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Bei der Allokations- und der Produktionseffizienz handelt es sich um rein statische Konzepte, d.h. Veränderungen, z.B. der Technologien, des Know-hows oder der Industriestrukturen werden damit nicht erfasst. Es ist daher notwendig, neben diesen statischen Effizienzbetrachtungen auch die effiziente Entwicklung der Wirtschaft über die Zeit zu betrachten. Dies geschieht mithilfe des Konzepts der dynamischen Effizienz.
III. Dynamische Effizienz
Während man bei der Allokations- bzw. Produktionseffizienz von einem gegebenen Stand des Wissens, der Technologie und einer gegebenen Menge möglicher Produkte ausgeht, erfasst das Konzept der dynamischen Effizienz die Verbesserung des Know-hows, den technischen Fortschritt und die Entwicklung und Einführung neuer Güter. Der Wirtschaftsprozess ist dann dynamisch effizient, wenn diese Veränderungen im Zeitablauf mit der gesellschaftlich optimalen Rate stattfinden, d.h. wenn die zusätzlichen Kosten einer weiteren Investition in Forschung und Entwicklung genauso groß sind wie der erwartete zusätzliche Ertrag aus einer solchen Investition. Diese Definition ist allerdings aus mehreren Gründen für eine praktische Anwendung ungeeignet, da z.B. die erwarteten Erträge aus Forschung und Entwicklung meist nur äußerst unzureichend prognostiziert werden können oder weil die Forschung zu Resultaten führt, die gänzlich unerwartet sind. Aus diesen Gründen ist es schwierig zu bestimmen, ob sich der Wirtschaftsprozess in dynamisch effizienter Weise vollzieht. So bestreitet die auf Schumpeter basierende evolutionsökonomische Innovationsforschung, dass der Begriff der Effizienz in ähnlich zweckmäßiger Weise auf das hochkomplexe Phänomen von Innovationsprozessen und technischem Fortschritt angewendet werden kann wie bei der Frage nach dem optimalen Einsatz von Ressourcen bei gegebenen Produkten und Technologien. Insofern handelt es sich beim Kriterium der Innovation um eines jenseits der Produktions- und Allokationseffizienz, das auch theoretisch bisher nicht in adäquater Weise in die ökonomische Theorie integriert werden konnte.6 Man wird daher aus Vereinfachungsgründen davon ausgehen müssen, dass ein positiver Zusammenhang zwischen den Investitionen in Forschung und Entwicklung (F&E) und dynamischer Effizienz besteht.7
Größere Investitionen in F&E werden von einem Unternehmen aufgrund der höchst unsicheren Erträge im Allgemeinen nur dann getätigt, wenn sichergestellt ist, dass es auf seine Investitionen zumindest den am Markt erzielbaren durchschnittlichen Ertrag erhält. Wenn aber andere Unternehmen, die selbst keine derartigen Investitionen getätigt haben, sich die Forschungsergebnisse kostenlos aneignen könnten, wären die Anreize, in F&E zu investieren, deutlich reduziert. Eine Geheimhaltung der Forschungsergebnisse ist in vielen Fällen nicht möglich, da sich das Forschungsresultat in einem Produkt manifestiert hat, das von anderen Unternehmen imitiert werden kann. Aus diesen Gründen ist zur Sicherstellung ausreichender Investitionen in F&E ein Anreizsystem, wie z.B. der Patentschutz, nötig, das es den Unternehmen erlaubt, sich die Erträge ihrer Investitionen anzueignen. Ein „ewiges Patent“ ist jedoch aus gesellschaftlicher Sicht nicht sinnvoll, da es wünschenswert ist, die neuentwickelte Technologie auch anderen zugänglich zu machen. Ein vernünftiges Anreizsystem, das zum Erreichen eines dynamisch effizienten Wirtschaftsprozesses beiträgt, wird also einen Kompromiss finden müssen zwischen den Anreizen für Unternehmen, in F&E zu investieren, und der Verbreitung der Forschungsergebnisses in der Gesellschaft, d.h. einen Patentschutz für einen begrenzten Zeitraum.
