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Christa Wißkirchen
Komm mit
ins Mühlendorf!
Mit Illustrationen von Anita Vercoulen
Engelsdorfer Verlag
2017
Bibliografische Information durch
die Deutsche Nationalbibliothek:
Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie;
detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.de abrufbar.
Empfohlen ab dem Erstlesealter.
Copyright (2017) Engelsdorfer Verlag
Alle Rechte bei Autorin und Zeichnerin
Hergestellt in Leipzig, Germany (EU)
www.engelsdorfer-verlag.de
Cover
Titel
Impressum
Theo sieht rot
Ein besonderes Päckchen
Annes Mondbild
Das Beet im Wald
Lara und Cara und die Rache
Lara und Cara und die Autonummer
Die vier unterm Klavier
Die Halbmondparty
Die Geister-Olympiade
Der Brennnesselgarten
Wie der Hase sich umdrehte
Die Wolkenkonferenz
Theo sieht rot
Ole und Opa Mü sind fertig zum Brötchenholen.
„Gehen wir wieder bei den roten Käfern vorbei?“, fragt Ole. „Können wir machen“, sagt Opa Mü. „Die Sonne scheint ja, da sind sie sicher draußen.“
Ole hat nämlich etwas entdeckt, schon am zweiten Tag seit er bei Oma und Opa Mü zu Besuch ist. Gleich bei der Mühle steht eine große Linde, und unten am Fuß des Baumes krabbeln lauter rote Käferchen mit einem schwarzen Muster auf dem Rücken. Opa Mü wusste das gar nicht, obwohl er schon x-mal dort vorbei gekommen ist. Aber Ole sieht alles. Er hat auch schon gemerkt, dass sie bei kühlem Regenwetter verschwunden sind. Sie stecken dann sicher in dem niedrigen Gebüsch, das um den Stamm herum wächst.
Aber heute wuseln sie dicht an dicht, übereinander, untereinander, durcheinander. Ole kann schon bis dreißig zählen, aber es sind viel, viel mehr.
„Guck, mal, die spielen Abschleppen!“, lacht Ole. Da hängt ein roter Käfer rückwärts am anderen und der zieht ihn durch die Gegend. Er entdeckt immer mehr Käferpaare, die das machen.
Zu Hause lassen sich die beiden von Oma Mü das große alte Tierbuch geben, das sie vor langer Zeit als Schülerin geschenkt bekam. Sie wollen mehr wissen über die lustigen Tierchen und blättern in der Abteilung Insekten eifrig durch Bienen, Wespen, Schmetterlinge, Spinnen und Käfer. Da! Ole hat das rote Kerlchen mit seinem schwarzen Muster gefunden, und Opa liest, was dabei steht. „Aha“, sagt er, „das sind also keine richtigen Käfer, sondern sie heißen Feuerwanzen. Und sie wohnen gern am Fuß von Lindenbäumen, weil sie von den kleinen runden Lindenfrüchten essen.“

Nun schaut Opa Mü auch noch im Internet nach, und da kann man die Feuerwanzen sogar herumkrabbeln sehen.
„Und wenn sie sich so abschleppen, dann wollen sie sich vermehren“, erklärt er.
„Wie vermehren?“, fragt Ole.
„Na ja, ein Weibchen und ein Männchen hängen sich aneinander, das ist die Käferhochzeit, also die Feuerwanzenhochzeit. Und später legt das Weibchen winzige Eier, und daraus schlüpfen winzige rote Kinderchen.“
„Oh, das will ich sehn, wenn die Kinder da sind“, sagt Ole.
Sie gehen jetzt jeden Tag an der Linde vorbei, und heute, tatsächlich, da sieht man kleine feuerrote Pünktchen, kaum so groß wie Stecknadelköpfe, zwischen den anderen. Opa Mü und Ole gehen in die Hocke und gucken. Die Winzlinge haben noch kein schwarzes Muster, und sie sitzen in Knubbeln dicht beisammen.
Auf der anderen Straßenseite steht ein oranges Auto vom Bauhof. Zwei Männer in orangen Arbeitsanzügen haben darin gerade ihr Pausenbrot gegessen, steigen jetzt aus und holen ihr Werkzeug vom Wagen.
„Was gibt’s denn hier Interessantes zu sehen?“, fragt der eine und kommt herüber.
„Feuerwanzen, ganz viele! Guck mal!“, ruft Ole eifrig.
„Igitt!“, sagt der Mann. „Wo kommen die denn her?“
„Die wohnen hier“, sagt Ole. „Und die vermehren sich.“
„Auch das noch!“, ruft der Mann. „Na ja, wir bringen ja hier alle Straßenränder und Anlagen in Ordnung, da können wir das Gestrüpp abschneiden und das Ungeziefer kommt gleich mit weg.“
„Nein!“, ruft Ole. „Das dürft ihr nicht. Die haben doch grade Kinder gekriegt, und wenn es regnet, verstecken sie sich unter den Blättern. Das ist gemein, wenn ihr die abschneidet!“
Ole ist jetzt richtig wütend.
