Die innere Struktur der DP in den altindogermanischen Artikelsprachen

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I.6.4 Zum altnordischen Artikel
Das Altnordische verfügt über einen freistehenden, präponierten und einen enklitischen, postponierten Artikel. Beide Varianten flektierten hinsichtlich Kasus, Numerus und Genus. Der vorangestellte Artikel lautet mask. inn1, fem. in, neutr. it. Er entwickelte sich im 13 Jh. aus dem Demonstrativum anord. hinn ‚jener, der andere‘. Der postponierte Artikel gleicht dem präponierten, von welchem er abgeleitet wurde.2 In der Forschung wird angenommen, dass es zunächst nur den freistehenden Artikel gab, welcher später an das Substantiv postponiert wurde. Im Zuge der Suffigierung verlor der Artikel den anlautenden Vokal, den er als freistehende Form noch besitzt.
Der freistehende und der suffixale Artikel stehen in der Regel nicht gemeinsam in einer Phrase, d.h. entweder determiniert der vorangestellte oder der nachgestellte.3 Der suffixale Artikel wird stets an ein Substantiv postponiert, wenn dieses ohne attributives Adjektiv steht. Dabei flektiert sowohl das Substantiv als auch der enklitische Artikel; vgl.
(9) anord. 7.36.19
hǫnd-ina Hand.Subst.-die.Art. Akk.Sg.f. ‚die Hand‘Der präponierte Artikel steht immer, wenn ein Substantiv durch ein attributives Adjektiv modifiziert wird. Dabei steht der Artikel stets vor dem Adjektiv; vgl.
(10) anord. 18.58.20–21
inar efri gǫtur der.Art. hoch.Adj.Komparativ Weg.Subst. Akk.Pl.f. Akk.Pl.f. Akk.Pl.f. ‚den höheren Weg‘Die altnordischen Adjektive verfügen über eine starke und eine schwache Flexion. Treten sie kombiniert mit einem freistehenden Artikel auf, flektieren sie, wie im Deutschen, immer schwach. Der freistehende Artikel des Altnordischen erscheint nie vor einem Substantiv, er kann nur vor einem schwachen Adjektiv stehen. In wenigen Fällen ist er auch vor Kardinalia zu finden. Der enklitische Artikel hingegen wird immer mit einem Substantiv, das grundsätzlich stark flektiert, ohne attributives Adjektiv kombiniert. Dies legt die Vermutung nahe, dass es etwas mit der „Schwere“ der Elemente zu tun haben könnte. Der enklitische Artikel kann als syntaktisch leicht interpretiert werden, da er sonst nicht an andere Elemente antreten könnte. In der Regel tritt er an Substantive an, die somit als schwer gelten können. Die altnordischen Adjektive müssen demgegenüber leicht sein und benötigen einen schweren Artikel als Ausgleich.
Eine Ausnahme hierzu bilden lediglich Pronominaladjektive. Diese besitzen ausschließlich die starke Flexion. Daher erscheint statt des freistehenden der enklitische Artikel am Substantiv; vgl.
(11) anord. 2.26.20
allan dal-inn ganz.PronAdj. Tal.Subst.-das.Art. Akk.Sg.m. Akk.Sg.m. ‚das ganze Tal‘Des Weiteren wird der präponierte Artikel verwendet, wenn ein Adjektiv substantiviert wird. Auch hier flektiert das Adjektiv schwach; vgl.
(12) anord. 2.26.14
inn yngri der.Art. jünger.Adj.Komparativ Nom.Sg.m. Nom.Sg.m. ‚der Jüngere‘Der Artikel dient, wie man am letzten Beleg sieht, dazu, etwas von etwas anderem oder jemanden von einem zweiten zu unterscheiden. Dies gilt besonders für die altnordische Prosa.4 Diese Art der Unterscheidung wird ebenso in Phrasen mit Numerale deutlich; vgl.
(13) anord. 9.40.13
inn þriði der.Art. dritter.Ord. Nom.Sg.m. Nom.Sg.m. ‚der Dritte‘Der definite Artikel kann ferner mit einem Demonstrativpronomen kombiniert werden. Wie das Beispiel zeigt, kongruieren alle Elemente der Phrase; vgl.
