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Der Vorteil war, dass er es jetzt nicht mehr überhören würde, sobald es erneut ertönen sollte. Der Nachteil allerdings und dies wurde ihm nach und nach bewusst, war, dass er nun die Laute des gesamten Waldes vernahm, was ihm zunehmend ängstigte. Vielleicht war er bereits in einer Falle von einer Räuberbande.
Das Heulen der Eulen, den leichten Wind, das Zirpen der Grillen und vielleicht einen Fuchs, der gerade durch das Geäst schlich konnte Dyako wahrnehmen oder bildete es sich nur ein? Er war sich nicht sicher und blieb wie angewurzelt stehen. Eigentlich wusste er es besser, denn das Verharren seiner Person war ein optimaler Angriffspunkt für mögliche Diebe- aber aus einem irgendeinem ihm nicht erklärbarem Grund- blieb er stehen.
Für einige Momente verharrte er an Ort und Stelle als er dann beschloss, weiter zu gehen, da er den Gedanken hatte, er halluziniere das Ganze nur. Es war ein langer Tag und kein erfolgreicher. Er war erschöpft und seine Sinne fantasierten vor sich hin. Er sollte zusehen, dass er sich schleunigst vom Acker machte, dachte er sich, als der Laut abermals ertönte und wieder kurz innehielt.
Dieses Mal war Dyako sich sicher, dass es real war. Er drehte sich sofortig in die Richtung aus der er das Geräusch vermutete und schritt vorsichtig voran. Natürlich kam er vom Weg ab, aber das war ihm gleich, da die Neugier in ihm siegte. Er war sich gewiss, dass es sich um eine Stimme einer Frau handelte.
In ihm regte sich abermals der Gedanke, dass es sich auch um eine Falle handeln könne, denn schließlich hielten sich keine vernünftigen Menschen in diesen Wald auf und schon gar nicht zu dieser späten Stunde. Wer war denn so verrückt? Er selbst war es!
„Hallo?“ fragte er vorsichtig und mit leiser Stimme.
Und wieder erwischte er sich, wie dumm er doch war. Nun würden potenzielle Räuber erst recht wissen, wo er sich befand und ihnen würde es leichter fallen, ihn zu auszurauben. Andererseits, was hatte er denn zu bieten? Außer sein Leben?
War es Neugierde, die ihn weiter herausfinden lassen wollte, was es damit auf sich hatte? Oder war es die pure Dummheit? Dyako hatte keine Antwort auf diese Frage und forschte weiter.
Es kam keine Antwort, nur ein weiteres Stöhnen folgte, was seine Vermutung, dass es sich um ein menschliches Wesen beziehungsweise eine Frau handelte, extrem verstärkte. Er machte ein paar weitere Schritte und lugte durch das Gebüsch, um zu schauen, wo da jemand liegen könnte.
„Hallo?“ fragte er dabei abermals, denn wenn Räuber vorhatten, ihn zu überfallen, dann hätten sie es längst getan, denn er- der alte Mann- war doch für solche Diebe kein Gegner, den sie fürchten müssten. Oder sie wussten nicht, dass er ganz allein war.
Erneut gab es keine richtige Antwort. Vielmehr hatte Dyako den Eindruck, dass die Person verletzt sein müsste, so wie sie klang. Bedingt durch die Dunkelheit konnte er nicht richtig sehen, wer da auf er Erde lag, aber die Umrisse ließen erkennen, dass sich dort jemand befand.
„Hallo?“ fragte er nun ein drittes Mal und war lauter als de Male zuvor.
Etwas in ihm machte ihm bewusst, dass die Person Hilfe brauchte. Schnell war seine ursprüngliche Furcht wie verflogen. Zudem machte er sich keine Gedanken mehr darüber, was Gründe für ihre Verletzungen sein könnten. Dyako wollte helfen. Er tastete sich heran und bemerkte, dass die Person an der betroffenen Stelle nackt war.
