Süffiger Single Malt für MacDonald

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»Wie vertreiben die Gangster ihren Stoff?«
»Von Fall zu Fall anders. Manche haben ihre eigenen Wege, andere nutzen einen fremden Vertrieb.«
Über Rossie sah MacDonald eine große Comic-Sprechblase, gefüllt mit unzähligen Blablas. Auch diese Lebenszeit war verloren! »Was sind die üblichen Fehler beim Fälschen von Scotch?«
»Auch das variiert. Manche Fälschungen sehen sehr authentisch aus. Wenn wir einen Verdacht haben, testet ein unabhängiges Labor für uns, ob es sich bei der Flüssigkeit um Scotch Whisky handelt. Einer der teuersten Bereiche der Scotch-Produktion ist die Fass-Reifung. So begegnen wir oft Alkoholika, die sich nicht einmal in der Nähe von Holz befanden und nur mit einer kleinen Menge genuinen Whiskys gemischt wurden.«
MacDonald hätte sich das Leben einfach machen und seine beiden falschen Whiskys der SWA aushändigen können. Aber er wollte Kevin Wordie, der sehr wahrscheinlich unschuldig war, nicht ans Messer liefern. »Entstehen gesundheitliche Risiken, wenn zum Beispiel Methanol anstelle von Ethanol verwendet wird?«
»Unterschiedlich, manche Verbrecher verwenden neutralen Alkohol, den sie färben. Zum Glück ist uns noch kein Fall untergekommen, in dem sich jemand verletzt hätte.«
»Sind Sie sicher?« Regelmäßig wurden illegale Wodka-Fabriken gestürmt und Menschen erblindeten oder starben qualvoll, weil sie Fusel tranken. Warum sollte gefälschter Scotch eine Ausnahme sein? »Wie erfahren Sie von Fälschungen?«
»Unser Team besteht aus fünf Anwälten, einer Anwaltsgehilfin und weiteren Angestellten. In Übersee arbeiten wir mit externen Anwälten zusammen. Auch gibt es immer wieder Mitglieder und Konsumenten, denen Verdächtiges auffällt.« Rossie blickte demonstrativ zu MacDonalds Tasche, aus der eine Flasche Auchentoshan ragte. »Wir dachten, dass Ihr Besuch heute damit zu tun hat.«
MacDonald erlitt einen kapitalen Hustenanfall. »Wie kommen Sie darauf?«
»Mrs Murphy machte eine Andeutung.«
»Ich, äh, recherchiere ganz allgemein.«
»Für einen Zeitungsartikel?«
»Jawohl, das sagte ich Heather auch.«
»Hat die Flasche Auchentoshan mit Ihrem Artikel zu tun?«
»Insofern ich davon getrunken habe, ja, haha.« Das war zumindest nicht gelogen. »Sind Destillerien gut bei der Sache, wenn es um das Melden von Fälschungen geht?«
»Das liegt in ihrem Interesse.«
»Wie gehen Sie gegen Fälscher vor?«
»Gegenwärtig arbeiten wir über den Globus verteilt an siebzig Fällen und Hunderten von administrativen Vorgängen. Für gewöhnlich können wir die Gangster stoppen, bevor die Sache zu Gericht geht.«
»Kommt es vor, dass Fälscher sich ein bestimmtes Produkt vornehmen, um einem Unternehmen gezielt zu schaden?«
»Ist eindeutig ein Punkt. Aber alle Produzenten sind außerordentlich daran interessiert, ihre Produkte zu schützen, wie auch die der gesamten Industrie.«
»Haben Sie gegenwärtig einen großen Fisch an der Angel?«
»Sie verstehen sicher, dass ich darüber nicht sprechen könnte …«
Gut gepasst hätte noch, wenn Rossie die Hand auf die Brust gelegt hätte.
