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GRAF. Marquise! Marquise! Wenn ich nicht so nachsichtig wäre, wie würde es um Sie stehen?
MARQUISE. Wie das, Herr Graf?
GRAF. Wenn ich nicht so nachsichtig und mächtig zugleich wäre! Ihr seid ein leichtsinniges Volk! Wie oft habt ihr mich nicht fußfällig gebeten, daß ich euch weiter in die Geheimnisse führen soll! Habt ihr nicht versprochen, euch allen Prüfungen zu unterwerfen, wenn ich euch den Großkophta zeigen, wenn ich euch seine Gewalt über die Geister sehen und mit Händen greifen ließe; und was habt ihr gehalten?
MARQUISE. Keine Vorwürfe, bester Graf! Sie haben uns genug gestraft.
GRAF. Ich lasse mich erweichen. Nach einigem Nachdenken. Ich sehe wohl, ich muß anders zu Werke gehen und euch durch eine ganz besondere Weihung, durch die kräftigste Anwendung meiner Wundergaben in wenig Augenblicken rein und fähig machen, vor dem Wundermann zu erscheinen. Es ist eine Operation, die, wenn sie nicht gerät, uns allen gefährlich sein kann. Ich sehe es immer lieber, wenn meine Schüler sich selber vorbereiten, damit ich sie als umgeschaffene Menschen ruhig und sicher in die Gesellschaft der Geister führen kann.
MARQUISE. Lassen Sie uns nicht länger warten. Machen Sie uns noch heute glücklich, wenn es möglich ist. Lieber will ich mich der größten Gefahr aussetzen, die nur einen Augenblick dauert, als mich dem strengen Gebot unterwerfen, das mir monatelang Tage und Nächte raubt.
GRAF. Leicht wollt ihr alles haben, leicht und bequem! und ihr fragt nicht, wie schwer mir nun die Arbeit werden muß?
MARQUISE. Ihnen schwer? – Ich wüßte nicht, was Ihnen schwer werden könnte.
GRAF. Schwer! sauer! und gefährlich! – Glaubt ihr, der Umgang mit Geistern sei eine lustige Sache? Man zwingt sie nicht, wie ihr die Männer, mit einem Blick, mit einem Händedruck. Ihr denkt nicht, daß sie mir widerstehen, daß sie mir zu schaffen machen, daß sie mich überwältigen möchten, daß sie auf jeden meiner Fehler achthaben, mich zu überlisten. Schon zweimal in meinem Leben habe ich gefürchtet, ihnen unterzuliegen; darum trage ich dieses Gewehr – Er zieht ein Terzerol aus der Tasche. – immer bei mir, um mich des Lebens zu berauben, wenn ich fürchten müßte, ihnen untertänig zu werden.
NICHTE zum Marquis. Welch ein Mann! Es zittern mir die Knie vor Schrecken! So hab ich nie reden hören! von solchen Dingen hab ich nie reden hören! von solchen Dingen hab ich nichts geträumt!
MARQUIS. Wenn Sie erst die Einsichten, die Gewalt dieses Mannes kennen sollten, Sie würden erstaunen.
NICHTE. Er ist gefährlich! mir ist angst und bange!
Der Graf sitzt indes unbeweglich und sieht starr vor sich hin.
MARQUISE. Wo sind Sie, Graf? Sie scheinen abwesend! – So hören Sie doch! Sie faßt ihn an und schüttelt ihn. Was ist das? Er rührt sich nicht! Hören Sie mich doch!
MARQUIS tritt näher. Sie sind ein Kenner von Steinen, wie hoch schätzen Sie diesen Ring? – – Er hat die Augen auf und sieht mich nicht an.
MARQUISE die ihn noch bei dem Arm hält. So steif wie Holz, als wenn kein Leben in ihm wäre!
NICHTE. Sollte er ohnmächtig geworden sein? Er sprach so heftig! Hier ist etwas zu riechen!
MARQUIS. Nein doch, er sitzt ja ganz gerade, es ist nichts Hinfälliges an ihm.
MARQUISE. Stille! er bewegt sich!
Der Marquis und die Nichte treten von ihm weg.
GRAF sehr laut und heftig, indem er vom Stuhle auffährt. Hier! halt ein, Schwager! hier will ich aussteigen!
