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Als die beiden sich mit den schweren Eimern und Gefäßen auf den Rückweg machten, bemerkte Stonehorn: »Wir müssen ein Auto haben oder große Wassersäcke, die wir den Pferden anhängen. So kannst du nicht dauernd schleppen gehen.«
»Habt ihr das bisher immer getan?«
»Ja, aber wir haben nicht soviel Wasser gebraucht wie jetzt, wo du da bist, und meistens bin ich auch nicht zu Hause gewesen.«
Der Rückweg mit der Last war mühsam, und die beiden brauchten bedeutend längere Zeit als für den Hinweg. An Rast dachten sie aber nicht.
Beim Haus kläfften wieder die hungrigen Hunde und wurden durch einen Steinwurf verscheucht. Der Nachthimmel war klar, die Sterne leuchteten über der dunklen Prärie und den weißen Felsen. Die Straße im Tal lag leer, wie ausgestorben.
Der Vater war noch wach und hatte die Petroleumlampe zum Brennen gebracht. Sein Ausdruck hatte sich verändert, doch hätte Queenie, die ihn noch sowenig kannte, nicht sagen können, wie. Er hatte sich in Kleidern und Schuhen auf das eine Gestell gelegt, das wohl des Nachts sein Bett war.
»Wie habt ihr euch das nun weiter gedacht?« fragte er seinen Sohn.
»Queenie hat sich die Stute gekauft. Ich will mit einer Pferdezucht anfangen. Queenie wird noch ein paar Hühner beschaffen und vielleicht zwei oder drei Schafe. Jetzt, wo Queenie da ist, können wir auch etwas Gemüse anpflanzen und vielleicht ein paar Kartoffeln. Sie versteht das, sie hat es zu Hause gelernt. Was sie mit ihrer Malerei noch weiterhin verdienen wird, stecken wir alles in die Pferde. Die Preise für Rodeo-Pferde steigen. Wir halten auch eine Kuh oder ein paar Kühe, sobald wir das Geld haben, Boden dazuzupachten.«
Der Alte lächelte ganz sonderbar. »Mit Malen verdient sie Geld?«
»Ich habe dir das schon gesagt.«
»Dann soll sie doch lieber die Schule fertigmachen und viele Bilder malen, statt dass ihr hier mit Schafen anfangt! Schafe! Wann hat man hier je etwas von Schafen gehört! Bist du dumm geworden?!«
»Darüber brauchen wir uns jetzt nicht zu streiten. Queenie soll natürlich die Schule fertigmachen. Solange kümmere ich mich hier um die Pferde. Alles andere kommt im nächsten Sommer, wenn Queenie fertig ist.«
Stonehorn hatte sich auf dem zweiten Schlafgestell ausgestreckt, ebenfalls in Kleidern und Schuhen. Die Tür stand offen. Queenie lehnte sich an den Türpfosten und atmete die frische Luft. Nachts, wenn die Tür geschlossen wurde, war es in solchen Häusern stickig, und Queenie ekelte sich vor dem Geruch lange nicht gereinigter Wolldecken. Sie wollte den sanften, frischen Duft genießen, solange es möglich war, und ihn auch in die Hütte hereinlassen. So hatte es daheim die Mutter immer gehalten. Einen Augenblick dachte Queenie an die kleinen Geschwister, die jetzt in einem Nest von Decken mit der Großmutter zusammen schon schliefen. Ob sie noch einmal von Queenie, der großen Schwester, träumen würden, wenn sie auch nie mehr von ihr sprechen durften?
Queenies Gedanken kehrten in ihre nächste Umgebung zurück. Sie hörte, wie der alte King kaute, als ob er Kautabak im Munde habe.
»Was hast du da von den Pferden gesagt?« fragte er zum Sohn hinüber.
»Dass ich mich darum kümmere.«
»Du hast dich noch nie viel um was gekümmert. Wo sollen denn die Pferde weiden?«
»Wo? Auf unseren Wiesen hier.«
»Hm.«
Stonehorn blickte gespannt auf den Vater.
»Du meinst, das reicht auch im Winter?« fragte der Alte weiter.
