Vera - Sklavin der Lust | Roman

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Drei Tage später bekam Vera eitrigen Ausfluss und Judith heftigen Juckreiz an ihrer Scham. Als sich bei ihr am nächsten Tag ebenfalls eitriger Ausfluss zeigte, gingen sie zum Arzt, der eine Gonorrhoe-Infektion diagnostizierte. Der Arzt bestand darauf, die Situation in einem gemeinsamen Gespräch mit den Eltern zu klären. Diese waren natürlich vollkommen aus dem Häuschen. Es kam zu einer heftigen Aussprache mit Florian, Mike und deren Eltern.
***
Obwohl ihre ersten sexuellen Erlebnisse mit Florian sehr angenehm, erregend und aufregend gewesen waren, hatte Vera das Ende jedoch so verstört, dass sie für die nächsten vier Jahre keine Beziehung mehr eingehen konnte.
Auf einer Studentenparty lernte sie dann Georg kennen, der es schaffte, sie mit seiner Freundlichkeit und seinem Charme um den Finger zu wickeln. Er ließ es sehr langsam angehen, küsste sie erst beim dritten Date und ließ ihr ausreichend Zeit, sich ihm von sich aus zu nähern. So war es schließlich auch Vera, die ihn zu genussvollem Petting animierte. Sie galt damals als »die Unnahbare«, die keinen Mann an sich heranlassen wollte. Irgendwie betrachtete Georg es wohl als sportliche Herausforderung, sie doch zu knacken, und als sie es endlich geschehen ließ, fanden sich die beiden in einem sehr angenehmen, einfühlsamen Sexabenteuer wieder. Vera hatte offensichtlich einigen Nachholbedarf und so war es wohl auch ein klein wenig ihrer Leidenschaft geschuldet, dass Georg diese missverstand und mit der Zeit immer fordernder und drängender wurde. Als er sie schließlich zu wilden Partys schleppte, auf denen es auch zu Gruppensex kam, wollte sie einen Rückzieher machen, was Georg allerdings nicht akzeptierte.
Erst nachdem er auf solch einer Orgie gegen ihren Willen Sex mit ihr hatte, angestachelt von den Anfeuerungen der anderen, von denen einige Vera gewiss auch gerne genommen hätten, trennte sie sich von ihm und stürzte erneut in einen tiefen emotionalen Abgrund.
Drei Jahre später, nicht ganz ein Jahr nach Thomas, lernte sie bei einer Abschlussfeier Martin kennen, der sie wie zuvor schon Georg und Florian mit seiner einfühlsamen Masche begeisterte. Leider lief auch diese Beziehung nach demselben Muster ab wie die anderen – anfangs kam ihr alles sehr aufregend vor, danach wurden die Forderungen immer intensiver, drängender und brutaler, bis sie erneut in einem völligen Gefühlschaos versank.
In dieser Zeit stand Vera kurz davor, das Ufer zu wechseln und sich in sexueller Hinsicht dem weiblichen Geschlecht zuzuwenden. Das kam ihr besser vor als die Alternative, ins Kloster zu gehen. Allerdings traute sie sich dann doch nicht. Da Gerda zu dieser Zeit mehrere kurze, allerdings intensive Affären hatte und damit sehr glücklich schien, ließ sie sich von ihr überreden, Männer zukünftig nur noch als Mittel zum Zweck anzusehen und einfach nur zu benutzen. Wann immer sie Lust auf Sex hätte, sollte sie sich einen Kerl angeln, meinte Gerda, und ihn danach gleich wieder fallen lassen. Der eigene Seelenfriede sei viel wichtiger als deren Gefühle. Außerdem war Veras Freundin davon überzeugt, dass Männer sowieso mehr auf One-Night-Stands standen als auf echte Beziehungen, zu denen die meisten von ihnen ohnehin nicht fähig seien. Vera ließ sich überzeugen und holte sich in den kommenden Jahren von Männern nur noch das, was sie wollte – und nur noch dann, wenn sie es brauchte.
Damit fuhr sie ganz gut, hatte ausreichend Sex, von dem sie nicht viel erwartete und gerade deswegen meist das bekam, was sie wollte. Sie nutzte die anfängliche Zurückhaltung der Männer ganz zu ihren Gunsten aus.
