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GLAUBE.
O liebste Schwester! Kannst du mich
Und meine Leiden so empfangen?
Ich irre trostlos, suche dich,
An deinem Herzen auszubangen;
Nun flieh' ich leider, wie ich kam,
Mich abgestoßen muß ich fühlen:
Wer teilt nun Zweifel, Kummer, Gram,
Wie sie das tiefste Herz durchwühlen!
LIEBE sich nähernd.
O Schwester! mich so im Verdacht?
Die immer neu und immer gleich
Unsterbliche unsterblich macht,
Die Sterblichen alle gut und reich.
Von oben kommt mir der Gewinn –
Die höchste Gabe willst du lästern?
Denn ohne diesen heitren Sinn
Was wären wir und unsre Schwestern!
GLAUBE.
Nein, in diesen Jammerstunden
Klinget keine Freude nach!
Schmerzen, tausendfach empfunden,
Herz um Herz, das knirschend brach,
Leer Gebet, vergebne Tränen,
Eingekettet unser Sehnen,
Unsrer Herrlichkeit Verhöhnen,
Der Erniedrigung Gewöhnen! –
Ewig deckt die Nacht den Tag.
LIEBE.
Es sind nicht die letzten Stunden,
Laß den Göttern das Gericht!
GLAUBE.
Nie hast du ein Glück empfunden:
Denn der Jammer rührt dich nicht!
Sie treten auseinander.
DÄMON DER UNTERDRÜCKUNG für sich.
Still! nun hab' ich überwunden –
Schwestern und verstehn sich nicht!
Zum Glauben.
Herrlich Mädchen! welches Bangen,
Welche Neigung, welch Verlangen
Reget diese schöne Brust?
GLAUBE.
Herr, o Herr! gerecht Verlangen
War, die Schwester zu umfangen,
Treue bin ich mir bewußt.
DÄMON DER UNTERDRÜCKUNG zur Liebe.
Wie, du Holde? Das Verlangen,
Deine Schwester zu umfangen,
Regt sich's nicht in deiner Brust?
LIEBE.
Sie, die Beste, zu umfangen,
Fühl' ich ewiges Verlangen;
Komm, o komm an meine Brust!
GLAUBE.
O verzeih dem Schmerz, dem Bangen!
Kaum getraut' ich, zu verlangen
Lieb' um Liebe, Lust um Lust!
Sie umarmen sich.
DÄMON DER UNTERDRÜCKUNG für sich.
Immer wächst mir das Verlangen,
Zu betören; sie zu fangen,
Sei mein Streben, meine Lust.
Zwischen sie tretend.
Holdsel'ges Paar, das himmlisch mir begegnet,
Es sei der Tag für euch und mich gesegnet,
Er sei bezeichnet immerdar!
Ja, dieser Stunde jedes von uns gedenke!
Kleine Dämonen mit Juwelen.
Verschmähet nicht die wenigen Geschenke
Aus meiner Hand, verehrtes Paar.
Die Liebe liebkosend und ihr Armbänder anlegend.
Hände, meiner Augen Weide,
O wie drück' und küss' ich sie!
Nimm das köstlichste Geschmeide,
Trag es und vergiß mich nie!
Den Glauben liebkosend und ihr einen köstlichen Gürtel oder vielmehr Brustschmuck anlegend.
Wie sie sich in dir vereinen,
Hoher Sinn und Lebenslust:
So mit bunten Edelsteinen
Schmück' ich dir die volle Brust.
Die kleinen Dämonen bringen heimlich schwarze schwere Ketten hervor.
GLAUBE.
Das verdient wohl dieser Busen,
Daß ihn die Juwele schmückt.
Der eine Dämon hängt ihr die Kette hinten in den Gürtel, in dem Augenblick fühlt sie Schmerzen, sie ruft, indem sie auf die Brust sieht.
Doch wie ist mir! von Medusen
Werd' ich greulich angeblickt.
LIEBE.
O! wie sich das Auge weidet,
Und die Hand, wie freut sie sich!
Sie streckt die Arme aus und besieht die Armbänder von oben; das Dämonchen hängt von unten eine Doppelkette ein.
Was ist das? wie sticht's und schneidet,
Und unendlich foltert's mich!
