Die innere Struktur der DP in den altindogermanischen Artikelsprachen

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(39) alb. BUZ Kap2/fol9.87–88
për tënëzonë 19 zot-në t’anë Jezu 20 Krisht-në für.Präp. Gott.Subst. Herr.Subst.-der.Art. AgrM-unser.PossPron. Jesus.EN Christus.EN-der.Art. + Akk. Akk.Sg.m. Akk.Sg.m. Akk.Sg.m. - Akk.Sg.m. ‚für Gott, unseren Herrn Jesus Christus‘(40) alb. MAT 5.4
mbë fjalë-t të tinëzot bei.Präp. Wort.Subst.-das.Art. AgrMGen Gott.Subst. + Akk. Akk.Pl.f. Akk.Pl.f. Gen.Sg.m. ‚bei den Worten Gottes‘Fehlt der sog. freistehende Artikel, flektiert das Substantiv alb. zotynë ‚Gott‘. Dieses setzt sich aus dem Possessivpronomen und dem Wort alb. zot ‚Herr‘ zusammen. Wie die Belege demonstrieren, befindet sich das Pronomen im Anlaut, wenn es flektiert, denn das Albanische bevorzugt die Agreement-Markierungen möglichst linksperipher. Erscheint jedoch der Agreement-Marker, befindet sich das Pronomen im Auslaut und flektiert nicht. Beleg (40) widerspricht dieser Annahme nicht, denn hier handelt es sich nicht um den Agreement-Marker, sondern um einen Genitiv-Marker. Dessen Aufgabe ist es, ein Genitivattribut an das Regens anzuschließen, indem es dessen Kasus annimmt (vgl. Kap. II.5.2). Im Albanischen muss der sog. freistehende Artikel also differenziert analysiert werden, d.h. es werden zwei Morpheme angesetzt: ein Definitheits- und ein Agreement-Marker.
Ferner sind Regelmäßigkeiten der Artikelsetzung in Relation zum Merkmal Referenz festzustellen. Um individuell zu referieren, wird in erster Linie der enklitische Artikel gesetzt; vgl.
(36) alb. BUZ Kap1/fol9.14–15
populli-së Volk.Subst.-das.Art. Dat.Sg.f. ‚dem Volk‘In wenigen Fällen wird die Determination bei individueller referentieller Lesart durch das Auftreten des freistehenden Artikels verstärkt; vgl. Beispiel (32) oben. Für die albanischen Phrasen aus Artikel und Substantiv ist zusammenfassend festzuhalten, dass der enklitische Artikel bei individueller Referenz Anwendung findet. Ein Beispiel für generische Referenz liegt nicht vor.
Die Basiswortstellung für einfache DPn ist das Muster BW-Art. Diese Serialisierung zeigt die Mehrzahl der untersuchten Belegstellen aus Artikel und Substantiv. Aufgrund von Belegstellen wie (32) muss auch die Serialisierung Art+BW-Art angesetzt werden, obgleich sie nicht als default mode interpretiert werden kann, da dem freistehenden Artikel nur in wenigen Fällen eine determinierende Funktion zugesprochen wird. Wenn der sog. freistehende Artikel eine wortbildende Funktion einnimmt, wird er als Agreement-Marker definiert und nicht als separate Konstituente gewertet, da er ein Teil des entsprechenden Wortes ist. In den Glossierungen der Belegstellen wird die Abkürzung AgrM verwendet. Nur wenn der sog. freistehende Artikel determiniert, wird er als Artikel bezeichnet und in der Glossierung als Art gekennzeichnet. In sehr seltenen Fällen trifft man auf das Wortstellungsmuster Art+BW, wie oben in Beispiel (29).
II.1.3 Altnordisch
Im Altnordischen determiniert stets der suffixale Artikel das Substantiv, i.e. BW-Art. Diesem Muster folgen alle Belegstellen ausnahmslos; vgl.
(41) anord. 5.32.3
gripr-inn Besitzstück.Subst.-das.Art. Nom.Sg.m. ‚das Besitzstück‘Insgesamt wird der Artikel in Kombination mit einem Substantiv allerdings nicht sehr frequent genutzt. Heusler (1967) schreibt, dass „… bestimmte und unbestimmte Formen […] oft gleichbedeutend durcheinander [gehen] …“.1 Bei Gattungsbegriffen, „…. Völker- und Gruppennamen, Titel[n], Ausdrücke[n] für ‚Erde, Himmel‘ u.ä., für Zeiten (Wochentage, Jahres- und Tageszeiten), Begriffe wie ‚Glaube, Gesetz, Allding‘ …“2 bleibt der Artikel in der Regel aus. Jedoch findet der enklitische Artikel Anwendung in Verbindung mit dem Vokativ sowie Eigennamen; vgl.