Von den genannten ökonomischen Zielen der Wettbewerbspolitik, der Allokations-, der Produktions- und der dynamischen Effizienz ist letztere aufgrund ihres Zukunftsbezuges das am schwierigsten zu erfassende Kriterium.8 Darüber hinaus ist darauf hinzuweisen, dass zwischen den beiden statischen Konzepten der Allokations- und Produktionseffizienz einerseits und der dynamischen Effizienz andererseits im Allgemeinen keine Harmonie besteht, sondern Zielkonflikte auftreten. So kann z.B. eine effiziente Allokation dazu führen, dass Unternehmen keine Gewinne realisieren und daher keine ausreichenden Investitionen in Forschung und Entwicklung tätigen können, sodass die Wirtschaftsentwicklung sich nicht in dynamisch effizienter Weise vollzieht.
IV. Der relevante Wohlfahrtsstandard
Diese Überlegungen stehen in direktem Zusammenhang mit der Diskussion über den in der Wettbewerbspolitik zu verwendenden Wohlfahrtsstandard, wie z.B. bei der Beurteilung von Effizienzgewinnen in der Fusionskontrolle. Dabei werden zumeist zwei alternative Beurteilungsmaßstäbe diskutiert: Der Gesamtwohlfahrtsstandard (Total Welfare Standard) und der Konsumentenwohlfahrtsstandard (Consumer Welfare Standard). Der erste entspricht der Vorstellung, die Wettbewerbspolitik sollte darauf hinwirken, die Gesamtwohlfahrt als Summe von Konsumenten- und Produzentenrente zu maximieren. Die Aufteilung der volkswirtschaftlichen Rente auf Konsumenten- und Produzentenrente ist unerheblich, es kommt lediglich darauf an, sie so groß wie möglich zu machen. Aus ökonomischer Sicht ist der Gesamtwohlfahrtsstandard gleichbedeutend mit der Realisierung einer effizienten Allokation und wird daher von vielen Ökonomen präferiert.9 Der Konsumentenwohlfahrtsstandard hingegen orientiert sich ausschließlich an der Konsumentenrente.10 Wettbewerbspolitische Maßnahmen sollten hiernach darauf abzielen, sie zu erhöhen oder zumindest eine Verringerung zu verhindern.11 Änderungen der Produzentenrente sind dabei unbeachtlich. Beim Konsumentenwohlfahrtsstandard ist entscheidend, wie sich die Konsumentenrente verändert. Bei gleichbleibenden Leistungen steigt die Konsumentenrente genau dann, wenn die Preise fallen. Der Unterschied zwischen den beiden Wohlfahrtsstandards kann an folgendem Beispiel verdeutlicht werden: Falls eine Fusion zum einen zu mehr Marktmacht und damit zu höheren Preisen führt, zum anderen aber auch mit Kosteneinsparungen verbunden ist (produktive Effizienz), so würde beim Gesamtwohlfahrtsstandard nur berücksichtigt, ob die allokativen Effizienzverluste, die aufgrund der Marktmacht entstehen, größer oder kleiner sind als die aufgrund der fusionsbedingten Kosteneinsparungen erzielten Gewinne an produktiver Effizienz. Je nachdem, welcher Effekt überwiegt, sollte die Fusion genehmigt oder untersagt werden. Hierbei handelt es sich um den bekannten Williamson-Trade-off zwischen den negativen Auswirkungen einer Fusion aufgrund steigender Marktmacht auf die allokative Effizienz und deren positive Auswirkungen auf die produktive Effizienz.12 Die gleichzeitig stattfindende Umverteilung der volkswirtschaftlichen Rente von den Nachfragern zu den Anbietern infolge des höheren Preises aufgrund zusätzlicher Marktmacht würde nicht in die Beurteilung eingehen. Beim Konsumentenwohlfahrtsstandard würde diese Umverteilung hingegen berücksichtigt, weil es hier nur auf die Auswirkungen auf die Konsumentenrente ankommt. Wären hierbei die Effizienzvorteile durch die Fusion so groß, dass es trotz erhöhter Marktmacht zu fallenden Preisen und damit zu einer erhöhten Konsumentenrente kommt, dann würde einer Genehmigung dieser Fusion nichts im Wege stehen. Beim Konsumentenwohlfahrtsstandard ist folglich keine Saldierung der Wohlfahrtsverluste für die Konsumenten mit den Wohlfahrtsgewinnen für die Produzenten möglich, wie dies beim Gesamtwohlfahrtsstandard der Fall ist. Wohlfahrtsökonomisch entspricht damit der Gesamtwohlfahrtsstandard dem so genannten Kaldor-Hicks-Kriterium, das – aufgrund der theoretisch möglichen Kompensationsmöglichkeit der Konsumenten durch die Produzenten – eine Saldierung erlaubt, während der Konsumentenwohlfahrtsstandard darauf beharrt, dass wettbewerbsbeschränkende Verhaltensweisen sich nie so auswirken dürfen, dass die Konsumenten schlechter gestellt werden.13
