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»Aber das Leben hat viele Seiten, Tashina, und in New City sind wir nicht in einem Gewächshaus, und es gibt dort keine Klimaanlage. Es wird heiß hergehen, sehr heiß – also in einer Art, die auch ein Joe King heiß nennt –, und ich weiß nicht, ob du mich nicht bald neben den Vater dort drüben legen musst, falls du meine Leiche überhaupt findest.«
»Stonehorn! Ich begreife das noch immer nicht. Ich will es auch nicht begreifen.«
»Das ist falsch, das ist air-conditioned, was du jetzt gesagt hast. Das ist Senior-Schülerin der Highschool, das ist nicht Tashina, und das ist nicht Prärie.«
»Vielleicht hast du recht. Ich wollte meine Ohren schon verschließen. Aber ich werde sie offenhalten. Sprich.«
»Du erinnerst dich an unsere erste Nacht …«
»Ja …«
»Ich bin damals fortgeritten, ohne dich mehr zu grüßen, weil ich einen zu verfolgen hatte. Er ist mir aber entkommen, und das war nicht gut. Er hat mich natürlich nicht angezeigt, weil er selbst zuviel auf dem Kerbholz hat und die Polizei scheut wie ein Huhn das Wasser. Er hat sich aber einer anderen Gang angeschlossen. Es ist eine kleine, exklusive Bande, so wie es auch die meine gewesen ist, abhängig natürlich von den großen Syndikaten, die einen ausnutzen. Vielleicht fünf oder sechs Mann, aber jeder soviel wie dreie wert – ich meine soviel wie drei qualifizierte Gangster. Er hasst mich, wie ein Totschläger hassen kann, und ich bin in den Augen dieser Leute schlechter als ein stinkendes Aas … ich bin ein Verräter, ich habe meine eigenen Brüder gekillt. Sie warten nur auf die Gelegenheit, mich abzuschaffen. Wenn das Bandengesetz verletzt ist, halten die Gangs zusammen, um es wieder zur Geltung zu bringen. Ich bin zum Tode verurteilt, nicht von Crazy Eagle und Co., sondern von Leuten, die ihre eigene Gerichtsbarkeit haben und ein Urteil selbst zu vollstrecken pflegen.«
»Bleib hier, Stonehorn. Warum hast du das angenommen, nach New City zu gehen?«
»Ich war schon ein paarmal dort. Das weißt du ja. Um den Wagen zu kaufen und den Hafer und so weiter. Ich muss informiert sein. Sonst ist alles verloren, ehe es überhaupt beginnt. Ich will mein Leben aber teuer verkaufen.«
Queenie schauerte zusammen. Der Wind war kalt.
»Ich habe auch noch Verbindungen, von denen die anderen nichts wissen. Aber alles in allem … wenn ich es nüchtern berechne … werden sie die Stärkeren sein.«
»Gibt es so viele Gangster in New City?« fragte Queenie. »Soviel ist dort doch gar nicht zu holen.«
Stonehorn lachte leise, aber hörbar. »Es ist wirklich nicht viel zu holen in dem Städtchen, außer ein wenig Rauschgift im Zwischenhandel. Aber durch die neue Industrie ist allerhand Volk dahin gezogen, und es ist mit seinen Slums eine Art Arbeitskräftereserve und Vorschule für Banditen geworden, die dann später zu lukrativeren Plätzen gehen. Manchmal sind die Anfänger nicht die Schlechtesten. Sie müssen erst etwas werden, und sie riskieren unbedachter. Sie geben sich auch noch mit verhältnismäßig kleinen Sachen ab. Natürlich sind in New City keine bedeutenden Gangs. Es kann aber sein, und es wird so sein, dass sich zum Rodeo auch Leute von außerhalb einfinden, und an mir wollen sie ein Exempel statuieren, was es bedeutet, abtrünnig zu werden. Ich will nicht lebend in ihre Hände fallen. Dann wäre ich noch lieber an den Marterpfahl meiner Vorfahren gegangen. Das war wenigstens ein zeremonielles Ereignis mit achtungsvollen Zuschauern, und der Nachruhm blieb. Wenn die aber anfangen zu arbeiten, von denen ich jetzt spreche, so bleiben höchstens ein paar Fleischklumpen übrig.«
»Kannst du die Verbrecher nicht der Polizei melden?«
