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05. September 1853
Ein Fest folgte dem anderen und ich wurde mit Geschenken überhäuft, der Kaiser gab mir Geschmeide und Juwelen, unter anderem eine prachtvolle Blütenranke aus Diamanten und Smaragden, die ich mir in die Haare flechten konnte. Mit der ich am Hofball tanzte, meinem zweiten richtigen Ball. Ich war so aufgeregt, dass ich Karl Ludwig, meinem zukünftiger Schwager bei der Polka auf den Fuß stieg und der Arme ist doch ohnehin schon so unglücklich, da ich den Kaiser heirate und nicht ihn.
Im Garten der Sommervilla ließ der Kaiser geschwind sogar eine Schaukel errichten, die ich natürlich sofort in Besitz nahm, der Wildfang, der ich bin. Er spürte auch, dass mir die immer neuen Gesichter Angst machten und ließ mir zuliebe den prächtigen, von fünf Schecken gezogenen, Wagen nicht von einem Kutscher, sondern von Graf Grünne, an den ich schon gewöhnt hatte und gerne mochte, ziehen.
Dem Hofmaler musste ich Modell sitzen, damit ein jeder in Wien weiß, wie ich aussehe.
Jetzt sind wir wieder daheim in Possi und darüber bin ich eigentlich recht froh. Ich muss irrsinnig viel tun und komme kaum zum Schreiben. Französisch, Italienisch, Tanzstunden, Anproben bei der Schneiderin und vieles mehr. Für mich ist der Ernst des Lebens nun angebrochen, sagt Mama. Ich muss jetzt viel lernen, um eine gute Kaiserin zu werden. Bisher wäre mein Unterricht vernachlässigt worden.
Am 24. August wurde nämlich ganz offiziell in der Wiener Zeitung verkündet, dass sich der Kaiser mit mir verlobt hat und es wurden auch meine Eltern, Herzogin Ludovika und Herzog Max in Bayern, namentlich erwähnt und natürlich seine Majestät, König Maximilian II von Bayern, das Familienoberhaupt von uns Wittelsbachern. An den Papa, den Brautvater, und an den König war natürlich auch ein Telegramm versendet worden.
Ich habe jetzt Unterricht in österreichischer Geschichte, allerdings bei einem Ungarn, den Papa für mich ausgesucht hat, wahrscheinlich um Tante Sophie ein bissel zu ärgern, was ich sehr begrüße. Denn den Papa freut es klammheimlich, dass ich, seine Lieblingstochter, die ehrgeizigen Pläne meiner Mutter und meiner Tante durchkreuzt habe. Er hofft auch, dass ich den Kaiser liberaler mache, denn der Franz regiert mit strenger Hand, so wie seine Mutter es ihm befiehlt. Beide seien beim Volk recht unbeliebt, da viele kritische Köpfe im Gefängnis sitzen oder in Ungarn hingerichtet worden waren.
Mein Lehrer heißt Janos Majlath, der Graf ist ein Freund meines Vaters. Er ist ein kleiner, lebhafter, sehr unterhaltsamer Mann, den ich sehr gerne mag. Er lebt in München in bescheidenen, fast ärmlichen Verhältnissen vom Ertrag seiner Bücher, das Geld, das er hier verdient, tut ihm sicher wohl. Er unterrichtet sehr anschaulich bis in den Abend hinein und manchmal hören ihm auch Nene und der Karl Theodor, unser Gackel, zu, die Mama und einige der anderen Lehrer.
Und ich muss ja auch noch Sprachen lernen, Französisch, Italienisch und Böhmisch, leider habe ich kein rechtes Talent für fremde Sprachen und das Französisch sprechen nimmt in der Gesellschaft zu Mamas Verdruss ohnehin sehr ab. Aber der Kaiser herrscht ja über so viele Länder, Venezien, Lombardei, wo man Italienisch spricht, Böhmen, Ungarn, Kroatien, Slowenien, das Banat und Serbien, wie mir Mama immer wieder in Erinnerung ruft.
