechtzeitig. 1784 hatte Matsudaira Sadanobu sogar eine satirische Schrift mit dem Titel Daimyō Katagi verfasst, in der die Fürsten des Landes – seine Standesgenossen! – geistreich auf die Schippe genommen wurden. In der schwungvoll und teils in der Mundart von Edo erzählten Geschichte verfällt ein Fürst zuerst den Kampfkünsten, dann der Literatur und schließlich dem Kabuki-Theater, was jedes Mal Mühe und Erschöpfung für seine gestressten Gefolgsleute bedeutet. Im zweiten Teil erscheint ihm dann ein konfuzianischer Weiser im Traum und weist dem Fürsten den rechten Weg (im Sinne des offiziellen Matsudaira Sadanobu).
Pikanterweise gehörte dieser Band in die wenig respektable literarische Kategorie der gesaku, die von Sadanobu als Premierminister offiziell bekämpft worden war. Er konnte unbotmäßige Schriftsteller deshalb so zielgerichtet verfolgen, weil er selbst einer war und sich auskannte. Als Chef der Regierung tat er das, was er für seine politische Pflicht hielt. Nach dem Ausscheiden aus dem Amt ist von ihm überliefert, dass er sich privat um Wiedergutmachung bei den gemaßregelten Autoren bemühte.
Das Bröckeln der Macht –
Von den Tokugawa-Shōgunen Ieyoshi bis Iemochi
Vom 12. bis zum 14. (und vorletzten) Tokugawa-Shōgun setzte sich die Häufung von politischer und körperlicher Schwäche gepaart mit Dekadenzerscheinungen fort. Die Herrscher waren zunehmend abhängig von einer Reihe starker Männer, die für sie regierten und versuchten, Staat und Stadt in den unübersichtlicher werdenden ersten beiden Dritteln des 19. Jhs. im Sinne der Dynastie zu steuern.
Tokugawa Ieyoshi (geb. 1793, Regierungszeit 1837 – 1853), Iesada (geb. 1824, Regierungszeit 1853 – 1858) und Iemochi (geb. 1844, Regierungszeit 1858 – 1866) mussten zunehmend mit ansehen, wie die Politik der Isolierung Japans von der Welt unhaltbar wurde. Durch Chinesen wie Holländer, durch deren übersetzte Bücher sowie durch das Königreich Ryūkyū (die heutige Präfektur Okinawa) gelangten beängstigende Nachrichten über den technischen Fortschritt westlicher Länder und ihr koloniales Ausgreifen in Asien an den Hof in Edo. Neue europäische Mächte setzten sich in Asien fest; besonders russische, amerikanische und britische Schiffe kamen Japan immer näher. Jahrzehntelang rangen verschiedene Denkrichtungen in Japan um die beste Politik: sollte Japan am Alten festhalten und sich verteidigen – notfalls bis zu einer totalen Niederlage – oder sollte es sich vorsichtig zum Westen hin öffnen und technisch modernisieren, aber mit dem Risiko unkalkulierbarer politischer und gesellschaftlicher Umwälzungen? Das Letztgenannte war natürlich Anathema zum traditionellen Denken des Shōgunats.
In der Hauptstadt Edo befand sich das Epizentrum des Konflikts auf zwei Ebenen. In der Burg rangen konkurrierende Fürstenfraktionen um Einfluss und keiner der Shōgune hatte mehr die Kraft alle zu einigen. In der Stadt und auf ihren Straßen gärte es zunehmend. Samurai vor allem aus Westjapan, aber auch aus Mito, einer Hauptlinie der Tokugawa, forderten den Kampf gegen den westlichen Einfluss und ließen immer öfter ihre Klingen sprechen – auf den Straßen von Edo waren täglich Zehntausende, wenn nicht Hunderttausende Schwerter tragende Samurai unterwegs. Die Obrigkeit versuchte in mehreren Anläufen unter anderem die Hauptstadt wieder stärker unter ihre Kontrolle zu bringen, indem sie abweichende Meinungen und die Bildung von politischen Gruppen verfolgte und gleichzeitig die Zuwanderung zu unterbinden suchte. Doch es nutzte nichts, das Klima beruhigte sich nicht und im Juli 1853 erschien der US-Kommodore Matthew C. Perry mit einer Flottille moderner dampfgetriebener Kriegsschiffe vor Uraga am Eingang der Bucht von Edo. Diese »Schwarzen Schiffe« (kurofune) lösten genauso einen Schock aus wie die Landung von 300 Soldaten. Die Schwäche des Shōgunats, das nominell über eine zehntausende zählende, aber hoffnungslos veraltete Armee gebot, wurde offensichtlich. Man sah sich 1854 gezwungen mit den Amerikanern, und bald darauf auch mit Russen, Engländern und Niederländern Verträge abzuschließen. Die ab 1858 folgende Serie der »Ungleichen Verträge« begünstigte die fremden Mächte einseitig, indem ihnen Häfen geöffnet, die Ansiedlung von Konsuln und anderen Staatsbürgern, allesamt mit exterritorialem Status (also ausgenommen vom japanischen Gesetz), sowie wirtschaftliche und finanzielle Privilegien eingeräumt wurden, die Japaner nicht erhielten.
