Die innere Struktur der DP in den altindogermanischen Artikelsprachen

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Pauline Weiß
Die innere Struktur der DP
in den altindogermanischen
Artikelsprachen
Eine Analyse der Funktion und Verwendung der Artikeltypen
Katrin Schmitz / Joachim Theisen / Carlotta Viti
Narr Francke Attempto Verlag Tübingen
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ePub-ISBN 978-3-8233-0071-7
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Der definite Artikel ist eine junge Erscheinung der indogermanischen Sprachen, die noch nicht ausreichend erforscht ist. In den Einzelsprachen entwickelt sich zu unterschiedlichen Zeiten ein Marker, der die Definitheit und Referenz einer Phrase kennzeichnet und somit als bestimmter Artikel beschrieben werden kann. Doch ist fraglich, ob diese neuen Morpheme tatsächlich funktionieren wie ein definiter Artikel der modernen Sprachstufen. Ebenso ist unklar, wann man in den frühen Sprachstufen von einem definiten Artikel sprechen kann. Einerseits teilen die markierenden Elemente gewisse Eigenschaften, andererseits unterscheiden sich die syntaktischen und formalen Merkmale. Daher stellt sich die Frage, welche konkreten Kriterien erfüllt sein müssen, damit ein sprachliches Element der grammatischen Klasse Artikel zugehörig ist.
Im Zentrum der vorliegenden Arbeit steht der definite Artikel in den altindogermanischen Sprachen. Als Untersuchungssprachen werden das klassische Griechische, das Altalbanische, das Altnordische und das Altarmenische herangezogen.1 Diese Sprachen wurden ausgewählt, weil sie verschiedene Artikeltypen aufweisen. Während das Griechische einen freistehenden, präponierten Artikel besitzt, zeigt das Armenische einen enklitischen, postponierten Artikel. Das Albanische und Altnordische verfügen jeweils über einen freistehenden, präponierten sowie einen enklitischen, postponierten Artikel. Diese vier Sprachen decken somit die wichtigsten Möglichkeiten der Artikelsetzung ab. Zudem verwenden sie den Artikel unterschiedlich frequent. Während die Determination im nachhomerischen Griechischen sehr konsequent durchgeführt wird, findet man sie im Armenischen und Altnordischen im Vergleich eher selten.
I.1 Stand der Forschung
Zum Stand der Forschung ist zu sagen, dass der Artikel in der deutschen Sprache mehrfach untersucht worden ist. Zu nennen sind hier bspw. das „Lexikon zum Artikelgebrauch“ von Grimm (1987/1992) oder „Artikelwörter im Deutschen: semantische und pragmatische Aspekte ihrer Verwendung“ von Bisle-Müller (1991). Die Entstehung des Artikels im Germanischen hat Hodler (1954) in der Monographie „Grundzüge einer germanischen Artikellehre“ dargestellt. Auch Harbert (2007) widmet dem Artikel in den germanischen Sprachen in seinem Buch „The Germanic Languages“ ein Kapitel. Die skandinavischen Sprachen werden bspw. von Thráinsson (2007), Sigurðsson (2006) oder in den Arbeiten von Julien (2002, 2003, 2005) besprochen. In der Regel beziehen sich diese Werke jedoch auf die modernen Sprachen und verweisen nur ggf. auf das Altnordische. Hinsichtlich des Altnordischen, Griechischen und Albanischen beschränken sich die Informationen über den Artikel vielmehr auf Hinweise aus Grammatiken.
Der armenische Artikel hat im Gegensatz dazu in der Forschung mehr Aufmerksamkeit erfahren. Zeilfelder (2011) kommentiert das syntaktisch auffällige Verhalten des Artikels bei Eznik von Kołb. Müth (2011) analysiert das Vorkommen des Artikels in der armenischen Bibel. Auch in Kleins (1996a) Untersuchung über die Deixis im Armenischen darf der Artikel nicht fehlen. Eine Untersuchung zum Artikel in Relativsätzen hat Lamberterie (1997) vorgelegt. Hier wird das Phänomen der Determination im armenischen Relativsatz beschrieben. Doch trotz dieser verschiedenen Arbeiten sind bisher weder der Status des armenischen Artikels noch die Regeln des Gebrauchs befriedigend geklärt worden. So ist weder klar, ob der armenische Artikel tatsächlich als solcher klassifiziert werden kann, noch was seine Verwendung steuert. Doch auch in den anderen Sprachen ist häufig nicht klar, was die Setzung eines Artikels motiviert. Hendriks (1982) bspw., der das moderne Albanisch untersucht, schreibt, dass die Regeln, wonach sich die Verwendung des Artikels richten, noch nicht explizit formuliert wurden.1 Dies gilt nicht nur für das moderne Albanische, sondern auch für das Altalbanische.
