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SORA. Und das spielt sie ganz allein für sich?
ANDRASON. O ja! Oder, wenn etwa Dolch oder Gift zu bringen ist – denn es geht meistens etwas bunt her –, wenn eine schreckliche Stimme aus dem Felsen oder durchs Schlüsselloch zu rufen hat, solche wichtige Rollen nimmt der Prinz über sich, wenn er da ist, oder in seiner Abwesenheit ihr Kammerdiener, ein sehr alberner Bursche; aber das ist eins.
MELA. Wir wollen auch einmal so spielen.
ANDRASON. Laßt's doch gut sein und dankt Gott, daß es noch nicht bis zu euch gekommen ist! Wenn ihr spielen wollt, so spielt zu zweien wenigstens; das ist seit dem Paradiese her das üblichste und gescheiteste gewesen. Nun noch eins, meine Besten – daß wir die Zeit nicht mit fremden Dingen verplappern –, meine Hoffnung, wieder glücklich zu werden, ruht nicht allein bei den Göttern, sondern auch auf euch, ihr Mädchen.
SORA. Auf uns?
ANDRASON. Ja, auf euch! und ich hoffe, ihr werdet das Eure tun.
MANA. Wie soll das werden?
ANDRASON. Der Prinz, wenn er nach dem Orakel geht, wird hier vorbeikommen, euch seine Ehrerbietung zu bezeigen, wie Fremde gewöhnlich tun, die diesen Weg nehmen. Meine Schwester wird artig sein und ihm Quartier anbieten; ihm anbieten, daß sie seine Leute, sein Gepäcke beherbergen will, indes er sich ins Gebirge nach dem Orakel tragen läßt, wo jeder, er sei, wer er wolle, allein, ohne Gefolge anlangen muß. Wenn er nun kommt, meine Besten, so sucht sein Herz zu rühren. – Ihr seid liebenswürdig. Ich will die als eine Göttin verehren, die ihn an sich zieht und mich von ihm befreit.
SORA. Gut! Euch ist er unerträglich, und uns wollt Ihr ihn zuschieben! Wenn er uns nun auch unerträglich ist?
ANDRASON. Seid ruhig, Kinder! Das findet sich. Ihr andern liebt meistenteils an den Männern, was Männer an sich untereinander nicht leiden können. Und gewiß, er ist so übel nicht und wäre, denk ich, noch zu kurieren.
MELA. Wie sollen wir es denn anfangen?
ANDRASON. Bravo, liebes Kind! du zeigst doch guten Willen! Ich muß erst eure Anlagen ein wenig kennenlernen. Laßt sehn! Stellt euch vor, ich sei der Prinz; ich will ankommen, schmachtend und traurig tun – wie wollt ihr mich empfangen?
Sie beginnen einen lebhaften Tanz.
ANDRASON. Nicht doch, Kinder, nicht doch! Meint ihr, daß alles Wild nach einer Witterung geht? Mit einem solchen Bauerntanz wollt ihr meinen sublimierten Helden gewinnen? Nein! seht auf mich! das muß in einem andern Geiste traktiert werden.
Sanfte Musik.
Er macht ihnen die hergebrachten Bewegungen vor, womit die Schauspieler gewöhnlich die Empfindungen auszudrücken denken.
ANDRASON. Habt ihr wohl achtgegeben, Kinder? Erstlich, immer den Leib vorwärtsgebogen und mit den Knien geknickt, als wenn ihr kein Mark in den Knochen hättet! Hernach immer eine Hand an der Stirne und eine am Herzen, als wenn's euch in Stücken springen wollte; mitunter tief Atem geholt, und so weiter. Die Schnupftücher nicht vergessen!
Die Musik geht fort, und die Fräulein befolgen seine Vorschrift. Er stellt den Prinzen vor; bald korrigiert er sie, bald nimmt er die Person des Prinzen wieder an; endlich hört man eine Trompete in der Ferne.
ANDRASON. Aha!
LATO. Es wird aufgetragen.
ANDRASON. Es heißt zu Pferde und zu Tische! Beides eine schöne Einladung. Kommt! diese Empfindsamkeit zuletzt hat mich hungriger gemacht als meine Reisen bisher.
