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Kardinal Rauscher äußerte sich folgendermaßen: „Wenn eine Frau einen Mann liebt, weil er reich ist, so ist sie nicht rein, denn sie liebt nicht den Mann, sondern sein Geld.“
Ist das nicht gemein, Franz Joseph ist der mächtigste Mann der Welt und er hat viel Geld, aber er braucht doch für mich gar kein Kaiser zu sein, ich wäre ohne all das ohnehin sehr viel glücklicher. Übrigens ist Kardinal Rauscher Tante Sophies Beichtvater. Der alte Drachen wollte mir weh tun!
Der restliche Tag war voller Pomp, Gratulationen, Geschenke, Ehrbezeugungen, Huldigungen. Nach der Trauung wurde ich dem Wiener Hof offiziell vorgestellt, für mich kam es einem Tribunal gleich. Ich kannte kaum einen der Leute und fühlte mich einsam und verlassen. Überall nur fremde Gesichter. Als ich inmitten dieser feindlichen Schar zwei meiner Cousinen entdeckt habe, die genau wie ich aus Bayern kommen, war ich richtig glücklich und bin sofort zu ihnen hin und hab sie umarmt. Ganz lang festgehalten habe ich die liebe Adelgunde.
Vergessen war der gestrige Fauxpas, als ich mit der Diamantenkrone, einer prächtigen alten Goldschmiedearbeit mit Smaragden, die mir der Franzl zur Hochzeit geschenkt hatte, beim Aussteigen aus der Kutsche strauchelnd an der Türfassung hängenblieb und Anlass zum Gelächter und Getratsche bot, weil die Krone durch meine Ungeschicklichkeit zu Boden fiel und in aller Eile repariert werden musste. Ein böses Omen!
Vergessen war, dass ich, als ich an meinem ersten Abend in Wien zu Bett ging, ein Schreiben ausgehändigt bekam, das ich studieren sollte, damit bei meiner Hochzeit alles gut ging. Das Zeremoniell für den öffentlichen Einzug Ihrer Königlichen Hoheit, durchlauchtigsten Prinzessin Elisabeth, Herzogin in Bayern. Alleine dieser ganze Hofstaat und das furchtbar steife spanische Hofprotokoll ängstigten mich schon jetzt zu Tode.
„Die Wiener werden begeistert von meiner reizenden Braut sein“, versuchte mich, die ich schreckensbleich die Gräfin Esterházy und meine Mama anstarrte, der Kaiser zu beruhigen.
Vergessen war, dass ich mit einem Portrait von Marie Antoinette in einem Zimmer nächtigen musste, die war zwar recht hübsch, ist aber doch recht eindeutig geköpft worden.
Vergessen war, dass ich gestern schrieb: „Ich bin erwacht in einem Kerker und Fesseln sind an meiner Hand. Und meine Sehnsucht immer stärker – und Freiheit! Du mir abgewandt.“
Ich atme tief durch!
Endlich vertraute Gesichter statt der vielen Fremden, denen ich am 22. April, am Tag meiner strapaziösen Reise, vom Balkon des Schönbrunner Schlosses zuwinken musste und dem Hofgaladiner mit allem Prunk des Kaiserreiches.
Wenn ich an all die Strapazen denke! Den feierlichen Einzug in Wien am folgenden Tag, dem 23. April in der Favorita, dem alten Stadtschloss Maria Theresias, das aber von der kaiserlichen Familie kaum noch verwendet wird. Ich musste dann ziemlich weinen, als ich nachmittags in der gläsernen Kutsche saß, die von acht herrlichen Lipizzanerschimmeln gezogen wurde. Ich war so erschöpft, aber auch Mama, die neben mir saß, sah ängstlich drein, da man bei uns am Hofe schlicht so ein Spektakel nicht gewöhnt ist.
„Hör auf zu weinen, was sollen die Menschen nur von dir denken, du musst lächeln und den Menschen zeigen, wie glücklich du bist, dass du den Kaiser heiratest und Kaiserin wirst“, sagte Mama in einem fort und ich weinte unaufhörlich.
Schluchzend kam ich in der Hofburg, meinem neuen Heim an.
Ich atme noch einmal tief durch und strahle meine Cousinen an.