»Liebes Kind! Bevor sie etwas getan haben? Und wenn es erst geschehen ist – nun, Tashina, ein Toter redet nicht mehr.«
»Du darfst da nicht hingehen, Stonehorn.«
»Hör mir auf mit solchen Sentimentalitäten. Das kann ich nicht vertragen. Ich habe mich hier mit dir zusammengesetzt, damit wir vernünftige Pläne schmieden, und nicht, damit wir Schwachheiten flüstern. Es kann also sein, dass du in ein oder zwei Tagen ohne mich auf der Welt stehst. Du weißt, ich habe es mir lange überlegt, ob ich zu diesem Rodeo gehen soll. Ich gehe auch nicht deswegen hin, weil Eivie mich dazu überredet hat. Stonehorn ist nicht der Mann, der sich beschwatzen lässt. Ich gehe hin, weil es einmal ausgetragen werden muss, und bei diesem Rodeo wird mehr los sein und mehr Aufsehen entstehen, und ich kann ihnen mehr zusetzen, als wenn ich irgendwann einmal allein in diesem New City auftauche, um Hafer zu kaufen oder Elk zu besuchen oder mich bei meiner Schwester sehen zu lassen. Da können sie mir auflauern und mich unter der Hand verschwinden lassen. Sie könnten auch auf die Reservation kommen. Ich warte jedenfalls nicht ab, was die anderen planen, sondern ich stelle mich. Ich stelle mich in einer Situation, die ich mir ausgesucht habe und die ich ausnützen werde bis zum letzten Atemzug.«
»Ich heirate aber keinen anderen, Stonehorn. Nie.«
»Du musst wissen, was du willst. Verdienen kannst du allein genug mit deiner Malerei – für dich und für das Kind. Aber ich dachte, du würdest hier auf der Reservation etwas ausrichten … auch für die anderen … damit sie ein Vorbild haben und wieder Mut bekommen. Deshalb musst du entweder die Ranch weiterbetreiben, und dazu brauchst du einen Mann, besonders im Winter, oder du musst dich einem Betrieb anschließen.«
»Du hast mit der Ranch angefangen. Ich will, dass es damit weitergeht.«
»Mit dem Wollen allein ist es nicht getan. Man muss es können. Du wirst ja sehen. Jedenfalls weißt du jetzt, worum es geht. Aber es gibt noch eine Neuigkeit, die du erfahren sollst.«
»Hoffentlich eine bessere.« Queenie wunderte sich selbst, wie sachlich zu sprechen sie imstande war, weil Stonehorn es so wollte.
»Eine spaßhafte jedenfalls. Harold Booth ist wieder da.«
»Harold? Auf der Farm?«
»Noch nicht. Ich habe ihn in New City gesehen.«
»Ein Glück! Nun ist aller Verdacht aus der Welt geschafft.«
»Ehe es mit mir aus sein wird, Tashina, wünsche ich ihn in das Konzert um Gottes Thron, und er kann dort den Bass singen. Wenn er nicht falsch singt. Er sollte nicht der Nachbar von Joe Kings Witwe werden.«
Ehe Tashina auch nur das geringste Zeichen einer Antwort geben konnte, war Stonehorn aufgestanden, und als sie das gleiche tat, legte er seinen Arm um ihre Schulter. Die beiden schauten zu den weißen Bergen hinüber, die nach Sonnenuntergang in einem Nebelschleier ihre Geheimnisse bargen.
»Hat mein Vater dir gesagt, dass jene Berge das Grabmal unseres größten Häuptlings sind …?«
»Er sagte es.«
»Wir brauchen kein Monument. Wir wissen nicht, wo er begraben liegt. Seine Mutter ruht auf dem Friedhof neben uns. Du kannst dich manchmal auch zu diesem Stück Erde setzen.«
»Ja.«
Langsam gingen die beiden zu ihrem Haus zurück.
Als sie gegessen hatten und beieinander lagen, fragte Tashina: »Stonehorn, was kann ich tun? Ich liebe dich viel mehr als mein Leben.«
»Ich nehme dich beim Wort. Bleib daheim, wenn ich zum Rodeo gehe.«
Tashina erschrak: »Nein. Das nicht. Das darfst du nicht verlangen.«
Er sagte nichts weiter. Es war die letzte Nacht, die sie daheim beisammen waren, denn als Teilnehmer fuhr Stonehorn einen Tag früher zur Rodeo-Stadt als die Zuschauer.