(14) anord. 9.41.21
sá inn gamli maðr dieser.DemPron. der.Art. alt.Adj. Mann.Subst. Nom.Sg.m. Nom.Sg.m. Nom.Sg.m. Nom.Sg.m. ‚der alte Mann‘Heusler (1967) schreibt zu derartigen Fällen, dass „… die erbliche Deixis des enn durch sá aufgefrischt wird; …“5 Es liegt also eine Verstärkung der Deixis vor. Gleichzeitig könnte dies daraufhin deuten, dass der Artikel bereits anfängt, die Funktion der ererbten Deixis, wie Heusler (1967) sagt, einzubüßen. Möglich sind auch Phrasen aus dem Demonstrativpronomen und dem postponierten Artikel. In der Saga wurde ein derartiger Beleg jedoch nicht gefunden.
Die Hauptfunktion der altnordischen Artikel liegt also nicht (mehr) in der Markierung von Deixis, sondern in der Determination, die nur schwache Deixis impliziert. Der Artikel kreiert somit eine referentielle Einheit, die auf etwas eindeutig Identifizierbares verweist. In den modernen skandinavischen Sprachen kann der enklitische Artikel optional gesetzt werden, wenn eine generische Lesart der Subjekts-DP vorliegt. Doch wenn nur eine spezifische, i.e. referentielle Lesart der Subjekts-DP möglich ist, muss der enklitische obligatorisch verwendet werden.6 Die Funktion des postponierten Artikels liegt also in der individuellen Referenz. Die Funktion des freistehenden Artikels liegt darin, die Referenz des Bezugswortes überhaupt zu ermöglichen. Diese Charakteristik der modernen Sprachen kann ebenso für das Altnordische angenommen werden.
Zur Frequenz der Verwendung ist abschließend zu sagen, dass der Artikel im Altnordischen eher selten genutzt wird. So fehlt er auch oft an Nomen, die etwas Bekanntes denotieren. Der bestimmte Artikel ist im Altnordischen demnach noch kein obligatorischer Marker der DP, sondern noch in seiner Entwicklung begriffen.
I.6.5 Zum armenischen Artikel
Der altarmenische Artikel besitzt die Formen arm. -s, -d und -n. Es handelt sich hierbei um enklitische Morpheme, die stets an ihr Bezugswort suffigiert werden. Der Artikel ist in seiner Form unveränderlich. Er wird also nicht dekliniert und kann demnach weder Kasus noch Numerus anzeigen.1
Innerhalb des Armenischen leitet sich der Artikel von den drei Demonstrativstämmen (-)s(-), (-)d(-) und (-)n(-) ab. Mittels dieser Stämme werden nicht nur der enklitische Marker, sondern auch die adnominalen Demonstrativpronomina (arm. ays, ayd, ayn ‚der dort, jener‘), die anaphorischen Demonstrativa (arm. sa, da, na ‚er, der, jener‘), die Identitätspronomina (arm. soyn, doyn, noyn ‚derselbe‘) und schließlich das Korrelativ (arm. ayspisi, aydpisi, aynpisi ‚solcher‘) gebildet. Syntaktisch erfüllen die Pronomina und der Artikel allerdings verschiedene Aufgaben.
Die Hauptfunktion des armenischen Artikels liegt nicht in der Markierung von Definitheit, sondern in der Kennzeichnung der Deixis. Das Armenische besitzt ein ausgebautes deiktisches System, das zwischen personaler und objektaler Deixis sowie verschiedenen Entfernungsstufen differenziert, repräsentiert durch die Stämme (-)s(-), (-)d(-) und (-)n(-). Arm. -s referiert auf die erste Person und transportiert die Bedeutung ‚hier, bei mir‘, arm. -d auf die zweite Person (‚dort, bei dir‘) und arm. -n auf die dritte Person; vgl.