MARQUISE. Wo sind Sie, Graf?
GRAF nachdem er tief Atem geholt hat. Ah – Sehen Sie, so geht mir's! Nach einer Pause. Da haben Sie ein Beispiel! Pause. Ich kann es Ihnen wohl vertrauen. – Ein Freund, der gegenwärtig in Amerika lebt, kam unversehens in große Gefahr; er sprach die Formel aus, die ich ihm anvertraut habe; nun konnte ich nicht widerstehen! Die Seele ward mir aus dem Leibe gezogen, und ich eilte in jene Gegenden. Mit wenig Worten entdeckte er mir sein Anliegen, ich gab ihm schleunigen Rat; nun ist mein Geist wieder hier, verbunden mit der irdischen Hülle, die inzwischen als ein lebloser Klotz zurückblieb. – Pause. Das sonderbarste ist dabei, daß eine solche Abwesenheit sich immer damit endigt, daß es mir vorkommt, ich fahre entsetzlich schnell, sehe meine Wohnung und rufe dem Postillion zu, der eben im Begriff ist, vorbeizufahren. – Hab ich nicht so was ausgerufen?
MARQUISE. Sie erschreckten uns damit. – Sonderbar und erstaunlich! Leise. Welche Unverschämtheit!
GRAF. Sie können aber nicht glauben, wie ich ermüdet bin. Mir sind alle Gelenke wie zerschlagen; ich brauche Stunden, um mich wieder zu erholen. Davon ahnet ihr nichts; ihr wähnt, man mache nur alles bequem mit dem Zauberstäbchen.
MARQUIS. Wunderbarer, verehrungswürdiger Mann! Leise. Welch ein dreister Lügner!
NICHTE herbeitretend. Sie haben mir recht bange gemacht, Herr Graf.
GRAF. Ein gutes, natürliches Kind! Zur Marquise. Ihre Nichte?
MARQUISE. Ja, Herr Graf! Sie hat vor kurzem ihre Mutter verloren; sie ist auf dem Lande erzogen und erst drei Tage in der Stadt.
GRAF die Nichte scharf ansehend. So hat mich Uriel doch nicht betrogen.
MARQUISE. Hat Ihnen Uriel von meiner Nichte was gesagt?
GRAF. Nicht geradezu; er hat mich nur auf sie vorbereitet.
NICHTE leise zum Marquis. Um Gottes willen, der weiß alles, der wird alles verraten.
MARQUIS leise. Bleiben Sie ruhig, wir wollen hören.
GRAF. Ich war diese Tage sehr verlegen, als ich die wichtige Handlung überdachte, die noch heute vorgehen soll. – Sobald sich euch der Großkophta wird offenbart haben, wird er sich umsehen und fragen: Wo ist die Unschuldige? Wo ist die Taube? Ein unschuldiges Mädchen muß ich ihm stellen. Ich dachte hin und wider, wo ich sie finden, wie ich sie zu uns einführen wollte. Da lächelte Uriel und sagte: »Sei getrost, du wirst sie finden, ohne sie zu suchen. Wenn du von einer großen Reise zurückkehrest, wird die schönste, reinste Taube vor dir stehen.« – Alles ist eingetroffen, wie ich mir's gar nicht denken konnte. Ich komme aus Amerika zurück, und dieses unschuldige Kind steht vor mir.
MARQUIS leise. Diesmal hat Uriel gewaltig fehlgegriffen.
NICHTE leise. Ich zittre und bebe!
MARQUIS leise. So hören Sie doch aus.
MARQUISE. Dem Großkophta soll ein unschuldiges Mädchen gebracht werden? Der Großkophta kommt von Orient? Ich hoffe nicht –
GRAF zur Marquise. Entfernen Sie alle fremden, alle leichtfertigen Gedanken! Zur Nichte, sanft und freundlich. Treten Sie näher, mein Kind! nicht furchtsam, treten Sie näher! – So! – Ebenso zeigen Sie sich dem Großkophta. Seine scharfen Augen werden Sie prüfen; er wird Sie vor einen blendenden, glänzenden Kristall führen, Sie werden darin die Geister erblicken, die er beruft, Sie werden das Glück genießen, wornach andere vergebens streben, Sie werden Ihre Freunde belehren und sogleich einen großen Rang in der Gesellschaft einnehmen, in die Sie treten, Sie, die jüngste, aber auch die reinste. – – Wetten wir, Marquise! dieses Kind wird Sachen sehen, die den Domherrn höchst glücklich machen. Wetten wir, Marquise?