Zweiter Akt
Saal, in chinesischem Geschmacke, der Grund gelb mit bunten Figuren.
Mana und Sora.
MANA. Nun, das heiß ich ein Gepäcke! Der ganze Hof ist voll Kisten, Kasten, Mantelsäcke und ungeheurer Verschläge.
SORA läuft ans Fenster. Wir werden ihm den ganzen Flügel des Palastes geben müssen, nur seine Sachen unterzubringen.
MANA. Es ist abscheulich, wenn Mannspersonen reisen, als ob sie Wöchnerinnen wären. Über uns halten sie sich auf, daß, wenn wir doch auf vier Wochen ins Bad gehen, der Schachteln, Kästchen, Pappen und Wachstücher kein Ende werden will; und sich erlauben sie's!
SORA. Wie mehr Sachen, liebes Kind, die sie uns übelnehmen.
Ein Bedienter kommt.
BEDIENTER. Der Kavalier des Prinzen läßt sich melden.
MANA. Führt ihn herein.
Bedienter ab.
Sieh zu, es hat sich doch nichts an meinem Kopfputze verschoben?
SORA. Halt! – Die Locke hier – Er kommt.
Merkulo tritt herein.
MERKULO. Vollkommene Damen! Es sind nicht viel Augenblicke meines Lebens, worin ich mich so glücklich fühlte als in dem gegenwärtigen. Sonst werden wir armen Diener meistenteils bei verdrießlichen Angelegenheiten vorgeschoben, bei angenehmen Ereignissen stehen wir zurück; aber diesmal erhebt mich mein Prinz über sich selbst, indem er mich voraus in die Wohnung des Vergnügens und der Reize sendet.
MANA. Sie sind sehr gütig.
SORA. Und recht willkommen. Wir haben so viel Gutes von dem Prinzen gehört, daß wir vor Neugierde brennen, ihn zu sehen.
MERKULO. Mein Fürst ist glücklich, daß er schon in der Entfernung Ihre Aufmerksamkeit auf sich ziehen können; und wenn er, wie ich nicht anders hoffe, durch seine Gegenwart Ihre Gunst erhalten sollte, so kann er sich als den glücklichsten der Menschen preisen. Dürfte ich nicht indes Ihrer Prinzessin aufwarten, an die er mir eine Unzahl Verbindlichkeiten aufgetragen hat?
MANA. Sie werden ihr bald vorgestellt werden können. Sie hat uns befohlen, Ihnen diese und die anstoßenden Zimmer anzuweisen. Bedienen Sie sich davon, soviel und wie Sie's nötig finden.
MERKULO. Wollen Sie mir erlauben, daß ich unsere Gerätschaften, deren freilich nicht wenige sind, herein- und in Ordnung bringen lasse?
MANA. Nach Ihrer Bequemlichkeit.
Merkulo mit einer Verbeugung ab.
SORA. Wir wollen bleiben. Ich bin gar zu neugierig, was sie alles mitbringen.
Es läßt sich ein lebhafter Marsch hören, und es kommt ein Zug. Merkulo voraus, der Oberste, die Wache, sodann Trabanten, welche Kasten von verschiedener Größe tragen, vier Mohren, die eine Laube bringen, und Gefolge. Sie umgehen das Theater. Die Kasten werden auf beiden Seiten, die Laube in den Grund und ein großer Kasten auf die Laube gesetzt. Die stummen Personen gehn alle ab, der Marsch hört auf. Es bleiben Sora, Mana, Merkulo.
SORA. Wer sind denn die hübschen bewaffneten jungen Leute, und wer ist der Herr, der uns salutierte?
MERKULO. Das ist der Oberste über des Prinzen Kriegsvolk, und die andern sind junge Edelleute, militärische Edelknaben meines gnädigsten Herrn und lose Vögel.
MANA. Wir erstaunen, mein Herr! Sie führen Dekorationen mit sich! Wollen Sie etwa eine Komödie spielen? Vermutlich ist die Theatergarderobe in diesen Kasten?