(15) arm. 15.2
lezowaw-s Sprache.Subst.-die.Art. Instr.Sg. ‚[mit] der [meiner] Sprache‘(16) arm. 11.3
gin-d Preis.Subst.-der.Art. Akk.Sg. ‚den [deinen] Preis‘(17) arm. 3.2
z-harks-n AkkM-Steuer.Subst.-die.Art. Akk.Pl. ‚die Steuern‘Arm. -n ist die neutrale Form (‚das‘), die stets ferndeiktisch zu verstehen ist. Es verweist auf etwas, das weder in der Nähe des Sprechers, noch in der Nähe des Hörers ist, sondern entfernt von beiden liegt. Dabei kann es sich sowohl um zeitliche als auch um lokale Ferne handeln. Arm. -n beschreibt eine Position im Raum, wobei nicht exakt festgelegt ist, wo sich das jeweilige Denotat befindet. Am häufigsten taucht dieser Artikel in erzählenden Texten auf. Klein (1996a) hält die neutrale deiktische und anaphorische Funktion für die wichtigste Eigenschaft von arm. -n.2
Des Weiteren nutzt das Armenische die Stämme (-)s(-), (-)d(-) und (-)n(-) um zu markieren, was direkte und was indirekte Rede im Text ist. Dabei ist besonders der Kontrast zwischen arm. -s und arm. -n ausschlaggebend. Arm. -s gilt als markiert, im Gegensatz zu unmarkiertem -n. Arm. -s bezeichnet stets direkte Rede, -n dagegen indirekte Rede. Dabei entsteht eine Opposition zwischen nah (-s) und fern (-n). Mit nah kann schon der textlich näher stehende Referent gemeint sein. Wenn der Erzähler bspw. über sich selbst spricht, wird er arm. -s wählen, redet er aber über etwas oder jemanden, das/der aus irgendeinem Grund (lokaler oder auch geistiger Natur) entfernt ist, wird er arm. -n gebrauchen. Oder der Sprecher redet über verschiedene Personen, dann kann arm. -n die Funktion annehmen, sich auf den zuvor Genannten (im Sinne von weiter vorn im Text erwähnt) zu beziehen, während arm. -s auf den zuletzt Genannten (im Sinne von erst kürzlich im Text genannt) referiert. Nach Klein (1996a) kann die s-Deixis mit Aktualität, Fokus und Belebung assoziiert werden. Als Anapher findet arm. -s nur selten Anwendung.3
Der Artikel arm. -d referiert auf die zweite Person. In einer Kommunikationssituation wird der Gesprächspartner durch diesen Artikel markiert, gleichgültig ob es sich um eine einzelne Person oder eine Gruppe handelt. Für arm. -d gibt es drei Verwendungsfelder: Zum einen kommen d-Formen natürlich häufig in einem Kontext vor, in dem die zweite Person bereits angegeben ist, z.B. durch ein Pronomen, ein Verb oder einen Vokativ. Arm. -d wird vorzugsweise mit dem Vokativ kombiniert, was logisch erscheint, da es die Anrede verstärkt. Aber auch eine Verbform in der zweiten Person kann ausreichen, um eine d-Form hervorzurufen. Darüber hinaus kommt arm. -d in Phrasen vor, in denen die zweite Person noch nicht ausreichend gekennzeichnet ist. Die entsprechende Markierung übernimmt dann der Artikel. Klein (1996a) schreibt, dass die d-Form aufgrund ihrer interaktiven Funktion einen affektbetonten Wert (affective value) besitzt. Eine weitere Anwendung des Artikels arm. -d ist, dass er gebraucht werden kann, um pejorative Gefühle, wie Hohn oder Spott, bzgl. des Referenten auszudrücken. Die d-Deixis impliziert dabei einen negativen Wert und soll emotionale Distanzierung vermitteln. Die Abgrenzung muss allerdings nicht immer feindlicher Natur sein. In der Mehrzahl der Beispiele jedoch soll die d-Deixis in einer Sprechaktsituation eine negative Stellungnahme darstellen, während die s-Deixis eine positive Einstellung transportieren soll.4
Auch die Entfernungsstufen origoinklusiv und origoexklusiv lassen sich auf den altarmenischen Artikel anwenden (vgl. Kap. I.5.2). Arm. -s ist origoinklusiv, während arm. -n Origoexklusivität impliziert. Arm. -d ist ebenfalls als origoexklusiv zu betrachten, da sich der Artikel auf die zweite Person bezieht, die zwar in der Umgebung des Sprechers sein muss, aber trotzdem nicht in direkten Bezug zum Sprecher steht. Zur Untermauerung dieser Klassifikation lässt sich Diewalds (1991) Einordnung der personalen Deiktika dt. ich und du heranziehen. Das Pronomen der ersten Person ist natürlich origoinklusiv, da es auf den Sprecher selbst verweist. Das Deiktikon dt. du klassifiziert Diewald (1991) als origoexklusiv, weil es auf den Hörer referiert, der sich außerhalb der Origo befindet. Eine weitere Unterteilung der personalen Deiktika, die man bei Diewald (1991) findet, ist die Unterscheidung von