Die Tante Sophie, die begierig über meine Lernfortschritte unterrichtet werden möchte, erscheint mir immer furchteinflößender. Meine Kinderangst hat einen Namen und ein Gesicht bekommen. Dabei schreibt sie angeblich an alle Tanten von mir nur als der lieben Elise, die ihren Sohn so glücklich macht.
10. September 1853
Mir macht der Unterricht viel Freude, besonders der bei meinem Ungarn. Herr Majlath ist sehr nett zu mir, er weiß so viel und hat sehr viel Humor. Immerzu schwärmt er mir von seinem schönen Heimatland vor. Ungarn muss traumhaft sein, ein richtiges Herzensland. Ich habe Bilder von der Puszta gesehen, diese unheimliche Weite. Ich freue mich so darauf, dort hinzureisen, ich würde mich dort frei fühlen, unendlich frei.
Außerdem sind die Ungarn tapfere und mutige Menschen, sind sie doch genauso freiheitsliebend wie ich. 1849 wurde ihre Verfassung von Franz Joseph außer Kraft gesetzt. Ein Jahr zuvor hatte es nämlich viele Todesurteile gegen aufständische Ungarn gegeben, nachdem einer von ihnen versucht hatte, den Kaiser umzubringen. Das ist eine sehr schlimme Tat gewesen, aber man darf doch nicht ein ganzes Volk für die Tat eines Einzelnen bestrafen.
Franzls General Julius von Haynau bekämpfte entschieden alle Gegner der Monarchie und war daher bei diesen als Hyäne von Brescia oder als der Blutrichter von Arad berüchtigt. Auf seinen Befehl wurden am 6. Oktober 1849 dreizehn ungarische Generale sowie am gleichen Tage in Budapest der erste ungarische Ministerpräsident Lajos Batthyány hingerichtet. Majlath hat voller Verachtung von diesem Menschen gesprochen, was ich gut nachempfinden kann.
Ich habe mir jedenfalls ganz fest vorgenommen, mich für Ungarn einzusetzen, wenn ich Kaiserin bin, ganz fest. Schon alleine wegen Herrn Majlath, der ein stolzer Ungar ist und bei mir um Verständnis für die ungarischen Sonderrechte wirbt, was er nicht tun muss. Er erklärt mir die ungarische Verfassung, die von Franz Joseph aufgehoben wurde und unbedingt wieder in Kraft gesetzt werden muss.
Wir sind übrigens beide der Meinung, dass die zweckmäßigste Regierungsform die Republik sei. Das darf ich natürlich niemanden sagen, das muss unser Geheimnis bleiben, aber das weiß ich noch nicht so recht.
Allerdings hängt in allen Köpfen noch Frankreich wie eine dunkle Wolke fest. Tante Sophie hat dolle Angst, dass dieses Beispiel Schule macht und wir wie die unglückselige Marie Antoinette und ihr Gemahl geköpft werden, nur, weil Leute glauben, das Ende der Monarchie sei gekommen und sich gegen die heilige Macht des Kaisers auflehnen. Sie glauben nicht, dass die Monarchen von Gott bestimmt sind, ihre Völker zu lenken und, dass sie es alleine besser könnten. Also sag ich lieber nicht, was ich denke oder zu denken glaube.
Er zeigt mir so schöne ungarische Gedichte, Sagen und Märchen. Ich wäre lieber Königin von Ungarin statt Kaiserin von Österreich.
„Sisi, leg dein Schreibzeug beiseite. Du musst dich jetzt mit deiner Aussteuer beschäftigen. Die Zeigt drängt. Ich möchte, dass dein Trousseau, deine kaiserliche Aussteuer, in Wien vor Sophies gestrengen Augen besteht. Ich will mich nicht blamieren und du sicher auch nicht.“
Mama war neben mich getreten und ich räume etwas widerwillig die Schreibsachen beiseite.