Zur adäquaten Analyse des bestimmten Artikels ist die Kenntnis der syntaktischen Umgebungen, i.e. der Wortstellungsmöglichkeiten, äußerst hilfreich. Dum-Tragut (2002) und Hróarsdóttir (2000) haben maßgebliche Werke zu Serialisierungsvariationen und -veränderungen vorgelegt. Dum-Traguts (2002) Arbeit ist eine diachrone Untersuchung, die das klassische, das kilikische sowie das moderne Armenische erforscht. Sie analysiert die Wortstellungsmuster und -möglichkeiten sämtlicher Konstituenten. Dabei konzentriert sie sich besonders auf die Elemente in Nominalphrasen und auf Relativsätze. Bei Hróarsdóttir (2000) dagegen stehen die Anordnungsveränderungen (und -möglichkeiten) der Konstituenten Objekt und Verb vom Altisländischem zum Isländischen im Zentrum der Untersuchung. Es wird also die Verbalphrase bzw. VP-Syntax diachron behandelt. Dieses Werk wird nur am Rande berücksichtigt, da die Untersuchungsgegenstände von Hróarsdóttir (2005) und der vorliegenden Arbeit nur marginale Berührungspunkte haben. Interessant an Hróarsdóttirs (2005) Arbeit ist, dass die Wortstellungsuntersuchungen mit dem Minimalistischen Programm sowie mit Kaynes (1994) Anti-symmetry proposal verknüpft werden.
Wie in Hróarsdóttirs (2005) Analyse wird in dieser Arbeit mit Theorien der generativen Grammatik gearbeitet. Diese Untersuchung basiert auf der DP-Analyse nach Abney (1987), wobei DP für Determinansphrase steht. Abney (1987) ist einer der ersten Forscher, der von einem funktionalen Kopf der Kategorie Determinans, welcher die lexikalische Kategorie Nomen regiert, ausging. Ein definiter Artikel wird dabei als Determinans definiert und selegiert obligatorisch ein Komplement, in der Regel ein Substantiv.2 Die DP-Analyse kann jedoch nicht ohne Modifikationen angewandt werden. Schon Cinque (1992) hat festgestellt, dass die innere Struktur der DP komplexer sein muss als ursprünglich angenommen.3 Im Zuge dessen wurde die DP Thema vieler Aufsätze und Werke. Thráinsson (2007) bspw. hat das Prinzipien- und Parameter-Framework sowie Ansätze des Government-and-Binding und des Minimalismus auf das moderne Isländische angewandt. Hinsichtlich der Forschung an modernen skandinavischen DPn sind ebenso Delsing (1988, 1993), Julien (2003, 2005) oder Vangsnes (1999) zu nennen. Sie stehen alle in der Tradition der generativen Grammatik und analysieren die Verwendung von Determinantien, schlagen jedoch divergierende Hypothesen vor. Für das moderne Albanische liegt eine äquivalente Untersuchung von Kallulli (1999) vor. Doch Untersuchungen der DP anhand alter Sprachen bzw. Sprachstufen sind in der Forschung rar. Für das klassische Griechische wurde allerdings von Bakker (2009) eine Analyse geliefert und für das Altarmenische von Zeilfelder (2011). Abgesehen davon ist die Anwendung der Theorie der generativen Grammatik auf alte Sprachen unterrepräsentiert. So ist mir kein Werk bekannt, das die Hypothesen und Annahmen auf das Altalbanische, Altarmenische, Altnordische oder Altgriechische überträgt, ihre Haltbarkeit prüft und Strukturbäume nach generativen Aspekten erzeugt.