Person und Nicht-Person. Dabei bezieht sich die Eigenschaft Person auf die Kommunikationsrollen, i.e. Sprecher und Hörer. In diese Kategorie sind arm. -s und -d einzuordnen. Die Kategorie Nicht-Person beschreibt im Gegensatz dazu „… alle durch Nominalphrasen denotierbaren Entitäten …“5, die nicht die Gesprächspartner sind. Diese Rolle erfüllt arm. -n. Die Morpheme arm. -s und -d sind also mit der personalen Dimension verknüpft, da sie stets eine Relation zu einer Person etablieren. Arm. -n hingegen operiert in der objektalen Dimension. Diese ist dadurch gekennzeichnet, dass hier diejenigen Deiktika versammelt sind, die keine Gesprächsrollen denotieren. Vielmehr gehören die Referenten, über die gesprochen wird, in diese Kategorie. Daher ist anzunehmen, dass arm. -n, das sich bekanntermaßen auf die dritte Person bezieht, der objektalen Dimension zugewiesen werden muss, da es auf Elemente referiert, die keine Kommunikationsteilnehmer sind. Als neutraler Artikel referiert es auf Gesprächsgegenstände, Personen, Orte etc.
Dem altarmenischen Artikel ist, wie bereits mehrfach erwähnt, die Funktion Deixis auszudrücken inhärent, so dass er immer weisend wirkt. Er wird gesetzt, um einen Referenten zu markieren und eine Relation zu Sprecher oder Hörer herzustellen. Dadurch, dass er diese doppelte Relation kreiert, ähnelt er stark der oben beschriebenen Funktion der Possessivpronomina, die ebenfalls eine zweifache Relation, zwischen Objekt und Besitzer, darstellen. Daher ist es nicht erstaunlich, dass sich die deiktische Funktion des altarmenischen Artikels im modernen Ostarmenisch zu einer possessiven Funktion entwickelt hat; vgl. z.B. altarm. town-s ‚das Haus‘ vs. ostarm. town-s ‚mein Haus‘.6 Vermutlich konnte der Artikel im Armenischen diese possessive Funktion ausbilden, weil er nicht als Definitheitsmarker notwendig war.
Die armenischen Morpheme arm. -s, -d und -n sind aufgrund ihrer enklitischen Natur abhängige Elemente, aber im Gegensatz zu den Artikeln der anderen Untersuchungssprachen sind sie nicht auf Substantive beschränkt. Stattdessen können sie an Adjektive, Adverbien, Zahlwörter, Verben und sogar Negationen postponiert werden; vgl.
(18) arm. 14.1
əst ōrinaki grelocʿ-s gemäß.Präp. Beispiel.Subst. aufschreiben.Verb-das.Art. + Dat. Dat.Sg. Prt.nec. ‚gemäß dem Beispiel soll ich das aufschreiben‘Vermutlich übernimmt der Artikel in Beleg (18) die Funktion den Autor zu markieren, da dies keine Personalendung leistet. Die armenischen Morpheme können also eine Erweiterung des Subjekts darstellen.
Der armenische Artikel sorgt also nicht in erster Linie dafür, dass eine Konstituente als definit markiert wird, wie es eigentlich die Hauptaufgabe eines definiten Artikels ist. Aber er spezifiziert Phrasen und setzt sie entweder zu den Gesprächspartnern oder zu einem kürzlich genannten bzw. bereits bekannten Referenten in Beziehung. Das armenische Morphem wirkt demnach identifizierend. So tritt der Artikel an kein Wort, das nicht in irgendeiner Weise als bekannt betrachtet wird, sei es, weil es kurz zuvor erwähnt wurde oder sei es, weil es als bekannt vorausgesetzt werden kann. Oder aber die Aufmerksamkeit des Lesers soll durch die Anfügung des Artikels auf das jeweilige Wort gelenkt werden. Identifizierbarkeit auszudrücken ist erwiesenermaßen nicht die Hauptaufgabe des armenischen Artikels, jedoch beinhaltet seine Verwendung stets einen Hinweis darauf. Lamberterie (1997) schreibt, dass die enklitischen Partikeln (-s, -d, -n) eine Relation zwischen Wörtern aufzeigen. Auf der einen Seite stehen die Wörter, die durch den Artikel determiniert sind, und auf der anderen Seite die Personen (entweder die, die spricht (-s), die, die angesprochen wird (-d), oder die Person bzw. der Gegenstand, der sich außerhalb des Dialogs befindet (-n)).7
Festzuhalten ist, dass der armenische Artikel fakultativ verwendet wird und dass er bzgl. der semantischen Determination entbehrlich ist. Insgesamt besitzt er vier Funktionen: lokale, deiktische, anaphorische und spezialisierende. In seiner spezialisierenden Funktion steht er dem Typus Artikel, der der Definitheitsmarkierung von Nomina dient, nahe. In seiner anaphorischen Eigenschaft erinnert er an Pronomina. Der lokale und deiktische Charakterzug scheinen einzigartig zu sein.