Dyako wich ein wenig zurück, denn er wollte nicht den Eindruck erwecken, dass er ihr etwas antun wolle. Ganz im Gegenteil, er wollte wirklich helfen. Er versuchte nochmal, sie zu berühren, da es sein könnte, dass sie nur an dieser einen Stelle und er konnte nicht einmal sagen, wo er genau angefasst hatte, nackt war.
Aber er irrte sich. Sie war dort ebenso nackt. Schnell schreckte er zurück. Er zitterte, denn unsittliche Berührungen waren nicht seine Absicht. Allerdings hatte er auch noch das Gefühl, nun ihre Brust berührt zu haben, was seine Scham steigerte.
„Entschuldigung“, sagte er reflexartig und machte einen Satz nach hinten, um einen angemessenen Abstand zu ihr zu halten.
Dabei stieß er sich an einen Ast, der ihm am Hinterkopf traf. Zuerst dachte er, er würde angegriffen werden und drehte sich um, aber als dann nichts weiter folgte, außer ein weiterer Ast, der sich leicht in seinem Gesicht schlug, wandte er sich wieder der Frau zu. Die entstanden Schmerzen ignorierte er.
„Es tut mir leid“, sprach er, „ich wollte Sie nicht…“
Er stockte bei dem Gedanken, das auszusprechen, was er ebengerade gemacht hatte. Er war religiös erzogen worden und er respektierte Frauen. Dyako wusste, dass der Rest der Welt, gerade die Räuberbanden und ebenso die Schergen der Nocta, dies anders sahen und sich anders verhielten. Sie nahmen sich die Frauen und vergewaltigten sie.
Die Frau entgegnete nichts. Sie versuchte aufzustehen und Dyako eilte zur Hilfe. Sie stützte sich an ihm ab und spürte ihre Nacktheit an seinem Mantel. Es war ihm höchst unangenehm, dennoch blieb er an ihrer Seite, da sie sonst fallen und weitere verletzen würde. Er reichte ihr den Stab, den sie griff, um sich weiter auf den Beinen zu halten.
„Ich kann Ihnen meinen Mantel geben“, bot er an und er merkte, wie sich sein ganzer Körper erhitzte und besonders, wie sein Kopf hochrot wurde, „damit Sie nicht frieren müssen.“
Rasch ließ er sie los und sie hielt sich durch den Stab, aber zitterte kräftig. Die Frau kämpfte, um stehen zu können. Dann zog er seinen Mantel aus und legte ihn über ihre Schultern. Der Mantel war lang, sodass er bis zu ihren Waden reichte. Anschließend bot er seine Schulter erneut an, damit sie eine Absicherung hatte, um nicht zu Boden zu fallen.
Der Überfall
Der Wald war nun dunkel. Dabei handelte es sich nicht nur um die übliche Dunkelheit, sondern er war stockfinster. Dyako und die Frau konnten kaum die Umrisse erkennen. Selbst der Mond schaffte es nicht mit seinem Licht für eine klare Sicht zu sorgen, denn die Bäume verschlangen alles und ließen nur Finsternis übrig. Irgendwann hatte er entschieden mit der Frau in einer langsamen Geschwindigkeit voranzuschreiten. Er konnte ihr am besten helfen, wenn sie daheim bei ihm waren.
Es benötigte einige Zeit bis sie an das Ende des Waldes gelangten. Erstaunlicherweise fanden sie überhaupt dort hin. Dyako schrieb es dem puren Zufall zu. Blind und ohne Orientierung aus diesem tiefdüsteren Wald hinauszugelangen und bisher nicht einmal ein gefährliches Tier, geschwiege denn einen Räuber angetroffen zu haben, grenzte reines Glück. Dieser Umstand hatte nichts mit Logik zu tun.
Dyako wusste nicht einmal mehr wie lange sie unterwegs waren. Er hatte die Zeit völlig vergessen. Es musste Nacht sein, das war klar. Gefunden hatte er einen Ausweg, weil sich an einer Stelle der Mondschein zwischen dem dichten Geäst durchkämpfte.
Als sie den Wald verließen, konnten sie etwas mehr erblicken, da der wolkenfreie Himmel den Mond erstrahlen ließ. Dyako hatte nun Gewissheit, dass die Frau splitternackt im Wald gelegen hatte, denn das Kleidungsstück, welches er ihr gegeben hatte, zeigte einige Lichtblicke.