I.2 Forschungsziele und Struktur der Arbeit
Die vier Sprachen Griechisch, Albanisch, Altnordisch, Armenisch weisen unterschiedliche Artikeltypen auf, vom präponierten, freistehenden bis hin zum enklitischen, postponierten Element. In der Forschung werden diese verschiedenen Morpheme bisher alle als Artikel klassifiziert. Hier wird zunächst grundlegend der Frage nachgegangen, ob diese Klassifikation tatsächlich gerechtfertigt ist, d.h. es wird untersucht, ob man wirklich in allen vier Untersuchungssprachen von einem definiten Artikel sprechen kann. Dazu ist es notwendig, die formalen Eigenschaften und Charakteristika der Kategorie Artikel abzustecken, um diese Kriterien anschließend auf die Morpheme der Einzelsprachen anwenden zu können. Daher wird nach Darstellung der Forschungsziele das zugrunde gelegte Material beschrieben (Kap. I.3), die theoretischen und formalen Grundlagen erläutert (Kap. I.4 und I.5) und schließlich der Forschungsgegenstand, i.e. der definite Artikel, sowohl allgemein als auch sprachspezifisch eingeführt (Kap. I.6). In diesem wie in allen weiteren Abschnitten werden die Untersuchungssprachen in der gleichen Reihenfolge besprochen. Die Sprachen werden dabei nicht chronologisch angeordnet, sondern nach dem oder den Artikeltypen: Zuerst das Griechische mit dem präpositiven Artikel, danach folgen das Albanische und Altnordische mit prä- und postponiertem Artikel und anschließend das Armenische, das über Enklitika verfügt. Basierend auf der Arbeitsdefinition des Artikels können das Vorkommen und die Verwendung der verschiedenen Artikeltypen in Kapitel II untersucht werden. Die Leitfragen hierzu sind: Wie verhält sich der Artikel in den genannten Sprachen? Welche Funktionen und Aufgaben übernimmt er? Welche Gemeinsamkeiten und Unterschiede hinsichtlich der Verwendung liegen vor? Der definite Artikel wird also in formaler und funktioneller Hinsicht skizziert.
Auch die syntaktischen Kriterien sind ein zentraler Untersuchungsgegenstand. Die einzelsprachlichen Belegstellen werden hierfür nach Konstruktionen geordnet, ausgehend von der Anzahl und Art der vorkommenden Konstituenten. Dementsprechend werden die Belege in Gruppen geordnet: einfache Determinansphrasen (Substantiv + Artikel), substantiviertes Element + Artikel, Phrasen mit Pronomen, mit Adjektiv und mit Genitivattribut, Konstruktionen mit Eigennamen oder Apposition, Phrasen mit Präposition und Phrasen mit Numeralia. Diese eingehende Analyse des sprachlichen Materials führt schließlich zu einer Verfeinerung der Klassifikation des Artikels. Dabei werden folgende Fragen untersucht: Ändert der Artikel in den verschiedenen Konstruktionen sein Verhalten oder bleibt es konstant? Gibt es Konstruktionen, in denen der Artikel in einer der Sprachen zu finden ist, die die anderen Sprachen nicht kennen? Dies ist beispielsweise im Armenischen der Fall, da der Artikel dort einen ganzen Relativsatz determinieren kann. Auch das Albanische zeigt eine spezifische Konstruktion: Hier ist die Möglichkeit einer doppelten Determination zu finden. Dabei werden ein prä- und ein postponierter Artikel in einer Phrase verknüpft. Es gilt nun zu erforschen, ob es auch in den anderen Untersuchungssprachen spezielle Möglichkeiten der Artikelverwendung gibt. Hierfür ist es notwendig abzugrenzen, welche Konstruktionen alle drei Sprachen bilden können. Daraus kann auf grundlegende Funktionen des Artikels geschlossen werden, wodurch die Kategorie Artikel am Ende des Kapitels II konkreter bestimmt werden kann. Es werden sprachübergreifende und sprachspezifische Merkmale festgestellt, wodurch der Artikel als sprachübergreifendes Konzept analysiert werden kann, das sich aus Prinzipien und Parametern konstatiert (vgl. Kap. II.10). Somit kann deutlich klassifiziert werden, welche Elemente wirklich als Artikel definiert werden können. Gleichzeitig wird ein Vorschlag unterbreitet, wie die anderen Morpheme, die nicht die notwendigen Kriterien erfüllen, eingeordnet werden können.