(42) anord. 9.40.4
em [handgenginn] Garðskonungi-num sein.Verb im Dienste jmds. stehend.Adj. Kaiser von Byzanz.EN-der.Art. 1.Sg.Prs.Ind.Akt. Nom.Sg.m. Dat.Sg.m. ‚ich stehe im Dienste des Kaisers von Byzanz‘Im Altnordischen wird also nur der enklitische Artikel mit einem Substantiv kombiniert. Dabei kann dieser individuell referieren; vgl.
(43) anord. 5.30.22, 7.33.26, 15.53.10
hesti-num Hengst.Subst.-der.Art. Dat.Sg.m. ‚dem Hengst‘Der enklitische Artikel des Altnordischen kann auch generisch referieren; vgl.
(44) anord. 13.48.21
lið-in Schar.Subst.-die.Art. Nom.Pl.n. ‚die Scharen‘Julien (2003) formuliert bzgl. der modernen skandinavischen Sprachen, dass bei generischer Lesart ein suffigierter Artikel optional ist. Liegt demgegenüber aber individuelle Referenz vor, dann ist er obligatorisch.3 Im Altnordischen ist der Artikel in keiner der beiden Konstellationen obligatorisch. Aber grundsätzlich kann er sowohl bei generischer als auch individueller Lesart vorkommen. Deiktische Referenz ist im Altnordischen ebenfalls möglich; vgl.
(45) anord. 14.51.9
kostr-inn Geldmittel.Subst.-das.Art. Nom.Sg.m. ‚das Geldmittel‘Im Text wurden zuvor keine Geldmittel erwähnt, daher kann keine anaphorische Relation vorliegen, nur deiktische. Ferner kann anaphorische Referenz ebenso vorkommen; vgl. (43) oben und
(46) anord. 5.30.22, 15.53.6, 15.53.8
hest-inn Hengst.Subst.-der.Art. Akk.Sg.m. ‚den Hengst‘(47) anord. 5.31.2, 5.31.3, 5.31.22, 5.31.24, 5.31.13
hestr-inn Hengst.Subst.-der.Art. Nom.Sg.m. ‚der Hengst‘In der altnordischen Geschichte geht es um das Pferd Freyfaxi. Dabei wird das Nomen anord. hestr ‚Hengst‘ immer wieder aufgegriffen und durch den Artikel determiniert. Dies zeigt dem Leser an, dass es sich um einen zuvor erwähnten Referenten handelt.
Die modernen skandinavischen Sprachen haben den enklitischen Artikel bewahrt. Im Allgemeinen wird dort der enklitische Artikel an eine NP angefügt, wenn diese einen konkreten Diskurs-Referenten bezeichnet. Aber in den nord-nordöstlichen schwedischen Dialekten4 kann der suffixale Artikel auch an Substantive postponiert sein, die weder individuell sind, noch vom Hörer/Leser problemlos identifiziert werden können. Dabei handelt es sich gewöhnlich um Massennomina im Singular oder um zählbare Nomina im Plural. Dies kann auch im Altnordischen beobachtet werden. In (48) liegt ein Massennomen im Singular mit einem enklitischen Artikel vor; vgl.
(48) anord. 6.32.24, 15.52.11
fjár-ins Vieh.Subst.-das.Art. Gen.Sg.n. ‚des Viehs‘Aber auch Massennomina im Plural mit suffixalem Artikel sind möglich; vgl. (44) oben. Ein Beispiel für ein zählbares Nomen im Plural ist (49); vgl.
(49) anord. 15.52.21
hross-in Pferd.Subst.-das.Art. Nom.Pl.n. ‚die Pferde‘Plural- und Massennomina verfügen über eine kumulative Referenz. Laut Vangsnes (1999) trägt der enklitische Artikel in derartigen Fällen das Feature [Masse] neben den Merkmalen [Deixis] und [Totalität]. In anderen Worten, es ist dem enklitischen Artikel möglich, Massennomina und zählbare Pluralnomina zu determinieren, da er das Feature [Masse] besitzt.5
II.1.4 Armenisch
Im Armenischen alternieren die deiktischen Varianten des Artikels. Arm. -n fungiert als neutraler Artikel; vgl.
(17) arm. 3.2
z-harks-n AkkM-Steuer.Subst.-die.Art. Akk.Pl. ‚die Steuern‘Daneben kann arm. -n auch anaphorisch referieren; vgl.