Sie sah jung aus und war zierlich. Dyako hatte die Vorstellung, dass sie Opfer einer Vergewaltigung gewesen sein musste. Und es widerte ihn an. Wie konnte Menschen, nein Männer Frauen so etwas antun? Wenn er es könnte, würde er für Gerechtigkeit sorgen.
Dyakos Gedanken wurden jäh unterbrochen, da die Fremde anhielt. Er blickte sie an und erkannte, dass sie nach vorne starrte. Schnell ging sein Blick in dieselbe Richtung. Dort standen drei Männer in finsterer Gestalt. In diesem Moment bekam Dyako einen dicken Kloß im Hals, denn er wusste, was das für Typen waren. Und dabei waren sie doch gerade der Finsternis des Waldes entkommen. Dyako hatte sich in Sicherheit gewogen und das war ein Fehler.
„Na, des Nachts noch so spät unterwegs?“ fragte der eine und man hörte, dass er mindestens angetrunken war, so wie er lallte.
„Hat der Opa sein kleines Luder gefunden?“ fragte ein zweiter und auch er wirkte betrunken.
Er machte ein paar Schritte auf Dyako und die Unbekannte zu und blieb dann stehen. Dann zückte er eine Waffe und richtete sie auf Dyako. Es schien eine Pistole zu sein. Er schwankte. Seine beiden Kumpanen gesellten sich zu ihm.
„Ich will, dass die kleine Schlampe zu mir kommt und mir einen bläst“, verlangte er, „Opa, du kannst einfach gehen. Ich habe heute meinen Gnädigen.“
„Wir tun dir nichts und verfolgen dich auch nicht“, ergänzte ein anderer und lachte dreckig.
Dabei war beiden klar, dass dies verlogene und brutale Räuber waren, die nichts Gutes im Schilde führten und Dyako niemals gehen lassen würden, wobei die Flucht auch keine Option für Dyako darstelle.
Die Frau schaute zu ihm. Dyako schüttelte den Kopf, um deutlich zu machen, dass er jetzt nicht verschwinden werde, um seine eigene Haut zu retten. Er würde es sein Leben lang mit sich herumtragen und daran gedanklich zu Grunde gehen. Zumal er nicht daran glaubte, dass er hier lebend herauskam.
Was sollte ein alter Mann und eine junge, nackte Frau ausrichten können? Zwar waren die Halunken angetrunken, aber verfügten immer noch über Pistolen, was sie sehr gefährlich machte. Alkohol machte zudem übermütig. Dyako wusste dies durch seine jahrelange Abhängigkeit.
„Ich werde bleiben“, sagte Dyako und zitterte am ganzen Körper.
Er wusste, dass auch sein Verbleib ein Fehler war, denn die Männer würden ihn töten, um an sie heranzukommen. Aber er wollte lieber als mutiger alter Mann sterben als ein lebender Feigling zu sein. Dann wäre Grund ein ehrenwerter gewesen und eben kein Freitod, der feige war. Auf diese Weise könnte er im Jenseits auf seine geliebte Frau treffen und ihr ins Gesicht schauen.
„Dann wirst du sterben“, verdeutlichte der Typ mit der Waffe in der Hand und bestätigte damit Dyakos Vermutung.
„Das ist mir bewusst“, meinte Dyako und zitterte mehr und mehr.
„Es ändert nichts daran, dass wir drei die kleine Schlampe gleich so richtig hart durchnehmen“, sagte ein weiterer, „du kannst uns nicht aufhalten.“
Dyako war all dies klar und dennoch ging er nicht von der Stelle. Er wollte sie retten, vielleicht als Ersatz dafür, dass er seine Frau nicht retten konnte. Vielleicht auch, weil sie alleine war und hilflos. Er würde sich opfern. Dann schaute er sie an und rief:
„Renn, so schnell du kannst. Ich werde mich um sie kümmern. Los!“
Die Fremde bewegte sich nur keinen Zentimeter von der Stelle. Dyako schaute abwechselnd zu ihr und zu den beiden Gegnern, die sich in seine Richtung begaben. Einer von ihnen verharrte in seiner Position. Dyako verfiel in Panik, da er merkte, dass seine Aktion nichts brachte, wenn sie nicht bereit war zu flüchten.