MERKULO. Verzeihen Sie, meine Damen! – Eigentlich sollte ich den Finger auf den Mund legen und Sie mit guter Art bitten, diesen Saal, der von nun an ein Platz der Geheimnisse wird, zu verlassen; allein wie vermag ich das gegen Ihre Güte und gegen Ihre Reize! Nur vor unheiligen fremden Augen bewahren wir unsere heiligen Empfindungen, nicht vor so angenehmen Seelen, deren Teilnehmung wir wünschen.
SORA. Sagen Sie uns um 's Himmels willen, was soll die Laube?
MERKULO. An diesem Zug, meine schönen Kinder, können Sie einen großen Teil des Charakters meines liebenswürdigen Prinzen erkennen. Er, der empfindsamste Mann von allen Männern, der für die Schönheiten der Natur ein gefühlvolles Herz trägt, der Rang und Hoheit nicht so sehr schätzt als den zärtlichen Umgang mit der Natur –
SORA. Ach, das ist ein Mann für uns! Wir gehn auch gar zu gern im Mondschein spazieren und hören die Nachtigallen lieber als alles.
MERKULO. Da ist eins zu bedauern, meine vortrefflichen Damen! Mein Prinz ist von so zärtlichen, äußerst empfindsamen Nerven, daß er sich gar sehr vor der Luft und vor schnellen Abwechselungen der Tageszeiten hüten muß. Freilich, unter freiem Himmel kann man's nicht immer so temperiert haben, wie man wünscht. Die Feuchtigkeit des Morgen- und Abendtaues halten die Leibärzte für höchst schädlich, den Duft des Mooses und der Quellen bei heißen Sommertagen für nicht minder gefährlich! Die Ausdünstungen der Täler, wie leicht geben die einen Schnupfen! Und in den schönsten wärmsten Mondnächten sind die Mücken just am unerträglichsten. Hat man sich auf dem Rasen seinen Gedanken überlassen, gleich sind die Kleider voll Ameisen, und die zärtlichste Empfindung in einer Laube wird oft durch eine herabfahrende Spinne gestört. Der Prinz hat durch seine Akademien Preise ausgesetzt, um zu erfahren, ob diesen Beschwerden, zum Besten der zärtlichen Welt, nicht abgeholfen werden könne? Es sind auch verschiedene Abhandlungen gekrönt worden; die Sache aber ist bis jetzo noch um kein Haar weiter.
SORA. Oh, wenn je ein Mittel gegen die Mücken und Spinnen erfunden werden sollte, machen Sie es doch ja gemeinnützig! Denn wenn man oft in himmlischen Entzückungen aufgefahren ist, erinnert einen das leidige Geziefer, mit seinen Stacheln und krabbligen Füßen, gleich wieder an die Sterblichkeit.
MERKULO. Inzwischen, meine schönen Damen, hat der Prinz, der seinen Genuß weder verschoben noch unterbrochen haben will, den Entschluß gefaßt, durch tüchtige Künstler sich eine Welt in der Stube zu verschaffen. Sein Schloß ist daher auf die angenehmste Weise ausgeziert, seine Zimmer gleichen Lauben, seine Säle Wäldern, seine Kabinette Grotten, so schön und schöner als in der Natur; und dabei alle Bequemlichkeiten, die Stahlfedern und Ressorts nur geben können.
SORA. Das muß scharmant sein!
MERKULO. Und weil der Prinz so sehr dran gewöhnt ist, wie er denn in jedem Lustschloß seine Natur hat, so haben wir auch eine Reisenatur, die wir auf unsern Zügen überall mit herumführen. Unser Hof-Etat ist mit einem sehr geschickten Manne vermehrt worden, dem wir den Titel als Naturmeister, Directeur de la nature, gegeben haben. Er hat eine große Anzahl von Künstlern unter sich. Ein würdiger Schüler von ihm ist dieser Mann hier, der unsere Natur auf der Reise besorgt und den ich die Ehre habe, Ihnen in dieser Qualität zu präsentieren. Was uns allein noch abgeht, das sind die kühlen Lüftchen. Die Versuche davon sind immer noch unvollkommen; wir hoffen aber, aus Frankreich auch diesem Mangel nächstens abgeholfen zu sehen.