MARQUISE. Wetten? Mit Ihnen, der alles weiß?
NICHTE die bisher ihre Verlegenheit zu verbergen gesucht. Verschonen Sie mich, Herr Graf! Ich bitte Sie, verschonen Sie mich!
GRAF. Sein Sie getrost, gutes Kind! die Unschuld hat nichts zu fürchten!
NICHTE in der äußersten Bewegung. Ich kann die Geister nicht sehen! ich werde des Todes sein!
GRAF schmeichelnd. Fassen Sie Mut. Auch diese Furcht, diese Demut kleidet Sie schön und macht Sie würdig, vor unsre Meister zu treten! Reden Sie ihr zu, Marquise!
Die Marquise spricht heimlich mit der Nichte.
MARQUIS. Darf ich nicht auch ein Zeuge dieser Wunder sein?
GRAF. Kaum! Sie sind noch unvorbereiteter als diese Frauen. Sie haben diese ganze Zeit unsere Versammlungen gemieden.
MARQUIS. Verzeihen Sie, ich war beschäftigt.
GRAF. Sich zu putzen, das Sie den Weibern überlassen sollten.
MARQUIS. Sie sind zu strenge.
GRAF. Nicht so strenge, daß ich den ausschließen sollte, der mich noch hoffen läßt. Kommen Sie, kommen Sie! Lassen Sie uns eine Viertelstunde spazierengehn. Wenigstens muß ich Sie examinieren und vorbereiten. Leben Sie wohl! Auf Wiedersehn beide!
NICHTE die den Grafen zurückhält. Ich bitte, ich beschwöre sie!
GRAF. Noch einmal, mein Kind: verlassen Sie sich auf mich, daß Ihnen nichts Schreckliches bevorsteht, daß Sie die Unsterblichen mild und freundlich finden werden. Marquise! geben Sie ihr einen Begriff von unsern Versammlungen, belehren Sie das holde Geschöpf. Unser Freund, der Domherr, fragt den Großkophta gewiß nach dem, was ihm zunächst am Herzen liegt; ich bin überzeugt, die Erscheinung wird seine Hoffnungen stärken. Er verdient, zufrieden, verdient, glücklich zu werden; und wie sehr, meine Taube, wird er Sie schätzen, wenn die Geister ihm durch Sie sein Glück verkündigen. Leben Sie wohl. Kommen Sie, Marquis!
NICHTE dem Grafen nacheilend. Herr Graf! Herr Graf!
Sechster Auftritt
Die Marquise. Die Nichte.
Nichte. Da der Graf und der Marquis abgegangen sind, bleibt sie in einer trostlosen Stellung im Hintergrunde stehen.
MARQUISE an dem vordern Teile des Theaters für sich. Ich verstehe diese Winke; ich danke dir, Graf, daß du mich für deines gleichen hältst. Dein Schade soll es nicht sein, daß du mir nutzest. – Er merkt schon lange, daß ich dem Domherrn mit der Hoffnung schmeichle, die Prinzessin für ihn zu gewinnen. Von meinem großen Plan ahnet er nichts; er glaubt, es sei auf kleine Prellereien angelegt. Nun denkt er mir zu nützen, indem er mich braucht; er gibt mir in die Hand, dem Domherrn durch meine Nichte vorzuspiegeln, was ich will, und ich kann es nicht tun, ohne den Glauben des Domherrn an die Geister zu stärken. Wohl, Graf! so müssen Kluge sich verstehen, um törichte leichtgläubige Menschen sich zu unterwerfen. Sich umkehrend. Nichtchen, wo sind Sie? Was machen Sie?
NICHTE. Ich bin verloren! Geht mit unsichern Schritten auf die Tante los und bleibt auf halbem Wege stehen.
MARQUISE. Fassen Sie sich, meine Liebe!
NICHTE. Ich kann – ich werde die Geister nicht sehen!
MARQUISE. Gutes Kind, dafür lassen Sie mich sorgen. Ich will Ihnen schon raten, schon durchhelfen.