(50) arm. 30.1, 31.1 (51) arm. 32.3, 33.6 (52) arm. 31.3 tʿagawor-n z-tʿagawor-n tʿagawori-n König.Subst.-der.Art. AkkM-König.Subst.-der.Art. König.Subst.-der.Art. Nom.Sg. Akk.Sg. Dat.Sg. ‚der König‘ ‚den König‘ ‚dem König‘Die drei Belegstellen kommen in unmittelbarer Nähe vor und beziehen sich alle auf den gleichen König. Zuvor wurde der ‚König der Armenier‘ erwähnt (vgl. (53) arm. 29.1 tʿagawor-n Hayocʿ ‚der König der Armenier‘), auf den die angeführten Beispiele anaphorisch referieren.
Durch die dem Artikel inhärente Deixis referieren arm. -s und -d stets individuell, da sie auf bestimmte Personen, i.e. erste bzw. zweite Person, verweisen; vgl.
(54) arm. 15.1 (16) arm. 11.3 bazkōkʿ-s gin-d Arm.Subst.-derArt. Preis.Subst.-der.Art. Instr.Pl. Akk.Sg. ‚der [mein] Arm‘ ‚den [deinen] Preis‘Um generisch zu referieren, wird der Artikel arm. -n genutzt; vgl.
(55) arm. 34.2
z-azgatohm-n AkkM-Nachkommenschaft.Subst.-die.Art. Akk.Sg. ‚die Nachkommenschaft‘Natürlich kann arm. -n ebenfalls einen individuellen Bezug herstellen; vgl.
(52) arm. 31.3
tʿagawori-n König.Subst.-der.Art. Dat.Sg. ‚dem König‘Laut Müth (2011) wird der armenische Artikel nicht bei generischer Lesart verwendet.1 Besonders die Artikel arm. -s und -d erlauben aufgrund der inhärenten Deixis keine generische Lesart; vgl. die oben genannten Belege (54) und (16). Durch den Bezug zur ersten bzw. zweiten Person referieren Phrasen mit diesen Artikeln ausschließlich individuell. Daneben gibt es jedoch Beispiele mit arm. -n, die eine generische Interpretation zulassen; vgl.
(56) arm. 22.3 (57) arm. 4.8 kʿrmacʿ-n z-pitoɫs-n Priester.Subst.-der.Art. AkkM-Bedürftiger.Subst.-der.Art. Dat.Pl. Akk.Pl. ‚den Priestern‘ ‚den Bedürftigen‘Beide Belege referieren auf Gruppen. Laut Müth (2011) kann der armenische Artikel nicht zur Referenz auf ethnische oder kategoriale Gruppen genutzt werden. Die Beispiele scheinen dem allerdings zu widersprechen, da hier kategoriale Gruppen denotiert werden. Müth (2011) stützt ihre Untersuchung auf das Neue Testament und findet ihre Hypothese dort bestätigt. Ihre Belegstellen zeigen auch, dass es nicht daher rührt, dass das armenische Neue Testament Übersetzungsliteratur ist. Während das Armenische dort auf Artikel bei generischer Referenz verzichtet, setzt das Griechische, das Müth (2011) zum Vergleich heranzieht, bei generischer Lesart konsequent den Artikel. Auch bei Agatʿangełos lassen sich Beispiele für die generische Lesart ohne Artikel anbringen; vgl.
(58) arm. 30.2
ǝst ōrinacʿ tʿagaworacʿ gemäß.Präp. Art und Weise.Subst. König.Subst. + Dat. Dat.Sg. Gen.Pl. ‚gemäß der Art und Weise der Könige‘Arm. tʿagaworacʿ ‚Könige‘ bezieht sich auf Herrscher generell und nicht auf einen Bestimmten, daher bleibt der Artikel aus. Dennoch kann man für Agatʿangełos nicht verallgemeinernd annehmen, dass der Artikel arm. -n nur bei individueller Lesart vorkommt. Für die Artikel arm. -s und -d hingegen lässt sich diese Regel postulieren.
Ferner schlägt Müth (2011) vor, das Vorkommen des armenischen Artikels im Bezug zum Akkusativmarker arm. z- zu untersuchen. Unter den monadischen DPn ohne weitere Attribute kann diesbezüglich bei Agatʿangełos keine Korrelation festgestellt werden, da nur wenige Kopfnomen einen Marker tragen; vgl.
Tabelle 2: Distribution der armenischen Marker in DPn mit Artikel
BW ohne z-/y- BW mit z- BW mit y- 24x 10x 1xIn der Tabelle wurde neben dem Akkusativmarker arm. z- auch der Ablativmarker arm. y- berücksichtigt. Die Beispiele zeigen, dass der Artikel stehen kann, wenn einer der Marker vorhanden ist, aber er kann ebenfalls stehen, wenn ein Marker fehlt; vgl.