Vor sechs Jahren, Vera war gerade 28 geworden und arbeitete im internationalen Finanzierungsmanagement bei einer Bank, lernte sie auf einer mehrtägigen Fortbildungsveranstaltung Manfred kennen. Als er ihren Avancen am ersten Abend widerstand, machte sie es zu einer sportlichen Herausforderung, ihn zu verführen, was ihr schließlich am vorletzten Abend endlich gelang. So landeten sie gemeinsam im Bett. Es war herrlicher und ekstatischer Sex, viel besser als alles, was sie in den letzten Jahren erlebt hatte. Somit brach sie ihren Vorsatz und ließ sich auf eine sehr harmonische Fernbeziehung ein. Da Manfred zwar in derselben Bankengruppe wie sie arbeitete, allerdings in einer anderen Stadt, sahen sie sich praktisch nur an den Wochenenden – das wiederum bedeutete eine Menge guten Sex.
Kurz vor ihrem 30. Geburtstag erhielt Vera ein Jobangebot einer Bank in seinem Ort und sie entschloss sich, zu ihm zu ziehen. Ein Jahr später heirateten sie und begannen mit dem großzügigen Umbau des Hauses seiner Mutter. Obwohl ihr Sexleben mehr als ausgiebig war, wurde Vera nicht schwanger. Eine ärztliche Untersuchung bestätigte, dass bei ihr alles in bester Ordnung war, und auch Manfreds Spermiogramm zeigte keine Auffälligkeiten – dennoch: Eine Schwangerschaft wollte sich einfach nicht einstellen. Mit 32 war sie noch jung, das ließ sie hoffen, dass es irgendwann doch noch klappen würde, da ja alle Voraussetzungen stimmten. Allerdings waren Manfred und seine Mutter nicht so geduldig. Besonders Maria, die sich endlich als Großmutter sehen wollte, wurde immer missmutiger und benahm sich Vera gegenüber immer respektloser, was sich schließlich auch auf Manfred übertrug.
Manfred hatte im Jahr zuvor seine Bank verlassen – was nicht ganz reibungslos verlaufen war – und ein Angebot der Polizei angenommen, die einen Spezialisten für Wirtschaftskriminalität suchte. Nach anfänglichen Erfolgen, für die er sogar eine Auszeichnung bekam, lief es allerdings auch dort nicht ganz so, wie er sich das vorgestellt hatte, und er begann, immer häufiger zu trinken, wodurch er zunehmend gereizter und jähzorniger wurde.
Gleichzeitig ließ auch Veras Libido nach. Einerseits hatte sie immer weniger Lust, mit einem gereizten und missmutigen Mann ins Bett zu steigen, andererseits zog Manfred immer häufiger abends durch die Kneipen oder hing bei seinen Kumpels ab. Wenn er dann spät in der Nacht betrunken nach Hause kam, fiel er entweder stockbesoffen ins Bett oder über sie her. Was Vera bei diesem ungestümen, lieblosen Sex empfand, interessierte ihn herzlich wenig – auch konnte er sich am nächsten Morgen selten daran erinnern. Er meinte dann nur, dass Sex ja zu ihren ehelichen Pflichten gehöre. Maria setzte oft noch eins drauf und meinte Vera gegenüber, dass dies die Strafe Gottes sei, weil sie ihm keine Kinder schenke, und sie müsse es gefälligst ertragen.
In dieser Zeit bedauerte Vera es immer wieder, von ihrem Vorsatz abgewichen und nicht bei kurzen Affären geblieben zu sein. Mittlerweile sah sie keinen anderen Ausweg mehr, als entweder die Scheidung einzureichen oder seine Überfälle über sich ergehen zu lassen. Auch die Option, in ein Kloster zu fliehen, war ihr nun als verheirateter Frau versperrt.
An Scheidung dachte sie fast immer, wenn er sich wieder an ihr vergangen hatte, brachte jedoch nie den Mut auf, es durchzuziehen. So begann sie, sich damit abzufinden und ihr Leid tapfer zu ertragen – wie viele andere Frauen auch.