Um Regelmäßigkeiten formulieren zu können, muss man allerdings erst einmal wissen, was genau regelmäßig ist. Dafür werden die Wortstellungsmuster der Phrasen mit Artikel untersucht, im Hinblick auf die Frage, was denn einem default mode bzw. einer Grundwortstellung gleichkommt, also welche Serialisierungsmuster die Untersuchungssprachen bevorzugen. Alten Sprachen wird häufig eine sogenannte „freie Wortstellung“ zugesprochen. In dieser Arbeit wird mit Fanselow (1988) angenommen, dass es keine freie Wortstellung gibt, sondern man von einer freien Anordnung der Konstituenten sprechen muss. Zudem tendieren Sprachen stets zu bestimmten Serialisierungsmustern. Mitunter sind diese jedoch nicht konsequent in der gesamten Sprache durchgeführt. Aber man kann je nach Werk oder Autor präferierte Tendenzen feststellen. So bilden die Wortstellungsmuster der Belegstellen einen zentralen Untersuchungsaspekt der Arbeit. Hierbei werden die lineare Anordnung der Konstituenten analysiert und Muster abstrahiert. Die grundlegende Fragestellung lautet: Was kann über das Verhalten des Artikels in den verschiedenen Phrasentypen ausgesagt werden?
Die Wortstellungsmuster dienen des Weiteren als Grundlage für die Strukturanalyse nach der DP-Hypothese der generativen Grammatik in Kapitel III. Dort werden die Sprachen anhand dieser abstrakten Muster untersucht, da man so Gemeinsames und Abweichendes deutlicher sieht. Die Kenntnisse der bevorzugten Serialisierungen erlauben auch eine angemessene Strukturanalyse, da man so weiß, von welchen Wortstellungen grundsätzlich auszugehen ist und welche als markierte Konstruktionen klassifiziert werden können. Ziel in Kapitel III ist es, eine Analyse vorzuschlagen, mit der alle Wortstellungsvarianten der Untersuchungssprachen abbildbar sind und mit der auch die Strukturen moderner Sprachen erklärt werden können.
Die generative Transformationsgrammatik erhebt den Anspruch von Universalität. Wenn theoretisch alle natürlichen Sprachen anhand der generativen Grammatik erzeugt werden können, müssen auch alte Sprachen nach dieser Methode ableitbar bzw. generierbar sein. Die vorliegende Arbeit setzt an dieser Stelle an und untersucht die innere Struktur der Determinansphrase. Dabei wird grundsätzlich davon ausgegangen, dass die DP-Analyse auf die alten Sprachstufen übertragbar ist. Diese Annahme stützt sich auf Muyskens (2008) Untersuchung zu funktionalen Kategorien im Indogermanischen, wobei er Folgendes feststellt: „… We can conclude, on the whole, functional categories in the nominal system have survived intact, but not in the verbal system. …“1 Somit können die funktionalen Kategorien, die für die modernen Sprachen gesetzt werden, auch auf die alten Sprachstufen angewandt werden. Allerdings müssen zur Analyse Modifikationen an der DP-Hypothese vorgenommen werden, da die untersuchten Sprachstufen im Gegensatz zu den modernen Sprachen ein größeres Spektrum an Wortstellungsmöglichkeiten und noch ein ausgebauteres Kasussystem besitzen.
Die Übertragung der DP-Analyse auf die altindogermanischen Sprachen überprüft einerseits den Universalitätsanspruch der generativen Grammatik und erweitert anderseits ihren Anwendungsbereich. In dieser Arbeit wird gezeigt, dass die DP-Analyse grundsätzlich auf die altindogermanischen Sprachen angewandt werden kann, aber ergänzt werden muss. Dies stellt einen Beitrag zur inneren Struktur der DP generell dar. Gleichzeitig können die Modifikationen, die im Laufe der Untersuchung zur Generierung der vier ausgewählten Sprachen vorgeschlagen werden, auch für die modernen Sprachen in Erwägung gezogen werden.
Eine adäquate syntaktische Analyse beruht also auf einer expliziten Kategorisierung der zu untersuchenden Konstituenten. Demnach muss zuerst untersucht werden, ob alle sprachlichen Elemente über die gleichen Eigenschaften und Funktionen verfügen, die einer bestimmten Kategorie zugeschrieben werden. Schließlich beruhen syntaktische Strukturen auf formalen Eigenschaften. Daher erfolgt in Kapitel II eine ausführliche Untersuchung der grammatischen Kategorie Artikel, um anschließend in Kapitel III eine angemessene Analyse durchführen zu können, die sich sowohl nach der Stellung innerhalb einer syntaktischen Struktur richtet als auch den formalen Merkmalen der jeweiligen Elemente gerecht wird. Die Untersuchung befasst sich einerseits mit der formalen Beschreibung von grammatischen Funktionen sowie der linearen Abfolge von Konstituenten und schlägt andererseits eine komplexe syntaktische Analyse vor.