NICHTE. Hier ist kein Rat, keine Hülfe! Retten Sie mich! Retten Sie eine Unglückliche vor öffentlicher Schmach! Der Zauberer wird mich verwerfen, ich werde keine Geister sehen! Ich werde beschämt vor allen dastehen!
MARQUISE für sich. Was kann das bedeuten?
NICHTE. Auf meinen Knien, ich bitte! Ich flehe! Erretten Sie mich! Alles will ich bekennen! Ach Tante! Ach liebe Tante! Wenn ich Sie noch so nennen darf! Sie sehen kein unschuldiges Mädchen vor sich. Verachten Sie mich nicht! Verstoßen Sie mich nicht!
MARQUISE für sich. Unerwartet genug! Gegen die Nichte. Stehn Sie auf, mein Kind!
NICHTE. Ich vermöchte nicht, wenn ich auch wollte! Meine Knie tragen mich nicht! Es tut mir wohl, so vor Ihnen zu liegen. Nur in dieser Stellung darf ich sagen: vielleicht bin ich zu entschuldigen! Meine Jugend! Meine Unerfahrenheit! Mein Zustand! Meine Leichtgläubigkeit –
MARQUISE. Unter den Augen Ihrer Mutter glaubt ich Sie sicherer als in einem Kloster. Stehen Sie auf. Sie hebt die Nichte auf.
NICHTE. Ach! Soll ich sagen, soll ich gestehn?
MARQUISE. Nun?
NICHTE. Erst seit dem Tode meiner Mutter ist die Ruhe, die Glückseligkeit von mir gewichen.
MARQUISE. Wie? Abgewendet. Sollt es möglich sein? Laut. Reden Sie weiter!
NICHTE. O Sie werden mich hassen! Sie werden mich verwerfen! Unglückseliger Tag, an dem Ihre Güte selbst mich zugrunde richtete!
MARQUISE. Erklären Sie sich!
NICHTE. O Gott! Wie schwer ist es auszusprechen, was uns ein unglücklicher Augenblick so süß vorschmeichelt! – Vergeben Sie, daß ich ihn liebenswürdig fand! Wie liebenswürdig war er! Der erste Mann, der mir die Hand mit Inbrunst drückte, mir in die Augen sah und schwur, er liebe mich. Und in welcher Zeit? In den Augenblicken, da mein Herz, von dem traurigsten Verluste lange unaussprechlich gepreßt, sich endlich in heißen Tränen Luft machte, weich, ganz weich war; da ich in der öden Welt um mich her durch die Wolken des Jammers nur Mangel und Kummer erblickte; wie erschien er mir da als ein Engel; der Mann, den ich schon in meiner Kindheit verehrt hatte, erschien als mein Tröster! Er drückte sein Herz an das meinige. – Ich vergaß, daß er nie der Meine werden konnte – daß er Ihnen angehört – Es ist ausgesprochen! – Sie wenden Ihr Gesicht von mir weg? Hassen Sie mich, ich verdiene es! Verstoßen Sie mich! Lassen Sie mich sterben! Sie wirft sich in einen Sessel.
MARQUISE für sich. Verführt – durch meinen Gemahl! – Beides überrascht mich, beides kommt mir ungelegen. – – Fasse dich! – Weg mit allen kleinen beschränkten Gesinnungen! Hier ist die Frage, ob du nicht auch diesen Umstand benutzen kannst? – – Gewiß! – – Oh! sie wird nur desto geschmeidiger sein, mir blindlings gehorchen – – und über meinen Mann gibt mir diese Entdeckung auch neue Vorteile. – Wenn ich meine Absichten erreiche, so ist mir das übrige alles gleichgültig! – Laut. Kommen Sie, Nichte, erholen Sie sich! Sie sind ein gutes, braves Kind! Alles vergebe ich! Kommen Sie, werfen Sie Ihren Schleier über, wir wollen ausfahren, Sie müssen sich zerstreuen.
NICHTE indem sie aufsteht und der Marquise um den Hals fällt. Beste, liebste Tante, wie beschämen Sie mich!
MARQUISE. Sie sollen eine Freundin, eine Vertraute an mir finden. Nur der Marquis darf nicht wissen, daß ich es bin; wir wollen ihm die Verlegenheit ersparen.