Die Befragung
Das Wochenende verlief entspannt und angenehm. Vera und Gerda durchstöberten die Dinge, welche gerettet worden waren, und schwelgten in Erinnerungen, die bei Vera langsam wieder aufflammten.
Thomas meldete sich am Samstagnachmittag und bestätigte einen Termin mit Veras Chef am Montagvormittag in der Bank. Danach wollten sie zu Mittag essen und sich nachmittags gemeinsam bei ihm in der Kanzlei zusammensetzen, um das weitere Vorgehen zu besprechen.
Ihre Pläne wurden jedoch durcheinandergewürfelt, als sich am Montag gleich in der Früh die Polizei meldete und Vera für den Nachmittag einbestellte. Sie wollten mit ihr über die überstürzte Abreise, ihre Abwesenheit und über den Verbleib von Manfred reden – da seien noch ein paar Details unklar und man wolle die Sache so schnell wie möglich abschließen.
Veras Chef zeigte sich sehr verständnisvoll und vor allem erleichtert, dass sie unversehrt zurückgekehrt war. Die Freischaltung ihres Kontos samt Kreditkarte hatte er bereits vorbereitet – es fehlten nur noch ein paar Unterschriften von ihr. Was ihren Arbeitsplatz betraf, teilte er ihr jedoch mit, dass dieser zwischenzeitlich durch einen neu eingestellten Mitarbeiter besetzt worden war und sie diesen nun nicht so einfach wieder entlassen und ihr die Position zurückgeben könnten. Allerdings habe er bereits mit der Zentrale in München Kontakt aufgenommen, die sich mit ihr in Verbindung setzen werde. Als ihm Thomas sagte, dass Vera nun Portugiesisch als zusätzliche Fremdsprache beherrsche, zeigte er sich sehr erfreut. Offensichtlich suchte man schon seit Längerem jemanden mit dieser Kompetenz in der Hauptniederlassung. Er war optimistisch, dass Vera rasch eine neue und wahrscheinlich bessere Position in der Bankengruppe erhalten würde.
Nach diesem recht positiven Gespräch trafen sie sich mit Gerda und fuhren zum gemeinsamen Mittagessen in einen bekannten Landgasthof, der in einem etwas abgelegenen Ortsteil lag. In der sehr gepflegten Gaststube nahmen sie an einem Tisch neben dem grauen Kachelofen Platz. Eine freundliche Bedienung im Dirndl nahm ihre Bestellungen entgegen und kam recht schnell mit den Getränken wieder.
»Also, in der Bank ist ja alles hervorragend gelaufen. Besser als erwartet, wie ich zugeben muss. Unser nächster Termin könnte unter Umständen nicht ganz so erfreulich werden«, meinte Thomas mit ernster Stimme.
»Wie meinst du das?«, warf Gerda überrascht ein. Auch Vera war irritiert ob dieser Vorahnung.
»Wir müssen realistisch sein. Er und du, ihr zwei seid vor elf Monaten plötzlich verschwunden.« Thomas sah Vera eindringlich an. »Dann wird in Brasilien eine Leiche aufgefunden und als Manfred identifiziert, gegen den sogar ein Haftbefehl ausgestellt worden war. Bei uns liefen noch die Sache mit dem Video, die Überprüfung der nicht unbeträchtlichen Barabhebungen über seine Kreditkarte und auch der internationale Haftbefehl gegen Manfred. Und jetzt tauchst du unerwartet wieder auf! Da hat die Polizei einiges aufzuklären und ich gehe mal davon aus, dass sie die Sache irgendwie abschließen wollen.« Thomas versuchte, einen beschwichtigenden Ton anzuschlagen, was ihm jedoch nicht wirklich gelang.
»Ja, richtig – irgendwie!«, fauchte Gerda. »Das kennen wir schon: Erst tun sie nichts und wimmeln uns ab, dann versuchen sie, alles Mögliche zu vertuschen und unter den Teppich zu kehren und behindern uns mehr, als dass sie je geholfen hätten. Die stecken doch alle unter einer Decke!« Man konnte ihre Wut deutlich spüren. In den letzten Monaten hatte sie zahlreiche Kämpfe ausgefochten, um die Bearbeiter bei den zuständigen Behörden endlich davon zu überzeugen, dass irgendetwas nicht stimmte und sie Angst hatte, Vera könnte etwas passiert sein. Sie kam sich immer wieder wie Don Quichotte in seinem Kampf gegen die Windmühlen vor, was ihr Vertrauen in die Behörden, speziell in die Polizei, merklich erschüttert hatte.