„Elisabeth, es geziemt sich nicht für eine Kaiserin, bayerische Prinzessinnen zu küssen! Hast du vergessen, dass dir deine Hofdamen die Hand küssen sollen. Es ist gleichgültig, dass Adelgunde deine Cousine ist und du mit ihr als Kind gespielt hast. Sie soll dir wie jede andere Dame die Hand küssen.“
Sophie, einem Racheengel gleich!
Ich gehöre mir nicht mehr selbst, nur der österreichischen Krone, der gehöre ich. Ich wende mich hilfesuchend zu Franz Joseph, darauf hoffend, dieser würde sich auf meine Seite stellen.
„Mama hat recht, Gefühlsregungen darf man nicht so einfach nachgeben. Du bist die erste Dame des Reiches und keine Bauersfrau“, flüstert er mir leise ins Ohr.
Selbst die einfachste Bauersfrau kann ihr Leben freier leben als ich. Bei ihr ist es egal, wen sie in den Arm nimmt und wen nicht. Ich muss alles so machen wie es das Protokoll will und wehe ich verstoße gegen dieses, dann zürnen sie mir, selbst mein Franzl.
Ich schlucke schwer. Ich fühle mich schrecklich einsam in dieser fremden Welt, in der man keine Gefühle zeigen darf und niemand umarmen darf. Ich habe Kopfweh und mir ist flau im Magen
„Es ist so furchtbar schwer, Franz. Niemand darf mich ansprechen, ich muss von selbst ein Gespräch anfangen, ich weiß nie, was ich sagen soll. Ich bin doch so schrecklich schüchtern. Und dann sehen die Menschen meine schlechten Zähne.“
„Das wirst du lernen müssen. Du musst dir Mühe geben, Sisi, du bist die erste Dame des Reiches. Du musst freundlicher grüßen und dich besser halten. Das hat dir sicher auch die Gräfin Esterházy, deine erste Dame, schon erklärt. Ebenso deine Mama vorhin, als du in Tränen ausgebrochen bist. Und nun lass uns zu Bett gehen, du musst schrecklich müde sein.“
Jetzt sitze ich bei Kerzenschein an meinem Schreibpult und notiere bei Kerzenschein rasch meine Gedanken, weil ich nicht schlafen kann. Franz wollte mit mir verkehren und ich habe ihn gebeten, es auf morgen zu verschieben. Ich bin schrecklich müde und habe Angst, dass es weh tut.
Ich gähne und klappe das Buch zu. Franz liegt schon im Bett und schläft selig. Ich lösche die Kerzen und lege mich zu ihm.
30. April 1854
Tagelanger Kleinkrieg mit Tante Sophie. Sie will jeden Tag mit uns frühstücken, was mir zuwider ist, so wie mir Tante Sophie eben zuwider ist. Schon nach unserer Hochzeitnacht fragten Tante Sophie und Mama uns beim Frühstück aus, ob wir die Ehe vollzogen haben, das war so peinlich! Natürlich meint sie es gut mit mir, aber ich will einfach meine Ruhe haben. Ist das so schwer zu verstehen. Auch, wenn sie mich mag, ich kann sie eben nicht leiden. Außerdem geht sie diese Sache nichts an. Ich will nicht, dass nun jeder weiß, dass der Kaiser seine junge Braut nun endlich entjungfert hat.
Wir haben nämlich erst in der dritten Nacht die Ehe vollzogen und es hat schrecklich weh getan, weil Franz so stürmisch und hitzig war, keuchend und voller Triumph in mich eindrang und mich im Bett zu seinem Eigentum machte. Nicht einmal erschrocken schien er über das viele Blut, das er hinterließ, zu sein.
Jetzt wusste ich, was Mama mit den ehelichen Pflichten meinte und ich konnte diesen nur wenig abgewinnen.
Sie ekeln mich gar an! Ich habe mich erniedrigt und gedemütigt gefühlt, war voller Schmerzen und Pein und musste vor Ekel würgen.
Der Kaiser merkte von all dem nichts!