»Im Winter reicht es vorläufig noch nicht, weil wir nicht genug Land haben. Diesen Winter muss ich noch Heu und Hafer kaufen.«
»Hafer brauchen die netten Tiere?«
»Meinst du, mein Hengst ist gewohnt, Rüben zu fressen?«
»Aber dein Vater ist das gewohnt, was?«
»Ich so gut wie du.«
»Wenn du zufällig mal da bist.«
»Ich bin jetzt da. Vergiss das nicht.«
Nach diesen letzten Worten blieb es einige Zeit still. Aber in dem Gesicht des Alten arbeitete es. Die Sache war noch nicht abgetan.
Queenie hatte plötzlich eine Schreckensvorstellung. In diesem einsamen kleinen Haus hier war der Mord geschehen … in diesem Haus hier hatte die Mutter Stonehorns ihren Schwiegervater totgeschlagen, der so gut wie ihr Vater galt, und in diesem Hause hier hatte sie ihrem Kind den Namen Stonehorn gegeben, als es die Schläge des Großvaters überlebt hatte.
Queenie lehnte regungslos an dem Türpfosten. Es war vielleicht schon Zeit, aber sie war noch nicht in der Stimmung, ins Bett zu gehen.
»Die Wiesen gehören uns nämlich nicht mehr«, sagte der Alte schließlich. »Ich habe sie verpachtet.«
Stonehorn hatte gelernt, sich zu beherrschen, wenn er sich beherrschen wollte. »An wen hast du sie verpachtet?«
»An wen soll ich hier wohl verpachten! Es gibt nur einen im Tal, der Land braucht und Pacht zahlt. Isaac Booth nämlich.«
Stonehorn stand mit einer erschreckenden Langsamkeit auf. »So. Isaac Booth. An den hast du die Wiesen weggegeben. Auf wie lange?«
»Auf zehn Jahre.«
Der Alte war auf seinem Gestell und den stinkenden Decken liegengeblieben.
»Was gibt er dir dafür?«
»Einen Dollar pro Acre im Jahr, wie üblich.«
»Das heißt also, hundertsechzig Dollar im Jahr. Und was willst du mit dem Geld machen?«
»Das geht dich nichts an. Vorläufig ist das noch mein Land und also auch mein Geld.« Der Alte fing an zu brüllen. »Du hast ja deine Malerin, die für dich zahlt.«
Stonehorn spuckte seinem Vater ins Gesicht.
Der Alte war schon auf den Beinen. Der Sohn verstellte ihm den Weg zu den Jagdgewehren und zu jenen Gegenständen, die unter einer Decke verborgen lagen.
Queenie blieb regungslos an der Tür; auch wenn sie sich hätte rühren wollen, sie hätte es nicht mehr vermocht.
»Hast du schon wieder gesoffen?« schrie Stonehorn den Alten an.
Der Ausdruck im Gesicht Old Kings wurde unheimlich. »Ich hab ihn doch gefunden, Joe. Ich brauch kein Wasser. Ich brauch anderes Wasser …« Er brach in Lachen aus. »Du hättest ihn lieber selber saufen sollen, dann wär er weg gewesen. So hab ich ihn doch noch gefunden …«
»Leg dich hin und gib Ruhe.« Stonehorn zwang seine Stimme, wieder ruhiger zu werden.
»Was bildest du dir denn ein, Sohn! Meinst du, ein King kann ein anständiger Mensch werden?« Der Alte lachte wieder. »Gib mir noch die zweite Flasche … die ich … noch nicht gefunden habe!«
»Nichts geb ich dir!«
»Rück sie raus!«
»Gib Ruhe. Du bist schon besoffen.«
»Gib sie her … sag ich dir … oder ich schlag dich kaputt … dich Bandit …«
Mit tückischer Schnelligkeit schleuderte der Alte ein Stück Eisen mit spitzen Kanten, vielleicht ein Stück eines alten zerbrochenen Ofens, gegen den Sohn. Stonehorn taumelte, fing sich aber wieder.