I.3 Zum Material
Zur Analyse der vier zugrunde gelegten Sprachen wurden verschiedene Texte ausgewählt. Ziel war es, für jede Sprache 200 Belegstellen mit definitem Artikel zu erheben. Im Altnordischen war dies im Gegensatz zu den anderen Sprachen allerdings nicht möglich, da der Artikel dort nur äußerst selten Verwendung findet. Zur Untersuchung des Altnordischen wurde die Saga Hrafnkels saga Freysgoða, eine der wichtigsten fiktiven Erzählungen, ausgewählt. Es wurde die Textausgabe von Baetke (1952) Hrafnkels saga freysgoða: Mit Einleitung, Anmerkungen und Glossar genutzt.
Für das Griechische wurde von Xenophons Anabasis Buch II verwendet, das besonders von Dialogen lebt und daher eine aufschlussreiche Verwendung des Artikels erwarten ließ. Der Text wurde der Website Perseus Digital Library (www.perseus.tufts.edu/hopper/) entnommen. Es handelt sich um ein Geschichtswerk mit autobiographischem Hintergrund.
Auch für das Armenische wurde ein Geschichtswerk herangezogen, i.e. das Werk Patmowtʿiwn Hayocʿ von Agatʿangełos in der Ausgabe von Thomson (1976). Dabei ist zu beachten, dass Thomson einen Teil ausgespart hat. Des Weiteren hat Thomson den Text in 14 Kapitel, zuzüglich Prolog und Epilog, eingeteilt. Die Gliederung in 900 Paragraphen, die auch Thomson (1976) beibehält, stammt aus der kritischen Edition aus Tiflis des Jahres 1909.1 Mittels der Paragraphen gestaltet sich die Bezugnahme auf Textstellen leichter, daher werden sie auch in dieser Arbeit genutzt.
Das Albanische wurde im Vergleich zu den anderen Sprachen spät verschriftlicht. Es besitzt zwei Hauptdialekte, Toskisch und Gegisch.2 Zur Analyse der albanischen DPn wurden die ältesten, zusammenhängenden Texte beider Dialekte herangezogen, i.e. das Missale von Gjon Buzuku (1555) und die Dottrina cristiana von Lekë Matrënga (1592). So konnte überprüft werden, ob sich die Verwendung der Artikeltypen zwischen beiden Dialekten unterscheidet. Es wurde mit den Ausgaben der Texte, die auf der Website der Universität Frankfurt (http://titus.uni-frankfurt.de/indexd.htm) zugänglich sind, gearbeitet. Als zusätzliches Hilfsmittel dienten die Edition Il ‚Messale‘ di Giovanni Buzuku: Riproduzione e Trascrizione von Namik Ressuli (1958) sowie die Bearbeitung der Dottrina cristiana von Matzinger (2006).
In den nachstehenden Abschnitten wird der Inhalt der Untersuchungstexte beschrieben. Sie werden in den historischen Kontext eingebettet und Wissenswertes wird zum Hintergrund, zum Genre oder zur Konzeption der Werke dargelegt. Nicht in allen Fällen erweist sich eine Inhaltsangabe des jeweiligen Textes als sinnvoll. Bei den narrativen Texten, z.B. dem altnordischen, wird die Handlung zusammengefasst wiedergegeben. Aber bei den albanischen Schriften wird darauf verzichtet, weil es sich dort um Gebete und liturgische Texte handelt.
I.3.1 Zur Anabasis, Buch II, von Xenophon
Die Anabasis wird insgesamt in sieben Bücher gegliedert. Dies war allerdings nicht die ursprüngliche Einteilung. Hermann (1944) spricht von einer Gliederung in drei Teile und zwar
„… a) den Hinaufmarsch, Buch I, b) den Rückmarsch durch Kleinasien hindurch zu den ersten Griechen, bis ans Meer, bis nach Trapezunt, Buch II-IV, c) die weiteren Unternehmungen bis nach Pergamon, Buch V-VII. …“.1
Xenophon selbst ordnete die Anabasis jedoch in zwei Teile. Der erste Teil reicht bis zum Tod Klearchos und der anderen Führer, i.e. nach der modernen Einteilung Ende von Buch II, und der zweite Teil umfasst den Rest des Werkes, i.e. nach der modernen Gliederung Buch II–VII.
