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MAGISTER. Der Fürst?
BREME. Er hat die Gesinnungen Friedrichs und Josephs, der beiden Monarchen, welche alle wahren Demokraten als ihre Heiligen anbeten sollten. Er ist erzürnt, zu sehen, wie der Bürger- und Bauernstand unterm Druck des Adels seufzt, und leider kann er selbst nicht wirken, da er von lauter Aristokraten umgeben ist. Haben wir uns nur aber erst legitimiert, dann setzt er sich an unsere Spitze, und seine Truppen sind zu unsern Diensten, und Breme und alle braven Männer sind an seiner Seite.
MAGISTER. Wie habt Ihr das alles erforscht und getan und habt Euch nichts merken lassen?
BREME. Man muß im stillen viel tun, um die Welt zu überraschen. Er geht ans Fenster. Wenn nur erst der Hofrat fort wäre, dann solltet ihr Wunder sehen.
MARTIN auf Bremen deutend. Nicht wahr, das ist ein Mann!
ALBERT. Er kann einem recht Herz machen.
BREME. Und, lieber Magister, die Verdienste, die Ihr Euch heute nacht erwerbt, dürfen nicht unbelohnt bleiben. Wir arbeiten heute fürs ganze Vaterland. Von unserm Dorfe wird die Sonne der Freiheit aufgehen. Wer hätte das gedacht!
MAGISTER. Befürchtet Ihr keinen Widerstand?
BREME. Dafür ist schon gesorgt. Der Amtmann und die Gerichtsdiener werden gleich gefangen genommen. Der Hofrat geht weg, die paar Bedienten wollen nichts sagen, und der Baron ist nur der einzige Mann im Schlosse; den locke ich durch meine Tochter herüber ins Haus und sperre ihn ein, bis alles vorbei ist.
MARTIN. Wohl ausgedacht.
MAGISTER. Ich verwundere mich über Eure Klugheit.
BREME. Nu, nu! wenn es Gelegenheit gibt, sie zu zeigen, sollt Ihr noch mehr sehen, besonders was die auswärtigen Angelegenheiten betrifft. Glaubt mir, es geht nichts über einen guten Chirurgus, besonders wenn er dabei ein geschickter Barbier ist. Das unverständige Volk spricht viel von Bartkratzern und bedenkt nicht, wie viel dazu gehört jemanden zu barbieren, eben daß es nicht kratze. Glaubt mir nur, es wird zu nichts mehr Politik erfordert, als den Leuten den Bart zu putzen, ihnen diese garstigen barbarischen Exkremente der Natur, diese Barthaare, womit sie das männliche Kinn täglich verunreinigt, hinweg zu nehmen und den Mann dadurch an Gestalt und Sitten einer glattwangigen Frau, einem zarten liebenswürdigen Jüngling ähnlich zu machen. Komme ich dereinst dazu, mein Leben und Meinungen aufzusetzen, so soll man über die Theorie der Barbierkunst erstaunen, aus der ich zugleich alle Lebens- und Klugheitsregeln herleiten will.
MAGISTER. Ihr seid ein originaler Kopf.
BREME. Ja, ja, das weiß ich wohl, und deswegen habe ich auch den Leuten verziehen, wenn sie mich oft nicht begreifen konnten und wenn sie, albern genug, glaubten mich zum besten zu haben. Aber ich will ihnen zeigen, daß, wer einen rechten Seifenschaum zu schlagen weiß, wer mit Leichtigkeit, Bequemlichkeit und Gewandtheit der Finger einzuseifen, den sprödesten Bart zahm zu machen versteht; wer da weiß, daß ein frisch abgezognes Messer ebenso gut rauft als ein stumpfes, wer mit dem Strich oder wider den Strich die Haare wegnimmt, als wären sie gar nicht dagewesen; wer dem warmen Wasser zum Abwaschen die gehörige Temperatur verleiht und selbst das Abtrocknen mit Gefälligkeit verrichtet und in seinem ganzen Benehmen etwas Zierliches darstellt – das ist kein gemeiner Mensch, sondern er muß alle Eigenschaften besitzen, die einem Minister Ehre machen.