Queenie hatte einen leisen Schreckenslaut ausgestoßen. Der Betrunkene hatte sehr starke Muskeln und die Kraft des Rausches. Er drängte Stonehorn beiseite, der Tisch stürzte um, die Petroleumlampe fiel von dem Wandbrett. Das Rohr, das vom Ofen durch das Dach führte, wurde auseinandergerissen. Feuerfunken stoben im Dunkeln. Der Alte wollte zu den Jagdgewehren … Stonehorn hatte ihn an der Gurgel, aber der Alte packte ihn an den Haaren, trat ihn und stieß ihm mit dem Knie in den Leib. Beide stürzten. Eines der Jagdgewehre, das an der Wand gelehnt hatte, fiel polternd zu Boden, und ein Schuss krachte. Die Waffe war durchgeladen gewesen.
Stonehorn zog dem tobenden Alten das Halstuch zusammen, um ihn in die Gewalt zu bekommen, ehe weiteres Unheil geschah. Queenie graute es. Sie zitterte, noch immer ohne sich rühren zu können, und der Schweiß lief ihr über das Gesicht. Ihr Gehör sagte ihr dann, dass der Kampf beendet war.
Langsam ging sie in das dunkle Innere des Hauses hinein. Sie verstand jetzt, warum Stonehorn geglaubt hatte, dass sie hier nicht werde leben können.
Stonehorn war eben damit beschäftigt, den Körper des Vaters in eine Wolldecke einzuschnüren, so dass der betrunkene Alte nicht mehr gefährlich werden konnte. Die Zunge war wieder in den Mund zurückgeglitten, aber offenbar war der alte Mann nicht bei Bewusstsein. Stonehorn legte ihn wie einen Kranken auf das Schlafgestell, wo er gelegen hatte, trat an die Tür und stecke sich eine Zigarette an. Beim Aufflammen des Feuerzeugs erkannte Queenie, dass Stonehorn aus einer Kopfwunde stark blutete.
Er bemerkte ihren besorgten Blick. »Lass, ich habe gutes Blut. Es gerinnt rasch. Nur schade um das weiße Hemd. Aber nun wissen wir wenigstens, wofür wir das viele Wasser geschleppt haben.«
Er zog das Hemd aus und warf es in einen der Bottiche.
Er ging in den Raum zurück, stellte den Tisch auf und drückte das Ofenrohr mit einiger Mühe wieder zusammen. Er sicherte das Jagdgewehr des Vaters und holte unter seinem Schlafgestell etwas hervor. Als er es auswickelte, zeigte sich, dass es die gesuchte Flasche war. Er nahm einige kräftige Schlucke, bot der bebenden Queenie einen weiteren an, um den sie in diesem Augenblick froh war, und goss den übrigen Brandy aus. »Alles Mistbrühe, was die Laura hierher schmuggelt. Wenn wir zwei einmal nach New City fahren, trinken wir Black and White.«
»Das Trinken ist uns streng verboten.« Das war das erste, was Queenie hervorbrachte.
»Joe King hat noch immer gewusst, wo er bekommt, was er will. – Bist du sehr erschrocken?« fragte er dann sacht und ablenkend. »Es war nichts. Er wird seinen Rausch ausschlafen, und morgen wird er wieder der freundlichste Mann sein. Aber unser Land hier hat er an Isaac Booth verpachtet … und es ist wahr, was er sagt. Ich will nicht von deinem Geld leben.«
Queenie war unfähig, noch ein Wort zu sagen.
Sie legte sich mit ihrem Mann zusammen auf den schmutzigen Decken zum Schlafen nieder, drückte mit ihrer Hand den Riss an seinem Kopf zusammen, bis er ganz aufhörte zu bluten, und vernahm dabei das Röcheln und Schnarchen des Betrunkenen und Gefesselten auf der anderen Lagerstatt.
Als sie noch lange wach gelegen hatte und merkte, dass auch ihr Mann nicht schlief, flüsterte sie: »Er kann es nicht einfach verpachten. Es ist Stammesland, und er braucht die Zustimmung des Rats und des Superintendenten.«
»Der Rat und der Superintendent sprechen mit der Zunge des Isaac Booth. Für einen Joe King ist es nicht so leicht, einen neuen Anfang zu machen. Wo soll ich nun Arbeit finden?«
Sie lagen beieinander, und endlich schliefen sie für wenige Stunden ein. Mit der frühen Dämmerung des neuen Sommertages waren sie wieder wach. Der Vater wälzte sich herum und wunderte sich, und Stonehorn stand auf, um ihm die Riemen und die Decke abzunehmen.