„Was hast du uns denn zu sagen, du kleiner Dreikäsehoch?“
Eben kommt auch der andere Arbeiter herüber. „Komm, reg dich nicht auf, Theo. Der Kleine meint es doch gut. Wir können es uns ja noch überlegen. Jetzt müssen wir sowieso erst mal das Gras hinter der Mühle mähen.“
„Ach was!“, schnauft Theo. Und Opa Mü erklärt: „Die Feuerwanzen tun uns nichts. Sie kommen auch nicht in die Häuser, das sind keine Schädlinge.“
Und wie die beiden Männer jetzt langsam in Richtung Mühle gehen, ruft Ole dem Theo ganz laut hinterher:
„Dann sollen tausend Käfer kommen und dich beißen, wenn du denen was tun willst, du Böser!“
„Na, na, Ole, du musst aber auch nicht frech sein zu dem Mann“, meint Opa Mü. „Komm, wir gehen nach Hause.“
Warum heißt er eigentlich Opa Mü? Ganz einfach, das ist eine Abkürzung und kommt von Mühlendorf. Ole hat ja wie jeder Mensch zwei Opas und zwei Omas, und damit man immer weiß, wer gemeint ist, haben sie noch einen Beinamen. Die anderen Großeltern heißen bei ihm Oma Wupp und Opa Wupp, und wo die wohnen, das könnt ihr raten – natürlich in Wuppertal.
Der Theo hat jetzt übrigens Feierabend und hat die Sache mit den roten Käfern längst vergessen. Nur kurz vor dem Schlafengehen fällt ihm noch einmal das wütende Kerlchen ein. Tausend Käfer sollen ihn beißen! Theo lacht, dann legt er sich aufs Ohr.
Mitten in der Nacht hat er auf einmal so ein komisches Gefühl, als ob irgend etwas näher käme, näher und näher – was denn? Da sieht er eine Menge rote Pünktchen in der Ferne. Sie bewegen sich, sie werden größer und größer und kommen auf ihn zu. Ach du Schreck, das sind Feuerwanzen, hunderte, tausende! Sie marschieren vor ihm auf und plötzlich machen sie Halt und stehen da wie eine rote Wand. Ein einzelnes feuerrotes Tier kommt jetzt auf ihn zu, es sieht so groß aus und wackelt mit den schwarzen Fühlern.
„Du!“, sagt es mit kratziger Echostimme. „Du willst uns alle umbringen?“
„N-nein, nein“, stottert Theo, „das war nicht so gemeint. Bitte lass mich in Ruhe!“
„Du armseliger Mensch“, spricht die Feuerwanze weiter, „was bildest du dir überhaupt ein. Wir waren viel früher auf der Erde als du. Wir wollen hier wohnen und leben und uns ungestört vermehren. Hast du das kapiert?“
„Ja, ja, natürlich“, sagt Theo ängstlich.
„Kannst du dich überhaupt vermehren? Ich habe schon siebenundfünfzig Kinder, und du?“
„Äh, wieso, ich“, stottert Theo, „noch keine, das heißt, wir bekommen bald unser erstes Kind, also meine Frau, meine ich ...“
„Ha, ha, ha!“, lacht die Feuerwanze und die tausend anderen lachen auch mit piepsigen Stimmchen und wackeln mit zweitausend Fühlern.
Da endlich erwacht Theo mit einem Ruck aus seinem Traum und sitzt kerzengerade im Bett. Nur der Mond scheint friedlich auf sein Kissen, und die Käfer sind fort. Ein Glück! Er wischt sich den Schweiß von der Stirn und legt sich wieder hin.
Und als ihn am nächsten Arbeitstag sein Kumpel fragt: „Sollen wir jetzt das Gestrüpp mit den Käfern auch abschneiden?“, da sagt er: „Na ja, ich hab mir’s überlegt. Sollen doch die Leute mit ihren interessanten Viechern selig werden. Solange die nicht zu mir ins Haus kommen, hab ich nichts dagegen.“
Und Ole kann ein paar Tage später beruhigt nach Hause fahren. Die Feuerwanzen wohnen samt ihrer Kinderschar immer noch friedlich unter der Linde an der Windmühle.
Ein besonderes Päckchen
„Ach, wie dumm, ich war doch nur ganz kurz weg!“ Frau Schirmer steht am Briefkasten mit einem Zettel in der Hand. Da bremst Luca mit einem eleganten Schwung auf dem Bürgersteig.
„Hallo, Tante Nicki! Guck mal, mein neues Fahrrad, ist das nicht super?“
„Sehr schön. Und der Helm, ist der auch neu?“
„Ja, und passt sogar in der Farbe, wie du siehst. Ich muss jetzt unbedingt ein paar Runden drehen, damit das Mühlendorf mein Fahrrad zu sehen kriegt.“
„Du, Luca, kommst du vielleicht an der Post vorbei? Bei mir war ein Zettel im Briefkasten, dass ein Päckchen gekommen ist. Würdest du so nett sein und es für mich abholen? Ich hab jetzt gerade keine Zeit. Du brauchst nur den Zettel mitzunehmen.“
„Klar, mach ich.“ Und schon sprintet Luca los.