Zumeist werden für den Gesamtwohlfahrtsstandard die folgenden Argumente angeführt: Die Berücksichtigung sowohl der Konsumenten- als auch der Produzentenrente sorge dafür, dass eine größere Zahl effizienzerhöhender Entwicklungen ermöglicht werde als bei einer Beschränkung auf die Betrachtung der Konsumentenrente. Viele Unternehmen gehörten Aktionären, die gleichzeitig Konsumenten seien, sodass eine Erhöhung der Produzentenrente letztlich auch den Konsumenten zugute komme. Weiterhin wird argumentiert, dass eine Erhöhung der Produzentenrente die Unternehmen in die Lage versetze, einen größeren Betrag in Forschung und Entwicklung zu investieren, von der mittel- und langfristig auch wieder die Konsumenten profitierten.14
Für die Konzentration auf die Konsumentenrente als Beurteilungskriterium hingegen spreche die Tatsache, dass es im Unterschied zu den Unternehmen den Konsumenten im Allgemeinen nicht möglich sei, ihre Interessen zu bündeln, um im politischen Prozess hinreichend Berücksichtigung zu finden. Daher müssten die Interessen der Konsumenten bereits institutionell, im Rahmen des Wettbewerbsrechts bzw. der Wettbewerbspolitik Beachtung finden, was durch den Konsumentenwohlfahrtsstandard gewährleistet sei. Auch können bei Anwendung dieses Standards Unternehmen mögliche Informationsvorteile gegenüber den Wettbewerbsbehörden nicht mehr ausnutzen. Ein weiteres, pragmatisches Argument für diesen Standard ist, dass er einfacher anzuwenden sei, da wettbewerbsrechtliche bzw. -politische Maßnahmen bereits anhand einer zu erwartenden Preisänderung beurteilt werden könnten und Änderungen der Produzentenrente nicht berücksichtigt werden müssten. Ein weiteres Argument, das für den Konsumentenwohlfahrtsstandard angeführt wird, ist, dass das Ziel der Gesamtwohlfahrt besser erreicht wird, wenn die Wettbewerbsbehörden sich am Konsumentenwohlfahrtsstandard orientieren. So wurde gezeigt, dass eine Ankündigung der Wettbewerbsbehörden, sich am Konsumentenwohlfahrtsstandard zu orientieren, dazu führt, dass vor allem solche Zusammenschlüsse stattfinden werden, die die Gesamtwohlfahrt erhöhen.15 Wenn Unternehmen durch Lobbying das Ergebnis eine Fusionsentscheidung beeinflussen können, dann führt ein gewichteter Durchschnitt von Produzenten- und Konsumentenrente mit einem größeren Gewicht für letztere zu einem Ausgleich des Einflusses der Unternehmen auf die Wettbewerbsbehörden.16
Die Entscheidung über den Standard zur Beurteilung wettbewerbsrechtlicher bzw. -politischer Maßnahmen ist letztlich normativer Natur.17 Die meisten Wirtschaftswissenschaftler neigen dem Gesamtwohlfahrtsstandard zu, da sie sich in aller Regel an der gesamten Wohlfahrt orientieren und Verteilungsfragen anderen Politikbereichen zuweisen.18 Der Gesamtwohlfahrtsstandard lässt die Verteilung der volkswirtschaftlichen Rente zwischen Produzenten- und Konsumentenrente bewusst unberücksichtigt, entscheidend ist nur ihre absolute Höhe. Die Aufteilung auf Konsumenten und Unternehmen könnte durch eine entsprechende Verteilungs- oder Steuerpolitik geregelt werden. Verteilungsfragen werden also anderen Politikbereichen als der Wettbewerbspolitik zugeordnet.19 Verwendet man hingegen den