»Selbst wenn dem so wäre, wir haben keinerlei stichhaltige Beweise dafür. Dass Kurt auf dem Original-Video auftaucht, können wir uns sicher zunutze machen, wenn wir es dann vorlegen. Aber bis dahin können wir nicht viel tun. Außerdem ist das eine andere Baustelle. Jetzt hören wir uns einfach mal an, was sie wollen, und richten uns danach. Ich komme jedenfalls mit – nur zur Vorsicht.« Thomas versuchte erneut, der Situation durch betonte Ruhe die Schärfe zu nehmen, was bei Gerda allerdings nicht gelang – wie er bereits erwartet hatte.
»Ich komme auch mit«, schnaubte diese sichtlich aufgeregt. Die Röte war ihr in die Wangen geschossen. »Wenn die dir blöd kommen, heize ich denen ordentlich ein!«
»Nein – genau aus dem Grund kommst du nicht mit. Du bleibst schön zu Hause. Oder noch besser: Du gehst einfach zur Arbeit, da bist du abgelenkt und am besten aufgehoben!« Thomas klang ernst, er ließ keinen Widerspruch zu.
Gerda holte tief Luft und wollte ihm schon eine Antwort entgegenschleudern, als ihr ein finsterer Blick von ihm deutlich machte, dass er in der Frage keinen Spaß verstand.
»So, hier hätten wir dann einmal den Wildschweinbraten ...« Die Bedienung war, mit drei riesigen Tellern bepackt, unbemerkt neben ihnen aufgetaucht, was dem kleinen Disput ein Ende setzte. Nachdem sie alles verteilt und einen guten Appetit gewünscht hatte, verschwand sie ebenso unauffällig, wie sie gekommen war.
»Wenn ich nicht mitkommen darf, müsst ihr mich danach sofort über jedes kleinste Detail informieren! Ich will alles wissen, was die von euch wollten – und wehe, die stellen sich quer ...«
»Gerda, klar werden wir dir alles haarklein berichten«, unterbrach Thomas ihren Redeschwall. »Jetzt lasst es euch aber schmecken, sieht wie immer sehr gut aus.«
»Da hast du allerdings recht«, pflichtete Gerda bei und fügte sich grummelnd.
Über dem guten Essen verflogen ihre Bedenken etwas und sie genossen die üppigen und ausgezeichnet zubereiteten Portionen.
Als Vera zum Abschluss noch einen kleinen Mokka bestellte, sah Gerda sie verblüfft an. »Bevor du lange fragst: Ja, ich trinke jetzt auch Kaffee, sofern er qualitativ gut ist, und davon gehe ich bei dem Essen hier auch aus.«
»Du und Kaffee? Gibt es doch nicht«, meinte auch Thomas lachend.
»Was habt ihr nur alle? Richard war auch ganz baff, nur weil ich meinte, dass ich einen guten Kaffee vertragen könnte. Kommt erst mal nach Brasilien, dann werdet ihr den Unterschied schon merken. Irgendwie hab ich mir da wohl das Kaffeetrinken angewöhnt –«
»Oder einfach vergessen, dass du eigentlich keinen magst«, unterbrach Gerda den Begeisterungssturm und musste dabei selbst lachen.
Als Vera zusammen mit Thomas gegen halb zwei auf der Wache eintraf, war die Verwirrung bei den beiden Polizisten, welche sie offensichtlich schon erwartet hatten, zunächst groß. Vera gewann den Eindruck, dass hier alle damit gerechnet hatten, dass sie allein oder zusammen mit Gerda erscheinen würde. Thomas, und damit einen Anwalt, hatte wohl niemand auf dem Schirm gehabt.