ALBERT. Ja, ja, es ist ein Unterschied zwischen Barbier und Barbier.
MARTIN. Und Herr Breme besonders, das ist dir eine ordentliche Lust.
BREME. Nu, nu, es wird sich zeigen. Es ist bei der ganzen Kunst nichts Unbedeutendes. Die Art, den Schersack aus- und einzukramen, die Art, die Gerätschaften zu halten, ihn unterm Arm zu tragen – ihr sollt Wunder hören und sehen. Nun wird's aber Zeit, daß ich meine Tochter vorkriege. Ihr Leute, geht an eure Posten! Herr Magister, halten Sie sich in der Nähe.
MAGISTER. Ich gehe in den Gasthof, wohin ich gleich meine Sachen habe bringen lassen, als man mir im Schlosse übel begegnete.
BREME. Wenn Sie stürmen hören, so soll's Ihnen freistehen, sich zu uns zu schlagen oder abzuwarten, ob es uns glückt, woran ich gar nicht zweifle.
MAGISTER. Ich werde nicht fehlen.
BREME. So lebt denn wohl und gebt aufs Zeichen acht.
Dritter Auftritt
BREME allein. Wie würde mein sel'ger Großvater sich freuen, wenn er sehen könnte, wie gut ich mich in das neue Handwerk schicke. Glaubt doch der Magister schon, daß ich große Konnexionen bei Hofe habe. Da sieht man, was es tut, wenn man sich Kredit zu machen weiß. Nun muß Karoline kommen. Sie hat das Kind so lange gewartet, ihre Muhme wird sie ablösen. Da ist sie.
Vierter Auftritt
Breme. Karoline.
BREME. Wie befindet sich der junge Graf?
KAROLINE. Recht leidlich. Ich habe ihm Märchen erzählt, bis er eingeschlafen ist.
BREME. Was gibt's sonst im Schlosse?
KAROLINE. Nichts Merkwürdiges.
BREME. Der Hofrat ist noch nicht weg?
KAROLINE. Er scheint Anstalt zu machen. Sie binden eben den Mantelsack auf.
BREME. Hast du den Baron nicht gesehen?
KAROLINE. Nein, mein Vater.
BREME. Er hat dir heute in der Nationalversammlung allerlei in die Ohren geraunt?
KAROLINE. Ja, mein Vater.
BREME. Das eben nicht die ganze Nation, sondern meine Tochter Karoline betraf?
KAROLINE. Freilich, mein Vater.
BREME. Du hast dich doch klug gegen ihn zu benehmen gewußt?
KAROLINE. O gewiß.
BREME. Er hat wohl wieder stark in dich gedrungen?
KAROLINE. Wie Sie denken können.
BREME. Und du hast ihn abgewiesen?
KAROLINE. Wie sich's ziemt.
BREME. Wie ich es von meiner trefflichen Tochter erwarten darf, die ich aber auch mit Ehre und Glück überhäuft und für ihre Tugend reichlich belohnt sehen werde.
KAROLINE. Wenn Sie nur nicht vergebens hoffen.
BREME. Nein, meine Tochter, ich bin eben im Begriff, einen großen Anschlag auszuführen, wozu ich deine Hilfe brauche.
KAROLINE. Was meinen Sie, mein Vater?
BREME. Es ist dieser verwegenen Menschenrasse der Untergang gedroht.
KAROLINE. Was sagen Sie?
BREME. Setze dich nieder und schreib.
KAROLINE. Was?
BREME. Ein Billet an den Baron, daß er kommen soll.
KAROLINE. Aber wozu?
BREME. Das will ich dir schon sagen. Es soll ihm kein Leids widerfahren, ich sperre ihn nur ein.
KAROLINE. O Himmel!
BREME. Was gibt's?
KAROLINE. Soll ich mich einer solchen Verräterei schuldig machen?
BREME. Nur geschwind.
KAROLINE. Wer soll es denn hinüber bringen?
BREME. Dafür laß mich sorgen.