Auch der neue Morgen war wieder stürmisch. Gegen Mittag kam Tashinas Großmutter, zu Pferd. Sie wollte das Opfer bringen, wollte auf das Rodeo verzichten und unterdessen für die Pferde sorgen und das Haus behüten. Sie war eine alte magere Indianerin mit strengen Zügen und dünnem, grauem Haar, das sie in der Mitte gescheitelt trug. Sie war über neunzig Jahre alt und hatte die letzten Freiheitskämpfe und die schwersten Anfangszeiten der Reservation als Kind noch miterlebt. Es gab kaum etwas, was sie erschrecken konnte. Als Tashina diese Frau sah, wurde sie im Innern ruhiger. Wie oft hatten Indianerfrauen es erlebt, dass ihre Männer in den Kampf zogen, und nie hatten sie gewusst, ob sie wiederkehren würden.
Um Mittag saßen Stonehorn und Tashina in ihrem Wagen. Die Großmutter winkte nicht, aber sie schaute den beiden noch nach, als der Wagen schon auf der Talstraße unten angelangt war und seine Geschwindigkeit beschleunigen konnte. Der Wagen hatte als Sportwagen die Karosserie eines Cabriolets. Es war ein Zweisitzer. Stonehorn fuhr ihn offen.
Tashina dachte einen Augenblick, dass man ohne Dach einem Schuss noch mehr ausgesetzt war, und Stonehorn schien ihrem Blick und vielleicht einer Kopf- und Schulterbewegung entnommen zu haben, woran sie dachte, denn er sagte:
»Unsere Vorfahren haben nackt gekämpft. Ich tue das auch gern, wo es möglich ist. Nackt im offenen Gelände. Kleider und Wände behindern nur die Bewegung und die Übersicht. Aber das ist natürlich Geschmackssache. Mike zum Beispiel will immer etwas um sich haben, und ich kann nicht sagen, dass er darum viel schlechter sei als ich.«
»Wer ist das, Mike?«
»Er ist Gangsterboss, und er ist mein Boss gewesen. Er wird morgen nach New City kommen, daran gibt es keinen Zweifel. Wenn du schon durchaus mit dabeisein willst, kannst du mir etwas helfen. Ich muss wissen, wo und wann Mike und Jenny auftauchen.«
»Wie sehen sie aus?«
»Mike hat eine Boxernase. Er war Schwergewicht, nicht Weltklasse, aber nahe daran. Ein Nierenschlag hat ihn ausgebootet. Das ist nach wie vor seine schwache Stelle. Er hat eine unverständige Angst davor, dass sich so etwas wiederholen könnte. Aber das geht dich nichts an. Du musst auf das rechte Auge schauen. Das Lid ist zerfetzt. Er wirkt wie ein Bär, nicht wie ein alter Grizzly, sondern wie ein geprügelter, heimtückisch gewordener Zirkusbär. Er hat auch eine Brummstimme. Was er bevorzugt, sind rosa Halstücher mit blauen Streifen. Er lässt sie sich anfertigen. Das ist eine kindische Manie von ihm. – Ich muss also wissen, wo er auftaucht. Er ist viel schneller, als ihm einer zutraut, vor allem mit der Maschinenpistole. Colt hat er schon halb verlernt. Er ist der Eintreiber gegen mich.«
»Warum will er dich vernichten?«
»Er hat mich seinerzeit herangeholt, ich galt als sein Geschöpf, und darum ist er als erster mein Femerichter. Jenny hasste mich von der ersten Begegnung an, wie ich ihn. Jenny hat mir auch meine Gang aus der Hand gewunden und zu einem Haufen Dreck gemacht, während ich in Untersuchungshaft war. Sie hatten mich in einem Mordprozess als Strohmann vorgeschickt, die Indizien nur allzu gut zusammengestellt – nach Jennys Einfällen. Indianer und Mord, das ist für Geschworene auch jederzeit plausibel. Es wäre beinahe schiefgegangen.«