II. Untersuchung der Belegstellen
In diesem Kapitel werden die Belegstellen geordnet nach den Konstituenten untersucht, i.e. einfache DPn, DPn mit Pronomen, DPn mit Adjektiven etc. Der Fokus liegt dabei stets auf dem Artikel. Die DPn sind so organisiert, dass die Phrasen mit jedem Kapitel komplexer werden. Die einfachen DPn umfassen nur Beispiele mit Artikel und Bezugswort. Anschließend werden substantivierte Elemente besprochen. Diese verhalten sich im Allgemeinen zwar wie Substantive, doch in der syntaktischen Analyse in Kapitel III werden die Differenzen deutlich, da nominalisierte Elemente auf andere Weise generiert werden müssen als Substantive. Im nächsten Punkt werden Konstellationen mit Pronomen erläutert, danach Phrasen mit attributiven Adjektiven usw. Dieses Vorgehen erleichtert den Überblick über alle Belegstellen. Ferner kann durch diese Gliederung untersucht werden, ob spezifizierende Konstituenten die Verwendung des Artikels beeinflussen können.
Die einzelnen Untersuchungssprachen werden zunächst separat analysiert. Die so erzielten Ergebnisse werden in einem Zwischenfazit am Ende jedes Kapitels verglichen. Es wird allerdings nicht jedes Beispiel gesondert erwähnt, vielmehr werden die verschiedenen Phrasentypen vorgestellt und ihre grammatischen Eigenschaften erklärt. Auf Typisches wird hingewiesen und auf Besonderheiten detailliert eingegangen. Von speziellem Interesse sind die Wortstellungsmuster der einzelnen Phrasentypen. Durch den Vergleich der einzelsprachlichen Belegstellen werden allgemeine Serialisierungen herausgearbeitet, die mit abstrakten Bezeichnungen wie „Art“ für Artikel oder „BW“ für Bezugselement operieren.1 Die Wortstellungsmuster entsprechen etwa einem mathematischen Term. Dies dient dazu, dass jedes Serialisierungsphänomen mit Artikel gesondert erklärt werden kann. Durch die Wortstellungsmuster kann man die Positionen der einzelnen Konstituenten innerhalb der Phrase analysieren und feststellen, in welchen Positionen der Artikel auftreten kann. Dies wiederum wird in Kapitel III wichtig sein, um herauszufinden, wo der Artikel innerhalb der DP abgeleitet werden kann. Da der Artikel mit dem Feature Definitheit verknüpft ist, kann dadurch auch eine Position für Definitheit in der DP wahrscheinlich gemacht werden. Wenn eine komplexe Phrase vorliegt und analysiert werden soll, kann man aus den entsprechenden Kapiteln die Einzelkomponenten auswählen und zu einer komplexen Analysestruktur zusammensetzen. Ferner wird anhand der Wortstellungsmuster erklärt, in welcher Relation der Artikel zum Bezugswort steht und ob sich seine Stellung verändert, wenn eine weitere Konstituente wie ein Possessivpronomen, ein Adjektiv etc. hinzukommt. Die abstrahierten Muster sollen die Stellungsmöglichkeiten des Artikels herausstellen und veranschaulichen, welche Positionen eine DP je nach Untersuchungssprache besitzen muss. Zudem hilft es, die Serialisierung im Bezug auf die Artikelsetzung hin zu analysieren, um daraus Regeln zur Verwendung des Artikels ableiten zu können. Der Artikel steht in einer speziellen Relation zur Serialisierung. So sind Calboli (1978 [1979]) und Leiss (2000) der Ansicht, dass der Artikel aus einer Notwendigkeit der Wortstellung heraus entstanden ist. Die Beziehung zwischen Artikel und Satzbau ist mit der referentiellen Kennzeichnung der Nomina verknüpft und die Entwicklung des Artikels evoziert