DÄMON DER UNTERDRÜCKUNG zur Liebe, mäßig spottend.
So ist dein zartes Herz belohnt!
Von diesen wird dich nichts erretten;
Doch Ende dich, du bist's gewohnt,
Du gehst doch immerfort in Ketten.
Zum Glauben, der sich ängstlich gebärdet, mit geheuchelter Teilnahme.
Ja, schluchze nur aus voller Brust
Und mache den Versuch, zu weinen!
Zu beiden gewaltsam.
Verzichtet aber auf Glück und Lust;
Das Beßre wird euch nie erscheinen!
Sie fahren von ihm weg, werfen sich an den Seiten nieder; Liebe liegt ringend, Glaube still.
DÄMON DER UNTERDRÜCKUNG.
So hab' ich euch dahin gebracht,
Beim hellsten Tag in tiefste Nacht.
Getrennt wie sie gefesselt sind,
Ist Liebe töricht, Glaube blind.
Allein die Hoffnung schweift noch immer frei –
Mein Zauber winke sie herbei!
Ich bin schon oft ihr listig nachgezogen,
Doch wandelbar wie Regenbogen,
Setzt sie den Fuß bald da, bald dort, bald hier;
Und hab' ich diese nicht betrogen,
Was hilft das andre alles mir!
Funfzehnter Auftritt
Hoffnung erscheint auf der Ruine linker Hand des Zuschauers, bewaffnet mit Helm, Schild und Speer.
DÄMON DER UNTERDRÜCKUNG.
Sie kommt! sie ist's! – Ich will sie kirren:
's ist auch ein Mädchenhaupt, ich will's verwirren.
Sie sieht mich, bleibt gelassen stehn,
Sie soll mir diesmal nicht entgehn.
Sanft teilnehmend.
Im Gedränge hier auf Erden
Kann nicht jeder, was er will;
Was nicht ist, es kann noch werden,
Hüte dich und bleibe still.
Sie hebt den Speer gegen ihn auf und steht in drohender Gebärde unbeweglich.
Doch welch ein Nebel, welche Dünste
Verbergen plötzlich die Gestalt!
Wo find' ich sie? Ich weiß nicht, wo sie wallt:
An ihr verschwend' ich meine Künste.
Verdichtet schwankt der Nebelrauch und wächst
Und webt, er webt undeutliche Gestalten,
Die deutlich, doch undeutlich, immerfort
Das Ungeheure mir entfalten.
Gespenster sind's, nicht Wolken, nicht Gespenster,
Die Wirklichen, sie dringen auf mich ein.
Wie kann das aber wirklich sein,
Das Webende, das immer sich entschleiert?
Verschleierte Gestalten, Ungestalten,
In ewigem Wechseltrug erneuert!
Wo bin ich? Bin ich mir bewußt? –
Sie sind's! sie sind auch nicht, und aus dem Grauen
Muß ich voran lebendig Kräft'ge schauen;
Fürwahr, es drängt sich Brust an Brust
Voll Lebensmacht und Kampfeslust;
Die Häupter in den Wolken sind gekrönt,
Die Füße schlangenartig ausgedehnt,
Verschlungen schlingend,
Mit sich selber ringend,
Doch alle klappernd nur auf mich gespitzt.
Die breite Wolke senkt sich, eine Wolke
Lebendig tausendfach, vom ganzen Volke,
Von allen Edlen schwer; sie sinkt, sie drückt,
Sie beugt mich nieder, sie erstickt!
Er wehrt sich gegen die von der Einbildungskraft ihm vorgespiegelte Vision, weicht ihr aus, wähnt, in die Enge getrieben zu sein, ist ganz nahe, zu knien. Die Hoffnung nimmt ihre ruhige Stellung wieder an. Er ermannt sich.
Aufgeregte Höllenbilder,
Zeigt euch wild und immer wilder,
Und ihr fechtet mich nicht an!
Euer Wanken, euer Weben
Sind Gedanken; sollt' ich beben
Vor dem selbstgeschaffnen Wahn?
Euer Lasten, euer Streben,
Ihr Verhaßten, ist kein Leben;
Eure Häupter, eure Kronen
Sind nur Schatten, trübe Luft.