Anproben, wie öde. Ich hasse das ständige Anprobieren und kümmere mich kaum um die vielen, neuen, furchtbar kostbaren Kleider. Ich habe auch keine Freude mehr an den Juwelen, die der Kaiser mir schickt. Ich habe mich über keines seiner Geschenke so recht gefreut nur über den diamantenen Armreif mit dem Miniaturportrait des Kaisers, das damals gemeinsam mit meinem Bild in Ischl gemalt wurde.
„Übrigens ist Néné immer noch böse auf mich, Mama“, sage ich „wir reden zwar wieder mit einander, aber nicht über das, was in Bad Ischl passiert ist. Das ist für sie alles ganz furchtbar schlimm. Sie sieht doch, wie ich den Unterricht bekomme, den sie eigentlich bekommen sollte. Wie meine Aussteuer in Kisten gepackt wird, die eigentlich die ihre sein sollte. Mama, ich habe ihr den Mann gestohlen, den sie heiraten sollte und wollte. Wegen mir wird sie nun keine Kaiserin. Ich habe das doch nicht mit Absicht getan. Ich wollte doch nie Kaiserin werden.“
Meine Mutter sieht mich ernst an. „Es ist passiert, was passiert ist. Kümmere dich bitte jetzt um deine Aussteuer. Alles andere regelt sich.“
13. September 1853
Néné und ich saßen an unserem Steg am See und haben über alles geredet. Sie ist mir nicht mehr böse und sie versteht, dass ich Angst habe. Sie hatte ja auch große Angst gehabt und es deswegen vermasselt, wie sie nun unumwunden zugibt.
„Ich habe es einfach zu sehr gewollt, Sisi und ich glaube, wenn man etwas unbedingt will, dann geht es niemals gut. Du hast es gar nicht gewollt und du hast es bekommen“, sagt sie traurig und ich lege tröstend den Arm um sie.
„Du wirst gewiss einen guten Mann bekommen. Du bist so schön, klug und gebildet und du spielst so wundervoll Klavier. Beim nächsten Mal stellst du dich einfach entspannter an, bekommst keine Migräne und alles wird gut“, sage ich bestimmt.
„Nur, dass es beim nächsten Mal keinen Kaiser mehr für mich gibt. So viele Kaiser hat Europa nicht und der Zar von Russland ist mindestens 10 Jahre jünger als ich“, meint Néné schmunzelnd.
Auch mein Papa hat übrigens Angst, da er sich nun ordentlich benehmen muss und sich nicht wie ein freigeistiger Bürger oder ein Zechbruder bei seinen Artusrunden betragen darf, wenn er nun der Schwiegervater des Kaisers von Österreich wird. Meint zumindest Onkel Max, der König, der meinem Papa regelmäßig wegen seinem Lebenswandel die Leviten liest.
Hoffentlich hält sich Papa dran, denn ich fürchte, dass ich auch seinetwegen viele Gegner am Wiener Hof haben werde.
15. Oktober 1853
Der Franzl ist für ein paar Tage hier. Er hat mit meinen Geschwistern im Garten herumgetollt. Wie ein kleiner Junge, mein Kaiser, der sich hier entspannen kann, mit meinen Brüdern alberne Spiele spielt und ganz und gar die Orientkrise vergisst. Zar Nikolaus ist nämlich in einige Gebiete des türkischen Sultans eingedrungen und möchte, dass der Kaiser ihn unterstützt, weil er ihm 1848 beim Aufstand der Ungarn zur Hilfe gekommen war und geholfen hatte, den Aufstand niederzuschlagen, als die Ungarn sich vom Kaiserreich trennen wollten. Der Kaiser kann sich nicht recht entscheiden, was er machen soll und grübelt viel.