einen Wandel des Satzbaus. So besitzen die alten Sprachstufen des Lateinischen und Griechischen noch keinen Artikel, aber dafür Konstruktionen wie den A.c.I. Nach Calboli (1978 [1979]) begünstigt das Fehlen des Artikels die Akkusativ-mit-Infinitiv-Bildung. Durch den Ausbau der Quantifizierung durch den Artikel werden Konstruktionen wie der A.c.I zurückgedrängt. Des Weiteren gibt es Sprachen, wie das Italienische, in denen auf den definiten Artikel verzichtet werden kann, wenn ein Attribut2 eine Phrase ausreichend als [+definit] markiert.3
Leiss (2000) sieht im Altnordischen eine Verknüpfung zwischen Artikel und Satzbau. Zum einen stellt sie fest, dass der definite Artikel im Altnordischen gehäuft in Zusammenhang mit dem historischen Präsens auftritt. Leiss (2000) schreibt:
„… Das deutet darauf hin, daß die ursprüngliche Funktion des bestimmten Artikels im Altisländischen darin bestand, den Vergangenheitsbezug und damit gleichzeitig die perfektive Aspektbedeutung des „historischen Präsens“ zu sichern. …“4
Der definite Artikel des Altnordischen unterstützt also die Perfektivierung des Verbs. Zudem fehlt der altnordische Artikel in syntaktisch definiter Umgebung. Aber er wird verwendet, wenn die syntaktische Umgebung nicht definit ist, aber als solche markiert werden soll.
Calboli (1978 [1979]) und Leiss (2000) vermuten, dass es Relationen zwischen Syntax und Artikel gibt. Beide haben den Fokus allerdings auf komplexe Sätze gerichtet. Die vorliegende Arbeit konzentriert sich demgegenüber auf die innere Struktur der DP und fragt, ob es dort Wechselbeziehungen zwischen Serialisierung und Artikel gibt. Damit sind zum einen wiederkehrende oder feste Serialisierungsmuster gemeint und zum anderen, ob der Artikel vielleicht die Elemente innerhalb der DP in irgendeiner Form beeinflusst oder ob die anderen Elemente eine Auswirkung auf den Artikel haben. Hierzu ist es essentiell den Terminus Grundwortstellung oder auch default mode zu definieren. Die Grundwortstellung ist die am häufigsten genutzte Serialisierung bzw. das in der jeweiligen Sprache bevorzugt genutzte Schema. Diese unmarkierte Wortstellung hilft die Grundstruktur der DP für die Untersuchungssprachen herauszuarbeiten. So schreibt auch Delsing (1993): „… This basic word order constitutes the basis of the noun phrase structure …“.5 Es wird angenommen, dass es in den Untersuchungssprachen bevorzugte Serialisierungen gibt, die als default mode definiert werden können. Im Folgenden wird untersucht, inwiefern Basiswortstellungen in den Untersuchungssprachen nachgewiesen werden können. In den Wortstellungsmustern werden die Belege abstrakt dargestellt und man kann gewisse Regelmäßigkeiten in der Verwendung des Artikels erkennen. Mitunter kann man auch Vermutungen aufstellen, an welche Bedingungen die Setzung des definiten Artikels geknüpft sein mag. Weiterhin ist es leichter die Sprachen miteinander zu vergleichen, wenn man mit Schemata arbeitet. Natürlich muss klar sein, dass man keine unumstößlichen Regeln oder gar feststehende Gesetze formulieren kann. Dennoch kann man sich dem annähern. In Kapitel III dient die Grundwortstellung schließlich dazu, die DP-Analyse abstrakter durchzuführen. Das Wissen, welche Phrasen typische Strukturen aufweisen und welche als Sonderfälle bzw. markierte Stellungen gelten müssen, ist unabdingbar für eine erfolgreiche syntaktische Analyse.6