Vor der Post will er ebenso schwungvoll bremsen, aber da muss er plötzlich an einer Absperrung stoppen. In einem weiten Kreis um die Post ist rotweißes Flatterband gespannt, und eine Menge Leute stehen davor. Ein Polizeiwagen mit blinkendem Blaulicht und im Hintergrund ein Feuerwehrauto – was ist hier los? Von Feuer oder Rauch sieht man nichts.
„Gibt es einen Überfall auf die Post?“, fragt Luca. „Nein, es soll was mit einem Paket sein“, sagt ein Mann. „Irgendwas Verdächtiges. Ich glaube, sie wollen einen Roboter in die Post schicken.“
Jetzt kommt ein Polizist an die Absperrung. „Bitte gehen Sie alle weiter weg, zu Ihrer Sicherheit, bitteschön, alle schnell weggehen, auch du, mein Junge!“
„Aber ich soll ein Päckchen abholen“, sagt Luca.
„Geht jetzt nicht. Das heißt, Moment mal. Für wen sollst du das Päckchen abholen?“
„Für meine Tante, die heißt Nicole Schirmer. Hier ist der Abholschein.“
„Ich notiere mir das. Aber jetzt komm mal mit weiter nach hinten.“
Zwei Spezialisten in gelben Anzügen steigen aus dem Feuerwehrauto und setzen ein Gerät in Gang, das sich langsam zum Haus bewegt und in der offenen Tür der Post verschwindet. Auf einem kleinen Bildschirm verfolgen sie, was dort drinnen geschieht.
„Wie spannend!“, sagt Luca. „Schade, dass ich nicht dabei sein kann.“
„Das wäre zu gefährlich“, sagt der Polizist. „Der Roboter untersucht ein verdächtiges Päckchen.“
Nach einer Weile sieht Luca, dass die gelben Männer ins Haus gehen. Dann kommen sie mit einem ziemlich zerdrückten Päckchen in der Hand wieder.
„Alles okay, Sie können die Absperrung aufheben. Ist hier irgendwo eine Frau Nicole Schirmer?“
„Nicole Schirmer“, ruft Luca, „das ist meine Tante. Ich soll das Päckchen für sie abholen. Was ist denn damit los?“
Und nun hört er die Geschichte: Die Postfrau hat wie jeden Tag eine Lieferung von Paketen bekommen und sie ins Abholregal geräumt. Als es ein paar Minuten lang still im Postraum war, hörte sie es aus einem Päckchen ticken, ganz deutlich. Was kann denn in einem Päckchen ticken? Hat man nicht schon gehört, dass jemand eine Bombe verschickt, die irgendwann explodiert? Die Frau rief sofort die Polizei an, und dann ging alles ganz schnell. „Du kannst das Päckchen jetzt mitnehmen“, sagt der Polizist zu Luca. „Es war harmlos. Schau mal, nur ein altmodischer Wecker und ein Brief. Aber sicher ist sicher.“
Jetzt gibt es eine zweite Geschichte, und die steht in dem Brief, den Luca und Tante Nicki zusammen lesen. Er ist von ihrem Bruder Andreas aus Stralsund.
Liebe Nicki,
jetzt ist es tatsächlich schon fünf Jahre her, dass wir in unserem Elternhaus aufräumen und packen mussten, weil Mama und Papa in die Altenwohnung gezogen sind. Zum Schluss haben wir ja beide noch eine Kiste voll Sachen mit nach Hause genommen. Jetzt habe ich meine Kiste zum ersten Mal wieder aufgemacht, und da kam dieser alte Wecker zum Vorschein. Den musst du gut kennen, denn wir haben ja als Kinder immer damit gespielt. Weißt du noch, wie wir ihn aufgezogen und versteckt haben? Dann fing er plötzlich irgendwo an zu rasseln, und du wolltest dich totlachen, wenn die anderen einen Schreck kriegten. Jetzt sollst du ihn haben, als Erinnerung. Er tickt zwar längst nicht mehr, aber vielleicht kriegt er einen Ehrenplatz in deinem Haus.
Machs gut, und viele Grüße von Deinem großen Bruder Andi.
„Na, jetzt ist mir alles klar“, sagt Tante Nicki. „Auf seiner Reise mit der Post ist der alte Wecker tüchtig geschüttelt worden und wieder in Gang gekommen. Das muss ich dem Andi erzählen, was er mit seinem Päckchen angerichtet hat.“
„Oder ich schreibe es ihm, von der Polizei und dem Roboter und allem. Ich war ja dabei.“
„Tu das, Luca. Und ich stelle den Wecker ins Regal. Aber wenn ich ihn benutzen will, muss ich ihn jeden Tag aufziehen, das vergesse ich bestimmt.“
„Aufziehen, warum?“
„Er ist ja noch von den Großeltern. Damals gab’s noch keine Uhren mit Batterie.“
„Ach ja, stimmt.“

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