„Los, lauf, worauf wartest du? Willst du sterben?“ brüllte er und seine Verzweiflung war für jeden laut und deutlich zu hören- dabei schüttelte er sie leicht, um sie irgendwie wach zu rütteln.
Aber sie blieb, als ob sie angewurzelt war. Sie regte sich nicht einmal, als er sie anflehte. Dyako blieb keine andere Wahl, als deutlicher zu werden. Er packte sie am Arm und wiederholte seine Aufforderung, obwohl es schon zu spät war, denn die beiden Männer befanden sich hinter ihm.
Noch bevor Dyako reagieren konnte, verpasste einer der beiden ihm einen kräftigen Schlag auf den Hinterkopf und der alte Mann spürte, wie er um sein Bewusstsein kämpfen musste. Der Angreifer wollte keine Kugel verschwenden, wenn er Dyako auch mit bloßer Hand hätte töten können.
Dyako ging augenblicklich zu Boden und hielt sich am Hinterkopf, denn es schmerzte heftig. Der Attackierende hatte gut getroffen, obwohl er zum Schlag grob angesetzt hatte. Nach einem Fußtritt in den Bauch, krümmte der alte Mann sich reflexartig. In Dyako machte sich das Gefühl breit, dass er die heutige Nacht nicht überleben würde.
Weitere Fußtritte, wie auch Schläge prasselten auf ihn ein und Dyako konnte sich nicht mehr halten, denn ganz gleich, wie er sich auch zur Wehr setzte- es gelang ihm nicht, die vielen Hiebe und Tritte auszuweichen oder zu blockieren. Daher verlor er das Bewusstsein. Sein letzter Gedanke galt der Fremden, für die er hoffte, dass sie entkommen konnte. Vielleicht hatte sie die Gunst der Stunde genutzt und war weggelaufen? Sein allerletzter Gedanke aber galt seiner Frau. Nun war es wohl an der Zeit, zu ihr zu kommen.
Als Dyako seine wieder Augen öffnete, blendete ihn ein einzelner Sonnenstrahl und er musste seine Lider gleich wieder schließen. Rasch kamen die Gedanken an dem Überfall der drei Männer in ihm hoch, auch wenn er es nicht gewollt hatte. Die Sonne gab ihm das kurze Gefühl, im Himmelreich zu sein und jeden Augenblick seine geliebte Frau zu begegnen und in seine Arme zu schließen. Aber war es wirklich so oder spielten ihm seine Sinne einen Streich?
Der nächste Blick enttäuschte diesen Traum. Er spürte, dass er noch immer am Leben war, denn seine Wunde am Hinterkopf, sowie seine Prellungen machten sich auf schmerzhafte Weise bemerkbar und holten ihn in die Realität zurück.
Es brannte, stach und die Wunden quälten ihm am gesamten Körper, denn es gab kaum eine Stelle, die die Halunken ausgelassen hatten. Wenn man wissen will, ob man lebt, war der Schmerz wohl das einzige Zeichen, einen Beweis dafür zu erhalten- so dachte sich Dyako.
Sofort fiel ihm die junge Frau ein und er hoffte, dass auch sie die Nacht überlebt hatte. Die Räuber hatten ihn wohl zum Sterben zurückgelassen. Es gebe keinen anderen Grund, weshalb man Zeugen am Leben lassen sollte. Aber die Fremde? Dyako fürchtete, dass die Männer sie nach der angedrohten Vergewaltigung ermordet hatten.
Dyako versuchte, seinen Kopf anzuheben und spürte mit jedem Millimeter einen stechenden Schmerz, aber er wollte unbedingt wissen, ob sie anwesend war. Möglicherweise hatten die Männer sie auch verschleppt, um sie als Sklavin zu halten. Der kurze Moment aber reichte aus, um zu sehen, dass die Fremde etwa dort auf dem Boden lag, wo sie gestern gestanden hatte. Zudem fiel dem alten Mann auf, dass die drei Männer um sie herum lagen- voller Blut. Als wäre ein Massaker geschehen.