»Stonehorn! Wer ist der wahre Mörder?«
»Sie sind nicht so dumm gewesen, mir das zu sagen. Die Verhöre sind ein wenig anstrengend. Übrigens muss es Jenny gewesen sein.«
»Jenny ist Mikes Frau?«
»Jenny ist ein Mann, Kind, den du aber leicht mit einer Frau verwechseln könntest. Er hat blonde Locken, er hat so unwahrscheinlich blonde Naturlocken, dass du ihn sofort erkennst. Früher hätte das einen schönen Skalp abgegeben. Er ist einer der widerlichsten und gefährlichsten Burschen, die ich je getroffen habe. Er ist zweiter in der Gang, in der jetzt James mitarbeitet, der mir entkommen ist. Jenny hat sich diesen James geholt. – Schaue also nicht nur auf die Pferde und die Kälber und auf deinen Mann, sondern lass deine Augen auch sonst ein wenig in die Runde gehen. Beim Rodeo schießen sie mich natürlich nicht ab, aber ich will wissen, wie sie sich postiert haben und mit wem sie sprechen oder wem sie zupfeifen. Verstanden? Der Kriegstanz geht vielleicht abends bei einem bestimmten Shake los; ich weiß nicht, ob sie schon etwas verabredet haben. Es sind jedenfalls die Newt Beats verpflichtet, eine viel zu teure Gruppe für eine mittlere Stadt; es wird also Tumult geben und hysterisches Gehabe; das ist, was sie brauchen. Wenn sie dabei nicht zum Ziel kommen, dann vielleicht bei der Heimfahrt. – Nach Harold brauchst du übrigens nicht Ausschau zu halten, den beobachte ich selbst.«
»Stonehorn, ich bitte dich, denke an Mary.«
Als Queenie dies gesagt hatte, sah sie ihrem Mann an, dass es besser für sie gewesen wäre zu schweigen.
»Er hat mich einen Dieb geheißen, und er wusste wohl, dass ich nicht gestohlen hatte. Ich kam ins Gefängnis … das war der Anfang. Als ich entlassen wurde, mochte ich nicht mehr zurückgehen, nicht mehr in diese Schule, wie der Gefängnisdirektor dem Superintendenten doch empfohlen hatte, nicht auf diese Reservation, auch nicht mehr zum Vater. Ein Rechtsanwalt, der mit mir gesessen hatte, machte Mike auf mich aufmerksam. Ich fing an, bei ihm zu arbeiten. Um mich zu rächen. An allen. Aber Jenny hat mir meine Gangster zu Säuen gemacht.«
Während der weiteren Fahrt, auf der kein Wort mehr gesprochen wurde, war Queenie in Gedanken bei dem stürmischen Tag, an dem sie, von der Schule heimkehrend, die Straße in umgekehrter Richtung gefahren war. Das Zeltgerüst, die Holzfassade des Schaustellungsforts, das Wächterhaus flogen an ihr vorbei. Der Fahrtwind zauste an ihrem Haar. Damals war sie in ihr Geschick hineingefahren. Sie bereute nichts. Nichts. Was aber in ihr würgte, das war die Selbstverständlichkeit, mit der ihr Mann von den Gangstern sprach. Sie begriff, dass das seine Welt, sein tägliches Leben gewesen war, dass er die Ungerechtigkeit der Bürger und ihre Gesetze hassen gelernt, dass er Verbrechen nicht verhindert, Gesetzloses mit angeführt hatte, dass diese Unmenschen, die ihr des Nachts in der Prärie begegnet waren, als seine Brüder gegolten hatten. Er hatte sie niedergeschossen. Aber wenn er von ihnen und ihresgleichen sprach, sprach er heute noch von »Arbeit«, wie er als Rancher von einem Pferd sprach, denn mit ihnen zusammen hatte er sich jahraus, jahrein Nahrung, Kleidung und Obdach verschafft; unter dem Kommando solcher Männer hatte er sich angestrengt. Queenie ging der Sinn des Wortes »Berufsverbrecher« von dieser Seite her auf.