Konsumentenwohlfahrtsstandard, dann wird über die Verteilung der volkswirtschaftlichen Rente bereits im Rahmen der Wettbewerbspolitik bzw. des Wettbewerbsrechts mitentschieden: Nur solche Maßnahmen und Entwicklungen sind unproblematisch, die die Konsumenten an den Vorteilen teilhaben lassen. Die normative Frage, welcher Wohlfahrtsstandard anzuwenden sei, wird in verschiedenen Jurisdiktionen unterschiedlich beantwortet. So wird in Europa und in den USA tendenziell der Standard der Konsumentenwohlfahrt herangezogen, während in Ländern wie z.B. Kanada, Australien und Neuseeland auch die Produzentenrente mitberücksichtigt wird.20
1 Benannt nach dem italienischen Ökonomen und Soziologen Vilfredo Pareto (1848–1923). 2 Es kann theoretisch auch der Fall eintreten, dass die Nachfragefunktion in bestimmten Bereichen auch einen steigenden Verlauf hat. Derartige so genannte Giffen-Güter konnten jedoch empirisch bisher noch nicht zweifelsfrei nachgewiesen werden. 3 Das in der Wirtschaftstheorie verwendete Kostenkonzept entspricht zumeist nicht den buchhalterischen Kosten, sondern es handelt sich um sogenannte Opportunitätskosten. Diese enthalten z.B. auch den kalkulatorischen Unternehmerlohn und die marktübliche Kapitalverzinsung. 4 Allerdings kann auch der Fall abnehmender Grenzkosten auftreten. In diesem Fall liegt ein sogenanntes natürliches Monopol vor, denn in einer solchen Situation wäre es am kostengünstigsten, die gesamte Produktionsmenge nur in einem einzigen Unternehmen herzustellen. 5 Bei langfristiger Betrachtung ist die Produzentenrente gleich dem Gewinn des Unternehmens, in kurzfristiger Betrachtung differieren Produzentenrente und Gewinn um den Betrag der Fixkosten, die ja in diesem Fall nicht in die Grenzkosten eingehen. 6 Vgl. S. 20–22. Der Begriff der „dynamischen Effizienz“ hat deshalb in der ökonomischen Theorie nicht den gleichen theoretischen Status wie die Konzepte der Allokations- und Produktionseffizienz. 7 Allerdings gibt es theoretische Modelle, die zeigen, dass in bestimmten Situationen zuviel in Forschung und Entwicklung investiert wird, als für die Gesellschaft optimal wäre. 8 Auf dieses Problem haben bereits Hayek und Hoppmann in ihrer Diskussion von Wettbewerb als ergebnisoffenem Prozess aufmerksam gemacht. Vgl. Hayek (1968) sowie Hoppmann (1988). 9 Vgl. Farrell/Katz (2006), Heyer (2006). 10 Zum Konsumentenwohlfahrtsstandard vgl. Cseres (2006). 11 Dabei ist zu berücksichtigen, dass „Konsument“ nicht nur den Endverbraucher bezeichnet, sondern Nachfrager allgemein. Vgl. hierzu Akman (2008). 12 Vgl. Williamson (1968) sowie Farrell/Shapiro (1990). Vgl. auch S. 620–623. 13 Allerdings ist zu berücksichtigen, dass bei Anwendung des Gesamtwohlfahrtsstandards unterstellt ist, dass eine Umverteilung, d.h. eine Änderung der Einkommensverteilung, selbst keine Wohlfahrtseffekte bewirkt. Dies gilt jedoch nur unter sehr spezifischen Voraussetzungen. 14 Vgl. hierzu S. 9–11. 15 Vgl. Friedolfsson (2007); Lyons (2002). 16 Vgl. Neven/Röller (2005). 17 Die Frage nach dem anzuwendenden Wohlfahrtsstandard ist im Kontext des „New Brandeis Movements“ in der US-amerikanischen Wettbewerbspolitik in jüngerer Zeit wieder thematisiert worden. Vgl. hierzu S. 638f. und die dort angegebene Literatur. 18 Vgl. z.B. Farrell/Katz (2006). 19 Dieses Argument setzt jedoch implizit voraus, dass die Höhe der volkswirtschaftlichen Rente unabhängig von einer möglicherweise später erfolgenden Umverteilung ist. Vgl. auch Fn. 9. Die Frage der Umverteilung von volkswirtschaftlicher Rente von den Konsumenten auf die Produzenten gehörte zu den traditionellen Argumenten der Wettbewerbspolitik. Dieser Aspekt wurde von Pittman (2007) wieder aufgegriffen. 20Lyons (2002) sowie Motta (2004), 20.