NICHTE. Welche Großmut!
MARQUISE. Sie werden ihn auf eine geschickte Weise vermeiden; ich werde Ihnen behülflich sein.
NICHTE. Ich bin ganz in Ihren Händen!
MARQUISE. Und was die Geister betrifft, will ich Ihnen die wunderbarsten Geheimnisse entdecken; und Sie sollen diese fürchterliche Gesellschaft lustig genug finden. Kommen Sie! Kommen Sie nur!
Dritter Aufzug
Erster Auftritt
Zimmer des Domherrn.
Im Grunde ein Kamin, auf dessen beiden Seiten zwei Bilder in Lebensgröße, eines ältlichen Herrn und einer jungen Dame.
DER DOMHERR Papiere in der Hand haltend. Soll ich denn wieder einmal, angebetete Fürstin, vor dein schönes Bild mit hoffnungsvoller Freude treten! Soll die Sehnsucht, die zu dir hinaufblickt, endlich einigen Trost von deinen Lippen erwarten dürfen! – Noch schweb ich in Ungewißheit. Diese köstlichen Züge seh ich vor mir – Auf die Papiere deutend. ich erkenne deine Hand, ich fühle deine Gesinnungen; aber noch ist es nur allgemeine Höflichkeit, noch steht keine Silbe von dem, was ich so heftig wünsche, auf diesen Blättern. – Tor! und was verlangst du? – Ist es nicht schon genug, daß sie schreibt? Dir so viel schreibt. Und wäre nicht ihr bloßer Namenszug schon ein Zeuge ihrer glücklich veränderten Gesinnungen? – Veränderten? – Nein, sie hat sich nie verändert. Sie schwieg, als man mich verstieß; sie verstellte sich, um mir zu nutzen. Und nun belohnt sie mich mit zehnfachem Vertrauen und wird bald Gelegenheit finden, mich wieder heraufzuführen. – Sie wünscht das kostbare Halsband, sie gibt mir den Auftrag, ohne Vorbewußt ihres Vaters ihr dieses Kleinod zu verschaffen, sie sendet mir ihre Garantie, sie wird wegen der Zahlungen immer in Verbindung mit mir bleiben; gerne lege ich den ersten Termin aus, um sie noch fester an mich zu knüpfen. – Ja, du wirst – du wirst – darf ich es in der Gegenwart deines Bildes aussprechen? – du wirst mein sein! – Welch ein Wort! – Welch ein Gedanke! – Schon füllt die Glückseligkeit wieder ganz mein Herz aus. Ja! dieses Bild scheint wieder sich zu bewegen, mir zu lächeln, mir freundlich zuzuwinken. – Schon hebt sich der Ernst von des Fürsten Stirne hinweg. Huldreich sieht er mich an, wie in jenen Tagen, als er mir diese kostbaren Gemälde unvermutet schenkte. Und sie! – Komm herab, Göttin, herab! – Oder hebe mich zu dir hinauf, wenn ich nicht vor deinen Augen sterben soll!
Zweiter Auftritt
Der Domherr. Ein Bedienter, hernach die Hofjuweliere.
BEDIENTER. Euer Gnaden haben die Hofjuweliere befohlen; sie sind vor der Türe.
DOMHERR. Laß sie hereinkommen! Zu den Juwelieren. Nun, wie sind Sie mit dem Entwurfe des Kontrakts zufrieden, den ich Ihnen zugeschickt habe?
JUWELIER. Wegen der Summe hätten wir noch einige Erinnerungen zu machen.
DOMHERR. Ich dächte doch, der Schmuck wäre gut bezahlt. Sie finden nicht leicht einen Käufer. Liegt Ihnen das Halsband nicht schon ein Jahr müßig?
JUWELIER. Leider! – Und dann – Verzeihen Sie, gnädiger Herr –
DOMHERR. Was ist's noch?
JUWELIER. Wenn wir auch mit der gebotenen Summe uns begnügen und sie in den festgesetzten Terminen annehmen wollten, so werden Sie doch nicht ungnädig nehmen, wenn wir auf Ihre bloße handschriftliche Versicherung ein so kostbares Stück abzuliefern Bedenken tragen. Es ist gewiß nicht Mißtrauen; nur unsre Sicherheit in einem so wichtigen Geschäfte –
DOMHERR. Ich verdenke Ihnen nicht, daß Sie mir eine so große Summe nicht geradezu anvertrauen wollen. Ich habe Ihnen aber schon gesagt, daß ich das Halsband nicht für mich, sondern für eine Dame kaufe, die allerdings so viel Kredit bei Ihnen haben sollte.
