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Ich wollte also in einen dieser Golf-Tempel und wandte mich daher an meinen Bekannten Herb Wakabayashi. Ich benutzte, um ihn kooperativ zu stimmen, mein bestes japanisches Idiom. »Oh mächtiger Meister der gebogenen Eishockey-Kelle«, sagte ich, »könntest du nicht im blütenduftenden Morgentau, wenn im Wind das Schilf sich biegt, könntest du nicht dann eine edle Golfrunde organisieren, wobei es eine Golfrunde auf einem erwählten Platz sein müsste, denn dies ist der erlesene Wunsch des erhabenen Zimmermann-San.«
»Willst du mich auf den Arm nehmen?«, knurrte Herb. Aber ein paar Wochen später stehen wir auf dem Platz bei Nagoya.
Es ist ziemlich beeindruckend. Nachdem wir Blumenallee und Karpfenteich hinter uns haben, begrüßt uns der Empfangsmensch mit tiefer Verbeugung – »Welcome, Mistel Kult W. Zimmelmann« – und führt uns dann in die Umkleidezone. Mein Garderobekästchen hat die Ausmaße einer Einzimmerwohnung, und alles ist wohl sortiert da: Kamm aus Teakholz, Kleiderbügel aus Teakholz, Schuhlöffel aus Teakholz, Shampoo und Bademantel.
Das beste Stück aber steht unten auf dem geheizten Boden meiner Einzimmerwohnung. Sauber ausgerichtet, empfangen mich zwei rosarote Seidenpantöffelchen, in denen ich später die zehn Meter zur Teakholz gefassten Dusche watscheln werde, und auf den zwei Seidenpantöffelchen steht in japanischen Lettern der Name des Gastes: »Kult W. Zimmelmann«.
Auf dem Kurs sind wir dann fast allein, nur begleitet von den Mädchen, die als Caddies unsere Golftaschen transportieren. Das muss so sein. Auf den japanischen Privatplätzen nämlich laden die auserwählten Mitglieder jeweils ihre auserwählten Geschäftsfreunde ein – und sie tun es mit machohafter Präpotenz. Man muss unter sich sein und alles muss teuer sein, vom Restaurant bis zu Greenfee und Caddie-Fee. Man stelle sich vor, der Toyota-Finanzchef lädt den Mitsubishi-Marketingchef zum Golfen ein und das Greenfee kostet nur schlappe 400 Dollar – peinlich so was.
Nach neun Löchern heißt Golfkollege Wakabayashi die Mädchen stillzustehen. Wir biegen in Richtung des Clubrestaurants ab. Drei bis vier Gänge nach der Hälfte der Runde ist es in Japan Pflicht etwas zu sich zu nehmen: eine leichte Nudelsuppe zu Beginn vielleicht, dann etwas Fisch, dann etwas Beef und dazu Bier.
Bis zu 500 000 Dollar kostet immer noch eine Mitgliedschaft in den Top-Resorts wie dem Katayamazu Golf Club in Ishikawa oder dem Yomiuri bei Tokio. Zum Trost für Minderbemittelte sei angefügt: In den Achtzigerjahren, bevor Rezession und Börsenbaisse das Land nach unten rissen, waren die Aufnahmegebühren pro Kopf noch einiges höher. Damals kostete es 800 000 Dollar.
Dafür sind in der Jahresgebühr die Onsen inbegriffen. Onsen sind die luxuriösen japanischen Heißwasser-Quellen, die auf den Nobelplätzen eingebaut sind. Wenn man nach einer Runde Golf mit dem Glas in der Hand hier im Dampfe sitzt, dann begreift man automatisch, was Victor de Kowa mit seiner bis heute gültigen Snobismus-Definition meinte: »Snobismus ist die Fähigkeit, sich als Original zu fühlen, auch wenn man nur ein Kopie ist.«
Passt Lila zu Gelb?
Wer sich eine Golfhose kauft, muss wissen, dass es um Grundsätzliches geht.
Diese Woche habe ich mir eine gelbe Golfhose gekauft. Na und? denken Sie jetzt, so toll ist das auch wieder nicht, dass man die gelbe Golfhose gleich zum Thema einer Golfgeschichte machen muss.
Langsam, ich gebe Ihnen zunächst zwei Zusatzinformationen. Erstens ist das Gelb meiner Golfhose derart unglaublich knallgelb, dass daneben selbst ein nagelneuer Briefkasten braun aussieht. Und zweitens ist die Hose von J. Lindeberg.