»Was hast du denn mit mir gemacht, Sohn?«
Der Alte lief aus der Hütte, erbrach sich, und dann war zu hören, wie er sich an einem Eimer wusch.
Als er wieder hereinkam, sagte er zu Queenie: »Du bist ein gutes Kind. Was hast du für Wasser geschleppt!« Und zu seinem Sohn: »He, Joe, hast du nicht einen Tropfen für mich?«
»Nicht einen. Es ist alles ausgelaufen.«
Der Vater schaute verblüfft um sich. Er begriff wohl nicht gleich, worauf diese Worte zielten, dann sah er die zerbrochene Petroleumlampe, und die Erinnerung kam ihm. »Ach, alles ausgelaufen.«
Queenie wusch sich gründlich hinter dem Haus und zog sich sorgfältig an. Stonehorn betrachtete ihr Verhalten prüfend, sagte aber nichts, sondern reinigte nur sein Haar vom Blut, sattelte seinen Hengst und ritt weg. Als er verschwunden war, sattelte auch die junge Frau ihr Pferd. Der Vater fragte sie nicht nach ihrem Vorhaben. Er setzte sich auf eine kleine Bank an seinem Haus und schaute in den Morgen, hangaufwärts, wo er die Straße nicht zu sehen brauchte und auch nicht die große Ranch der Familie Booth.
Queenie ritt nicht in Richtung der Agentursiedlung wie ihr Mann, sondern wandte sich zur anderen Talseite, wo das Haus der Booths stand. Wenn die vergangene Nacht das Schauerlichste war, was in ihrem jungen und gutgläubigen Leben je über sie hatte kommen können, so erschien ihr das, was sie nun plante, als das Schwerste, was sie sich je selbst vorgenommen hatte.
Sie erreichte die Nachbarranch. Rings um das Haus der Booths war Morast, von Vieh zertrampelt, aber Queenie mit ihrem Pferd kam leicht durch.
Vor dem Haus stand die eine noch unverheiratete Tochter der Booths, ein grobes, tüchtiges Ranchermädchen, nicht mehr eben jung, schon über Mitte Zwanzig, mit Zügen, die die Anstrengung unentwegter Arbeit verrieten. Sie war ihrem Bruder Harold in keiner Weise ähnlich, und darum war Queenie in diesem Augenblick sehr froh.
»Hallo!«
»Hallo!«
Mary wischte sich die Hände an der Schürze ab und wartete, bis Queenie abgesprungen war und das Pferd an dem nahen Zaun angebunden hatte.
Als sie merkte, dass Queenie verlegen war, begann sie das Gespräch von sich aus. »Wir sind jetzt Nachbarn …«
»Ja.«
»Nett, dass du kommst und uns begrüßt. Dein Mann hätte ruhig auch kommen können.«
Queenie wurde es heiß von den Schläfen bis zu den Zehenspitzen. »Er musste schon früh weg.«
»Ja, wir haben ihn wegreiten sehen.«
So, dachte Queenie, von hier aus werden wir also immer beobachtet.
»Schade«, sprach Mary weiter, »aber Vater und Mutter sind heute nicht hier. – Komm zu mir herein.«
Queenie folgte der Einladung. Das Haus war größer und neuer als das der Kings. Es hatte eine Küche, zwei Zimmer und eine Diele. Queenie nahm mit Mary in der Diele Platz.
»Habt ihr schon etwas von Harold gehört?« erkundigte sich Queenie.
