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Der Verletzte am Zaun war inzwischen mit sanfter Gewalt hinausgeführt worden. Eivie war zur Stelle, kam aber nicht dazu, Stonehorn zu gratulieren, da er den Verletzten in seinem Wagen mitnahm, so dass der Rodeo-Arzt nicht beansprucht wurde.
Das Schauspiel des Kälberfangens, an dem sich die beiden anderen Indianer mit achtbarem Erfolg beteiligten, war eine Erholung. Dabei konnte nichts passieren. Es ging um die Geschicklichkeit. In noch höherem Maße galt das für das Kälberfangen im Zweierteam. Die Aufgabe bestand darin, dass der eine Lassowerfer das Lasso um den Kopf, der zweite das Lasso von unten her um ein Hinterbein warf. Das zweite war bedeutend schwieriger als das erste. Es erforderte eine viel schnellere Reaktionsfähigkeit und höhere Geschicklichkeit. Eine bestimmte Zeit war auch für diese Übung vorgesehen. Sechs Teams hatten sich gemeldet. Zum Ziel kamen nur zwei; dabei war es bei den übrigen vier immer das Hinterbein, das verfehlt wurde. Zu den beiden Siegerteams gehörte auch das von Stonehorn und Russell. Der Beifall war besonders freundlich, da man den Doppelsieger ehren wollte.
Queenie war sich ihrer Aufgabe als Beobachterin wieder bewusst geworden, aber sie hatte nichts entdeckt, was ihr noch von Belang schien. Mike, James und Jenny hielten sich voneinander fern, und sie hatte nicht verfolgen können, ob sie mit anderen in Verbindung standen.
Vor dem letzten Teil des Programms, dem Stierringen, waren das Wettreiten der Cowgirls auf ihren zierlichen, eleganten Pferden, anschließend eine längere Pause eingelegt. Die Musikkapelle unterhielt das Publikum. Stonehorn ließ sich nicht bei den Zuschauern sehen. Er hatte sich wieder in die Baracke zurückgezogen. Aus dem Rindergehege war Brüllen zu hören. Die Arena war schon stark von Pferdehufen zerstampft. Die Getränke in den Buden waren fast ausverkauft, und die Budenbesitzer ließen mit ihren Wagen Nachschub holen, um sich das gute Geschäft nicht entgehen zu lassen. Queenie besuchte Margret, die mit bewundernswerter Ausdauer beim Wagen saß, und ging noch einmal zu ihren Eltern.
Der letzte Teil des Programms begann. Die Aufgabe im Wettbewerb war folgende: Einer der schwarzen, schlanken, langhörnigen Stiere, die speziell gezüchtet wurden, wurde in die Arena gejagt. Er wurde von zwei galoppierenden Reitern verfolgt und in die Mitte genommen, damit er nicht zur Seite ausbrechen konnte. Dann hatte sich der eine der Reiter, der im Wettbewerb stand, vom Pferd auf den Stier mit einer Art Hechtsprung hinüberzuschwingen, ihn von hinten an den Hörnern zu packen, mit den Füßen auf den Boden zu gleiten und das galoppierende Tier zum Stehen zu bringen. War das gelungen, so begann die letzte Phase. Der Mann hielt den Stier noch an einem Horn, packte ihn mit der andern Hand an der Nase und versuchte, dem Starknackigen den Kopf so zu drehen, dass das Tier sich fallen lassen musste, um sich nicht das Genick zu brechen. Die schwarzen jungen Stiere waren wendig, schnell und kräftig. Der Ausgang des Kampfes zwischen Mann und Tier war immer ungewiss und die Übung sehr anstrengend, auch gefährlich. Ein Rodeo-Clown stand bereit, um im Gefahrenfall einzugreifen. An vielen anderen Plätzen wurden für diesen Wettbewerb anstelle der Stiere Ochsen gebraucht – daher die Bezeichnung steer wrestling –, aber in New City hielt man an der gefährlicheren Gewohnheit fest. Stonehorn war an vierter Stelle angesetzt. Er wurde wieder mit Beifall begrüßt, aber diesmal war der Vorapplaus schwächer. Manche meinten wohl, dass dieser Mann sich zu sehr vordränge. Wollte ein Indianer allround champion werden?
Stonehorn hatte ein geborgtes Pferd, da er seine eigenen Pferde aus einem gewissen Misstrauen heraus für diesen Zweck nicht nach New City hatte bringen wollen. Es wäre auch mit weiteren Kosten verbunden gewesen. Was das Pferd anbetraf, so kam es darauf an, dass es sehr rasch ein hohes Tempo beim Galopp erreichte und dass sein Galopp schnell war, kurzum, dass es die gleichen Eigenschaften wie ein guter Wagen besaß. Die Strecke, auf der sich alles abspielte, und die gegebene Zeit waren relativ kurz, und es galt als einer der springenden Punkte für den Ausgang des Kampfes, wann der Reiter den Stier einholen und fassen konnte. Noch wesentlicher aber war, was für ein Tier man dem Reiter gab. Die Stiere waren von verschiedener Findigkeit. Stonehorn hatte das Gefühl, dass man ihm die letzte Aufgabe schwer machen würde. Es gab sicher genug Leute, die ihn einmal im Grase liegen sehen wollten.