MacDonald fuhr ins Braid Hills, kochte sich einen Becher schottischen Heidetee und dachte über das fruchtlose Gespräch nach. Heather Murphy hatte er mitgeteilt, dass es um eine wichtige Sache ging, und dennoch blieb sie mit der ältesten Ausrede der Welt fern. Er schob die Spiegeltür des Kleiderschranks zur Seite und entnahm ihm die Flasche 24-jährigen Auchentoshan. Test Nummer eins: Korken aus der Flasche ziehen (ging viel zu leicht vor sich!), eine großzügige Portion in das Nosingglas gießen und gut hin- und herschwenken. Obacht! Ein Scotch mit einem Vierteljahrhundert auf dem Buckel hätte respektable Kirchenfenster präsentieren müssen. Er verkorkte die Flasche wieder und schüttelte sie kräftig. Je mehr Bläschen sich am Flaschenhals bildeten, umso höher war der Alkoholgehalt, ein probater Test von Schwarzbrennern. Die Bläschen lösten sich hier aber nicht wieder auf, sondern blubberten lustig fort wie in einem Schaumbad! Dieses Elixier musste er gar nicht erst verköstigen, weder daran riechen noch probieren! Mit Bedacht hatte er den Schütteltest im Verkaufsraum der Destillerie unterlassen, denn niemand konnte wissen, ob Auchentoshan nicht selbst für Fälschungen verantwortlich war. Auch der Markt für ältere Whiskys war demnach kontaminiert. Er schlug den aktuellen Katalog des Auktionshauses Drummonds auf. Vier Auchentoshans im Alter von zehn bis einundzwanzig Jahren waren für die nächste Versteigerung angekündigt, in einem Preisgefüge von 380 bis 420 Pfund. In der Beschreibung hieß es: Kapsel beschädigt, Mantel noch intakt. Abgefüllt hatte die vier Flaschen die Destillerie. Bis in die 90er- Jahre machten das unabhängige Abfüller wie Blackadder, Douglas Laing, Gordon & MacPhail oder die Scotch Malt Whisky Society in Edinburgh. Wo Drummonds seine Auchentoshans eingekauft hatte, war dem Katalog nicht zu entnehmen, denn über die Ankäufe schwieg man sich prinzipiell aus. Aber wer veräußerte vier Flaschen, durchweg mit beschädigter Kapsel? Wie sollte dieser spezifische Schaden bei mehreren Flaschen entstanden sein? War es gefälschter Whisky, dem jemand Patina verleihen wollte? Auktionshäuser hielten sich bei der Produktbeschreibung auf der sicheren Seite. Im ersten Abschnitt der »Hinweise für Auktionsteilnehmer« war zu lesen: »Wenn die Mitarbeiter von Drummonds die zu versteigernden Gegenstände beschreiben oder sich zu diesen äußern, tun sie das im Auftrag des Verkäufers. Bieter und Käufer, die keine Experten des jeweiligen Sujets sind, sollten vor der Auktion die Hilfe eines unabhängigen Experten in Anspruch nehmen. Wenn Drummonds selbst als Verkäufer auftritt, wird dies entweder im Katalog ausgewiesen oder bei der Versteigerung erklärt.« Mit anderen Worten, Drummonds schrieb auf, was immer der Verkäufer erzählte? So konnte das Auktionshaus sich bei Fälschungen leicht aus der Verantwortung stehlen. Aber was war mit der Expertise des eigenen Whisky-Experten, eines Mister Gourlay? Sortierte er nur die schlimmsten Fakes aus? Im Kleingedruckten hieß es, dass eine Fälschung nach dem Kauf nicht als solche anerkannt wurde, wenn die Flasche vor der Auktion von Gelehrten und Experten bzw. von einem führenden Experten im Metier Whisky als authentisch bezeichnet worden war, und selbst wenn sich die Experten nicht einig waren, übernahm Drummonds keine Verantwortung! Man durfte sich fragen, ob das Auktionshaus bei einer Reklamation jemals den betreffenden Whisky überprüfte und gegebenenfalls das Geld erstattete. MacDonald studierte weiter den Katalog. Gien Garioch war nicht vertreten, dafür aber alle anderen schottischen Single Malts des Beam-Suntory-Konzerns: Laphroaig, Ardmore und Bowmore. An der nächsten Auktion in drei Tagen würde er teilnehmen und gleich noch einige Telefonate machen. Master Blender Alastair Carnegie von der Whisky-Firma McVicar and Whitelaw in Glasgow war der Erste auf seiner Liste. Seit ihrem gemeinsamen Abenteuer in Pitlochry war er ihm noch mehr ans Herz gewachsen.3
»Hier spricht Alastair Carnegie«, sagte sein Freund in einer Tonlage, die manchen Schauspieler neidisch machen würde.
»Hallo, Alastair, ich bin es, Angus.«
Pause. »Schön, deine Stimme zu hören, mein Freund.«
»Kannst du gerade reden?«
»Im Prinzip ja, aber lieber wäre es mir in fünf Minuten. Darf ich dich zurückrufen?«
»Natürlich, überhaupt kein Problem. Ist mit deiner Nase alles in Ordnung?«, fragte MacDonald.
Carnegie lachte. »Ja, Angus. Seit der Episode in Pitlochry hat es mich glücklicherweise nicht mehr erwischt. Toi, toi, toi. Bis gleich, mein Lieber.«
Aus den fünf Minuten wurden zehn, fünfzehn, schließlich zwanzig.