Nachdem sich der ältere der beiden gefasst hatte, bat er sie in einen separaten Raum und bot ihnen etwas zu trinken an. Er stürmte aus dem Raum, während sich der zweite Polizist nervös am Telefon zu schaffen machte. Sie mussten etwa eine Viertelstunde warten, bevor schließlich der leitende Beamte erkennbar abgehetzt und in Begleitung des älteren Polizisten eintrat.
»Tut mir leid, dass wir Sie haben warten lassen, ich war gerade bei einem Einsatz. Wurde Ihnen schon etwas zu trinken angeboten?« Er war offensichtlich um eine lockere Stimmung bemüht.
Thomas verkniff sich ein hämisches Grinsen. Er war sich sicher, dass seine Anwesenheit für Verwirrung gesorgt und damit den eigentlichen Plan der Befragungstaktik über den Haufen geworfen hatte, und so setzte er mit freundlicher Stimme noch einen drauf: »Es macht doch keine Unannehmlichkeiten, dass ich meine Mandantin begleite?«
»Nein, nein, natürlich nicht. Es steht Ihnen selbstverständlich frei, eine Person Ihres Vertrauens hinzuzuziehen«, antwortete der Kommandant, auf dessen Stirn sich erste Schweißtropfen zeigten, und sah Vera an. »Obgleich ich den Ausdruck ›Mandantin‹ in diesem Kontext für unangebracht halte. Ich möchte betonen, dass es hier und jetzt lediglich um die Klärung einiger Fragen geht. Es handelt sich nicht um eine Vernehmung –«
»Das hatten wir auch nicht angenommen. Wir sind auf freiwilliger Basis hier, um Sie bei Ihren Tätigkeiten zu unterstützen, und uns ist bewusst, dass wir somit jederzeit wieder gehen können – stimmt doch?«, unterbrach Thomas mit einem leichten Lächeln auf den Lippen.
»Natürlich ... Ja – das ist richtig«, bestätigte der leitende Beamte sichtlich nervös. »Nun gut, lassen Sie uns zur Sache kommen. Frau Wegner – wenn Sie gestatten, möchte ich das Gespräch kurz halten und gleich ohne Umschweife auf die wichtigen Punkte kommen – Frau Wegner, ist es richtig, dass Sie am Freitag, den ersten August aus Brasilien kommend in Frankfurt gelandet sind?«
»Ja, das ist korrekt«, antwortete Vera mit fester Stimme. Sie saß aufrecht, mit übereinandergeschlagenen Beinen auf dem einfachen Stuhl, die Hände im Schoß gefaltet, und blickte ihn direkt an. Sie wollte einen starken und sicheren Eindruck machen, sich keinesfalls aus der Ruhe bringen lassen. Zudem hatte ihr Thomas geraten, alle Fragen mit kurzen knappen Angaben zu beantworten – ohne Ausschweifungen und vor allem, ohne auf Details einzugehen, nach denen nicht gefragt worden war.
»Sie wurden am Frankfurter Flughafen von den dortigen Kollegen bereits befragt?«
»Ja, das stimmt.«
»Welche Angaben haben Sie dort gemacht, können Sie uns das bitte wiederholen?«
Diesmal hielt Thomas sie von einer Antwort zurück und meinte in einem freundlichen, aber bestimmten Tonfall: »Sie werden sicher verstehen, dass meine Mandantin am Freitag nach dem langen Flug und den Erlebnissen danach – und hier schließe ich die Befragung mit ein – etwas überrascht und verwirrt war. Ich erlaube mir daher, vorzuschlagen, dass Sie diesbezüglich auf das Protokoll Ihrer Kollegen aus Frankfurt zurückgreifen und nicht erwarten, dass sie sich in allen Details an diese Befragung erinnert. Es steht Ihnen selbstverständlich frei, eigene Fragen zu stellen oder die Fragen aus Frankfurt zu wiederholen.«
Diese Zurechtweisung steigerte die Nervosität des Beamten, der die Befragung leitete, erkennbar. Er begann, hektisch in den Unterlagen vor sich zu blättern, bis ihn sein Kollege auf die gesuchten Protokollseiten hinwies.