KAROLINE. Ich kann nicht.
BREME. Zuerst eine Kriegslist. Er zündet eine Blendlaterne an und löscht das Licht aus. Geschwind, nun schreib, ich will dir leuchten.
KAROLINE für sich. Was soll das werden? Der Baron wird sehen, daß das Licht ausgelöscht ist; er wird auf das Zeichen kommen.
BREME zwingt sie zum Sitzen. Schreib! »Luise bleibt im Schlosse, mein Vater schläft. Ich lösche das Licht aus, kommen Sie.«
KAROLINE widerstrebend. Ich schreibe nicht.
Fünfter Auftritt
Die Vorigen. Der Baron am Fenster.
BARON. Karoline!
BREME. Was ist das? Er schiebt die Blendlaterne zu und hält Karolinen fest, die aufstehen will.
BARON wie oben. Karoline! sind Sie nicht hier? Er steigt herein. Stille! wo bin ich? daß ich nicht fehlgehe. Gleich dem Fenster gegenüber ist des Vaters Schlafzimmer, und hier rechts an der Wand die Tür in der Mädchen Kammer. Er tappt an der Seite hin und trifft die Tür. Hier ist sie, nur angelehnt. O wie gut sich der blinde Cupido im Dunkeln zu finden weiß! Er geht hinein.
BREME. In die Falle! Er schiebt die Blendlaterne auf, eilt nach der Kammertüre und stößt den Riegel vor. So recht, und das Vorlegeschloß ist auch schon in Bereitschaft. Er legt ein Schloß vor. Und du, Nichtswürdige! so verrätst du mich?
KAROLINE. Mein Vater!
BREME. So heuchelst du mir Vertrauen vor?
BARON inwendig. Karoline! Was heißt das?
KAROLINE. Ich bin das unglücklichste Mädchen unter der Sonne.
BREME laut an der Türe. Das heißt: daß Sie hier schlafen werden, aber allein.
BARON inwendig. Nichtswürdiger! Machen Sie auf, Herr Breme, der Spaß wird Ihnen teuer zu stehen kommen.
BREME laut. Es ist mehr als Spaß, es ist bitterer Ernst.
KAROLINE an der Türe. Ich bin unschuldig an dem Verrat!
BREME. Unschuldig? Verrat?
KAROLINE vor der Türe knieend. O, wenn du sehen könntest, mein Geliebter, wie ich hier vor dieser Schwelle liege, wie ich untröstlich meine Hände ringe, wie ich meinen grausamen Vater bitte! – Machen Sie auf, mein Vater! Er hört nicht, er sieht mich nicht an. – O mein Geliebter habe mich nicht in Verdacht, ich bin unschuldig!
BREME. Du unschuldig? Niederträchtige feile Dirne! Schande deines Vaters! Ewiger schändender Flecken in dem Ehrenkleid, das er eben in diesem Augenblicke angezogen hat. Steh auf, hör' auf zu weinen, daß ich dich nicht an den Haaren von der Schwelle wegziehe, die du, ohne zu erröten, nicht wieder betreten solltest. Wie! in dem Augenblick, da Breme sich den größten Männern des Erdbodens gleichsetzt, erniedrigt sich seine Tochter so sehr!
KAROLINE. Verstoßt mich nicht, verwerft mich nicht, mein Vater! Er tat mir die heiligsten Versprechungen.
BREME. Rede mir nicht davon, ich bin außer mir. Was! ein Mädchen, das sich wie eine Prinzessin, wie eine Königin aufführen sollte, vergißt sich so ganz und gar? Ich halte mich kaum, daß ich dich nicht mit Fäusten schlage, nicht mit Füßen trete. Hier hinein! Er stößt sie in sein Schlafzimmer. Dies französische Schloß wird dich wohl verwahren. Von welcher Wut fühl' ich mich hingerissen! Das wäre die rechte Stimmung, um die Glocke zu ziehen. – Doch nein, fasse dich, Breme! – Bedenke, daß die größten Menschen in ihrer Familie manchen Verdruß gehabt haben. Schäme dich nicht einer frechen Tochter und bedenke, daß Kaiser Augustus in eben dem Augenblick mit Verstand und Macht die Welt regierte, da er über die Vergehungen seiner Julie bittere Tränen vergoß. Schäme dich nicht, zu weinen, daß eine solche Tochter dich hintergangen hat; aber bedenke auch zugleich, daß der Endzweck erreicht ist, daß der Widersacher eingesperrt verzweifelt und daß deiner Unternehmung ein glückliches Ende bevorsteht.