»Tut mir leid, dass ich dich so lange habe warten lassen. Geht es dir gut, Angus?«
»Blendend, ja, sieht man von dem falschen Whisky ab, der in Umlauf ist.«
»Äh, wie bitte?«
»Ich habe in meinem Hotelzimmer zwei Flaschen Auchentoshan und eine Flasche Glen Garioch, jeweils als Imitat, stehen.«
»Bist du auf Reisen?«
»Schöne Vorstellung. Doch war es ein Wasserrohrbruch, der mich ins Braid Hills führte. Einer der drei Whiskys, von Auchentoshan, ist 24 Jahre alt. Die Verbrecher sind also in beiden Segmenten tätig.«
»Woher weißt du, dass es dieselben Personen sind?«
»Es ist nur eine Vermutung, Alastair. Warum ich dich anrufe: Hattet ihr bei McVicar and Whitelaw in der letzten Zeit Probleme mit gefälschtem Whisky?«
»Angus, unsere Produkte verlassen das Haus nur nach strengsten Qualitätsprüfungen.«
»Also nein? Das ist schön.«
»Wo hast du die Flaschen gekauft?«
»Die jungen Tropfen bei Kevin Wordie auf der High Street und den alten Auchentoshan in der Destillerie. Kannst du mir etwas Sachdienliches mitteilen, Alastair?«
»Mit Imperial Whiskys kennst du dich als Edinburgher besser aus.«
»Auchentoshan? «
»Eigentlich dürfte ich es dir nicht sagen. Auchentoshan erwarb ein großes Kontingent an raren Whiskys. Solche, die sie selbst nicht mehr besaßen. Die Authentizität ist zum Teil, hm, zweifelhaft.«
»Bei wem wurde denn gekauft, bitte?«
»Gute Frage. Nach allem, was ich weiß, waren es einzelne Personen, die ihre Sammlung veräußerten.«
»Wie viele Personen? Zwei, drei, fünf?«
»Das entzieht sich leider meiner Kenntnis.«
»Könntest du nachfragen?«
»Mehr wird der Herr mir nicht sagen, lebt er doch bereits in Angst. Wenn es mit der Destillerie den Bach runtergeht, verliert der Mann seinen Job und ob er in seinem Alter etwas Neues findet, ist fraglich.«
»Wieso kauft Auchentoshan denn so viele alte Whiskys?«
»Sie möchten die Flaschen verkaufen und wittern auch Morgenluft im Replika-Markt.«
»Das hat uns gerade noch gefehlt.«
»Was soll das heißen?«
MacDonald, kein Fan von Replika-Whiskys, hatte Carnegies »Whisky für die Engel«, den wiederentdeckten Flaschen der Antarktis-Expedition von Shackleton nachempfunden, für einen Moment vergessen. Wie peinlich, wo er diesen Scotch doch liebte. »Ich, äh, meinte, auf Fälschungen können wir verzichten. Außerdem sind deine Kreationen nicht zu übertreffen.«
»Replikas sind keine so schlechte Idee, Angus. Whiskys, die vor dem Krieg produziert wurden, bilden eine Klasse für sich. Damals gab es mehr Personal und Zeit. Das Mälzen der eigenen Gerste war Ehrensache und die Fermentation dauerte bis zu einer Woche. Verschiedene Hefen kamen zum Einsatz, Bäckerhefe, leichte Hefe, Brauerhefe. Sherryfässer waren Standard. Die Whiskys schmeckten unverkennbar ölig, nicht so stark torfig wie heute. Es war eine dezente, fragile Torfigkeit.«
»Plant ihr einen Whisky in der Art?«
»Eher nein, ich meine nur, das Projekt von Auchentoshan ist kein schlechter Einfall.«
»Stimmt. Es wird allerdings schwierig sein, nach Fälschungen Replikas zu kreieren.«
»Niemand hat gesagt, dass sie ausschließlich Fakes kauften.«
»Wie hat man festgestellt, dass unter den Ankäufen Fälschungen sind? Mit Labortests oder durch eigene Expertise?«
»Man vertraute wohl auf die eigene Anschauung. Aber Angus, ich habe dir bereits mehr erzählt, als ich durfte.«
»Es gibt nicht allzu viele Personen, die bereits vor dem Krieg guten Whisky tranken und es immer noch tun. Wer erkennt also durch Augenschein, ob ein alter Whisky gefälscht ist? Beam-Suntorys Master Blender ist versiert, redlich noch dazu, nicht wahr?« Mehr war aus Carnegie nicht herauszubekommen. Das musste man akzeptieren. »Ich danke dir für das Gespräch, Alastair.«
»Sehr gerne. Wie hast du den Geschmack der falschen Whiskys verdrängt? Mit Laphroaig?«
»Exakt. Der Zehnjährige war mir eine große Hilfe.«
»Natürlich. Angus, noch etwas …«
»Ja?«
»Da der Markt für seltene Whiskys ein verhältnismäßig junges Phänomen ist, könnte es theoretisch sein, dass zwei ältere Damen, sagen wir in Elgin, kürzlich ihre Keller mit seltenen Whiskys auflösten und an Auchentoshan verkauften.«
Eine deutliche Kritik am Destillerie-Management, das sämtliche Flaschen vor dem Ankauf hätte überprüfen lassen müssen! Die Replika-Serie erklärte, warum die Firma sich wegen gefälschter Whiskys weder an die Polizei noch an die Scotch Whisky Asscociation wenden würde. Ob sie einen privaten Ermittler beauftragt hatten?
»Ich muss verrückt sein. Oder war es der Whiskey?«
F. Scott Fitzgerald (1896-1940),
US-Schriftsteller
3 MacDonald spielt auf seinen dritten Fall »Whisky für die Engel« an.
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