JUWELIER. Wir trauen völlig Ihren Worten und wünschten nur eine Zeile von der Hand unsrer gnädigsten Käuferin.
DOMHERR. Ich sagte Ihnen schon, daß es nicht angeht, und empfehle Ihnen nochmals das Geheimnis. Genug, ich werde Ihr Schuldner. Damit Sie aber nicht glauben, als handelte ich übereilt und hätte nicht gewußt, mich und Sie zu decken: so lesen Sie hier. Er gibt ihnen ein Papier und spricht für sich, indem sie es lesen. Zwar hat die Marquise ausdrücklich verlangt, ich soll das Blatt niemanden zeigen, soll es nur zu meiner eigenen Sicherheit verwahren. – Wenn nun aber diese Leute auch an ihre Sicherheit denken, wenn sie nun auch wissen wollen, wer mir und ihnen für eine so große Summe steht – Laut. Was sagen Sie nun, meine Herren?
JUWELIER indem er das Blatt zurückgibt. Wir bitten um Vergebung, wir zweifeln keinen Augenblick. – Auch ohne dies würden wir das Halsband ausgeliefert haben. Hier ist es. Wäre es gefällig, den Kontrakt zu unterschreiben?
DOMHERR. Sehr gern. Er unterschreibt und wechselt das Papier gegen das Schmuckkästchen aus. Leben Sie wohl, meine Herren! Die Termine sollen richtig abgetragen werden, und künftig haben wir mehr miteinander zu tun.
Die Juweliere, gehen mit tiefen Verbeugungen ab.
Dritter Auftritt
Domherr, nachher ein Bedienter, dann Jäck.
DOMHERR indem er das Halsband betrachtet. Kostbar, sehr kostbar! – und wert des schlanken weißen Halses, der dich tragen soll, wert des himmlischen Busens, den du berühren wirst. Eile zu ihr, glänzender Schmuck, damit sie einen Augenblick lächle und gefällig an den Mann denke, der viel wagt, um ihr diese Freude zu verschaffen. Geh, sei ihr ein Zeuge, daß ich alles für sie zu tun bereit bin. Den Schmuck ansehend. Wäre ich ein König, du solltest sie als ein Geschenk überraschen und bald durch kostbarere Geschenke wieder verdunkelt werden. – Ach, wie betrübt's mich, wie demütigt's mich, daß ich jetzt nur den Mäkler machen kann!
BEDIENTER ein Billett bringend. Ein Bote von der Marquise!
DOMHERR. Er soll warten.
Bedienter ab.
DOMHERR liest. »Wenn der Schmuck in Ihren Händen ist, so geben Sie ihn gleich dem Überbringer. Ich habe die schönste Gelegenheit, ihn hinauszuschicken; eine Kammerfrau ist in der Stadt; ich schicke verschiedene Putzwaren an die Göttliche und packe die Juwelen bei. Der Lohn für diesen kleinen Dienst erwartet Sie schon heute nacht. In einer Viertelstunde bin ich bei Ihnen. Was steht uns nicht heute bevor! Das Angesicht des Großkophta und das Angesicht eines Engels. Leben Sie wohl, liebster Auserwählter. Verbrennen Sie dies Blatt.«
Traue ich meinen Augen? Noch heute nacht? Geschwinde! geschwinde! Sei der Vorläufer des Glücklichsten unter allen Sterblichen. Er schreibt wenige Worte und siegelt das Schmuckkästchen ein. Warum muß auch heute sich alles zusammendrängen? Soll ein einziger Abend mich für soviel Langeweile, soviel Ungeduld und Schmerzen entschädigen? Erscheine, sehnlich erwarteter Zeitpunkt meines Glücks! Führet mich, ihr Geister, ins Heiligtum der geheimen Kenntnisse; führe mich, o Liebe, in dein Heiligtum! Er klingelt.
Bedienter tritt ein.
DOMHERR. Wer ist von der Marquise da?