Wie viel jünger wirkt er jetzt, wie viel unbeschwerter. Und er reitet mit mir über die Felder und Wiesen, auch, wenn es die Tante Sophie sicher nicht gerne sieht, dass ich reite, denn das schickt sich nicht für eine zukünftige Kaiserin, die den Erben gebären soll. Angeblich wurde auch der armen Marie Antoinette von ihrer Mama, der gestrengen Kaiserin Maria Theresia, das Reiten verboten. Dabei ritt sie in Versailles so gerne aus, aber es sei nicht gut für das Becken und würde das Gebären erschweren. Aber es macht solche Freude und der Franzl reitet so gut wie mein Vater.
Seine Reise nach Possi war allerdings sehr beschwerlich. Über Prag, Dresden, Leipzig und Hof ging es nach München, was etwas mehr als einen Tag dauerte, denn es gibt noch keine Eisenbahnverbindung zwischen München und Wien. Und dann ist er zuerst zu König Max, meinem Onkel, wegen dem Protokoll und ich musste ziemlich lange warten.
Der Kaiser ist so verliebt in mich, er konnte die Tage kaum erwarten, nach Possi zu reisen, denn er muss immerzu an mich denken und liebt mich jeden Tag ein wenig mehr, wie er auch seiner Mama schreibt. Sisi ist reizender denn je, solche lieben Worte hört man gerne.
Mit der Zahnpflege will es allerdings nicht recht klappen. So sehr ich auch putze, sehr viel weißer werden sie nicht. Muss ich eben mit geschlossenem Mund lächeln, was ich schon ganz gut kann.
24. Dezember 1853
Lange habe ich nicht geschrieben. Bald werde ich den Franzl heiraten und Kaiserin werden. Ich weiß immer noch nicht, ob ich das überhaupt will.
Den Franzl heiraten schon, ich habe ich ja auch lieb.
Aber das mit der Kaiserin?
Ich muss von so vielem Abschied nehmen, was mir lieb ist.
Von meinen Eltern, meinen Geschwistern, meiner Heimat, München und vor allem meinem Possi, meinem See, meinen Tieren, meiner Kindheit, ich werde nicht mehr ich selbst sein. Mein Zimmer wird übrigens Marie, meine Lieblingsschwester, bekommen.
Ich werde in ein anderes Land gehen und weiß nicht, was mich erwarten wird. Ich weiß, ich bin undankbar. Aber ich habe solche Angst vor Wien.
Leb wohl vertraute Isar, geliebtes Bayernland.
Franz wird mich gewiss lieben.
Aber reicht das für uns beide?
Ich weiß es nicht.
Ich werde mit dem Kaiser reisen und fremde Länder sehen.
Aber reicht das auf Dauer?
Ich bin ja kein Mann wie der Papa, dass ich alleine auf Reisen gehen kann. Ich werde mit einer Kinderschar in Wien festsitzen und der Sophie ausgeliefert sein.
Vielleicht war die Nene die eigentliche Siegerin in Bad Ischl. Ihr ruhiges, frommes, ein wenig steifes Wesen passt perfekt zu Sophie!
Obwohl, ich will nicht ungerecht sein, der Kaiser ist so lieb, kam zu Weihachten zu Besuch und brachte Juwelen, ein Portrait von sich und ein silbernes Frühstücksservice für die Reise mit, in das ein E mit Kaiserkrone graviert ist.
Von Tante Sophie bekam ich einen Kranz und ein Bukett frischer Rosen mitten im Winter. Letzten Herbst zu meinem Namenstag, am 19. November, habe ich eine sehr kostbare Brosche geschenkt bekommen. Der Kaiser und ich schenkten uns gegenseitig Bilder von uns zu Pferd. Ich habe ehrlich gesagt keine Freude mehr an den Juwelen, die der Kaiser mir schenkt. Ich habe mich über keines seiner Geschenke so recht gefreut, nur über den Papageien, den er mir heute schenkte. Über den freute ich mich aber riesig.
„Danke für die lieben Geschenke, vor allem für den reizenden Papagei. So gerne würde ich mit dir einmal in den Urwald reisen. Er war das beste Geschenk überhaupt. Für mich viel schöner als alle Juwelen, auch wenn diese sehr wertvoll sind“, sage ich leise.