SORA. Um Vergebung, was ist in den Kasten da? Darf man's wissen?
MERKULO. Geheimnisse, meine schönen Fräulein, Geheimnisse! Aber Sie haben das Geheimnis gefunden, die Geheimnisse meines Herzens aufzulösen, so daß Ihnen eben weiter nichts verborgen bleibt. Hier führen wir die vorzüglichsten Glückseligkeiten empfindsamer Seelen bei uns. In diesem Kasten sind sprudelnde Quellen.
MANA. Oh!
MERKULO. Hier in diesem ist der Gesang, der lieblichste Gesang der Vögel verborgen.
MANA. Warum nicht gar?
MERKULO. Und hier in diesem größern ist Mondschein eingepackt.
SORA. Es ist nicht möglich! Lassen Sie's uns doch sehn.
MERKULO. Es steht nicht in meiner Gewalt. Der Prinz allein weiß diese Herrlichkeiten in Bewegung und Leben zu setzen. Er ganz allein darf sie fühlen; ich könnte Ihnen nur den groben Stoff sichtbar machen.
MANA. O wir müssen den Prinzen bitten, daß er uns die Maschinen einmal spielen läßt.
MERKULO. Um 's Himmels willen, lassen Sie sich nichts merken! Und besonders unter dem Titel von Spielen würde der Prinz seine Liebhabereien nicht erkennen. Jeder Mensch, meine schönen Fräulein, treibt seine Liebhabereien sehr ernsthaft, meistens ernsthafter als seine Geschäfte. Indessen halte ich für Schuldigkeit, Ihr Vergnügen, soviel an mir ist, zu befördern, und wollte Ihnen gern unsre Raritäten, wenngleich nur leblos, vorzeigen, wäre nur die Dekoration des Saales einigermaßen mit dieser eingeschloßnen Natur übereinstimmend.
MANA. So vollkommen muß man die Illusion nicht verlangen.
SORA. Dem ist leicht abzuhelfen. Wir haben ja die gewirkten Tapeten, die nichts als Wälder und Gegenden vorstellen.
MERKULO. Das wird allerliebst sein.
SORA. He!
Ein Bedienter kommt.
Sagt dem Hoftapezier, er soll die gewirkte Waldtapete gleich herunterlassen!
MERKULO. An mir soll's auch nicht fehlen.
Musik.
Er gibt ein Zeichen, und in dem Augenblicke, als sich die Szene in Wald verwandelt, verwandeln sich die Kasten in Rasenbänke, Felsen, Gebüsche und so
weiter; der Kasten über der Laube in Wolken. Der Dekorateur wird sorgen, daß das Ganze übereinstimmend und reizend sei und mit der verschwindenden Dekoration einen recht fühlbaren Kontrast mache.
MERKULO. Bravo! Bravo!
SORA. O wie schön!
Sie besehen alles auf das emsigste, solange die Musik fortdauert.
MANA. Die Dekoration ist allerliebst.
MERKULO. Um Vergebung, nicht Dekoration, sondern künstliche Natur nennen wir das; denn das Wort Natur, merken Sie wohl, muß überall dabeisein.
SORA. Scharmant! Allerliebst!
MERKULO. Da muß ich Sie noch ein Kunstwort lehren, mit dem weit zu reichen ist. »Scharmant! Allerliebst!«, das könnten Sie allenfalls auch von einer Florschürze, von einem Häubchen sagen. Nein, wenn Sie etwas erblicken, es sei, was es wolle, sehn Sie es steif an und rufen: »Ach, was das für einen Effekt auf mich macht!« – Es weiß zwar kein Mensch, was Sie eigentlich sagen wollen; denn Sonne, Mond, Fels und Wasser, Gestalten und Gesichter, Himmel und Erde und ein Stück Glanzleinewand, jedes macht seinen eignen Effekt; was für einen, das ist ein bißchen schwerer auszudrücken. Halten Sie sich aber nur ans Allgemeine: »Ach! was das für einen besondernEffekt auf mich macht!« – Jeder, der dabeisteht, sieht auch hin und stimmt in den besondern Effekt mit ein; und dann ist's ausgemacht – daß die Sache einen besondern Effekt tut.