Die vorliegende Untersuchung nutzt, der zeitgenössischen Einteilung folgend, Buch II als Datengrundlage. Um das zweite Buch der Anabasis zu verstehen, ist es wichtig, den Inhalt des ersten Buches zu kennen. Es handelt davon, wie griechische Truppen unter Kyros gegen dessen Bruder, den Perserkönig Artaxerxes, ausziehen. Es gipfelt in einem großen Gefecht, der Schlacht bei Kunaxa, in der Kyros den Tod findet. Erst zu Beginn des zweiten Buches erfahren die Griechen, dass ihr Anführer Kyros in diesem Kampf gefallen ist. Der entscheidende Konflikt besteht darin, dass sich die Griechen als Sieger fühlen, da sie das gegnerische Heer erfolgreich in die Flucht schlugen, und die Perser ebenso der Ansicht sind, sie hätten gewonnen, da sie Kyros getötet haben.
Das zweite Buch der Anabasis besteht großteils aus Gesprächen und Debatten. Zum einen verhandeln die Griechen mit den Persern, ob sie, ihre Waffen abgeben und sich dem Großkönig Artaxerxes unterwerfen sollen. Zum anderen diskutieren die Griechen untereinander über ihre Situation, denn sie befinden sich ohne Anführer, ortsunkundig in einem fremden Land und kennen den Heimweg nicht. Zudem mangelt es ihnen an Nahrungsmitteln, was ihre Lage verschärft. Im Verlauf des Buches tritt Klearchos als der fähigste Stratege hervor, der der Situation gewachsen ist und schließlich die Führung der Griechen übernimmt. Ferner erweist sich Ariaios2, ein Nicht-Grieche, der in der Schlacht von Kunaxa auf der Seite von Kyros kämpfte, als Hilfe, die Griechen in ihre Heimat zu führen. So ziehen Griechen und Nicht-Griechen gemeinsam durch das persische Reich und versuchen dem Heer des Großkönigs auszuweichen. Dies gelingt jedoch nicht und sie treffen auf einen Teil der feindlichen Streitmacht. Zuerst erscheinen Herolde der Perser im griechischen Lager und wollen einen Waffenstillstand aushandeln, schließlich sogar Tissaphernes3 persönlich. Dieser präsentiert sich als Freund der Griechen und bietet an, sie in ihr Land zurückzubringen. Die Verhandlungen bilden einen umfassenden Teil des Textes. Im griechischen Lager werden Stimmen laut, die an der Redlichkeit des Tissaphernes zweifeln. Daher sucht Klearchos diesen auf, um in einem Gespräch mit ihm den herrschenden Argwohn zu beseitigen. Tissaphernes ist ebenfalls an einer Schlichtung interessiert, betont jedoch seine überlegene Position. Die beiden Strategen vereinbaren, dass Klearchos mit allen griechischen Hauptmännern und Feldherren in Tissaphernes Lager kommt, damit sie den Konflikt gemeinsam aus dem Weg räumen können. So begeben sich 20 Hauptmänner und etwa 200 Soldaten in das feindliche Lager. Dort angekommen, werden die Feldherren gefangen genommen, die Hauptmänner erschlagen und die Soldaten von Reitern attackiert. Das Buch endet mit der Hinrichtung der Feldherren und einem Nachruf. Xenophon beschreibt darin die Persönlichkeiten der Feldherren, ihre Qualitäten als Anführer, aber auch ihre Fehler.
Die Anabasis II basiert also auf Dialogen, i.e. Beratschlagungen, Diskussionen sowie Verhandlungen. Sehr detailreich wird, als eine Art Gegengewicht, der Marsch durch das persische Gebiet beschrieben, besonders im Hinblick auf geographische Angaben.
Xenophon, der Autor der Anabasis, geboren um 430, nahm selbst an dem Kriegszug teil, den er beschreibt. Mit seinem Werk begründet er „… die literarische Gattung der Autobiographie […] wie die des Kriegstagebuchs …“.4 Die Teilnahme an dieser militärischen Operation führte zur Verbannung Xenophons aus seiner Heimatstadt Athen, da Kyros ein Feind dieser Stadt war. Xenophon lebte anschließend im Exil in Sparta.
I.3.2 Zu den albanischen Texten
Die Verschriftlichung des Albanischen setzt im Vergleich zu anderen indogermanischen Sprachen verhältnismäßig spät ein. Erst im 15. Jh. beginnen die Albaner in ihrer Sprache Texte zu verfassen. Aus dem Jahre 1462 ist eine Taufformel von Paulus Angelus bewahrt. Hierbei handelt es sich um einen einzigen Satz (alb. Unte paghesont premenit Atit et birit et sperit senit ‚Ich taufe dich im Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes‘), der in einen in lateinischer Sprache geschriebenen Brief eingefügt wurde.