Was aber war wirklich passiert? Dyako war verwirrt und der Schmerz zwang ihn wieder zu Boden, denn er hatte noch viel zu wenig Kraft, um sich aufzustemmen. Es würde Tage, nein Wochen dauern, ehe er wieder einigermaßen normal durch das Leben gehen konnte, wenn überhaupt. Er war halt nicht mehr der Jüngste. Früher hätte er solche Qualen einstecken können.
Nun konzentrierte er sich gedanklich erneut mit der vorgefundenen Situation. War ein Streit der Grund dafür, dass sie sich gegenseitig abgeschlachtet hatten? Waren die Männer sich nicht einig darüber, wer als erster ran durfte? Dyako hatte die leise Hoffnung, dass die Frau überlebt haben könnte.
Obwohl sein Körper ihm riet, liegenzubleiben, entschloss er sich aufzustehen. Er musste wissen, wie es der Frau ging und ob sie überlebt hatte. Dies trieb ihn an. Die Schmerzen waren stark, aber Dyako wusste mit diesen umzugehen. Menschen, die keinen Schmerz gewohnt waren, raffte es vielleicht dahin, aber nicht Dyako. Allein der Gedanke, dass die Frau es tatsächlich geschafft haben könnte, war eine große Motivation für ihn.
Nachdem er beim zweiten Hinsehen sogar gesehen hatte, dass sie sich etwas bewegt hatte, war er sich nun sehr sicher und ihm gelang es, sich aufrecht hinzustellen, sodass ihm das Blutbad um die Frau herum noch einmal deutlicher wurde. Dyako stand wie ein hochbetagter Mann, der fast am Ende seines Lebens war und wie in Häufchen Elend dort. Er zitterte am ganzen Körper.
Für ihn sah es jetzt nicht mehr so aus, als hätten die drei sich getötet, sondern vielmehr erweckte sich bei ihm der Eindruck, dass die Frau es getan haben musste, denn die Männer lagen von ihr weg in gestreckter Haltung. Würden die Männer sich gegenseitig getötet haben, dann lägen sie anders.
„So ein Quatsch“, sprach er mit sich selbst und musste schon fast lachen, wenngleich ihm der Schmerz ereilte und ihm das Lachen im Halse steckenblieb. Es war nicht nur der Grund, dass er ein Schwerverletzter war, nein es war der Moment als die Fremde erwachte, sich kurz umschaute und dann einfach aufstand, als sei nichts gewesen.
Dyako war ziemlich erstaunt, denn jetzt fiel ihm auf, dass die Frau nicht einen einzigen Kratzer davongetragen hatte. Sie hatte noch immer seinen Mantel übergestreift und er konnte daher nicht alles erblicken, aber es war der Gesamteindruck, der Dyako überzeugte.
Im nächsten Augenblick ging alles sehr schnell von statten. Einer der Männer erwachte, holte Luft und die Frau sprang zu ihm, schnappte sich einen langen Ast und rammte diesen in den Hals des Mannes. Dyako war fassungslos. Er erkannte nichts mehr von dieser zierlichen Frau, die er gestern aufgefunden hatte. Dies hier war jemand anderes, etwas anderes.
Die Frau zog ihre Waffe wieder heraus und der Mann schnappte vergebens nach Luft, doch Blut füllte seinen Hals und seine Lungen. Schließlich starb er qualvoll. Die Fremde schaute zu, als wolle sie sicher gehen, dass er auch tatsächlich sterben würde. Dann richtete sie ihren Blick auf Dyako, der sofort zusammenschrak.
Ihr Blick jedoch änderte sich von einen auf den anderen Moment, wieder zu der Frau, die er fand. Während sie zu dem Mann in einer boshaften, grausamen Art dreinschaute, hatte sie für Dyako eine Unschuld im Blick. Dyako machte es jedoch Angst, als dass es ihn beruhigte und er ging instinktiv einige Schritte zurück. Seine Sinne forderten ihn auf, achtsam zu sein. Die Frau aber blieb stehen und versuchte ihre Hände zu heben, als wolle sie sich ergeben.