Alles, was Franz und ich machen, bekommt Tante Sophie heraus, nichts kann man ihr recht machen. Wenn sie im Raum ist, fehlt mir die Luft zum Atmen. Warum kann sie uns nicht einfach in Ruhe lassen. Ich will meinen Mann wenigstens ein paar Momente für mich alleine. Nicht einmal eine Hochzeitsreise will ich. Franz hätte ohnehin keine Zeit. Ich will doch nur, dass er mich liebhat und dass er mich vor ihr beschützt. Er ist ihr Sohn und hat ihr seine Krone zu verdanken, deswegen tut er nichts und sie frühstückt mit uns.
Ich werde mich aber zur Wehr setzen.
Ich bin tief gekränkt, dass ich in der Nacht meine Pflicht tun muss und am Tag nicht einmal allein mit Franz frühstücken darf.
Das habe ich unter Frausein nicht erwartet.
15. Mai 1854
Wir sind ins Schloss Laxenburg umgezogen. Es regnet schon den ganzen Mai über und es sieht nicht so aus, als würde es jemals damit aufhören. Seit gestern habe ich Husten, weil das dämliche Schloss feucht und klamm ist.
Eigentlich wäre es nämlich ein schönes Schloss, viel schöner als die düstere Hofburg, mit romantischen Türmen und Türmchen, etliche Kilometer außerhalb Wiens in einer waldreichen Gegend gelegen mit einem riesigen Park, der mich an den englischen Garten in München erinnert.
Der Kaiser lässt mich aber den ganzen Tag alleine. Ganz früh am Morgen fährt er nach Wien und kommt erst am Abend zurück. Dauernd empfängt er Deputationen aus Niederösterreich, aus Oberösterreich, aus der Steiermark, aus Kärnten, aus der Krain und aus der Bukowina und natürlich aus Ungarn, die zumindest farbenfrohe Uniformen anhaben.
Zu allem Überfluss kommt Tante Sophie jeden Tag zu Besuch, um mich auszuspionieren. Obwohl sie den Sommer eigentlich in Schönbrunn verbringt. Franz sagt, dass sie es nur gut meint und mir Gesellschaft leisten will, aber das glaube ich ihr nicht. Wenn sie es gut mit mir meinen würde, dann würde sie mich nicht auf Schritt und Tritt verfolgen und alles bekritteln, was ich tue. An allem nörgelt sie mit harter Miene herum. Nichts kann ich ihr recht machen. Wenn ich bei den Empfängen dabei bin, soll ich mich aufrecht halten, herzlich lächeln und den Leuten in die Augen schauen.
Néné käme mit ihr sicher blendend zurecht.
Das Einzige, was mich ermuntert, sind meine Tiere, die ich teils aus Possi mitgebracht habe, meine Papageien. Stundenlang könnte ich an ihrem Käfig sitzen und ihnen Namen, gar ganze Sätze, beibringen.
PS: Meine Hofdamen mokieren sich über mein schlechtes Französisch. Mein Vater legte halt Wert auf das Englische, da er England mehr schätzt und den englischen Hof für die Zukunft hält.
18. Mai 1854
Mir dröhnen die Ohren.
„Es schickt sich nicht für eine Kaiserin, ihrem Mann hinterherzulaufen, wie ein Waschmädchen ihrem Galan.“
Nur weil ich Franz in Wien besucht habe, ich habe mich doch immer sofort zurückgezogen, wenn er Besuch hatte, oder, wenn seine Minister da waren. Wie kleine Kinder hat sie uns ausgeschimpft. War sie denn nie jung? Sie will die Kontrolle über uns, aber sie kann uns nichts im Grunde nichts. Ich bin nämlich die Kaiserin und sie nur Erzherzogin. Und ich habe den Kaiser doch so selten bei mir, selbst beim Diner sitzt die Esterházy dabei und bemängelt alles oder ich muss mich mit dem kaiserlichen Flügeladjutanten Hugo von Weckbecker in der Konversation üben. Nicht einmal über die wundervolle Bibliothek in Laxenburg können wir plaudern, denn der Kaiser hält nichts von Romanen und meint diese würden mich wirr machen.