MANA. Mit allem dem scheint mir Ihr Prinz Liebhaber vom Theater.
MERKULO. Sehr! sehr! Das Theater und unsere Natur sind freilich nahe miteinander verwandt. Dabei ist er ein trefflicher Schauspieler. Wenn Sie ihn bereden könnten, etwas vor Ihnen aufzuführen!
SORA. Haben Sie denn eine Truppe bei sich?
MERKULO. Das nicht! Wir sind aber alle eine Art von Komödianten. Und dann agiert der Prinz, wenn's dazu kommt, meistenteils allein.
SORA. Ach! davon haben wir schon gehört.
MERKULO. Ei! – Sehen Sie, meine Damen, das ist eine Erfindung oder vielmehr eine Wiederauffindung, die unsern erleuchteten Zeiten aufbehalten war. Denn in den alten Zeiten, schon auf dem römischen Theater, waren die Monodramen vorzüglich eingeführt. So lesen wir zum Exempel vom Nero –
MANA. Das war der böse Kaiser?
MERKULO. Es ist wahr, er taugte von Haus aus nichts, war aber drum doch ein exzellenter Schauspieler. Er spielte bloß Monodramen. Denn erstlich sagt Suetonius – Nun, das werden Sie alles in der trefflich gelehrten Schrift eines unserer Akademisten über diese Schauspielart lesen! Sie wird auf Befehl unsers Prinzen geschrieben und auf seine Kosten gedruckt. Wir führen aber auch die neusten Werke auf, wie man sie von der Messe kriegt: Monodramen zu zwei Personen, Duodramen zu dreien, und so weiter.
SORA. Wird denn auch drin gesungen?
MERKULO. Ei, gesungen und gesprochen! Eigentlich weder gesungen noch gesprochen. Es ist weder Melodie noch Gesang drin, deswegen es auch manchmal Melodram genannt wird.
SORA. Wie ist das?
MERKULO. Gelegentlich, meine Fräulein! Gelegentlich!
SORA. Nun, wir hoffen, der Prinz soll gut Freund mit uns werden. Wir hoffen, Sie sollen recht lange bei uns bleiben. Sie bleiben doch recht lange bei uns?
MERKULO. Gar zu gütig! – Ach! wer glauben könnte, daß so eine Einladung aus einem so schönen Herzen käme! Es ist aber leider eins der gewöhnlichen Hofkomplimente, womit man einen Fremden bewillkommt, nur um sich zu versichern, daß er bald wieder weggehen werde.
MANA. Warten Sie nur, wir haben dem Prinzen schon allerlei Scherze von unsrer Art zugedacht, die ihn gewiß unterhalten sollen.
MERKULO. Meine Fräulein, ich wünsche Ihnen Glück und uns allen! Möchten Sie sein Herz, sein zärtlich Herz, gewinnen und ihn durch Ihren Liebreiz aus der sanften Traurigkeit ziehen, in der er verschmachtet!
SORA. Ach! Wir haben auch zärtliche Herzen, das ist just recht unsre Sache.
MANA. Bringen Sie uns nicht auch neue Liedchen mit?
SORA. Ja, wir haben's in der Art, wenn wir eine hübsche Melodie finden, singen wir sie meist tot, daß sie kein Mensch mehr hören mag.
MANA. Kein Liedchen an den Mond?
MERKULO. Oh, deren haben wir verschiedene. Ich kann gleich mit einem aufwarten.
SORA. Tun Sie's ja!
MERKULO singt.
Du gedrechselte Laterne
Überleuchtest alle Sterne,
Und an deiner kühlen Schnuppe
Trägst du der Sonne mildesten Glanz.
SORA. O pfui! das ist gar nichts Empfindsames!
MERKULO. Schönes Kind, um 's Himmels willen, es ist aus dem Griechischen!
MANA. Es gefällt mir ganz und gar nicht.