Der Stier, auf den es ankam, war aus dem Gehege geholt und an die gegenüberliegende Seite der Arena gebracht worden. Er strebte natürlicherweise, sobald er freigelassen wurde, zu seiner Herde zurück; er wurde dazu auch noch beim Start angetrieben.
Er preschte los, und die beiden Reiter kamen ihm im gestreckten Galopp von hinten rechts und links zur Seite.
Queenies Augen waren in Besorgnis und Spannung aufgerissen, als sie beobachtete, wie ihr Mann vom Pferderücken auf den langhörnigen Stier hinüberhechtete, wie sein Pferd zurückfiel, wie er mit den Füßen zu Boden glitt, die beiden Hörner noch in den Fäusten, und wie er versuchte, das Tier in seinem Galopp zu bremsen. Es war ein starkes Tier, und Stonehorn war zwar sehr gewandt und schnell, aber er war kein Muskelprotz. Er durfte auch nicht so lange mit dem Tier um die Wette laufen, wie er vermochte – die Strecke und die Höchstzeit waren vorgegeben –, er musste das Tier stoppen. Es war ein starker und entschlossener junger Stier – Joe musste ihn stoppen, oder das Geld war verfallen. In den Gesichtern vieler Zuschauer malte sich schon die Besorgnis, wie der Kampf ausgehen werde, denn Stonehorn war gestolpert, und es hätte nur noch eines kleinen Fehltritts bedurft, und schon wäre er von dem triumphierenden Tier im Staub geschleift, abgeschüttelt und mit den Hörnern angegriffen worden. Der Stier spürte wohl, dass er Aussichten hatte. Er setzte seine Kraft voller Angst und Wut ein. Da … doch – er stand.
Stonehorn hatte sofort den Griff gewechselt und mit der einen Hand dem Stier in die Nase gegriffen, um den Kopf zu drehen. Eben der erste Ruck war dabei wichtig. Stonehorn wurde es schwarz vor den Augen vor Anstrengung. Nur in ganz jungen Jahren war es Männern überhaupt möglich, in diesem Kampf zu siegen. Die Älteren mussten sich von einer solchen Aufgabe zurückhalten. Sie verloren die Kraft, oder sie verloren die Schnelligkeit, die beide in hohem Maße erforderlich waren.
Stonehorn kämpfte. Der Stier stand wie aus Stein gehauen und hielt seinen starken Nacken steif. Er drückte gegen die Kraft der Arme, die allein durch die Hebelwirkung des langen Hornes siegen konnten. Höchstens fünf Sekunden blieben noch, dann hatte Joe überhaupt keine time mehr; jetzt hatte er schon eine schlechte! Er wusste das nicht, aber er fühlte die Spanne … und er fühlte die Kraft, die ihm entgegenstand. Endlich … ein letzter wütender Ruck: Der Stier gab nach und ließ sich fallen. Stonehorn stand gebeugt, zitternd, nass von Schweiß am ganzen Körper. Sein Puls ging schnell. Er hielt sich mit Mühe auf den Beinen, und er hörte nur wie von ferne die Stimme des Ansagers: »Time for Joe King.«
Er fuhr sich mit der Hand über das Haar – den Hut hatte er längst wieder verloren – und ging zum Ausgang zurück. Er erkannte wieder Farben und Helligkeit, aber alles tanzte noch um ihn. Doch fand er den geraden Weg. Er sah ein Lächeln der anderen Teilnehmer, der Helfer, der Angestellten, die ihn am Tor empfingen. Sie wussten, wie den Männern nach einem solchen steer wrestling zumute war. Einer hatte den Hut aufgehoben und brachte ihn Stonehorn.
Der allgemeine Beifall blieb schwach; er wirkte nur als ein Ausdruck der Erleichterung darüber, dass kein zweites Unglück an diesem Tage geschehen war. Doch schnitt durch das verbreitete Plätschern des Händeklatschens von einer Seite her ein frenetisch anerkennendes Johlen für Joe King, der drei Wettbewerbe erfolgreich bestritten und den besten Preis des Tages gewonnen hatte. Die Allround-Kombination der Leistungen war äußerst rar.