Sechster Auftritt
Saal im Schlosse, erleuchtet.
Friederike mit einer gezogenen Büchse. Jakob mit einer Flinte.
FRIEDERIKE. So ist's recht, Jakob, du bist ein braver Bursche. Wenn du mir die Flinte zurechtbringst, daß mir der Schulfuchs nicht gleich einfällt, wenn ich sie ansehe, sollst du ein gut Trinkgeld haben.
JAKOB. Ich nehme sie mit, gnädige Gräfin, und will mein Bestes tun. Ein Trinkgeld braucht's nicht, ich bin Ihr Diener für ewig.
FRIEDERIKE. Du willst in der Nacht noch fort? es ist dunkel und regnicht, bleibe doch beim Jäger.
JAKOB. Ich weiß nicht, wie mir ist, es treibt mich etwas fort. Ich habe eine Art von Ahnung.
FRIEDERIKE. Du siehst doch sonst nicht Gespenster.
JAKOB. Es ist auch nicht Ahnung, es ist Vermutung. Mehrere Bauern sind beim Chirurgus in der Nacht zusammengekommen; sie hatten mich auch eingeladen, ich ging aber nicht hin; ich will keine Händel mit der gräflichen Familie. Und jetzt wollt' ich doch, ich wäre hingegangen, damit ich wüßte, was sie vorhaben.
FRIEDERIKE. Nun, was wird's sein? es ist die alte Prozeßgeschichte.
JAKOB. Nein, nein, es ist mehr! lassen Sie mir meine Grille; es ist für Sie, es ist für die Ihrigen, daß ich besorgt bin.
Siebenter Auftritt
Friederike. Nachher die Gräfin und der Hofrat.
FRIEDERIKE. Die Büchse ist noch, wie ich sie verlassen habe; die hat mir der Jäger recht gut versorgt. Ja, das ist auch ein Jäger, und über die geht nichts. Ich will sie gleich laden und morgen früh bei guter Tageszeit einen Hirsch schießen. Sie beschäftigt sich an einem Tische, worauf ein Armleuchter steht, mit Pulverhorn, Lademaß, Pflaster, Kugel, Hammer und lädt die Büchse ganz langsam und methodisch.
GRÄFIN. Da hast du schon wieder das Pulverhorn beim Licht, wie leicht kann eine Schnuppe herunterfallen. Sei doch vernünftig, du kannst dich unglücklich machen.
FRIEDERIKE. Lassen Sie mich, liebe Mutter, ich bin schon vorsichtig. Wer sich vor dem Pulver fürchtet, muß nicht mit Pulver umgehen.
GRÄFIN. Sagen Sie mir, lieber Hofrat, ich habe es recht auf dem Herzen: könnten wir nicht einen Schritt tun, wenigstens bis Sie zurückkommen?
HOFRAT. Ich verehre in Ihnen diese Heftigkeit, das Gute zu wirken und nicht einen Augenblick zu zaudern.
GRÄFIN. Was ich einmal für Recht erkenne, möcht' ich auch gleich getan sehn. Das Leben ist so kurz, und das Gute wirkt so langsam.
HOFRAT. Wie meinen Sie denn?
GRÄFIN. Sie sind moralisch überzeugt, daß der Amtmann in dem Kriege das Dokument beiseitegebracht hat –
FRIEDERIKE heftig. Sind Sie 's?
HOFRAT. Nach allen Anzeigen kann ich wohl sagen, es ist mehr als Vermutung.
GRÄFIN. Sie glauben, daß er es noch zu irgendeiner Absicht verwahre?