»Nun gut, wann haben Sie Deutschland verlassen?«
»Wie ich Ihren Kollegen bereits erklärt habe, kann ich mich nicht mehr daran erinnern. Aus dem Einreisestempel in meinem Pass ergibt sich jedoch, dass wir offensichtlich am 13. September letzten Jahres ausgereist sind – wenn man unterstellt, dass wir direkt von Frankfurt nach Caracas geflogen sind.«
»Wer ist ›wir‹?«
»Auch hier, wie bereits gesagt: Ich kann mich nicht mehr erinnern, allerdings müssen es wohl mein Mann Manfred und ich gewesen sein, alles andere macht meines Erachtens keinen Sinn.«
»Das ergibt sich aus Ihren Ermittlungsakten, welche wir bereits mehrfach besprochen haben«, mischte sich Thomas erneut ein. »Könnten wir die bereits bestätigten Tatsachen, an welche sich meine Mandantin derzeit nicht erinnern kann, einfach überspringen und zu den wichtigen Fragen kommen?«
»Also gut, dann direkt: Frau Wegner, wo ist Ihr Mann?«
Vera war überrascht über diese Frage, die der Beamte mit einem leicht aggressiven Unterton an sie stellte. Sie fing sich jedoch rasch und antwortete mit einer leicht fragenden Stimme: »Tot?«
Die Frage schwebte im Raum.
»Das heißt, Sie wissen es nicht?«, hakte der Beamte erneut unwirsch nach.
»Ja. – N-nein«, stammelte Vera und sah sich Hilfe suchend zu Thomas um, der gleich einspringen wollte, allerdings barsch unterbrochen wurde.
»Tut mir leid, aber das ist für uns eine äußerst wichtige Frage, die Frau Wegner selbst beantworten muss!«
»Nun, ich habe erst hier – von Gerda, meiner Freundin – erfahren, dass er tot sein soll. In Frankfurt hieß es nur, dass er als vermisst gelte und laut den Unterlagen der dortigen Behörden auch nicht wieder nach Deutschland zurückgekehrt ist.« Vera wollte schon fortfahren, als ihr Thomas mit sanftem Druck auf den Oberschenkel zu verstehen gab, sich an die Absprachen zu halten und so wenig wie möglich preiszugeben.
»Gut, Frau Wegner. In Frankfurt haben Sie angegeben, dass Sie sich nicht daran erinnern können, wann und mit welchem Ziel Sie aus Venezuela abgereist sind – stimmt das oder können Sie sich jetzt wieder an etwas erinnern?«
»Ja, das ist korrekt, und nein, ich kann mich an keine neuen Details erinnern. Allerdings habe ich zwischenzeitlich erfahren, dass wir angeblich noch in Mexiko, Jamaika und schließlich in Brasilien waren.«
»Mit ›wir‹ meinen Sie sich und Ihren Mann Manfred? Sonst noch jemanden?«
»Ja, und nein, sonst niemand!«
»Wie erklären Sie sich dann, dass mit Ihrer Kreditkarte noch ein weiteres Flugticket für einen Flug von Jamaika nach Mexiko für einen gewissen Antônio de Vasconcelos gebucht wurde? Können Sie mir sagen, wer das ist?«
»Nein, kann ich nicht, ich höre diesen Namen zum ersten Mal!« Diesmal sah Vera erstaunt zu Thomas, der ihr von diesem Detail nichts gesagt hatte. Offensichtlich war es auch ihm bisher nicht bekannt gewesen, doch er behielt seinen stoischen Gesichtsausdruck bei und ließ sich nichts davon anmerken, wie es in seinem Inneren arbeitete, um diese neue Information einzuordnen.
»Sie kennen diesen Mann nicht und bezahlen für ihn den Flug nach Mexiko, den dortigen Aufenthalt in einem Swingerhotel und einen weiteren Flug nach Brasilien? Bitte erklären Sie mir das, ich verstehe es nicht.«
»Wie ich bereits sagte, ich kenne diesen Mann nicht und von für ihn bezahlten Rechnungen weiß ich nichts. Was meinen Sie mit Swingerhotel?«, gab Vera mit einer Mischung aus Überzeugung und Unsicherheit zurück.