»Nein, gar nichts.«
»Wo kann er denn nur sein! Nach dem, was die Kassiererin vom Supermarkt gesagt hat, ist er ja wohl zuletzt in Richtung New City gefahren. Da wurde ja auch am Straßenrand das Kettchen gefunden, das er immer trug und das er dann wohl weggeworfen hat.«
»Dein Kettchen, ja.« Mary verzog den Mund etwas. »Weiß der Himmel, wie das weitergegangen ist, aber jetzt im Sommer, wo soviel zu tun ist, fehlt er uns sehr, obwohl er ein ausgesprochener Faulpelz ist und die Arbeit immer auf mich abgeschoben hat. Aber etwas war doch immer noch an ihm hängengeblieben, und das soll ich jetzt auch noch alles machen.«
»Nehmt euch jemanden zur Hilfe. Ihr habt das Geld.«
»Die Leute taugen alle nichts, sagt mein Vater. Am liebsten würde er die Arbeit überhaupt allein machen, hundert Stück Vieh, die Pferde und die Schweine selbst versorgen und dazu noch ackern. Wir haben nur den kleinen Jungen da, den Sohn von meiner Schwester. Aber Land dazupachten und immer wieder Land dazupachten, davor scheut sich der Vater gar nicht, als ob es damit getan wäre.«
Queenie war froh, dass ohne ihr Zutun das Thema angeschnitten wurde, das ihr am Herzen lag.
»Das unsre von da oben habt ihr nun auch dazugenommen.«
»Weißt du es schon, ja? Das war die größte Dummheit, die mein Vater machen konnte. Unser anderes Land hängt zusammen. Aber das eure liegt abseits, da drüben. Soll ich dort vielleicht auch noch auf das Vieh aufpassen?«
»Uns werden die paar Acres sehr fehlen.«
»Warum? Joe züchtet doch kein Vieh, der treibt sich herum, und du gehst auf die Kunstschule. Ihr könnt das Land noch weniger brauchen als wir.«
Hier diesem Ranchermädchen gegenüber fiel es Queenie schwerer, ihren Mann in Schutz zu nehmen, als vor dem Richter, denn sie rechnete noch weniger damit, dass man ihr glaubte. »Joe interessiert sich für Pferde.«
»Kind, das kostet viel Geld. Er will immer obenhinaus … alles oder nichts. Aber er rennt sich den Kopf noch einmal ganz und gar ein.«
»Ja, Geld … ich verdiene schon etwas. Er ist ein guter Reiter.«
»Von Pferden versteht er etwas, das ist wahr. Obwohl er ein Sitzenbleiber gewesen ist! Auch ein Rindvieh hat Respekt, wenn es ihn sieht, weil es immer denkt: Der Bursche da, der wird mich an den Hörnern packen.«
Queenie musste lächeln. Sie wunderte sich, dass die als schweigsam bekannte Mary soviel plauderte. Vielleicht war ein Zweck dahinter verborgen.
»Stonehorn hätte uns ja hier oft helfen können«, redete Mary weiter, »aber es hat ihm nie zugesagt, unter Harold den Cowboy zu spielen. Und jetzt ist der Vater ganz besessen und meint, dass es dein Mann gewesen sei, der Harold umgebracht hat.«
»Das hat er nicht getan.«
»Ich glaube es auch nicht. Weiß der Teufel, wo sich Harold, der Nichtsnutz, herumtreibt. Er soll uns nur nicht am Ende eine ins Haus bringen, die keine Arbeit anrührt.«
Queenie nahm sich ein Herz. »Wenn Joe nur selbst züchten könnte. Ich glaube, für Pferde besitzt er eine glückliche Hand. Wenn wir unser Land wiederhätten!«
»Was an mir liegt, tue ich dafür, dass die Pacht wieder aufgelöst wird. Aber dann muss Joe mir hier helfen, solange Harold nicht da ist.«
»Mary, das ist doch wohl ganz unmöglich.«
»Vor dem Herrn ist nichts unmöglich, pflegt der Priester zu sagen. Ich werde mit dem Vater sprechen. Überlass das mir.«
»Du wirst wohl langsam der wahre Herr im Haus?«
»Der Vater hat Rheuma, der Bruder verschwindet, und ich tue die Arbeit. Ihr bekommt euer Land zurück, wenn Joe bereit ist, bei uns mitzuhelfen. Aus Freundschaft, versteht sich. Geld gibt der Vater nicht. Ich habe gesprochen.«
»Ich will ihm das sagen.«
»Sag Joe, dass wir noch Kälber brennen müssen und ihn mit dem Lasso brauchen, und zwar bald.«
»Ja.«
Queenie stand auf, Mary begleitete sie bis zu ihrem Pferd.