FRIEDERIKE wie oben. Glauben Sie?
HOFRAT. Bei der Verworrenheit seiner Rechnungen, bei der Unordnung des Archivs, bei der ganzen Art, wie er diesen Rechtshandel benutzt hat, kann ich vermuten, daß er sich einen Rückzug vorbehält, daß er vielleicht, wenn man ihn von dieser Seite drängt, sich auf die andere zu retten und das Dokument dem Gegenteile für eine an sehnliche Summe zu verhandeln denkt.
GRÄFIN. Wie wär' es, man suchte ihn durch Gewinst zu locken? Er wünscht seinen Neffen substituiert zu haben; wie wär' es, wir versprächen diesem jungen Menschen eine Belohnung, wenn er zur Probe das Archiv in Ordnung brächte, besonders eine ansehnliche, wenn er das Dokument ausfindig machte? Man gäbe ihm Hoffnung zur Substitution. Sprechen Sie ihn noch, ehe Sie fortgehen; indes, bis Sie wiederkommen, richtet sich's ein.
HOFRAT. Es ist zu spät, der Mann ist gewiß schon zu Bette.
GRÄFIN. Glauben Sie das nicht. So alt er ist, paßt er Ihnen auf, bis Sie in den Wagen steigen. Er macht Ihnen noch in völliger Kleidung seinen Scharrfuß und versäumt gewiß nicht, sich Ihnen zu empfehlen. Lassen wir ihn rufen.
FRIEDERIKE. Lassen Sie ihn rufen, man muß doch sehen, wie er sich gebärdet.
HOFRAT. Ich bin's zufrieden.
FRIEDERIKE klingelt und sagt zum Bedienten, der hereinkommt. Der Amtmann möchte doch noch einen Augenblick herüberkommen!
GRÄFIN. Die Augenblicke sind kostbar. Wollen Sie nicht indes noch einen Blick auf die Papiere werfen, die sich auf diese Sache beziehen? Zusammen ab.
Achter Auftritt
Friederike allein, nachher der Amtmann.
FRIEDERIKE. Das will mir nicht gefallen. Sie sind überzeugt, daß er ein Schelm ist, und wollen ihm nicht zu Leibe. Sie sind überzeugt, daß er sie betrogen, ihnen geschadet hat, und wollen ihn belohnen. Das taugt nun ganz und gar nichts. Es wäre besser, daß man ein Exempel statuierte. Da kommt er eben recht.
AMTMANN. Ich höre, daß des Herrn Hofrats Wohlgeboren noch vor ihrer Abreise mir etwas zu sagen haben. Ich komme, dessen Befehle zu vernehmen.
FRIEDERIKE indem sie die Büchse nimmt. Verziehen Sie einen Augenblick, er wird gleich wieder hier sein. Sie schüttet Pulver auf die Pfanne.
AMTMANN. Was machen Sie da, gnädige Gräfin?
FRIEDERIKE. Ich habe die Büchse auf morgen früh geladen, da soll ein alter Hirsch fallen.
AMTMANN. Ei, ei! schon heute geladen und Pulver auf die Pfanne, das ist verwegen! wie leicht kann da ein Unglück geschehen.
FRIEDERIKE. Ei was! Ich bin gern fix und fertig. Sie hebt das Gewehr auf und hält es, gleichsam zufällig, gegen ihn.
AMTMANN. Ei, gnädige Gräfin, kein geladen Gewehr jemals auf einen Menschen gehalten! Da kann der Böse sein Spiel haben.
FRIEDERIKE in der vorigen Stellung. Hören Sie, Herr Amtmann, ich muß Ihnen ein Wort im Vertrauen sagen: – daß Sie ein erzinfamer Spitzbube sind.
AMTMANN. Welche Ausdrücke, meine Gnädige! – Tun Sie die Büchse weg.
FRIEDERIKE. Rühre dich nicht vom Platz, verdammter Kerl! Siehst du, ich spanne, siehst du, ich lege an! Du hast ein Dokument gestohlen –
AMTMANN. Ein Dokument? ich weiß von keinem Dokumente.