Damit war die Geschäftsgrundlage des Shōgunats entfallen, denn das Amt bedeutete eigentlich »Militärbefehlshaber zum Niederwerfen der Barbaren«, was zum Ärger vieler konservativ denkender Samurai und auch Bürgerlicher aber nicht einmal ernsthaft versucht wurde. So gingen diese in der Sonnō jōi-Bewegung zusammengeschlossenen »Patrioten« in Opposition zum Shōgunat und richteten ihre Hoffnungen auf den Kaiser. Der Name der Bewegung war zugleich ihr Programm – in Übersetzung: »Verehrt den Kaiser und vertreibt die Barbaren!«
Das Shōgunat geriet so in die missliche Lage, ohnmächtig zwischen den Ansprüchen der mächtigen »Barbaren« und dem Ärger eines bedeutenden Teils der Bevölkerung zu stehen. In Edo selbst wirkte sich die durch den rasant wachsenden Außenhandel steigende Nachfrage nach vielen Gütern preistreibend aus. Einfache Stadtbewohner wie Samurai litten, aber nur den Fürsten wurde geholfen, indem man 1862 ein seit dem 17. Jh. ehern geltendes Prinzip aufgab, dass die ständige (und kostenintensive) Anwesenheit von Frauen und Kindern der Fürsten in Edo verlangte, deren Präsenz so die Loyalität ihrer Männer/Väter in den Provinzen garantierte. Der Massenexodus der Fürstenfamilien mit Zehntausenden von Gefolgsleuten aus Edo gab nicht nur den Gegnern des Shōgunats im Westen und Süden Japans freie Hand, sondern schwächte die Wirtschaft der Stadt nachhaltig. Hungrige Menschenaufläufe plünderten die Häuser reicher Händler aus. Weite Stadtviertel einschließlich Akasaka, Kanda, Azabu, Yotsuya, Shiba und Honjo gerieten phasenweise außer Kontrolle, die Regierung war blamiert.
Der letzte der starken Männer des Shōgun –
Ii Naosuke (1815 – 1860)
Als die Sonnō jōi-Bewegung begann, Gewalt auszuüben, griff die Shōgunatsregierung ab 1858 hart durch. Verantwortlich für diese Repression war der letzte der starken Männer des Shōgunats, Fürst Ii Naosuke (1815 – 1860). Obwohl er nur der vierzehnte Sohn des Fürsten von Hikone war und schon länger in einem buddhistischen Kloster lebte, wurde er 1850 doch noch Nachfolger seines Vaters, nachdem alle älteren Brüder entweder gestorben oder zur Adoption in andere Familien gegeben worden waren. Das kulturell verfeinerte Leben der Klosterzeit prägte Naosuke nachhaltig; er war Meister der Teezeremonie und als Schriftsteller tätig. Ii Naosuke wurde aktiv in der nationalen Politik, die von starken Richtungskämpfen zwischen einzelnen Fürstenfraktionen und Cliquen selbst innerhalb der Familie Tokugawa geprägt wurde. 1858 wurde Ii Naosuke zum Tairō ernannt, eine nur selten besetzte Position, wodurch er der starke Mann in der Regierung war. Die Entscheidung, dass die Ungleichen Verträge mit den USA und anderen zu akzeptieren waren, nahm er auf sich, obwohl er sich zugleich auch von den pro-westlichen Reformern abgrenzte. Viele Gegner wurden aus ihren Ämtern gedrängt.
Ii Naosukes Akzeptanz des Unpopulären, aber Unvermeidlichen machte ihn zur Zielscheibe der Gegner der Landesöffnung und des Shōgunats. Die Vergangenheit und die privaten Leidenschaften Ii Naosukes schienen allerdings so gar nicht zusammenzupassen mit dem Bild des harschen, verhassten Diktators. Wie bei Matsudaira Sadanobu beobachtet man große Abweichungen zwischen den kultivierten persönlichen Interessen Naosukes und dem geharnischten Auftreten als loyale Amtsperson der Tokugawa, was allerdings für Zeitgenossen wohl weniger verwunderlich war als für uns Heutige. Als Samurai und Vasall der Tokugawa sah er sich in der Pflicht, die Politik umzusetzen, die dem Haus des Shōguns langfristig am meisten zu nutzen schien. Wenn dazu die Billigung verhasster ungleicher Verträge und die Exekution unruhiger Elemente gehörte, so musste dies sein; anschließend konnte er sich wieder der Teezeremonie und anderen kulturellen Aktivitäten widmen.