Damit wären wir beim Thema. Das Magazin »Men's Fitness« hat es kürzlich auch festgestellt: »Das Erstaunlichste an Golf«, so schrieb das Blatt, »ist die Veränderung der männlichen Uniform.«
An Stelle der biederen Outfits in Beige-, Braun- und Grautönen, die wir Männer seit 1648 beim Golfen tragen, tragen wir Männer neuerdings glatte, glänzende Stoffe in schreienden Farben. In meinem Proshop gibt es die Golfhosen nicht nur in Knallgelb, sondern auch noch in Knallhellgrün, Knallviolett, Knallorange, Knallrosa und Knalltürkis.
Die Shirts dazu sind meistens knallrot und knallweiß, mit knalllila Streifen und knallblauen Nähten. Zu den Farben der Mützen kommen wir noch.
Wir Männer holen damit die Frauen ein, die auf dem Platz schon immer als rosarote Panther und als grüne Giftzwerge unterwegs waren. Ausgelöst haben die Wende ein paar der weltbesten Golfprofis wie die Engländer Darren Clarke und Ian Poulter. Der erste und wichtigste Fashion-Golfer war der Schwede Jesper Parnevik, der schon in den Neunzigerjahren in schreiend gelber Hose und cyanfarbigem Pullover auftrat.
Parnevik wurde seit je ausstaffiert von J. Lindeberg, dem schwedischen Modelabel, das den bunten Massenmarkt salonfähig gemacht hat. Inzwischen haben natürlich auch die eher traditionellen Golfausrüster nachgezogen, die seit 1648 vornehmlich biedere Uniformen in Beige-, Braun- und Grautönen angeboten hatten.
Ich liebe den bunten Trend, weil er Golf noch stärker als zivilisatorische Exklave positioniert, als Nahkampfzone der Fröhlichkeit.
Genau das, so finde ich, muss Golf sein. Man sitzt beim Golfen nicht im Büro, man ist draußen in der Natur, zwischen grünen Greens und blauem Himmel, man hat Spaß mit Kollegen, man raucht eine Zigarre, man trinkt ein Glas oder zwei und man reißt dumme Witze. Da kann man sich im Outfit ja nicht farblich so präsentieren, als säße man im Geschäft und läse eine graue Excel-Tabelle.
Natürlich ist das Ganze nicht ohne Probleme. Neue Herausforderungen kommen auf uns zu. Ich überlege zum Beispiel gerade, ob zu meiner knallgelben Golfhose ein lila Poloshirt und eine orange Mütze am besten passen. Oder doch besser ein Shirt in Grasgrün und eine Mütze in Rosa? Oder doch eine Mütze in Mauve?
Ich schwanke noch, vielleicht frag ich meine Frau.
Par 114737 und 3511 verlorene Bälle
Seit Maria Stuart sind Golfer in Statistiken vernarrt.
Nehmen wir Bernhard Langer zum Beispiel. Seine Abschläge waren im Durchschnitt 255,2 Meter lang. Alle 153 Löcher gelang ihm ein Eagle. Pro Runde brauchte er 29,1 Putts. Bei 17,0 Prozent seiner Abschläge lag er rechts im Rough. Bei 11,8 Prozent seiner Abschläge lag er links im Rough.
Im Jahr zuvor waren hingegen 14,53 Prozent seiner Abschläge rechts im Rough und 12,33 seiner Abschläge links im Rough.
Im Sport gibt es Zählspiele und Wettkampfspiele. Zählspiele unterscheiden sich von Wettkampfspielen durch die Menge an Statistiken und Zahlen, die sie ausweisen können. Golf ist ein Zählspiel. Man weiß zum Beispiel sehr genau, wie viele Birdies pro Runde die zehn besten Golfspieler der Welt im letzten Jahr im Durchschnitt erzielten. Es waren 4,04.
Bei Wettkampfspielen, in denen sich Sportler im direkten Vergleich messen, gibt es wenige Statistiken. Man weiß zum Beispiel nicht, welche Durchschnittszeit die zehn besten 100-Meter-Läufer der Welt im Jahre 2006 erzielten. Man kennt die durchschnittliche Geschwindigkeit der zehn letzten Motorradweltmeister nicht.
Es gibt eine einfache Regel. Je direkter – also ohne vergleichende Zählsysteme – sich die Wettkampfsituation präsentiert, desto weniger Statistiken gibt es im Sport. Es gibt darum fast keine Zahlen über Querfeldeinlauf, Formel 1 oder Rudern. Je indirekter – also über vergleichende Zählmethoden – sich im Sport die Wettkampfsituation präsentiert, desto mehr Statistiken gibt es folgerichtig. Es gibt darum Unmengen von Zahlen über Baseball und Tennis – und am meisten über Golf.
Die durchschnittliche Schuhgröße der Golf-Weltklasse zum Beispiel ist 44,5.