FRIEDERIKE. Siehst du, ich steche, es geht alles in der Ordnung, und wenn du nicht auf der Stelle das Dokument herausgibst oder mir anzeigst, wo es sich befindet, oder was mit ihm vorgefallen, so rühr' ich diese kleine Nadel, und du bist auf der Stelle mausetot.
AMTMANN. Um Gottes willen!
FRIEDERIKE. Wo ist das Dokument?
AMTMANN. Ich weiß nicht – Tun Sie die Büchse weg – Sie könnten aus Versehen –
FRIEDERIKE wie oben. Aus Versehen oder mit Willen bist du tot. Rede, wo ist das Dokument?
AMTMANN. Es ist – verschlossen.
Neunter Auftritt
Gräfin. Hofrat. Die Vorigen.
GRÄFIN. Was gibt 's hier?
HOFRAT. Was machen Sie?
FRIEDERIKE immer zum Amtmann. Rühren Sie sich nicht, oder Sie sind des Todes! wo verschlossen?
AMTMANN. In meinem Pulte.
FRIEDERIKE. Und in dem Pulte! wo?
AMTMANN. Zwischen einem Doppelboden.
FRIEDERIKE. Wo ist der Schlüssel?
AMTMANN. In meiner Tasche.
FRIEDERIKE. Und wie geht der doppelte Boden auf?
AMTMANN. Durch einen Druck an der rechten Seite.
FRIEDERIKE. Heraus den Schlüssel!
AMTMANN. Hier ist er.
FRIEDERIKE. Hingeworfen!
AMTMANN wirft ihn auf die Erde.
FRIEDERIKE. Und die Stube?
AMTMANN. Ist offen.
FRIEDERIKE. Wer ist drinnen?
AMTMANN. Meine Magd und mein Schreiber.
FRIEDERIKE. Sie haben alles gehört, Herr Hofrat. Ich habe Ihnen ein umständliches Gespräch erspart. Nehmen Sie den Schlüssel und holen Sie das Dokument. Bringen Sie es nicht zurück, so hat er gelogen, und ich schieße ihn darum tot.
HOFRAT. Lassen Sie ihn mitgehen; bedenken Sie, was Sie tun.
FRIEDERIKE. Ich weiß, was ich tue. Machen Sie mich nicht wild und gehen Sie. Hofrat ab.
GRÄFIN. Meine Tochter, du erschreckst mich. Tu das Gewehr weg!
FRIEDERIKE. Gewiß nicht eher, als bis ich das Dokument sehe.
GRÄFIN. Hörst du nicht? deine Mutter befiehlt's.
FRIEDERIKE. Und wenn mein Vater aus dem Grabe aufstünde, ich gehorchte nicht.
GRÄFIN. Wenn es losginge!
FRIEDERIKE. Welch Unglück wäre das?
AMTMANN. Es würde Sie gereuen.
FRIEDERIKE. Gewiß nicht. Erinnerst du dich noch, Nichtswürdiger, als ich vorm Jahr im Zorn nach dem Jägerburschen schoß, der meinen Hund prügelte, erinnerst du dich noch, da ich ausgescholten wurde und alle Menschen den glücklichen Zufall priesen, der mich hatte fehlen lassen, da warst du's allein, der hämisch lächelte und sagte: Was wär' es denn gewesen? ein Kind aus einem vornehmen Hause! das wäre mit Geld abzutun. Ich bin noch immer ein Kind, ich bin noch immer aus einem vornehmen Hause; so müßte das wohl auch mit Geld abzutun sein.
HOFRAT kommt zurück. Hier ist das Dokument.
FRIEDERIKE. Ist es? Sie bringt das Gewehr in Ruh.
GRÄFIN. Ist's möglich?
AMTMANN. O ich Unglücklicher!
FRIEDERIKE. Geh! Elender! daß deine Gegenwart meine Freude nicht vergälle!
HOFRAT. Es ist das Original.
FRIEDERIKE. Geben Sie mir's. Morgen will ich's den Gemeinden selbst zeigen und sagen, daß ich's ihnen erobert habe.