Als Stonehorn gegen Abend zurückkam, fand er sein Zuhause schon wesentlich frischer und sauberer als am Tage zuvor. Queenie hatte auch Beeren gesammelt und neben der Suppe aus Fasanengerippe eine einfache Speise aus Mehl und Schmalz zubereitet. Der Vater war nicht zu Hause. Er war schon weggegangen, ehe Queenie von ihrem Besuch auf der Ranch zurückkehrte.
»Er hockt bei seinen alten Brüdern und versäuft die Pacht. Ich habe ihn gesehen. – Rege dich übrigens nicht auf, wenn es heute nacht wieder lustig zugehen wird. Er kommt besoffen nach Hause, das ist sicher, aber ich lasse ihn nicht herein. Mag er seinen Rausch diesmal auf der Wiese ausschlafen.«
Queenie zuckte zusammen.
»Übrigens war ich beim Stammesrat, bei Dave, der für die Ökonomie verantwortlich ist – soweit ein Indianer verantwortlich sein kann. Haverman steht über ihm. Dave hat mir gesagt, es komme überhaupt nicht in Frage, Land von Booth an die Kings zurückzugeben, von denen der Alte ein Trinker und der Junge ein Berufsverbrecher sei. So bald sieht mich dieser Stammesrat bestimmt nicht wieder.«
»Für welche Zeit hat dein Vater denn das Geld schon erhalten?« fragte Queenie schüchtern und erschüttert darüber, was sie eben wieder erfahren hatte.
»Bis Ende Dezember ist bezahlt, achtzig Dollar also, und bis die alle versoffen sind, mit der Rente dazu, werden wir hier Ärger haben. Ein Glück nur, dass Vater sehr freigebig ist und die geschmuggelte Scheiße sehr teuer. Dadurch wird das Geld schneller alle.«
»Stonehorn, ich habe Angst um dich.«
»Um mich brauchst du keine Angst zu haben. Um unser bisschen Habe, ja, denn das wird wohl in den nächsten drei Wochen draufgehen. Wenn er richtig besoffen ist, schlägt er alles kurz und klein. Und vielleicht kannst du um den Vater Angst haben … denn wenn er es nur ein einziges Mal wagt, dich anzugreifen, dann mache ich ernst.«
Queenie wollte nicht seufzen.
»Ich will dir sagen, wo ich heute war, Stonehorn«, begann sie fest.
»Ja?«
»Bei Mary Booth.« Queenie berichtete wörtlich, in nüchternem Ton, was gesprochen worden war. Sie fürchtete Stonehorns Zorn, aber sie wollte ihn mit keiner Silbe belügen.
Er schlug sich klatschend auf die Schenkel und lachte aus vollem Halse. »Mary! Ja, wahrhaftig, ich werde ihr den Cowboy machen und die Kälber einfangen. Sie ist ein resolutes Weib und hat mich einmal versteckt, als die Polizei mich suchte. – Tagsüber«, fügte er mit einem vorsichtigen Lächeln hinzu, als er das Mienenspiel seiner Frau beobachtete.
Aber Queenie hatte plötzlich begriffen, dass ein Rumtreiber wie Joe King mit seiner Betrachtung der Frau nicht gewartet hatte, bis er eine Queenie Halkett traf.
Sie blieb still.
In der Nacht lag sie wach, bis sie die Tritte und den schnaufenden Atem des Betrunkenen vor der Tür hörte. Stonehorn hatte die Tür abgeschlossen. Als der Vater das begriff, warf er sich mit einer solch wütenden Gewalt dagegen, dass er samt einigen zerberstenden Türbrettern ins Haus fiel. Der Sohn war auf, sprang hinaus und schleppte den über den durchschlagenden Erfolg seiner Anstrengung selbst Verblüfften und schwer Betrunkenen, ihn an den Füßen anpackend, auf die Wiese zurück, warf ihm zwei Decken über und kam wieder zu seiner Frau. Weiter geschah nichts. Der Betrunkene schien anzunehmen, dass die Decken sein Bett seien. Er wickelte sich ein und begann zu schnarchen.