B. Wettbewerb und Effizienz
Bisher wurden die ökonomischen Ziele des Wettbewerbsrechts bzw. der Wettbewerbspolitik nur in abstrakt-genereller Form dargestellt, ohne deutlich zu machen, in welcher Weise der Wettbewerb dazu beiträgt, diese Effizienzkriterien zu erfüllen. Im Folgenden sollen nun die wirtschaftstheoretischen Grundlagen dargestellt werden, mit deren Hilfe Aussagen darüber getroffen werden können, inwieweit Wettbewerb dazu führt, die genannten Ziele zu erreichen. Dabei werden die in der Wirtschaftstheorie untersuchten Marktformen der vollkommenen Konkurrenz, des Monopols sowie des Oligopols diskutiert. Auf den Fall des Monopsons sowie des Oligopsons wird ebenfalls kurz eingegangen.
I. Vollkommene Konkurrenz
Wie oben beschrieben, liegt eine effiziente Allokation auf einem Markt nur dann vor, wenn der Preis des Gutes den Grenzkosten seiner Herstellung entspricht und Angebot und Nachfrage sich ausgleichen. In diesem Fall sind alle Tauschgewinne, die auf diesem Markt erzielt werden können, ausgeschöpft. Betrachtet man nicht nur einen einzelnen Markt, sondern eine gesamte Volkswirtschaft, dann muss diese Bedingung simultan für alle Märkte erfüllt sein, damit die gesamte volkswirtschaftliche Rente maximiert wird. Es stellt sich daher die Frage, ob und unter welchen Bedingungen in einer Marktwirtschaft eine Situation existieren kann, bei der simultan auf allen Märkten eine effiziente Allokation vorliegt, d.h. ein allgemeines Gleichgewicht. Diese zentrale Frage der Wirtschaftstheorie konnte in allgemeiner Form erst in den 1950er Jahren durch die Arbeiten von Arrow, Debreu und McKenzie positiv beantwortet werden.21 Für die Existenz eines allgemeinen Gleichgewichts, das auch als Walras-Gleichgewicht22 oder als Gleichgewicht bei vollkommener Konkurrenz bzw. Wettbewerbsgleichgewicht bezeichnet wird, müssen jedoch eine Reihe restriktiver Bedingungen erfüllt sein, die in der Realität, wenn überhaupt, nur in einer sehr geringen Anzahl von Märkten vorliegen. Es sei in diesem Zusammenhang deutlich darauf hingewiesen, dass die Theorie des allgemeinen Gleichgewichtes sich nicht als realistische Beschreibung einer existierenden Marktwirtschaft versteht und auch keineswegs so interpretiert werden sollte. Auch ist ein Wettbewerbsgleichgewicht kein anzustrebendes Ziel der Wettbewerbspolitik. Vielmehr handelt es sich bei diesem Konstrukt um eine Idealvorstellung der Wirtschaftstheorie, das in erster Linie dazu dient, die Funktionsweise einer Marktwirtschaft, insbesondere die allokative Rolle von Preisen, zu verdeutlichen.