Doch ich wittre Grabesduft:
Unten schein' ich mir zu wohnen,
Und schon modert mir die Gruft.
Er entflieht mit Grauen. Hoffnung ist nicht mehr zu sehen. Der Vorhang fällt.
Zweiter Aufzug
Erster Auftritt
LIEBE erhebt sich nach einiger Zeit, wie abwesend, wo nicht wahnsinnig.
Sag', wie ist dir denn zumalen?
Was beengt dir so das Herz?
Was ich fühle, sind nicht Qualen,
Was ich leide, ist nicht Schmerz.
Ob ich gleich den Namen höre,
Liebe, so hieß ich immerfort;
Es ist, als ob ich gar nicht wäre,
Liebe, 's ist ein leeres Wort.
GLAUBE die indessen aufgestanden, aber nicht sicher auf ihren Füßen steht.
Wankt der Felsen unter mir,
Der mich sonst so kräftig trug?
Nein! ich wanke, sinke hier,
Habe nicht mehr Kraft genug,
Mich zu halten; meine Knie
Brechen, ach, ich beuge sie
Nicht zum Beten; sinnenlos,
Herzlos lieg' ich an dem Boden,
Mir versagt, mir stockt der Oden;
Götter! meine Not ist groß!
LIEBE weiterschreitend.
Zwar gefesselt sind die Hände,
Doch der Fuß bewegt sich noch;
Wenn ich, ach, dorthin mich wende,
Schüttl' ich ab das schwere Joch.
GLAUBE wie jene, nur etwas rascher und lebhafter.
Will ich mich vom Ort bewegen,
Wird vielleicht der Busen frei.
Sieht die Schwester herankommen.
O, die Schwester! Welch ein Segen!
Ja, die Gute kommt herbei.
Indem sie gegeneinander die Arme ausstrecken, sehen sie sich so weit entfernt, daß sie sich nicht berühren können.
LIEBE.
Gott! ich kann dich nicht erreichen,
Ach, von dir steh' ich gebannt!
Indem sie an ihren vorigen Platz eilig zurückkehrt.
GLAUBE.
Gibt's ein Elend solchesgleichen!
Die noch gezögert und sich hin und wieder umgesehen hat, stürmt auch nach ihrer Seite.
Nein! die Welt hat's nicht gekannt.
Beide werfen sich an ihrer Stelle nieder.
Zweiter Auftritt
HOFFNUNG welche indessen oben erschienen und heruntergetreten ist.
Ich höre jammern, höre klagen –
In Banden meine Schwestern? Wie,
O wie sie ringen, wie sie zagen!
Vernehmt mein Wort, es fehlet nie.
Ihr zeigt mir freilich eure Ketten,
Getrauet nicht, mich anzuschaun;
Doch bin ich, hoff' euch zu erretten –
Erhebt euch, kommt, mir zu vertraun!
Dritter Auftritt
GENIEN herbeieilend.
Immer sind wir noch im Lande,
Hier und dort mit raschem Lauf.
Sie nehmen die Ketten ab, zugleich mit dem Schmuck.
Erstlich lösen wir die Bande –
Richte du sie wieder auf!
Denn uns Genien gegeben
Ward gewiß ein schönes Teil;
Euer eigenes Bestreben
Wirke nun das eigne Heil.
Sie entfernen sich.
HOFFNUNG zu den wegeilenden Genien.
Nehmt Gotteslohn, ihr süßen Brüder!
Sie hebt erst den Glauben auf und bringt ihn gegen die Mitte.
Und steht nur erst der Glaube fest,
So hebt sich auch die Liebe wieder.
LIEBE die von selbst aufspringt und auf die Hoffnung loseilt.
Ja, ich bin's, und neugeboren
Werf' ich mich an deine Brust.
GLAUBE.
Völlig hatt' ich mich verloren,
Wieder find' ich mich mit Lust.
HOFFNUNG.
Ja, wer sich mit mir verschworen,
Ist sich alles Glücks bewußt.
Denn wie ich bin, so bin ich auch beständig,
Nie der Verzweiflung geb' ich mich dahin;
Ich mildre Schmerz, das höchste Glück vollend' ich;
Weiblich gestaltet, bin ich männlich kühn.