Wir könnten nun darüber philosophieren, warum wir Golfer so zahlenfixiert sind. Vermutlich hat es damit zu tun, dass uns das äußerliche Zahlengerüst auch eine innerliche Stütze ist. Wenn wir schon schlecht spielen, dann wissen wir wenigstens mathematisch exakt, warum.
Andere nennen diese Wesensart Masochismus.
Das Ganze kann aber auch vergnüglich sein, vor allem, wenn man durchnumeriert.
0. Null Cents verdiente Bobby Jones in seiner Golfkarriere. Er gewann viermal die US Open, 1930 holte er sich gar alle vier MajorTitel in einem Jahr und ging mit diesem Grand Slam in die Golfgeschichte ein. Dennoch blieb er sein ganzes Leben lang Amateur. Das freute die zweitklassierten Profis, die dann das Sieggeld bekamen. Mit 28 langweilte sich Bobby Jones und er zog sich vom Wettkampfgeschehen zurück.
1. Das Hole-in-One halte er für den schwierigsten Golfschlag, witzelte einmal Komiker Groucho Marx. Die Chancen, mit nur einem Schlag einzulochen, sind tatsächlich nicht sehr gut. Sie stehen 1:12 750.
2. Zwei Kilo Pestizide braucht es für 1000 Quadratmeter Golffläche pro Jahr. Zum Vergleich: Für dieselbe Fläche an Sojabohnen braucht es 120 Gramm.
3. Drei Jahre alt war Jacky Paine aus Kalifornien als ihm mit seinem Snoopy-Driver ein Hole-in-one gelang. Er war der jüngste Kunstschütze aller Zeiten. Der älteste Hole-in-One-Held ist Elsie McLean. Sie war 102jährig, als ihr 2007 auf dem Kurs von Bidwell Park der Schlag der Schläge gelang. Es war ein Par drei über 91 Meter. Sie nahm den Driver.4. Vier Tage, nachdem ihr Ehemann Lord Darnley im Jahr 1567 ermordet worden war, spielte Maria Stuart bereits wieder eine Runde Golf. Das wurde der total golfverrückten Königin von Schottland von ihren Untertanen ziemlich übel genommen. Nachdem später ruchbar wurde, dass Maria Stuart die Ermordung selber angeordnet hatte, war die golferisch abgekürzte Trauerzeit natürlich für jedermann nachvollziehbar.
5. Gleich fünf Hole-in-Ones auf einer einzigen Runde gelangen dem nordkoreanischen Diktator Kim Jong Il im Jahre 1994. Für die gesamten 18 Löcher des Platzes brauchte der »geliebte Führer des Volkes« nur 34 Schläge. Das schwört man jedenfalls im Golfklub von Pjöngjang, und die Propaganda-Abteilung veröffentlichte zur sensationellen Leistung ein Communiqué.
6. Sechs Patronen steckten stets in der Revolverkammer von Al Capone. Beim Golfen trug der Gangsterkönig den Revolver immer in der Hosentasche. Als er auf dem Platz von Bunhams Woods in der Nähe von Chicago spielte, löste sich ein Schuss und durchbohrte seinen Fuß. Auch eine Art Hole-in-One.
7. Handicap 7 spielte Bill Clinton am Ende seiner Amtsperiode. Er war der einzige US-Präsident, der es schaffte, während seiner Dienstzeit im Weißen Haus sein Handicap herunter zu spielen. Die Leistung ist umso höher zu bewerten, weil seine Affäre mit Monica Lewinsky zu unkonstantem Einlochen führte.
8. Acht, der Weltrekord an Golfbällen, die jemals aufeinander balanciert werden konnten.
9. Neun Länder gibt es in Europa, in denen es nur einen oder keinen Golfklub gibt: Rumänien, Mazedonien, Liechtenstein, Bosnien-Herzegowina, Moldawien, Island, Weißrussland, Albanien, Ukraine. Insgesamt gibt es in Europa 6300 Klubs. 1900 liegen in England.
10. Genau 10 Golfplätze zählt das größte Golfressort der Welt, der Mission Hills Club, 60 Kilometer von Hongkong entfernt. Die Plätze sind von Golfgrößen wie Ernie Els, Vijay Sing und Jack Nick laus entworfen. Mission Hills zählt 5000 Mitarbeiter, 2400 Caddies und 1500 Golfcarts.
Und zum noch die höchste Golf-Zahl, die ich kenne.
114 737. 13 Monate war Floyd Satterlee unterwegs, als er in den Jahren 1963 und 1964 quer durch die Vereinigten Staaten spielte. Er startete am Pazifischen Ozean und kam genau 114 737 Schläge später an der Westküste an. Er verlor 3511 Bälle.
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