„Wer bist du?“ fragte Dyako voller Furcht in seiner Stimme, „was bist du?“
Die Frau starrte ihn einfach nur an und gab keine Antwort auf seine Frage. Dyako konnte nicht herausfinden, ob sie ihm gut oder schlecht gesinnt war. Seine Angst spielte einen Streich mit hm und er fürchtete sich. Es hätten beide Möglichkeiten wahrscheinlich sein können oder es gab eine Dritte.
„Lässt du mich gehen?“ wollte er wissen und musste weinen, auch wenn es ihn als Mann peinlich war, vor einer Frau derartig fertig und ängstlich rüberzukommen.
Dyako hielt die Anspannung nicht mehr aus, daher liefen die Tränen. Deshalb und weil er unter seinen Schmerzen litt, was ihn abermals zu Boden sinken ließ. Sie nickte nur und brach erneut zusammen, so wie sie zuvor einfach aufgestanden war. Dyako erschrak wiederholt. Er verstand nicht, was geschehen war. Er erhob sich abermals unter heftigen Schmerzen, die sich in diesem Augenblick zurückmeldeten und begab sich zu ihr. Es dauerte eine gefühlte Ewigkeit, ehe er in ihrer Nähe war.
Einerseits hatte er Furcht, dass sie ihn einfach töten würde. Andererseits hätte sie es schon längst tun können und benötigte nicht einen so dummen Trick, um ihn ins Gras beißen zu lassen. Dyako schwankte, aber seine Aktion verriet, dass er momentan eher dazu tendierte, seine Neugierde siegen zu lassen. Zudem wollte er der Fremden helfen. Etwas in ihm sagte, dass sie es dringend nötig hatte.
„Hey, alles in Ordnung?“ fragte er und rüttelte vorsichtig an ihr, denn er wollte nicht riskieren, selbst ein Opfer dieser Fremden zu werden.
Einen kurzen Augenblick lang hatte er die Idee, einfach wegzulaufen und die Frau sich ihrem Schicksal zu überlassen, aber er entschied sich dagegen. So einer war er nicht. Weder einer, der weglief, noch einer, der Frauen auf diese Weise zurückließ. Und mögen sie keine Frauen sein, sondern vielleicht Hexen. Anderseits konnte er weder laufen, noch sich wegbewegen.
Dieser Gedanke, dass sie eine Hexe sein könnte, entstand blitzartig in seinem Kopf. Wie sonst hätte sie die drei Männer töten können? Es würde eine Erklärung dafür geben, weshalb sie nackt in einem gefährlichen Wald gelegen hatte. Möglicherweise wollte man oder besser gesagt die Nocta sie beseitigen. Da Hexen zu den magischen Wesen gehörten, waren sie ein Dorn im Auge der Nocta. Daher begingen sie Jagd auf sie und andere Wesen dieser Art zu machen.
Dyako versicherte sich noch einmal, ob sie zumindest lebte. Eine Weile lag er neben ihr. Es dauerte vielleicht Stunden, ehe er aufstehen konnte. Zwar hatte er weiterhin Schmerzen, aber er konnte sitzen. Wieder vergingen Stunden, ehe die Nacht einbrach. Er schlief ein und wachte am nächsten Tag wieder auf.
Sein Zustand hatte sich entgegen seinen Erwartungen deutlich verbessert. Er richtete sich auf, um Nahrung zu suchen. Er fand Beeren und Nüsse. Er pflückte entsprechend viele, sodass er sie mit der Fremden teilen konnte.
Als er sich wieder zu ihr begeben hatte und sie weiterhin dort lag und schlief, kam ihm der Gedanke, sie mit zu sich zu nehmen, denn dort hätte er Kräuter, ein Dach über den Kopf und würde sich einfach besser fühlen, da er zu Hause war. Er vermisste seine Frau- das Grab seiner Frau.