Die wichtigsten Annahmen für die Existenz eines allgemeinen Gleichgewichts werden im Folgenden kurz skizziert: So müssen, wie im Abschnitt über Allokationseffizienz bereits erwähnt, sich alle Unternehmen und alle Konsumenten als Preisnehmer verhalten, d.h. jedes Unternehmen und jeder Konsument muss davon ausgehen, dass sein Angebots- bzw. Nachfrageverhalten keinerlei Einfluss auf den Marktpreis hat. Der Marktpreis ist daher für jedes Unternehmen und für jeden Konsumenten ein Datum. Die Nachfragefunktion, der sich ein einzelnes Unternehmen gegenübersieht, verläuft also horizontal: Jedes Unternehmen geht annahmegemäß davon aus, dass es beim herrschenden Preis jede beliebige Menge absetzen kann. Diese Annahme ist dann sinnvoll, wenn die Anzahl der Unternehmen (bzw. Konsumenten), die dieses Produkt anbieten (bzw. nachfragen), „groß“ ist und jedes Unternehmen (bzw. jeder Konsument) im Verhältnis zur gesamten Menge des Gutes am Markt nur einen sehr geringen Anteil anbietet (bzw. nachfragt). Unternehmen und Konsumenten verhalten sich im Rahmen dieses Modells also als Preisnehmer und können nur die angebotene bzw. nachgefragte Menge des jeweiligen Gutes anpassen.
Dabei werden Güter im Sinne der Theorie des allgemeinen Gleichgewichts unterschieden nach ihren physischen Eigenschaften, dem Ort und dem Zeitpunkt ihrer Bereitstellung.23 Das gleiche physische Gut, das an einem anderen Ort zur Verfügung gestellt wird, ist ein anderes Gut im Sinne dieser Theorie. Unterscheiden sich die physischen Eigenschaften, wie z.B. bei differenzierten Gütern, auch nur geringfügig, werden diese als verschiedene Güter betrachtet. Güter und Märkte werden im Rahmen dieser Theorie also identifiziert. Jedem Gut ist ein eigener Markt zugeordnet, ein so genannter „ökonomischer Markt“. Auf diesem gilt das „Gesetz des einheitlichen Preises“, denn andernfalls würden Wirtschaftssubjekte eine Arbitrage vornehmen und die Preise würden sich angleichen.
Weiterhin wird angenommen, dass alle Marktteilnehmer über die gleichen, vollständigen Informationen über sämtliche entscheidungsrelevanten Größen, wie z.B. Preise, Konditionen, Qualität der Güter, Bezugsmöglichkeiten etc. verfügen, denn eine asymmetrische Informationsverteilung zwischen Käufern und Verkäufern oder unvollständige Information über wichtige Eigenschaften kann dazu führen, dass der Wettbewerb auf einem Markt nicht zu einem aus gesellschaftlicher Sicht wünschenswerten Ergebnis führt.24 Ist z.B. die Qualität eines Gutes von den Käufern nicht beobachtbar, dann wird aufgrund dieser Qualitätsunsicherheit häufig nur eine geringere Menge nachgefragt als dies bei vollkommener Information über die Qualität der Fall wäre. Die Existenz unvollständiger oder asymmetrisch verteilter Informationen führt darüber hinaus häufig dazu, dass Transaktionen nicht mehr kostenlos durchgeführt werden können, wie in der Theorie des allgemeinen Gleichgewichts implizit unterstellt wird. Den Wirtschaftssubjekten entstehen bei der Abwicklung, Durchführung und gegebenenfalls bei der Durchsetzung ihrer Ansprüche Transaktionskosten, die zu allokativen Ineffizienzen führen können.
Auch kann bei Vorliegen von öffentlichen Gütern, d.h. solchen Gütern, die durch Nichtrivalität im Konsum und Nichtausschließbarkeit gekennzeichnet sind, wie z.B. die Landesverteidigung oder das Rechtssystem, die Funktionsweise eines Marktsystems gestört sein. Da aufgrund der Nichtausschließbarkeit jedes Wirtschaftssubjekt in den Genuss eines öffentlichen Gutes kommen würde, auch ohne hierfür eine Zahlung zu leisten, wird im Allgemeinen eine zu geringe Menge des öffentlichen Gutes angeboten. Verwandt mit den öffentlichen Gütern sind so genannte externe Effekte, die vorliegen, wenn die Konsum- oder Produktionsaktivitäten eines Wirtschaftssubjektes einen direkten, d.h. nicht über einen Markt vermittelten Einfluss (der positiv oder negativ sein kann) auf andere Wirtschaftssubjekte haben, wie es z.B. bei Schadstoffemissionen der Fall ist. Auch hier liegt ein Problem der Nichtausschließbarkeit vor und es wird im Vergleich zum Optimum zuviel von dem entsprechenden Gut produziert, da in dem unternehmerische Kalkül die negativen Auswirkungen der Schadstoffemissionen nicht berücksichtigt werden.