Das Leben selbst ist nur durch mich lebendig,
Ja übers Grab kann ich's hinüberziehn,
Und wenn sie mich sogar als Asche sammeln,
So müssen sie noch meinen Namen stammeln.
Und nun vernehmt! – Wie einst in Grabeshöhlen
Ein frommes Volk geheim sich flüchtete
Und allen Drang der himmlisch reinen Seelen
Nach oben voll Vertrauen richtete,
Nicht unterließ, auf höchsten Schutz zu zählen,
Und auszudauern sich verpflichtete:
So hat die Tugend still ein Reich gegründet
Und sich, zu Schutz und Trutz, geheim verbündet.
Im Tiefsten hohl, das Erdreich untergraben,
Auf welchem jene schrecklichen Gewalten
Nun offenbar ihr wildes Wesen haben
In majestätisch häßlichen Gestalten
Und mit den holden überreifen Gaben
Der Oberfläche nach Belieben schalten
Doch wird der Boden gleich zusammenstürzen
Und jenes Reich des Übermuts verkürzen.
Von Osten rollt, Lauinen gleich, herüber
Der Schnee- und Eisball, wälzt sich groß und größer,
Er schmilzt, und nah und näher stürzt vorüber
Das alles überschwemmende Gewässer:
So strömt's nach Westen, dann zum Süd hinüber
Die Welt sieht sich zerstört – und fühlt sich besser:
Vom Ozean, vom Belt her kommt uns Rettung;
So wirkt das All in glücklicher Verkettung.
Vierter Auftritt
GENIEN den drei Schwestern Kronen darreichend.
Und so bestärkt euch, Königinnen!
Ihr seid es, obschon jetzt gebeugt.
Ihr müßt noch alles Glück gewinnen:
Vom Himmel seid ihr uns gezeugt;
Zum Himmel werdet ihr euch heben
Die Sterblichen, sie sehn's entzückt
Und glorreich über Welten schweben,
Die ihr auf ewig nun beglückt.
Doch was dem Abgrund kühn entstiegen,
Kann durch ein ehernes Geschick
Den halben Weltkreis übersiegen,
Zum Abgrund muß es doch zurück.
Schon droht ein ungeheures Bangen,
Vergebens wird er widerstehn!
Und alle, die noch an ihm hangen,
Sie müssen mit zugrunde gehn.
HOFFNUNG.
Nun begegn' ich meinen Braven,
Die sich in der Nacht versammelt,
Um zu schweigen, nicht zu schlafen,
Und das schöne Wort der Freiheit
Wird gelispelt und gestammelt,
Bis in ungewohnter Neuheit
Wir an unsrer Tempel Stufen
Wieder neu entzückt es rufen:
Mit Überzeugung, laut.
Freiheit!
Gemäßigter.
Freiheit!
Von allen Enden Echo.
Freiheit!
LIEBE.
Kommt, zu sehn, was unsre frommen
Guten Schwestern unternommen,
Die mit Seufzen sich bereiten
Auf die blutig wilden Zeiten.
GLAUBE.
Denn der Liebe Hilf' und Laben
Wird den schönsten Segen haben,
Und im Glauben überwinden
Sie die Furcht, die sie empfinden.
GENIUS I.
Ihr werdet eure Kraft beweisen,
Bereitet still den jüngsten Tag.
GENIUS II.
Denn jenes Haupt von Stahl und Eisen
Zermalmt zuletzt ein Donnerschlag.
Die sämtlichen fünfe, unter musikalischer Begleitung, kehren sich um und gehen nach dem Grunde. Die Hoffnung besteigt die Ruinen links des Zuschauers, Glaube und Liebe die Ruinen rechts; die Knaben besteigen die Treppen und stellen sich an die Pforten. Sie begrüßen sich alle untereinander nochmals zum Abschied. Es wird Nacht.
Fünfter Auftritt
UNSICHTBARES CHOR.
Sterne versanken und Monden in Blut.
Aber nun wittert und lichtet es gut:
Sonne, sie nahet dem himmlischen Thron,
Lieber, sie kommen und wecken dich schon.