BEDIENTER. Ihr Jäck.
DOMHERR. Laß ihn hereinkommen!
Bedienter ab.
DOMHERR. Ich habe keine Ruhe, bis ich das Kleinod in ihren Händen weiß.
JÄCK tritt auf. Was befehlen Ihro Gnaden?
DOMHERR. Bringe dies Paket deiner gnädigen Frau. Eile und halt es fest, damit du es nicht etwa verlierst.
JÄCK. Sowenig als meinen Kopf.
DOMHERR. Du bist so leichtsinnig.
JÄCK. Nicht im Bestellen.
DOMHERR. So geh hin.
JÄCK. Gnädiger Herr! Sie verwöhnen die Boten.
DOMHERR. Ich verstehe. Gibt dem Knaben Geld. Hier, wende es wohl an!
JÄCK. Ich geb es gleich aus, damit ich es nicht verliere. Ich danke untertänig! Halblaut, als spräche er für sich, doch so, daß es der Domherr hören kann. Welch ein Herr! Fürst verdient er zu sein! Mit vielen mutwilligen Bücklingen ab.
DOMHERR. Eile nur! eile! – Wie glücklich, daß ich diesen Auftrag so schnell ausrichten konnte! – Nur das einzige macht mit Sorge, daß ich es dem Grafen verbergen mußte. – Es war der Fürstin ausdrücklicher Wille. – O ihr guten Geister, die ihr mir so sichtbar beistandet, bleibt auf meiner Seite und verbergt die Geschichte nur auf kurze Zeit eurem Meister!
Vierter Auftritt
Domherr. Ritter. Bedienter.
ST. JEAN. Der Ritter.
DOMHERR. Drei Sessel!
St. Jean stellt die Sessel.
RITTER. Hier bin ich! Kaum habe ich diesen Augenblick erwarten können. Schon lange geh ich ungeduldig auf der Promenade hin und wider; es schlägt die Stunde, und ich fliege hieher.
DOMHERR. Sein Sie mir willkommen.
RITTER. Den Grafen fand ich auf der Treppe. Er redete mich liebreich an, mit einem sanften Tone, den ich nicht an ihm gewohnt bin. Er wird gleich hier sein.
DOMHERR. Ist er hinüber ins Logenzimmer gegangen?
RITTER. So schien mir's.
DOMHERR. Er bereitet sich zu feierlichen Handlungen, Sie erst hier in den zweiten Grad aufzunehmen, dann mich in den dritten zu erheben und uns dem Großkophta vorzustellen.
RITTER. Ja, er hatte die Miene eines Wohltäters, eines Vaters. Diese Miene ließ mich viel hoffen. O wie schön glänzt die Güte vom Angesicht des Gewaltigen!
Fünfter Auftritt
Die Vorigen. Der Graf.
GRAF indem er seinen Hut abnimmt und gleich wieder aufsetzt. Ich grüße euch, Männer des zweiten Grades!
DOMHERR. Wir danken dir!
RITTER. Nennst du mich auch schon so?
GRAF. Den ich so grüße, der ist's. Er setzt sich auf den mittelsten Sessel. Bedeckt euch.
DOMHERR. Du befiehlst es! Er setzt auf.
GRAF. Ich befehle nicht. Ihr bedient euch eures Rechtes; ich erinnere euch nur.
RITTER beiseite, indem er den Hut aufsetzt. Welche Milde! Welche Nachsicht! Ich brenne vor Begierde, die Geheimnisse des zweiten Grades zu hören.
GRAF. Setzt euch, meine Freunde, setzt euch, meine Gehülfen!
DOMHERR. Die Gehülfen sollten vor dem Meister stehen, um, gleich dienstbaren Geistern, seine Befehle schleunig auszurichten.
GRAF. Wohl gesprochen! Aber sie sitzen bei ihm, weil sie seine Räte mehr als seine Diener sind.
Beide setzen sich.
GRAF zum Ritter. Wie nennt man die Männer des zweiten Grades?
RITTER. Wenn ich eben recht hörte: Gehülfen.
GRAF. Warum mögen sie diesen Namen tragen?
RITTER. Wahrscheinlich, weil sie der Meister aufgeklärt und tätig genug findet, zu seinen Absichten mitzuwirken und seine Zwecke zu erfüllen.