MERKULO. Daran ist wohl die Melodie schuld, ich hab es immer gedacht. Das Lied an sich selbst ist gewiß vortrefflich; hören Sie nur!
Er singt's auf die Melodie: »Monseigneur, voyez nos larmes«, und die Fräulein fangen an mitzusingen.
BEDIENTE. Der Prinz kommt! Man eilt ihm entgegen!
Merkulo und die Fräulein gehn singend ab.
Dritter Akt
Wald, die Laube im Grunde wie zu Ende des vorigen Akts.
Die vier Fräulein führen den Prinzen unter einer sanften Musik herein. Merkulo folgt ihnen. Die Frauenzimmer bemühen sich in einem gefälligen Tanze um den nachdenklichen und in sich selbst versunkenen Ankömmling; er antwortet ihren Freundlichkeiten nur gezwungen. Da die Musik einen Augenblick pausiert, spricht.
MERKULO für sich. Das sind recht Homerische Sitten, wo die schönen Töchter des Hauses sich um die Fremden bemühen. Ich hätte wohl Lust, mich ins Bad zu setzen und mich abreiben zu lassen.
Die Musik geht fort; endlich, da die Fräulein ihre Bemühungen ganz vergeblich sehn, eilen sie verdrießlich davon, und es bleiben
Prinz und Merkulo.
PRINZ. Gesegnet seist du, liebe Einsamkeit! Wie erbärmlich habe ich mich seit dem Eintritt in dieses Haus zwingen müssen!
MERKULO. Das muß ich Eurer Durchlaucht bekennen, daß mir's manchmal unbegreiflich gewesen ist, wie Sie sich an einer wohlbesetzten Tafel und zwischen liebenswürdigen Frauen ennuyieren können?
PRINZ. Es ist nicht Langeweile, es ist die Gefälligkeit dieser angenehmen Geschöpfe, die mich ängstet. Ach! warum muß ich dem weiblichen Geschlechte zur Qual geschaffen sein? Denn nur eine kann mein Herz besitzen, und die übrigen – Ach! – –
MERKULO. Die hab ich schon oft bedauert! und ich hab ihnen auch gelegentlich mein Mitleiden auf eine so überzeugende Art zu verstehn gegeben, daß ich wirklich sagen kann: ich habe das Glück gehabt, einigen das Leben zu fristen, die auf dem Sprunge standen, durch Ihre Grausamkeit in die elysischen Felder vertrieben zu werden.
PRINZ. Rede davon nicht! vermehre nicht meinen Kummer!
MERKULO. Ich sage nichts! denn wenn man Ihren hohen Stand und Ihre trefflichen Qualitäten zusammennimmt, so ist's evident, daß einer Ihrer Blicke ganz unglaubliche Bewegungen in einem schönen Herzen hervorbringen muß.
PRINZ. Meinen Stand erwähnst du, Unglücklicher? Was ist mein Stand gegen dieses Herz?
MERKULO. Halten Sie mir's zu Gnaden. Wir wollen der Sache ihr Recht antun. Eine wahre Liebe ist zum Exempel was Vortreffliches; aber eine wahre Liebe mit einem wohlgespickten Beutel, darüber geht gar nichts. So auch, was den Stand betrifft –
PRINZ. Rede nur nicht immer! nicht solche Dinge!
MERKULO. Nein, ich müßte undankbar sein, wenn ich es nicht gestände, nicht bekennte! In Ihrer Nähe, mein Gebieter, bin ich ohnehin sicher. Ihre fürstliche Gegenwart zieht, wie ein Gewitterableiter, alle Elektrizität zärtlicher Herzen an sich, daß wir andern vorm Einschlagen ganz gesichert sind.
PRINZ. Ist es bald eilfe?
MERKULO. Es wird gleich sein, und ich gehe, um Sie Ihren Empfindungen in der feierlichen Stunde der Mitternacht allein zu überlassen. Es ist eine vortreffliche neuere Erfindung, daß jeder Stunde, jeder Tagszeit ihre eignen Gefühle gewidmet sind. Darin waren die Alten rechte Tröpfe. In ihren Schauspielen konnte das Feierlichste, Schrecklichste bei hellem Tage und unter freiem Himmel vorgehn; unter eilfe und zwölfe tun wir's aber gar nicht, und ohne Särge, Kirchhöfe und schwarze Tücher läßt sich nichts Rechts ausrichten.