Es ging ein Ruck durch seinen Körper, als wolle er seinen Gedanken in die Ta umsetzen. Dyako raffte sich auf und packte sie dann, um sie auf dem Rücken nach Hause zu tragen. Zumindest war es der Plan. Er spürte seine Schmerzen und die Belastung, die er nur einige Meter ertragen konnte. Sie war zierlich und deshalb nicht schwer an Gewicht, aber ein alter Mann, wie er einer war, konnte sie nur einen kurzen Weg mit sich schleppen. Dann benötigte er eine Pause.
Er rastete nicht lange, um nicht noch einmal von der Dunkelheit der Nacht überrascht zu werden. Nach einiger Zeit konnte er die körperlichen Leiden aushalten, was daran lag, dass er sie retten musste und sein Körper voll mit Adrenalin füllte. Hauptsächlich gab es ihm das Gefühl, etwas Richtiges zu tun. Die restliche Kraft kam in ihm hoch, als er sein Haus sehen konnte. Nun waren sie nicht mehr weit entfernt von dem Grab seiner Frau.
Dort angekommen, legte er die Fremde ab und packte sich selbst neben ihr auf den Erdboden. Er schaute zum Grab seiner Frau und lächelte ein wenig. Es war eine Mischung aus Erleichterung und Verlegenheit. Er war heilfroh, wieder an dieser Stelle zu sein und er hätte sich niemals, auch nicht in seinen kühnsten Träumen vorstellen können, eine andere Frau mit nach Hause zu nehmen, auch wenn es natürlich andere Umstände sind.
„Sie braucht Hilfe“, sagte er zu seiner Frau.
Die Gutmütigkeit seiner geliebten Frau hätte ihm mitgeteilt, dass es selbstverständlich wäre, Menschen zu helfen, ganz gleich, wo sie herkommen oder wer sie waren. Dyako blickte zu der Fremden rüber und dachte nach. Sie war seltsam, aber dennoch hatte sie es nicht verdient, dass man sie im Stich ließ. Immerhin hatten die drei Männer sie vergewaltigen wollen und bei so einer Sache hätte selbst er diese Widerlinge umgebracht.
Und auch, wenn sie höchstwahrscheinlich alle drei Halunken umgebracht hatte- er musste ihr helfen. Andererseits warn es Räuber, Diebe und Übeltäter, die er wohl verdient hatten, sonst hätten sie die Fremde und ihn getötet.
Dyako raffte sich erneut auf und schleppte die Frau in sein Haus, um sie in seinem Zimmer auf das Bett zu legen. Er deckte sie zu und begab sich ins Wohnzimmer, welches ebenfalls die Küche war, um den Kamin anzufeuern. Es war kalt.
Erst beim Hinsetzen merkte er seine Verletzungen, sowohl diese, die hm die Wache in Ferruma an der Wange zugefügt hatte, als auch die in seiner Magengegend und am Kopf, die in den drei Räubern ihr Ursache fanden. Er hielt sich die Stelle am Bauch. Langsam spürte er die Müdigkeit und ließ sich mehr und mehr von ihr einfangen, bis er schlussendlich eingeschlafen im Sitzen war. Instinktiv legte er seine Hand als Kissenersatz auf den Tisch und ratzte ein.
Am nächsten Morgen weckten ihn wiederholt die Sonnenstrahlen und er merkte, dass es schon Mittag sein musste, denn die Sonne war an ihrem Zenit angekommen. Wie angeknipst schreckte er hoch, denn er wollte wissen, wie es um die Fremde stand. Er stand auf und noch immer spürte er die Wunden des gestrigen Tages. Die Bewegungsabläufe verliefen insgesamt viel langsamer als vorher.
Als er nach einer Weile in seinem Zimmer angekommen war, entdeckte er ein leeres Bett. Sofort schaute er sich um, wenngleich er Zeit dafür brauchte. Zuerst im Raum selbst und dann im Wohnzimmer, denn er könnte sie vor lauter Sorge übersehen haben. Aber dort war sie ebenfalls nicht. Nun begab er sich nach draußen und warf einen raschen Blick auf seinen kleinen beschaulichen Hof, aber auch dort konnte er sie nicht entdecken.