Stonehorn fuhr gleichmäßig eine auf der einsamen Straße vernünftige Geschwindigkeit von fünfundsechzig Meilen in der Stunde. Er lenkte nicht in die Stadt hinein, sondern fuhr auf einem Umweg gleich zu den Slums und zu dem Haus von Elk. Die Kinder spielten wieder davor wie damals. Sie erkannten Queenie und Joe King und freuten sich. Elk und seine Frau waren zu Hause. Es schien, dass sie von dem Kommen der Kings schon unterrichtet waren. Joe gab Queenie den Zündschlüssel und verabschiedete sich, um gleich bei den Rodeo-Managern vorzusprechen. Das Rodeo- Feld lag außerhalb der Stadt, nicht weit von dem Vorort entfernt. Queenie spielte mit den Kindern, und als die Mutter diese früh schlafen gelegt hatte und auch sich selbst müde dazulegte, saß Queenie noch mit Elk auf dem zweiten deckenbelegten Gestell. Die Petroleumlampe war gelöscht. Es wurde dunkel, der Mond stand mit seinem freundlich-blöden Gesicht am Himmel und täuschte die Menschen mit geborgtem Licht über seine Öde hinweg. Für Queenie aber war der Mond noch mehr als ein Gestirn. Er war Magie.
Als es elf Uhr nachts wurde und Joe noch nicht zurückgekommen war, legte sich Queenie auf eine Kante neben Frau und Kinder, und Elk ließ sich auf dem freien Gestell zum Schlafen nieder. Eine Stunde nach Mitternacht kam Joe. Er warf sich neben Elk hin und war sofort eingeschlafen. Queenie studierte im Mondlicht noch seine Züge. Sie wollte nicht einen einzigen vergessen. Jetzt, wo sie allein noch wach war, wurden ihre Augen nass. Sie dachte auch daran, dass Joes Atem nach Alkohol gerochen hatte, nach gutem Whisky.
Am Samstagmorgen waren alle früh auf, obgleich dieser Tag in der Fünftagewoche schon Feiertag war und niemand zur Arbeit ging. Aber Elk liebte ein ruhiges Beisammensein vor dem Gottesdienst, den er in der kleinen Holzkirche der Armen zu halten hatte. Joe hatte Frühstück mitgebracht, und so war die Familie Elk dieser Sorge enthoben. Man saß zusammen auf den Schlaf- und Sitzgestellen und aß. Hier war alles ruhig und gut geordnet, wenn es auch sonst täglich nichts als Brot auf dem Tisch gab. Seinen Lohn teilte Elk mit Arbeitslosen, die keine Unterstützung empfingen.
Da Joe wohl wusste, was man von ihm hören wollte, erzählte er: »Es wird etwas anders laufen, als ich vorgesehen hatte. Ich wollte das Stierringen mitmachen, dafür habe ich eingezahlt und auch für das Kälberfangen im Team. Nun fehlt ihnen aber ein Bronc-Reiter. Sie haben ein gutes Pferd, kräftig, elastisch und mit vielen Tücken, einen der richtigen Teufel. Es wäre schade, das Pferd nicht zu reiten … tatsächlich, es wäre schade. Aber Bronc und Stierreiten an einem Tag, das wird dem stärksten Mann zuviel, und ich hatte auch kein Training mehr im letzten Jahr. Aus dem Kälber-Team kann ich nicht heraus, das kann ich Russell nicht antun. Das ist auch keine Arbeit. So ein hilfloses kleines Hinterbein hat mein Lasso gleich eingefangen.«
»Und was ist nun die Frage?« erkundigte sich Elk.
»Das Geld. Sie geben mir den Einsatz für das Stierringen nicht mehr heraus, und wie das mit dem Einsatz fürs Bronc gemacht werden soll, wissen sie auch nicht. Es ist eingezahlt, aber der Reiter, der kommen wollte, ist beim Rodeo in Cardston gestürzt, schwere Rückgratverletzung … Er bleibt ein Krüppel. Sein Einsatz verfällt. Sie könnten mir den Ritt dafür geben, aber das wollen sie nicht. Geldleute!«
»Dann lässt du es eben sein.«
»Wenn es nicht so verdammt verführerisch wäre, doch noch zu reiten. Meine Pferde sind noch nicht fertig, deshalb habe ich nicht angemeldet … aber der gescheckte Teufel … und für das Bronc-Reiten sind die höchsten Preise ausgesetzt.«
»Du bist noch jung, Joe, und Rodeos gibt es am laufenden Band. Lass es sein.«
»Du hast recht, Elk, aber ich reite gern gescheckte Teufel.«
Draußen entstand Unruhe um den Wagen.