GRÄFIN sie umarmend. Meine Tochter!
FRIEDERIKE. Wenn mir der Spaß nur die Lust an der Jagd nicht verdirbt. Solch ein Wildpret schieß' ich nie wieder!
Fünfter Aufzug
Nacht, trüber Mondschein.
Das Theater stellt einen Teil des Parks vor, der früher beschrieben worden. Rauhe steile Felsenbänke, auf denen ein verfallenes Schloß. Natur und Mauerwerk ineinander verschränkt. Die Ruine sowie die Felsen mit Bäumen und Büschen bewachsen. Eine dunkle Kluft deutet auf Höhlen, wo nicht gar unterirdische Gänge.
Friederike, fackeltragend, die Büchse unterm Arm, Pistolen im Gürtel, tritt aus der Höhle, umherspürend. Ihr folgt die Gräfin, den Sohn an der Hand. Auch Luise. Sodann der Bediente, mit Kästchen beschwert. Man erfährt, daß von hier ein unterirdischer Gang zu den Gewölben des Schlosses reicht, daß man die Schloßpforten gegen die andringenden Bauern verriegelt, daß die Gräfin verlangt habe, man solle ihnen aus dem Fenster das Dokument ankündigen und zeigen und so alles beilegen. Friederike jedoch sei nicht zu bewegen gewesen, sich in irgendeine Kapitulation einzulassen, noch sich einer Gewalt, selbst nach eigenen Absichten, zu fügen. Sie habe vielmehr die Ihrigen zur Flucht genötigt, um auf diesem geheimen Wege ins Freie zu gelangen und den benachbarten Sitz eines Anverwandten zu erreichen. Eben will man sich auf den Weg machen, als man oben in der Ruine Licht sieht, ein Geräusch hört. Man zieht sich in die Höhle zurück. Herunter kommen Jakob, der Hofrat und eine Partei Bauern. Jakob hatte sie unterwegs angetroffen und sie zu Gunsten der Herrschaft zu bereden gesucht. Der Wagen des wegfahrenden Hofrats war unter sie gekommen. Dieser würdige Mann verbindet sich mit Jakob und kann das Hauptargument, daß der Originalrezeß gefunden sei, allen übrigen Beweggründen hinzufügen. Die aufgeregte Schar wird beruhigt, ja sie entschließt sich, den Damen zu Hilfe zu kommen.
Friederike, die gelauscht hat, nun von allem unterrichtet, tritt unter sie, dem Hofrat und dem jungen Landmann sehr willkommen, auch den übrigen durch die Vorzeigung des Dokuments höchst erwünscht.
Eine früher ausgesendete Patrouille dieses Trupps kommt zurück und meldet, daß ein Teil der Aufgeregten vom Schlosse her im Anmarsche sei. Alles verbirgt sich, teils in der Höhle, teils in Felsen und Gemäuer.
Breme mit einer Anzahl bewaffneter Bauern tritt auf, schilt auf den Magister, daß er außen geblieben, und erklärt die Ursache, warum er einen Teil der Mannschaft in den Gewölben des Schlosses ge lassen und mit dem andern sich hieher verfügt. Er weiß das Geheimnis des unterirdischen Ganges und ist überzeugt, daß die Familie sich darein versteckt, und dies gibt die Gewißheit, ihrer habhaft zu werden. Sie zünden Fackeln an und sind im Begriff, in die Höhle zu treten. Friederike, Jakob, der Hofrat erscheinen in dem Augenblicke, bewaffnet, sowie die übrige Menge.
Breme sucht der Sache eine Wendung durch Beispiele aus der alten Geschichte zu geben und tut sich auf seine Einfälle viel zugute, da man sie gelten läßt; und als nun das Dokument auch hier seine Wirkung nicht verfehlt, so schließt das Stück zu allgemeiner Zufriedenheit. Die vier Personen, deren Gegenwart einen unangenehmen Eindruck machen könnte: Karoline, der Baron, der Magister und der Amtmann, kommen nicht mehr zum Vorschein.
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