PRINZ. Sind meine Pistolen geladen?
MERKULO. Auf Ihren Befehl, wie immer. Aber ich bitte Sie um Gottes willen, erschießen Sie sich nicht einmal!
PRINZ. Sei ruhig!
Es schlägt eilfe.
Es schlägt!
MERKULO. Sie haben hier eine Glocke, die gar keinen feierlichen Ton hat. Es klingt, als wenn man auf Blech hämmerte; mich könnte nun so etwas gleich vollkommen aus meiner zärtlichsten Fassung bringen.
Die Musik gibt einige Laute und entfernte Melodien zum folgenden an.
PRINZ. Schweig, Unheiliger! und entflieh!
MERKULO. Ab! Ab.
PRINZ. Vergebens sucht ihr mich durch eure Schönheit, durch euer einschmeichelndes Wesen abzuziehen, von den Gedanken wegzuwenden, die ich immer mit den Armen meiner Seele umschlungen halte. Fahrt wohl, ihr sterblichen Mädchen! Das Unsterbliche umschwebt meine Stirne, und die Geister steigen herab, meine Wohnung zu beleben und mein Herz zu beseligen.
Die feierliche Musik geht fort, die Wasserfälle fangen an zu rauschen, die Vögel zu singen, der Mond zu scheinen.
Dich ehr ich, heiliges Licht,
Reiner, hoher Gefühle Freund!
Du, der du mir
Der Liebe stockende Schmerzen
Im Busen auf zu sanften Tränen lösest!
Ach, welche Seligkeiten säuselst du mir
Ins tiefe Heiligtum der Nacht
Und deutest mir
Auf der geheimnisvollen Liebe Ruhestätte!
Ach, verzeih! Ach, mein Herz
Fühlt nicht immer gleich!
Verzeih dem trüben Blick auf deine Schönheit!
Verzeih dem flüchtigen!
Nach der Laube gekehrt.
Hier, hier wohnt meine Gottheit,
Die ganz mein Herz nach ihrem Herzen zieht!
Dies Pochen und dies Zittern!
Ha! es schlägt dem Augenblick entgegen,
Wo die Zauberei
Die Seligkeit des Wahren überflügelt!
O den Genuß, ihr Götter, gabt ihr mir!
O den Genuß bewahret mir, ihr Götter!
Die Laube tut sich auf, man sieht ein Frauenzimmer darin sitzen: sie muß vollkommen an Gestalt und Kleidung der Schauspielerin gleichen, die nachher als Mandandane auftritt.
Himmel, sie ist's! Himmel, sie ist's!
Seligkeit tauet herab. – –
Deine Hand an dieses Herz,
Geliebte, süße Freundin!
Du ganz für mich Geschaffne,
Ganz durch Sympathie Gefundene,
Gewählte!
In dieser schönen Stimmung unsrer Herzen
Wird mir ein Glück, das nur die Götter kennen.
Ach, in hohen Himmelsfreuden
Fühl ich schaudernd mich verschweben!
Ha! vor Wonne stockt mein Leben,
Stockt der Atem in der Brust!
Ach, umweht mich, Seligkeiten!
Lindert dieses heiße Streben,
Und in wonnevolles Leben
Löset auf die schöne Lust!
Während der letzten Kadenz, da die Instrumente die Stimme zu lange nachahmen, setzt sich der Prinz auf eine Rasenbank und schläft endlich ein. Man gibt ihm verschiednemal den Ton an, damit er einfallen und schließen möge; allein er rührt sich nicht, und es entsteht eine Verlegenheit im Orchester; endlich sieht sich die erste Violine genötigt, die Kadenz zu schließen, die Instrumente fallen ein, die Laube geht zu, der mittlere Vorhang fällt nieder, und es zeigt sich.
Ein Vorsaal.
Feria und die vier Fräulein.