Die Genien eröffnen die Pforten, indem sie sich dahinter verstecken und lauschen. Epimenides ruht noch, wie er eingeschlafen; die Lampe brennt. Er erwacht, regt sich, steht auf, tritt unter die Türe, gibt seine Verwunderung zu erkennen, tritt wankend die Stufen herunter, ungewiß, wo er sich befinde.
Sechster Auftritt
EPIMENIDES.
Und welch Erwachen! wunderbar genug!
Die Pforten öffnen sich bei düstrer Nacht.
Täuscht mich der Genien sonst so treuer Dienst?
Kein Stern am Himmel?
Es erscheint ein Komet, ungeheuer.
Welch ein furchtbar Zeichen
Erschreckt den Blick mit Rutenfeuerschein!
Wo bin ich denn? – In eine Wüstenei,
Von Fels und Baum beschränkt, bin ich begraben.
Wie war es sonst! als mir die Flügeltüren
Beim ersten Morgenlicht von Geisterhand
Sich öffneten, das liebe Himmelspaar
Mich in die holde Welt herunterführte,
Mich Tempel und Palast, und nah und fern
Die herrlichste Natur mich glänzend grüßte.
Wie düster jetzt! und was der Feuerschein
Mir ahnungsvoll entdeckt, ist grausenhaft.
Wer leitet mich? wer rettet vom Verderben?
Verdient wohl euer Freund, ihr Götter, so zu sterben?
Die Genien treten, oben an der Pforte, hervor mit
Fackeln.
Doch ihr erhört des treuen Priesters Ruf!
Ich sehe neuen goldnen Schein umschimmern:
Die Lieben sind's! o, wo sie leuchtend gehn,
Liegt keine Wüste, haust kein Schrecknis mehr.
Sie sind heruntergekommen und stehen neben ihm.
O sagt mir an, ihr Holden, welchen Traum
Von Ängstlichkeiten schafft ihr um mich her?
Sie legen den Finger auf den Mund.
Ich träume, ja! wo nicht, so hat ein Gott
In tiefe Wüsteneien mich verschlagen
Hier – keine Spur von jenem alten Glanz,
Nicht Spur von Kunst, von Ordnung keine Spur!
Es ist der Schöpfung wildes Chaos hier,
Das letzte Grauen endlicher Zerstörung.
Genien deuten hinüber und herüber.
Was deutet ihr? Ich soll mich hier erkennen!
Die Genien leuchten voran nach der einen Seite.
Euch folgen? wohl! ihr leuchtet dieserseits.
Was seh' ich hier! ein wohlbekanntes Bild!
In Marmorglanze, Glanz vergangner Tage.
»Der Vater ruht auf seinem breiten Polster,
Die Frau im Sessel, Kinder stehn umher
Von jedem Alter; Knechte tragen zu,
Das Pferd sogar es wiehert an der Pforte;
Die Tafel ist besetzt, man schwelgt und ruht.«
Fürwahr! es ist die Stätte noch, wo mir
Des Freudentages hellste Sonne schien;
Ist alles doch in Schutt und Graus versunken.
Sie deuten, und leiten ihn nach der andern Seite.
Noch weiter? Nein, ihr Guten, nein, ach nein!
Ich glaub' es auch, es ist die alte Stätte;
Doch während meines Schlafes hat ein Gott
Die Erd' erschüttert, daß Ruinen hier
Sich aufeinander türmen, durch ein Wunder
Der Bäume, der Gesträuche Trieb beschleunigt.
So ist es hin, was alles ich gebaut
Und was mit mir von Jugend auf emporstieg.
O, wär' es herzustellen! Nein, ach nein!
Ihr nötigt mich an diese Tafel hin!
Zerschlagen ist sie, nicht mehr leserlich.
Hinweg von mir! O mein Gedächtnis! O!
Du hältst das Lied noch fest, du wiederholst es.
UNSICHTBARES CHOR.
Hast du ein gegründet Haus,
Fleh' die Götter alle,
Daß es, bis man dich trägt hinaus,
Nicht zu Schutt zerfalle
Und noch lange hinterdrein
Kindeskindern diene,
Und umher ein frischer Hain
Immer neu ergrüne.
EPIMENIDES.
Dämonen seid ihr, keine Genien!
Der Hölle, die Verzweiflung haucht, entstiegen.