Joes ältere Schwester mit ihren fünf Kindern im Alter von einem bis acht Jahren war gekommen. Sie hatte kein eigenes Auto und sollte daher mit den Kings mitfahren. Da Tashina und Joe sehr schlank waren, konnte sie sich als dritte, wenn auch mit Mühe, neben den Fahrersitz drängen; den einjährigen Jungen legte man auf die schmale Bank hinter den Sitzen. Zwei Jungen von vier und fünf Jahren wurden im offengehaltenen Kofferraum als lebendes Inventar neben den toten Gegenständen verstaut. Die Älteste, das achtjährige Mädchen, war so vernünftig, ihre zweijährige Schwester bei sich zu behalten, um mit ihr bei der Familie Elk zu bleiben und später mit dieser nachzukommen. Elk hatte kaum etwas zu essen, aber einen alten Wagen besaß er, denn ohne diesen hätte er den täglichen Weg zur Arbeit nicht schaffen können. Die volle Fuhre der Kings fiel nicht auf. Indianerautos waren meist bis zum Dach mit Familie gefüllt, und ohne Dach ließ sich die Sache sogar noch besser an. Stonehorn fuhr vorsichtig. Queenie begegnete bei dieser Fahrt zum ersten Mal ihrer Schwägerin, die Witwe zu sein schien. Aus der Unterhaltung auf der kurzen Fahrt erfuhr sie jedoch, dass der arbeitslose Mann die Stadt verlassen hatte, damit die Frau wenigstens für die Kinder Wohlfahrtsunterstützung bekam. Sie war buntgekleidet und schien trotz allem guter Dinge. Ihrem Bruder, der ein Langschädel war, glich sie mit ihrem runden Gesicht nur wenig. Es schien, dass sie das Leben und seine Unbilden leichter nahm als er. Die Kinder waren mit Joe offenbar gut vertraut.
Queenie träumte einen Augenblick davon, wie Stonehorn im nächsten Jahr mit seinem eigenen Kind spielen würde. Der Wagen der Kings war einer der ersten, der auf dem Rodeo-Gelände eintraf. Stonehorn wählte seinen Platz nahe der Ein- und Ausfahrt so, dass ihm die Zufahrt dazu nicht verstellt werden konnte. Von dem erhöhten Platz aus ließ sich das Rodeo-Gelände ringsum übersehen. Auf den ebenen Wiesen unten war das eingerichtet, was man eine Arena nennen konnte, im Halbrund weiß umzäunt mit einem nicht allzu hohen Zaun, der die Pferde am Ausbrechen hindern konnte; Rodeo-Pferde waren im allgemeinen keine Spring- und auch keine erfindungsreichen Wildpferde. Rechter Hand, an der östlichen Schmalseite des Kampfplatzes, befanden sich die Gehege für die Rinder und Kälber. Linker Hand war der Ein- und Ausgang für die Teilnehmer, und hier warteten auch die Broncs in ihren Verschlägen auf den Kampf zwischen Reiter und Pferd. Ein Wagenrennen stand nicht im Programm; diese Nummer war größeren Rodeos vorbehalten. Es gab auch keinen Leihstall. Die Reiter mussten ihre Pferde selbst stellen oder jemanden finden, der das für sie tat.
Joe gab den Zündschlüssel seiner Schwester und ordnete an, dass Margret bis auf weiteres bei dem Wagen zu bleiben habe und dafür verantwortlich sei, dass sich kein Fremder daran zu schaffen machte. Er hoffte, dass sie später abgelöst werden konnte.
Joe und Queenie schlenderten dann über den sanft abfallenden Wiesenboden hinunter zu dem Zaun. Auf der anderen Seite der Arena befand sich die Tribüne, und Joe gab seiner Frau eine Freikarte, mit der sie die Sitzplätze der Tribüne benutzen konnte, wenn sie wollte. Zu Füßen der Tribüne befand sich ein Podium für die Kapelle.