Queenie hatte hin und wieder die Gruppe der Indianer beobachtet, die sich am Zaun zusammengefunden hatte; es waren Indianer aus der Reservation und Indianer aus den Slums, und von dort war der erste Anstoß zur Beifallsdemonstration gekommen. Eine gegnerische Gruppe schien geschlossen oben auf der Tribüne bei Jenny zu sitzen. Von dort schrillten abfällige Pfiffe. Seinen Einsatz für das Stierringen bekam Stonehorn zurück und ein paar Dollars dazu. Punkte hatte er diesmal drei geholt: beim schnellen Einholen des Rindes und bei dem geschickten Hinüberwechseln sowie bei dem ersten Ruck, mit dem er den Kopf des Stieres zu drehen begann.
Die Musik setzte zu einem letzten Schlager an, das Rodeo war zu Ende, und die Menge der Zuschauer war schon in Bewegung. Stonehorn fand sich bei seinem Wagen ein. Queenie sah ihm an, dass sein Kopf blutleer war und dass sein Rücken und seine Schultern mehr angegriffen sein mussten, als er zugeben wollte. Sie machte Miene, an das Steuer zu gehen. Aber er war schneller, setzte sich auf den Fahrersitz und fuhr Queenie sowie seine Schwester und diesmal die beiden Mädchen zu Elks Haus. Bei Elk verabschiedete sich Margret. Die Kinder sprachen nur von dem Rodeo und würden des Nachts von Joe träumen, dem sie nacheifern wollten.
Stonehorn warf sich auf das Schlafgestell, auf dem er die Nacht verbracht hatte, und übergab Queenie das Geld, das ihm ausbezahlt worden war.
»Das Pferd müsste ich haben, den Schecken«, war sein erstes Wort.
»Er gehört Krader«, teilte Queenie mit.
»Dem feisten Wucherer! Der Bursche ist nicht wert, über ein solches Tier zu verfügen.« Joe schaltete rasch um. »Queenie, hast du außer Mike, Jenny und James noch irgend jemanden oder irgend etwas beobachtet?«
»Sie haben zum Schluss auf der Tribüne gegen dich gepfiffen. Sonst waren sie sehr vorsichtig. Oder ich war zu unaufmerksam, wenn ich dich in der Arena sah.«
Stonehorn aß und trank, rieb seine Schultern und machte etwas Gymnastik. »Verdammter Stier«, sagte er. »Sie haben mir da einen ausgesucht … der hatte Kraft in sich, und ich war auch schon zu müde. – Aber gerade, während ich in der Arena war, hättest du aufpassen müssen, denn so lange konnte ich es nicht tun.«
Queenie senkte den Kopf wie ein gescholtenes Kind.
»Sei nicht traurig, Liebste. Zum Schluss haben sie sich selbst verraten. Ich weiß, wer da ist.«
Stonehorn fing an, seine Waffen sorgfältig zu überprüfen. Als er mit dem Ergebnis zufrieden war, fragte er Queenie: »Was hast du denn mit Mike gesprochen?«
»Dass ich deine Frau und schon lange deine Frau sei.«
Stonehorn hob rasch den Kopf. »Offenbar hast du den sechsten Sinn. Das eben brauchte ich … was du da gesagt hast. Ich bin nicht der Angeklagte, ich bin der Ankläger … – Hast du übrigens bemerkt, wo Familie Booth hingegangen ist? Auf einmal waren sie weg.«
»Sie sind mit ihrem Wagen noch vor dem Ende des Rodeos weggefahren. Was hat sich Harold da nur herangeholt!«
»Findest du nicht, dass sie zu ihm passt? Ich finde das. Dumm, aber gut frisiert. Mollig und leicht zu haben. Verführerisch und entführend …«
»Ach so.«
Stonehorn legte sich wieder hin. »Ich schlafe jetzt drei Stunden, Queenie. Dann gehen wir tanzen. Die Miss Rodeo ist noch nicht gewählt. Sie hatten ihr eigenes Rodeo nicht ganz ernst genommen, aber nun ist ihnen eingefallen, was noch dazugehört. Sie wollen sich also nachträglich eine Miss Rodeo wählen; Mike ist im Komitee. Die Vorstellung erfolgt beim Tanz mit den ›Newt Beats‹. Das gibt eine doppelte Attraktion.«
»Wozu brauchen wir noch eine Miss Rodeo! Das ist unsportlich und darum unsinnig. Rodeo-Queen ist Joan Howell, die am besten geritten hat. Nächstes Jahr will ich mit meiner Stute dabeisein.«
»Noch nicht, Queenie. Du gehst auf die Kunstschule, und du trägst unser Kind. Du kannst nicht trainieren.«
Queenie-Tashina seufzte ein wenig.
Stonehorn rauchte noch eine Zigarette, dann fiel er ohne Übergang in einen tiefen Schlaf.
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