„Du sollst nur das Beste und Teuerste haben, Sisi“, flüstert er in mein Ohr, ohne auf das einzugehen, was ich gerade gesagt hatte und ich klappe das Buch rasch zu.
„Stell dir vor, selbst deine Toilettengarnitur wird aus purem Gold sein.“
Er lacht und ich stimme in sein Lachen mit ein.
„Pretiosen, Silber, chinesisches Porzellan, Statuen und Uhren aus den verschiedenen Sammlungen des Kaiserhauses, auch aus der Schatzkammer und der Ambraser Sammlung, dir soll bei uns an nichts mangeln.“
Mein Lachen geht in ein gequältes Lächeln über, denn ich mach mir aus all diesen Sachen nichts.
Am besten erzähle ich dem Kaiser nichts von meinem Unterricht bei meinem Ungarn. Er würde es nicht verstehen und dieses Nichtverstehen würde mir wehtun.
Eigentlich wollte ich meinen Geburtstag und Weihnachten mit meiner Familie ganz intim feiern und nicht mit vielen fremden Menschen und einem steifen Hofzeremoniell, an das ich mich gar nicht gewöhnen mag.
Kapitel 2 – Adieu geliebte Isar
05. Januar 1854
Ich werde auf den bayerischen Thron verzichten müssen und so eine Art Verzichtserklärung abgeben. Der bayerische Thron kümmert mich wenig, ich hätte ihn sowieso nie bekommen, da meine Familie nur ein unbedeutender Nebenzweig der Wittelsbacher ist. Der in Wien ist ohnehin viel Bedeutender. Und dennoch, für mich ist es, als würde ich einen Schlussstrich unter mein bisheriges Leben ziehen und das tut mir irgendwie weh.
Adieu geliebte Isar, warum muss ich dich verlassen, ohne zu wissen, ob mir die Donau überhaupt gefällt?
16. Januar 1854
Ich hasse es!!! Jeder Schritt, den ich tue – jedes Wort, das ich sage – alles wird auf die Goldwaage gelegt und beurteilt.
Früher hat sich niemand um mich gekümmert und ich konnte tun und lassen, was ich wollte. Mit den einsamen Spaziergängen und Ausritten ist es nun vorbei, ebenso mit den Schlittenpartien, eine Kaiserin, die im Schnee tollt, das geht sich gar nicht aus. Franzl hat Angst um mich, wenn ich alleine ausreite, dabei bin ich doch die beste Reiterin in meiner Familie. Er hat sogar gesehen wie gut ich reite, allerdings musste er es der Tante Sophie versprechen, dass ich es einschränke, aber ich will es einfach nicht aufgeben.
Und an das Angestarrt werden kann ich mich einfach nicht gewöhnen. Ich starre fremde Menschen ja auch nicht an, das muss denen doch genauso unangenehm sein wie mir. Beim Münchner Theaterbesuch mit dem Kaiser war mir der stürmische Empfang unangenehm, dafür klappte es laut Franz Joseph beim Hofball zu Ehren unserer Königin Marie, der Gemahlin Maximilians II, am 15. Oktober letzten Jahres recht gut, es war angeblich gar brillant. Nur angeblich, denn ich genierte mich furchtbar und die ganzen Diplomaten langweilten mich zu Tode.
Das Ganze muss ein furchtbarer Irrtum sein, ein schrecklicher Traum. Papa hat seinen kleinen Wildfang unendlich lieb. In Wien wird das ganz anders sein. Ich darf übrigens die Tante Sophie nicht mehr duzen, aber das ist mir ohnehin lieber.
05. März 1854
Gestern wurde mein Ehevertrag mit Franz unterzeichnet. Er konnte leider nicht kommen, was mich sehr traurig macht. Ich habe eine Aussteuer von 150.000 Gulden bekommen. Papa hat 50.000 bezahlt und Franz 100.000. Zudem habe ich eine Jahresrente von 100.000 Gulden für Kleider, Schmuck und Almosen zur Verfügung.