Es fuhren schon weitere Wagen ein. Viele Familien wollten den ganzen Tag hier verbringen und hatten sich Proviant mitgebracht. Auch die geschäftstüchtigen unter den Budenbesitzern waren schon zur Stelle und richteten Ware und Kasse her. Es würde kalte gebratene Hühner, Kartoffelchips, Hamburgers, Hot Dogs, Kaffee, Coca-Cola, Limonade und Mineralwasser geben, wie sich schon überblicken ließ, natürlich auch Kaugummi, Schokolade und Zigaretten. Alkohol war dagegen nicht vorgesehen. Die ersten Kinder mit einigen Cents in den Händen drängten sich zu den Buden und kauften sich Eis am Stiel.
Drei jubelnde Kinder rannten den Hang herunter und stürzten sich auf Queenie. Es waren ihre kleinen Geschwister. Sie hängten sich an ihre Hände und an ihr Kleid und waren nicht so leicht wieder abzuschütteln. Mit staunenden Augen und großem Respekt betrachteten sie Joe, der am Wettbewerb teilnehmen konnte. Selbst noch einmal übermütig wie ein Kind warf er den Jüngsten in die Luft und fing ihn wieder auf, und nachdem der Dreijährige die erste Verblüffung überwunden hatte, rief er: »Noch einmal!«, was ihm gewährt wurde.
Die nächsten Bekannten, die man traf, waren die Mitglieder der Familie Booth. Isaac Booth begrüßte Stonehorn wie ein Rancher seinen erfolgreichsten Cowboy oder ein Großbauer seinen strebsamen kleinen Nachbarn. Ein römischer Kaiser hätte nicht huldvoller gegenüber einem Gladiator mit Siegeschancen sein können. Mutter Booth lächelte verlegen-freundlich und interessierte sich für die kleinen Geschwister Halkett.
Joe fand es an der Zeit, zu den Managern zu gehen, um zu erfahren, wie das Programm nun eingerichtet werden sollte. Mary, das Ranchermädchen mit den muskulösen Armen und dem nüchternen Sinn, war es dann, die den gefürchteten Kindermund auftat, um die Wahrheit kundzutun.
»Stelle dir vor«, bemerkte sie zu Queenie, »Harold ist gesehen worden. Er will uns wohl hier überraschen. Die Leute sagen, er habe sich eine blonde Kurbelwelle angelacht, siebenfach in Fett gelagert, eine so etwa über vierzig. Das hat mir gefehlt. Einen guten Wagen soll sie aber haben, einen pompösen.«
Hinter den gerunzelten Brauen von Isaac Booth grollte der Zorn. »Mary, schämst du dich nicht, das üble Geschwätz von Nichtstuern und Tagedieben zu wiederholen!«
»Wieso? Das habe ich von Miller.« Miller war der Geschäftsführer der größten Tankstelle von New City. »Vielleicht hat sie nicht nur einen Wagen, sondern auch noch Geld, was nicht immer zusammen geht. Vielleicht ist sie eine Weiße, vielleicht aber auch eine Gemischte. Vielleicht will sie ihn heiraten, vielleicht auch nicht.«
»Gewöhne dir nicht die Plaudersucht an, die deine Mutter abgelegt hat.« Isaac Booth wandte sich zum Gehen, um alles Weitere, was in seinen Augen nur die Bloßstellung einer höchst achtbaren Familie werden konnte, von vornherein abzuwehren. Queenie lächelte hinter den dreien her. Sie fühlte sich erleichtert und spielte mit ihren kleinen Geschwistern. Oben am Hang hatte sie auch schon Vater und Mutter entdeckt, und sie hatte das sichere und gute Gefühl, dass sie die Eltern werde begrüßen dürfen.
»So allein, junge Frau?«
Queenie hörte eine tiefe Brummstimme hinter sich, senkte die Augen und spielte weiter, als ob sie nicht verstanden habe, dass sie gemeint sei. Der große, starke Mann ließ sich aber nicht abschrecken.
Er trat zu den Kindern heran, die ihn prüfend und etwas erschreckt ansahen, weil sein Gesicht durch ein gebrochenes Nasenbein und ein zerfetztes, vernarbtes Augenlid entstellt war. Als er aber eine Tüte Erd- und Paranüsse aus der Tasche zog und die Kinder von Queenie nicht gehindert wurden anzunehmen, schwand die Scheu. Sie teilten genau und futterten.