Sie haucht mich an, durchdringt, erstarrt die Brust,
Umstrickt das Haupt, zerrüttet alle Sinnen.
Er beugt seine Knie, richtet sich aber gleich wieder auf.
Nein, kniee nicht! sie hören dich nicht mehr;
Die Genien schweigen, wünsche dir den Tod.
Denn wo der Mensch verzweifelt, lebt kein Gott,
Und ohne Gott will ich nicht länger leben.
Er wendet sich ab, verzweifelnd.
GENIEN sich einander zuwinkend.
Komm! wir wollen dir versprechen
Rettung aus dem tiefsten Schmerz
Pfeiler, Säulen kann man brechen,
Aber nicht ein freies Herz:
Denn es lebt ein ewig Leben,
Es ist selbst der ganze Mann,
In ihm wirken Lust und Streben,
Die man nicht zermalmen kann.
EPIMENIDES wehmütig.
O sprecht! o helft! mein Knie, es trägt mich kaum:
Ihr wollt euch bittern Spott erlauben?
GENIEN.
Komm mit! den Ohren ist's ein Traum;
Den Augen selbst wirst du nicht glauben.
Es wird auf einmal Tag. Von ferne kriegerische Musik. Epimenides und die Genien stehen vor der Pforte.
Siebenter Auftritt
Die kriegerische Musik kommt näher. Die Hoffnung, den Jugendfürsten an der Seite, führt über die Ruinen, da wo sie abgegangen ist, ein Heer herein, welches die verschiedenen neuern, zu diesem Kriege verbündeten Völker bezeichnet.
CHOR.
Brüder, auf! die Welt zu befreien!
Kometen winken, die Stund' ist groß.
Alle Gewebe der Tyranneien
Haut entzwei und reißt euch los!
Hinan! – Vorwärts – hinan!
Und das Werk, es werde getan!
So erschallt nun Gottes Stimme,
Denn des Volkes Stimme, sie erschallt,
Und entflammt von heil'gem Grimme,
Folgt des Blitzes Allgewalt.
Hinan! – Vorwärts – hinan!
Und das große Werk wird getan.
Und so schreiten wir, die Kühnen,
Eine halbe Welt entlang;
Die Verwüstung, die Ruinen,
Nichts verhindre deinen Gang.
Hinan! – Vorwärts – hinan!
Und das große, das Werk sei getan.
JUGENDFÜRST.
Hinter uns her vernehmt ihr schallen
Starke Worte, treuen Ruf:
Siegen, heißt es, oder fallen
Ist, was alle Völker schuf.
Hinan! – Vorwärts – hinan!
Und das Werk, es wäre getan.
HOFFNUNG.
Noch ist vieles zu erfüllen,
Noch ist manches nicht vorbei;
Doch wir alle, durch den Willen
Sind wir schon von Banden frei.
CHOR.
Hinan! – Vorwärts – hinan!
Und das große, das Werk sei getan.
JUGENDFÜRST.
Auch die Alten und die Greisen
Werden nicht im Rate ruhn;
Denn es ist um den Stein der Weisen,
Es ist um das All zu tun.
Hinan! – Vorwärts – hinan!
Und das Werk, es war schon getan.
CHOR.
Denn so einer »Vorwärts« rufet,
Gleich sind alle hinterdrein,
Und so geht es, abgestufet,
Stark und schwach und groß und klein.
Hinan! – Vorwärts – hinan!
Und das große, das Werk ist getan.
Und wo eh' wir sie nun erfassen,
In den Sturz, in die Flucht sie hinein!
Ja, in ungeheuren Massen
Stürzen wir schon hinterdrein.
Hinan! – Vorwärts – hinan!
Und das alles, das Werk ist getan.
Achter Auftritt
Glaube und Liebe mit den Frauen und Landbewohnern an der andern Seite.
CHOR.
Und wir kommen
Mit Verlangen,
Wir, die Frommen,
Zu empfangen
Sie, die Braven,
Sie mit Kränzen
Zu umschlingen.
Und mit Hymnen
Zu umsingen,
Zu erheben
Jene Braven,
Die da schlafen,
Die gegeben
Höhrem Leben.
LANDBEWOHNER aller Alter und Stände.
Und die wir zurückgeblieben,
Eurer Kraft uns anvertraut,