Weiterhin dürfen Unternehmen keine Größenvorteile, so genannte zunehmende Skalenerträge (economies of scale), aufweisen, denn in diesem Fall würden die Stück- und Grenzkosten mit zunehmender Produktionsmenge fallen. Je mehr ein solches Unternehmen produziert, desto kostengünstiger wird die Herstellung. Seine Gewinne würden mit steigender Produktionsmenge zunehmen. Langfristig würde ein solches Unternehmen seine Konkurrenten vom Markt verdrängen und wäre dann nicht mehr „klein“ im Verhältnis zum gesamten Markt. In diesem Fall wird es sich nicht mehr als Preisnehmer verhalten.25 Dies gilt analog für Verbundvorteile (economies of scope), bei denen es günstiger ist, mehrere Produkte in einem Unternehmen herzustellen, als die Produktion auf mehrere spezialisierte Unternehmen zu verteilen.
Alle diese Bedingungen müssen erfüllt sein, damit ein allgemeines Gleichgewicht mit den genannten Eigenschaften existiert. Ist nur eine davon verletzt, dann ist entweder die Existenz eines allgemeinen Gleichgewichtes nicht gewährleistet oder das Gleichgewicht besitzt nicht die gewünschte Eigenschaft der Pareto-Optimalität. In einem solchen Fall spricht man von einem Marktversagen. Die Wirtschaftstheorie hat sich seit längerer Zeit mit den verschiedenen Ursachen möglichen Marktversagens befasst und untersucht, mit welchen Ergebnissen auf Märkten zu rechnen ist, wenn z.B. Transaktionen nicht kostenlos durchgeführt werden, Informationsprobleme vorliegen oder Unternehmen über Größenvorteile verfügen. Im Zuge der Untersuchung der verschiedenen Ursachen von Marktversagen ist eine Reihe von Teildisziplinen der Wirtschaftstheorie entstanden. So untersucht die Transaktionskostenökonomik vor allem die Frage, welchen Einfluss Transaktionskosten auf Marktergebnisse haben und welche Institutionen von den Akteuren geschaffen und verwendet werden, um die resultierenden Ineffizienzen möglichst gering zu halten. Ein weiterer Untersuchungsgegenstand der Transaktionskostenökonomik ist die interne Organisationsstruktur von Unternehmen.26 In engem Zusammenhang mit der Transaktionsökonomik steht die Informationsökonomik, die untersucht, welchen Einfluss asymmetrische Informationsverteilungen zwischen den Wirtschaftssubjekten auf die Gestaltung von Transaktionen haben und wie Verträge (im ökonomischen Sinne) ausgestaltet sein sollten, um möglichst effiziente Ergebnisse zu erzielen. Transaktionskostenökonomik und Informationsökonomik mit dem Teilgebiet der Vertragstheorie werden häufig unter dem Begriff der Neuen Institutionenökonomik zusammengefasst.27 Das Gebiet der Industrieökonomik untersucht die Struktur von Märkten mit unvollständigem Wettbewerb, d.h. in Situationen, in denen Akteure durch ihr Verhalten das Marktergebnis, also z.B. Preise oder Produktqualität beeinflussen können. Dies ist vor allem dann der Fall, wenn auf einem Markt nur wenige oder, im Extremfall, nur ein einziges Unternehmen aktiv ist, d.h. auf oligopolistischen und monopolistischen Märkten. Zu den Themen der Industrieökonomik gehören daher die Preis- und Angebotsentscheidungen von Unternehmen in verschiedenen Marktstrukturen, Werbung, das Investitionsverhalten, Markteintritts- und -austrittsbarrieren, die Bildung von Kartellen, Unternehmenszusammenschlüsse, die Beziehungen zwischen Märkten auf verschiedenen Stufen der Wertschöpfungskette sowie Strategien der Unternehmen, um aktuelle oder potentielle Wettbewerber zu behindern. Aber auch Märkte mit spezifischen Besonderheiten, wie z.B. Märkte mit Netzwerkeffekten, zwei- oder mehrseitige Märkte oder auch natürliche Monopole werden von der Industrieökonomik analysiert.