Ich habe auch die Verzichtserklärung für die Erbfolge im bayerischen Königreich abgegeben, die sogenannte Renunziation.
Ich saß die ganze Zeit neben dem König auf dem Baldachin auf der Estrade und ich glaube, die Mitglieder des Königshauses, die Hofwürdenträger und die Staatsminister haben das erste Mal in meinem Leben Notiz von mir genommen.
13. März 1854
Der Kaiser ist da. Er hat mir wundervollen Schmuck mitgebracht, den einst seine Mutter an ihrem Hochzeitstag getragen hat. Ein wunderschönes Diadem mit Collier und Ohrringe, die mit Diamanten und Opalen gefasst sind. Es ist fast so kostbar wie mein gesamter Schmuck.
„Das ist wirklich wunderschön. Vielen Dank, Franz“, sage ich artig. „Ich will mich gleich hinsetzen und an die Tante Sophie schreiben.“
Franz nickt und nimmt meine Hand.
„Denk aber bitte daran, sie nicht wieder zu duzen, sie war sehr befremdet darüber, dass du sie damals bei deinem ersten Brief geduzt hast.“
„Das war ein Versehen, ich dachte nicht daran, seitdem schreibe ich sie ja in der Sie Form an“, sage ich betont ruhig „sie ist ja eigentlich immerhin meine Tante und meine Schwiegermama.“
„Ja, das stimmt, aber vor einer älteren Dame muss man Respekt und Ehrfurcht haben, auch ich als ihr Sohn verwende, wie du weißt, die Sie Form.“
„Gut, dann bedanke ich mich und schreibe, dass ich mich vertrauensvoll der mütterlichen Liebe der Erzherzogin hingeben kann“, sage ich gepresst. „Das wird ihr gewiss gefallen.“
„Sie meint es nur gut, Sisi, in jedem Brief an Tante Luise und Tante Elise schwärmt sie von deinem Liebreiz und nennt dich zärtlich Elise. Sei so gut und sei nicht gleich so angefasst, wenn man eine Bitte an dich richtet, mein Engel. Das steht dir nicht.“
Ich atme tief durch, mich von meinem alten Leben zu verabschieden, fällt mir unendlich schwer. Am liebsten würde ich manchmal ganz weit weglaufen, denn dann denke ich: Es war ein Fehler. Wieso konnte ich nur ja sagen. War dieses Ja nicht doch ein Fehler gewesen. Kam dieses Ja wirklich von mir oder mehr von meiner Mama?
22. April 1854
Ich bin in Wien!
Mit dem Schiff, das Franz Joseph hieß, wie kann es anders sein, bin ich hergekommen. Mein Gepäck, 17 große und 8 kleine Koffer sind schon am 14. April verschifft worden und am 16. April, dem Ostersonntag, hat es noch ein Galakonzert am königlichen Hofe in München gegeben. Bis Linz bin ich mit der hübschen „Stadt Regensburg“ gefahren, ab Linz dann im prachtvollen Raddampfer „Franz Joseph.“
Ich habe tränenreich Abschied vom lieben Possi genommen, von meinem Zimmer, von meinem Garten, dem See und den Bergen. Am Morgen des 20. Aprils kam König Maximilian in unser Palais in München, um mir Lebewohl zu sagen. In der Ludwigstraße, vom Palais bis zur Siegessäule standen tausende Menschen, die mir zuwinkten und ich wurde nach Straubing zur Donau gebracht, wo das kaiserliche Schiff wartete. Meine Geschwister waren bei mir und mein liebster Bruder, der Karl Theodor, unser Gackel, saß höchstselbst am Bocke. Ludwig und Néné werden gar bis Wien mit mir reisen. Der Ludwig mag den Aufwand und die Etikette genauso wenig wie der Papa und ich.