Queenie wartete in den Armen ihres Mannes mit offenen Augen, bis endlich der kalte Wind der sich dem Ende neigenden Nacht durch die Türöffnung hereinwehte und die Dämmerung die Dunkelheit auflöste. Draußen saß der Vater auf der Wiese. Er hatte eine kleine Flasche Schnaps aus der Tasche gezogen, um sich zum Frühstück daran gütlich zu tun.
Stonehorn ging zu ihm. »Schämst du dich nicht, am frühen Morgen die Pferdepisse zu saufen?«
»Halt die Schnauze!« Der alte King wurde stets angriffslustig, wenn er getrunken hatte. Er warf die geleerte Flasche ins Gras, und da er nichts anderes vor sich hatte, was er angreifen konnte, warf er sich auf den Sohn.
Stonehorn hatte auf der Wiese Bewegungsfreiheit und schlug den alten King sofort k. o. Dann brachte er ihn in das Haus und legte ihn aufs Bett.
»Heute morgen wird er nichts mehr anrichten können. – Ich reite zu Mary hinüber. Vielleicht können unsere Pferde nicht nur hier, sondern auch drüben mit weiden.«
»Ja.« Queenie hatte keine rechte Stimme.
Als ihr Mann fortgeritten war, ging sie langsam zu dem verwilderten Friedhof hinüber und setzte sich zu dem Krummstab, an dem das Adlerfederbündel leise im Morgenwind schaukelte. Nirgendwo war ein Name angebracht.
Um die Mittagszeit kam der Alte wieder zu sich, und Queenie aß mit ihm zusammen ein Rübengericht. Er war ganz nüchtern und fing an, Queenie von der Geschichte des Tals und der Berge gegenüber zu erzählen.
Als er erkannte, wie aufmerksam sie zuhörte, nahm er die Decke von den verborgenen Gegenständen in der Ecke ab. Es kamen ein Adlerfederschmuck zutage und ein kostbar gestickter Rock. Der alte Mann hatte Lust, sich der Schwiegertochter darin zu zeigen. Er wirkte stolz und ausdrucksvoll. Mit einem verlegenen Lächeln setzte er die Adlerfederkrone wieder ab.
»Dein Großvater, Tashina«, sagte er, »war Ratsmann, als mein Vater Häuptling war. Von meinem Vater habe ich den Rock und die Adlerfedern. Du hast an seinem Grab gesessen, ich habe es gesehen.«
Er legte die Decke wieder über die behüteten Kostbarkeiten. »Inyahe-yukan könnte auch ein Häuptling sein, so jung er ist. Der, nach dem ihn seine Mutter genannt hat, hat schon mit zweiundzwanzig Jahren unsere Krieger geführt … aber nun muss Joe sich mit seinem betrunkenen Vater schlagen und für Mary Kälber fangen. Sie verstehen ihn alle nicht.«
»Warum glaubst du denn, Vater, dass Stonehorn Harold getötet hat?«
»Was? Es wäre wahrhaftig eine Schande gewesen, wenn er das nicht endlich zuwege gebracht hätte. Der Lump hat Stonehorn einen Dieb geheißen … einen Dieb! Damals haben sie den Burschen zum ersten Mal ins Gefängnis geworfen, und dann ist er ein Gangster geworden.«
Old King machte sich daran, die aus den Angeln gerissene schwere Tür wieder einzusetzen.
Am Abend kam Stonehorn gutgelaunt zurück. Er lud zwei große gefüllte Wassersäcke ab und pfiff vor sich hin, als er den Hengst auf die Wiese brachte. Er warf den vorsichtig lugenden Hunden Knochen hin und wickelte am Tisch in der gemeinsamen Stube ein großes Stück geröstetes Fleisch aus. »Gruß von Mary«, und er überreichte den Braten seiner Frau. Alle drei hieben ein. Nach dem Essen sangen King junior und King senior zusammen alte indianische Liebeslieder und schlugen dazu den Trommeltakt mit den Knöcheln auf der Tischplatte, die Queenie gescheuert hatte. Sie hatten beide schöne Stimmen.
Zu Beginn dieser Nacht gab es auch im Bett noch Gelächter, nachdem der alte King eingeschlafen war.
Vor Sonnenaufgang waren die beiden jungen Leute schon draußen am Hang, kümmerten sich um die Pferde, wuschen sich und ließen sich im Sommerwind trocknen.