»Das sollten Sie doch wissen. Schließlich waren Sie sowohl in Jamaika als auch in Mexiko in bekannten Swingerhotels.«
»Nein ... Tut mir leid, ich erinnere mich nicht!« Nun wurde Vera sichtlich nervös und ergriff eine Hand von Thomas.
»Sie wissen nicht, was ein Swingerhotel ist? Frau Wegner, bitte tun Sie nicht so unschuldig. Es gibt in Ihren Kreditkartenabrechnungen bereits eine Abbuchung für einen Swingerclub in der Nähe von München, in dem Sie vor eineinhalb Jahren waren. Es gibt Zeugen, die Sie auf Fotos wiedererkannt haben. Und wir wissen von einer Geburtstagsfeier in einem einschlägigen Nachtclub in Caracas. Diese Feier soll recht ausschweifend und Sie und Ihr Mann sollen dabei nicht allein gewesen sein. Sie wissen schon, wie so etwas in einem Nachtclub abläuft? Frau Wegner?«
Veras Nervosität stieg, sie begann leicht zu schwitzen. Erinnerungsfetzen schossen ihr durch den Kopf. Keine angenehmen, Fetzen von einer Party in einem Swingerclub in der Nähe von München und das, was danach geschehen war. Nur einzelne kurze, unzusammenhängende Szenen, aber das reichte schon, dass ihr kalter Angstschweiß auf der Stirn stand. Ihr Griff um Thomas’ Hand wurde fester und sie begann leicht zu zittern.
Jetzt wurde es Thomas zu viel. Er stand unvermittelt auf. »Ich glaube, jetzt schweifen Sie ab. Ich habe das Gefühl, dass Sie meine Mandantin unter Druck zu setzen versuchen und ihr Dinge vorwerfen, die sie persönlich verletzen. Entweder Sie kehren zu einer seriösen Befragung zurück oder wir werden gehen!«
»Tut mir leid, wenn ich Sie irritiert habe, allerdings handelt es sich hierbei um nachweisbare Fakten, die wir nicht ganz verstehen und aus diesem Grund hinterfragen wollen und müssen«, erwiderte der Mann ihnen gegenüber betont seriös. Er hatte einen wunden Punkt getroffen und Vera aus der Reserve gelockt. Jetzt fühlte er sich offenbar wie auf der Überholspur und wollte seine Chance nutzen. »Nun gut, weiter. Sowohl aus Ihren Kreditkartenabrechnungen als auch denen Ihres Mannes ergibt sich, dass Sie in Venezuela und in Brasilien im Laufe der Monate September und Oktober letzten Jahres mehrere Nachtclubs besucht haben. Was haben Sie dort gemacht?«
»Ich weiß es nicht! Ich habe keine Erinnerung an solche Besuche und kann es mir nicht erklären«, antwortete Vera mit zittriger Stimme.
»Sie wissen allerdings, dass es Manfred als Mitglied der Polizei nicht gestattet ist, in solchen Etablissements zu verkehren? Es gibt keinerlei Anhaltspunkte, dass er sich vorher jemals darüber hinweggesetzt hätte, sein Leumund diesbezüglich ist einwandfrei und wir haben keine Veranlassung, davon auszugehen, dass er so etwas wie ein geheimes Doppelleben geführt haben könnte. Wie erklären Sie sich diese Häufung kurz nach Ihrem Verschwinden?«
Vera konnte nichts erwidern, starrte den Beamten nur mit weit aufgerissenen Augen an und schluckte. Sie spürte, wie sich ein Schweißtropfen seinen Weg über ihren Rücken nach unten bahnte.
»Frau Wegner, was wissen Sie über die Anmietung eines Renault Duster am 25. Oktober in Recife, welche mit Ihrer Kreditkarte bezahlt wurde, wohingegen der Mietvertrag von einem Antônio de Vasconcelos unterschrieben wurde, den Sie Ihrer Aussage nach nicht kennen?«
»Nichts! Ich weiß nichts von einem Mietwagen und auch nichts von einem Antônio de Vasconcelos!«, gab Vera mit fester Stimme und etwas lauter als beabsichtigt zurück. Sie versuchte, ihre alte Stärke zurückzugewinnen und nahm wieder die ursprüngliche, aufrechtere Sitzposition ein.