Mama nervt mich, weil sie immer wieder jammert, dass Tante Sophie meine Ausstattung recht armselig findet, weil sie selbst damals 40 Koffer dabeihatte, als sie nach Wien zog und Franzens Vater heiratete. Obwohl sie nicht einmal Kaiserin wurde.
Adieu geliebte Isar!
Wenn ich nicht so aufgeregt gewesen wäre, hätte ich die Schifffahrt sehr genossen. Ich fahre nämlich gerne Schiff, aber es standen so viele Menschen am Ufer und ich musste immerfort grüßen und lächeln, obwohl mir zum Weinen zumute war.
Das Schiff war überaus prächtig ausgestattet, 140 Pferdestärken in London gefertigt, wie mir der Kapitän freudestrahlend erzählte, meine Kajüte mit Purpursamt verkleidet, das Deck in einen Blumengarten verwandelt mit einer Rosenlaube, in die ich mich zurückziehen konnte. Die Rosengirlanden reichten über die Schiffswände bis zum Wasser hinab. Überall bayerische Fahnen, österreichische Fahnen und Habsburger Fahnen, die allesamt einträchtig im Fahrtwind wehten.
In Linz, der Hauptstadt Oberösterreichs, haben wir am 21. April im Schauspielhaus „die Rosen der Elisabeth“ gesehen und die Stadt war festlich beleuchtet. Der Kaiser, der mich unter Hochrufen der Bevölkerung freudestrahlend in die Arme schloss, verließ Linz am 22. um 4 Uhr 30 früh, um mir voranzueilen und mich in Wien abermals zu empfangen.
Wir legten um 8 Uhr in Linz ab. Was habe ich alles zu sehen bekommen und konnte mich kaum sattsehen, das Barockstift Melk, die Burg Dürnstein, Krems, Tulln, Klosterneuburg, alles feierlich herausgeputzt und schön anzusehen. Überall winkten mir Schulkinder, Bauern, Arbeiter und Frauen und ich winkte so eifrig zurück, dass mir die Hände wehtaten, dabei war ich schon ziemlich erschöpft, ängstlich, nervös und so still, dass meine Mama und meine Geschwister, die einen Teil der Reise mit mir machten, mich aufzuheitern versuchten.
Zu laut dröhnten die Kaiserhymne und vor allem die Böllerschüsse in meinen Ohren!
Bevor wir in Nussdorf bei Wien ankamen, zogen wir uns alle um und ich trug eines meiner kostbarsten Kleider, ein duftiges rosafarbenes Seidenkleid mit weitausladender Krinoline, eine weiße Spitzenmantille und ein kleines weißes Hütchen zierte mein Haupt.
Kanonengewitter und das Glockengeläut aller Wiener Kirchen kündigten meine Ankunft in Nussdorf an. „Vivat, ein Hoch auf Elisabeth, hoch lebe unsere Kaiserin“ riefen die Menschen.
Mein Franzl sprang noch, bevor das Schiff richtig angelegt hatte, vom Ufer auf das Schiff, schloss mich in seine Arme und küsste mich stürmisch. Alle riefen in einem fort ganz laut „Hoch, Elisabeth!“ und ich winkte noch einmal eifrig mit meinem Spitzentuch.
Handkuss für die Tante und Schwiegermutter, Begrüßung der Brüder, Tanten und Onkel, Jubelrufe, Böllerschüsse, Musik, Fahnenschwenken.
Wagenzug nach Wien zum Schloss Schönbrunn in einer Kutsche, die von Lipizzanerschimmeln gezogen wird.
24. April 1854
Heute habe ich geheiratet, in der Augustinerkirche mit 70 Bischöfen und Prälaten. In einem wahren Traum von einem Kleid, ein gold -und silberbesticktes, reich mit Myrten besticktes Schleppkleid. Es sollte eigentlich mein schönster Tag sein, aber ich bin jetzt völlig am Ende, müde und todunglücklich.
Die Predigt war nämlich scheußlich!