Wie sein illustrer Vorfahr Ii Naomasa, der im Jahre 1602 durch die Folgen einer im Kampf für seinen Herrn Tokugawa Ieyasu erlittenen Wunde sein Leben gelassen hatte, starb auch Ii Naosuke in Pflichterfüllung. Nach nur 20 Monaten seiner »Diktatur«, am 24. März 1860, näherte sich Ii Naosuke frühmorgens in seiner Sänfte mit kleinem Gefolge der Burg Edo, als eine Gruppe von 18 stellungslosen Samurai (rōnin) auf ihn zusprang. Arimura Jisaemon aus Satsuma schlug des Fürsten Kopf ab und entleibte sich selbst an Ort und Stelle. Dies geschah direkt vor dem Sakurada-mon, einem der großen äußeren Tore der Burg. In populären Medien, ob Farbholzschnitte oder Filme, sieht man immer wieder das Bild des roten Bluts, das auf den weißen Schnee vor dem Burgtor tropft und in ihn einsickert.
Zeitenwende und der letzte Shōgun
Tokugawa Yoshinobu (1837 – 1913)
Das Shōgunat hielt Ii Naosukes Tod mehrere Monate geheim, um nicht den Eindruck der Instabilität zu erwecken. Nur wenige Jahre später war die Herrschaft jedoch unhaltbar geworden und der letzte Tokugawa-Shōgun, Yoshinobu (1837 – 1913, Regierungszeit 1866 – 1867), musste nach nur einem Jahr im Amt zurücktreten.
Von Tokugawa Yoshinobu besitzen wir Photographien. Eine, die 1867 in Ōsaka aufgenommen wurde, zeigt den letzten Shōgun sitzend in fließender Hoftracht mit zusammengefaltetem Fächer und der eboshi genannten formellen Hofmütze. Obwohl der Herrscher gerade einmal 30 Jahre alt ist, wirkt sein feines Gesicht angespannt und müde. Die Augen blicken den Betrachter nicht an und die schmalen Lippen sind zusammengekniffen.
Obwohl er persönlich nicht unfähig war, war es zu spät für Yoshinobu. Auch französische Militärhilfe konnte das Tokugawa-Shōgunat nicht wieder erstarken lassen, und im November 1867 gab er sein Amt auf und die Regierungsmacht an den Kaiser in Kyōto zurück. 264 Jahre der Herrschaft der Familie Tokugawa waren an ihr Ende gekommen. Trotzdem griffen die rebellischen Lehen Satsuma und Chōshū in Kyōto an. Trotz zahlenmäßiger Überlegenheit ließ Yoshinobu seine Truppen im Stich als er sah, dass die Rebellen das kaiserliche Banner trugen. Durch die sichtbaren Zeichen der kaiserlichen Legitimation wurden die Tokugawa selbst zu Rebellen. Der ehemalige Shōgun Yoshinobu floh nach Edo, wohin die gegnerische Armee ihm folgte. Die Übergabe der Burg Edo im April 1868 an die ehemaligen Rebellen und jetzigen Kaiserlichen bedeutete, dass die Stadt vor größeren Kämpfen bewahrt blieb, obwohl nicht alle Tokugawa-Loyalisten aufgaben wie ihr Shōgun. Das Tor zum Tempel Kyō in Nippori, in der Nähe von Ueno, legt mit seinen vielen Einschusslöchern aus dem Gefecht um Ueno bis heute davon Zeugnis ab.
Tokugawa Yoshinobu erfuhr Milde, aber er musste seine ehemalige Hauptstadt verlassen. Er lebte nun als Gentleman im Frühruhestand mit vielen Hobbys in Shizuoka, dem Alterssitz seines Urahns Tokugawa Ieyasu. Die Tokugawa versuchten nie mehr, die Macht zurückzugewinnen; sie wären angesichts der gewaltigen Veränderungen, die nun einsetzten, auch anachronistisch gewesen. Schon bald verschwand sogar der Stadtname Edo von der Landkarte. Die Stadt beherbergte nun keinen Shōgun mehr, sondern den Kaiser und hieß seit dem 3. September 1868 Tōkyō. 1897 erlaubte man Tokugawa Yoshinobu die Rückkehr nach Tōkyō, wo er 1913 hoch betagt starb. Sein Grab befindet sich auf dem Friedhof von Yanaka.
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