(59) arm. 7.1 vs. (60) arm. 18.3 iracʿ-n y-iracʿ-n Ding.Subst.-das.Art. Präp.-Ding.Subst.-das.Art. Dat.Pl. Dat.Pl.2 ‚den Dingen‘ ‚den Dingen‘Die Belegstellen (60) und (59) stimmen sogar im Kasus überein, der einzige Unterschied liegt darin, dass in (60) der Marker arm. y- erscheint. In den Beispielen (50), (51) und (52) oben liegen hingegen verschiedene Kasusformen vor.
Weder Akkusativ- noch Ablativ-Marker haben also Einfluss auf die Artikelsetzung oder die syntaktische Struktur der einfachen DP. In den Wortstellungsmustern wird daher nicht gesondert vermerkt, ob ein Marker vorliegt oder nicht, da es grundsätzlich möglich, aber nicht obligatorisch ist. Als Serialisierungsmuster wird resümierend für das Armenische BW-Art abstrahiert.
II.1.5 Zwischenfazit
Die Untersuchungssprachen weisen präponierte, freistehende sowie postponierte, enklitische Artikel auf. Das Griechische jedoch besitzt nur einen freistehenden Artikel. Dieser erscheint ausnahmslos vor dem Substantiv. Demgegenüber zeigt das Armenische einen suffixalen Artikel, der an das Bezugswort angefügt werden kann, aber nicht obligatorisch ist. Das Altnordische und das Albanische besitzen jeweils einen freistehenden sowie einen enklitischen Artikel. Während im Altnordischen ausschließlich der suffixale Artikel mit einem Kopfnomen vorkommt, kann im Albanischen in seltenen Fällen auch der freistehende Artikel vorkommen. Der enklitische Artikel des Albanischen determiniert vornehmlich. Die Verwendung des freistehenden Artikels als Definitheitsmarker hingegen ist restringiert auf alte Verwandtschafts- und Heiligennamen. Daneben verfügt das Albanische über einen Agreement-Marker, der zwar die gleiche morphologische Gestalt wie der Artikel hat, aber divergierende Funktionen. Der Marker fungiert bspw. als Wortbildungselement.
Das Serialisierungsmuster BW-Art gilt für das Albanische, Altnordische und Armenische. Im Albanischen können zudem auch die Wortstellungen Art+BW-Art sowie Art+BW vorkommen.
Der griechische und der altnordische Artikel sind nicht auf eine bestimmte referentielle Lesart festgelegt, d.h. sie treten gleichermaßen bei generischer, individueller, anaphorischer und deiktischer Referenz auf. Der enklitische Artikel des Albanischen dagegen wurde nur bei individueller Referenz festgestellt, wobei ggf. der freistehende Artikel zusätzlich gesetzt werden kann. Im Armenischen schließlich muss zwischen den Artikelvarianten differenziert werden. Individuelle Lesart ist bei allen drei Varianten möglich, doch bei generischer Referenz ist ausschließlich arm. -n in wenigen Fällen verwendbar. Zusätzlich kann arm.-n anaphorisch referieren.
Generell herrscht Kongruenz zwischen dem Substantiv und dem Artikel in einfachen DPn, zumindest im Griechischen und Altnordischen. Der Artikel des Armenischen ist unveränderlich, daher ist Kongruenz ausgeschlossen. Im Albanischen sprechen Grammatiken mitunter von der definiten Deklination, wenn der Artikel an ein Substantiv postponiert ist. Dies bedeutet nicht, dass der Wortkörper des Nomens undekliniert bleibt, wenn der Artikel auftritt. Hier wird der enklitische Artikel nicht als bestimmte Art der Flexion verstanden, sondern als determinierendes Morphem definiert. Ferner gibt es ein paar wenige Substantive wie alb. zot ‚Herr‘, die grundsätzlich keine Agreement-Markierungen haben. Um die Angabe der Kongruenz-Merkmale dennoch zu gewährleisten, erscheint der Agreement-Marker und übernimmt die vakante Funktion.
Abschließend ist festzuhalten, dass der freistehende Artikel des Griechischen sowie die enklitischen Artikel des Albanischen und des Altnordischen Phrasen als [+definit] kennzeichnen. Die Hauptfunktion des armenischen Artikels hingegen ist die inhärente Deixis. So unterscheiden die armenischen Artikel-Varianten zwischen Ich-, Du- und Dér-Deixis. Dieses Feature ermöglicht allerdings die Determination.
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