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Am Nachmittag lese ich im neuen Buch über die Vögel. Das Taubenkapitel. Über die vielen Arten, Felsentaube, Haustaube, Ringeltaube, Porzellantaube, Perückentaube, Lachtaube. Über die Kropfmilch, mit der sie die Jungen ernähren, beide, Täuber und Täubin. Über das Picken von Steinchen, damit sie im Magen die Körner zerreiben. Über Schwanzfedern, Deckfedern und Flaumfedern. Viele zusammengesetzte Wörter. Das Foto einer gerupften Taube, ohne Federkleid nicht mehr erkennbar. Heiliger Geist!
Am Abend geht der Onkel weg, ich wechsle zur Tante ins Wohnzimmer. Sie hat für mich Blätterteigtascherl gemacht, mit Himbeermarmelade. Wir spielen DKT. Ich kaufe Bauplätze, drei Häuser in Salzburg, ein Hotel in Klagenfurt und eines in Innsbruck. Eine Seilbahn und eine Schiffslinie. Heute habe ich Glück. Kein einziges Mal muss ich in den Arrest. Mit dem DKT habe ich Österreich kennen gelernt, alle Hauptstädte und die wichtigen Straßen.
Mitten auf einem See ordne ich Eisquader zu Buchstaben, in immer neuen Versuchen, aber das Wort will nicht gelingen. Meine Finger kleben an den gefrorenen Flächen, das Eis unter mir wird dünner, die Zeit läuft. Wenn ich das Wort salvezza nicht endlich schaffe, bin ich verloren, durch erste Sprünge sickert schon Wasser. Es knackt und zieht mich nach unten ins Schwarze. Auf einmal ist da eine Hand, ich halte sie fest. Die Hand ist von Tante Rosa, sie sitzt auf meinem Bett. Du hast wieder geschrien im Schlaf, sagt sie, hast du was Böses geträumt?
In der Schule erzähle ich, dass ich gestern eingebrochen sei, mitten auf dem Ossiacher See. Die Mädchen scharen sich um mich, sie wollen alle Details. Eine Stange war meine Rettung. Aha. Ob ich im nassen Gewand nach Hause gefahren sei? Ja, natürlich. Warum ich mich dabei nicht verkühlt habe? Ich erzähle von drei Tassen Lindenblütentee und einer Schwitzkur unter der Tuchent. Und ich erzähle auch gleich, dass ich Verwandte in Amerika habe. Ich sage nicht Kanada, weil Amerika viel wichtiger klingt. Wer die besseren Geschichten erzählt, bekommt mehr Aufmerksamkeit.
Eine Mitschülerin berichtet von einem Bandwurm in ihrem Körper. Jeden Tag untersuche ihr Vater den Stuhl, er habe schon viele Glieder gefunden, wasche alles aus, aber der Kopf des Bandwurms sei noch nicht gekommen, erst dann wäre Schluss mit dem Spuk.
Ich weiß nicht, ob das wahr ist. Vielleicht will sie sich wichtigmachen.
Zu Mittag besuche ich die Tante in ihrem Damenmoden-Salon. Eine Kundin will jetzt schon Maß nehmen für ein Frühjahrskleid, samt dem Keksspeck von Weihnachten, sagt die Tante, und nach der Fastenzeit, in der die Kundin nur einmal pro Tag etwas isst, flattert dann das Kleid an den Hüften, und wieder ist die Schneiderin schuld.
Die Tante sitzt an der Nähmaschine und gibt dem Pedal einen Fußtritt.
Am Abend ist alles vergessen, der Onkel ist weg, wir können in Ruhe fernsehen. Eine französische Sängerin kommt über die Stiege herunter. Acht Männer in schwarz-weißen Gilets tanzen mit ihr, das ist der Pariser Tango, Monsieur, Arme kreuz und quer, die Männer gehen in den Vierfüßlerstand rückwärts, sie bilden ein Sofa, die Sängerin setzt sich darauf. Mir gefällt ihre Frisur, die Tante lobt das glitzernde Kleid, vorne ist alles verdeckt bis zum Hals, aber der Rücken ist frei.
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