„Es schickt sich nicht für eine Kaiserin, ihrem Mann hinterherzulaufen. In was für eine peinliche Situation du deine erste Dame gebracht hast. Die Gräfin Esterházy war ganz verzweifelt, weil du ihr davongelaufen bist. Und ich höre, dass du immer noch im Schlosspark mit Kreti und Pleti sprichst, dies mag sich in Possenhofen so angehen, wir sind hier aber in Wien. Und wo wir schon dabei sind, du hast dich von deinen Kammerfrauen anzuziehen und nicht geniert zu tun und es geht auch nicht, dass du mit ihnen keine Konversation betreibst. So empfindlich kann man doch gar nicht sein. Ich meine es doch nur gut mit dir, Elise.“
Die Erzherzogin schnaubt wutentbrannt und ich schaue hilfesuchend zum Franz hinüber, der mich nach diesem endlich mal vergnügten Tag ruhig verteidigen könnte, aber er bleibt zu meinem Entsetzen stumm und Sophie spricht weiter.
„Ich kann nicht zulassen, dass du dich so kindisch beträgst und unserem guten Ruf schadest. Von nun an wirst du Laxenburg nur mit der Gräfin Esterházy verlassen. Du wirst ihr auch zuhören, wenn sie dir etwas erklärt. Mir ist nämlich zu Ohren gekommen, dass du das nicht machst und somit mit unseren Sitten noch immer nicht so recht vertraut bist. Sie und Baron Weckbecker, des Kaisers Flügeladjutant, unterrichten dich weiterhin in den Gepflogenheiten unseres Hofes. Weckbecker und Lobowotz werden mit dir Konversation üben, da bist du nämlich auch noch recht unbeholfen. Auch ich werde dir jeden Nachmittag zum Tee Gesellschaft leisten. Es wäre gelacht, wenn wir aus dir keine gute Kaiserin machen könnten. Deine Mutter hat da leider recht viel verpasst, sie hat ja auch alles in Helene investiert und dich vernachlässigt. Aber das bekommen wir schon hin, Elise, mach dir keine Sorgen. Und jetzt empfehle ich mich.“
Wütend beiße ich mir auf die Lippen.
Diese Gräfin Esterházy konnte ich schon am 22. April, dem Tag vor meiner Hochzeit, nicht leiden. Sie ist alt und verkniffen und immer mürrisch, ich habe sie jedenfalls noch nie lächeln sehen. Sie führt sich auf wie eine Gouvernante und langweilt mich mit dem Hoftratsch zu Tode. Alles, was ich falsch mache und das ist in ihren Augen fast alles, meldet sie sofort der Tante Sophie. Gestern haben wir uns über das Schuh Thema gestritten. Ich darf jedes Paar nur einmal tragen. Ich finde das seltsam, weil viele arme Menschen nur ein Paar Schuhe besitzen und meine in Possenhofen mit viel Aufwand und Mühe gefertigt worden waren. Wenn ich mit dem Stallmeister ausreite, mit wem soll ich denn sonst ausreiten, wenn ich alleine nicht darf, schelten sie mich als schamlos und wenn ich mich von den Hofdamen nicht ankleiden oder gar auskleiden lassen will, weil mir das peinlich ist, dann bin ich prüde.
Was für ein Schmäh!
Zudem bin ich die Kaiserin, weder Sophie noch die Esterházy haben mir irgendwas zu befehlen!
Und vom Kaiser kann ich keine Hilfe erwarten. Er hat Angst vor ihr, der jämmerliche Feigling, dabei müsste er mich vor ihr beschützen. Wahrscheinlich nimmt er immer noch an, dass die Sophie wie eine Mutter mir nur helfen will, weil ich so jung und unerfahren bin. Und, dass sie mich ermahnen muss, wenn ich Fehler mache, dabei war er genauso mit von der Partie wie ich und hat jetzt keine Anstalten gemacht, mir zu helfen.
Mehr Vertrauen als zur Esterházy habe ich zu meinem Oberhofmeister, dem Fürsten Lobowitz, und zu meinen jungen Hofdamen Bellegarde und Lemberg, gerade die Bellegarde ist mir recht sympathisch, hier hat mir die Tante aber zu vertrauliche Beziehzungen untersagt.
Komisches Volk hier!
PS: Die einzigen, die ich leiden kann, sind Franzls Bruder Maximilian, Baron Weckbecker und Graf Grünne, des Kaisers väterlichen Freund und Adjutant. Letzterer ist öffentlich sehr unbeliebt, gar der am meisten gehasste Mann der Monarchie, aber ich mag ihn gerne und vertraue ihm. Er strahlt eine gute Ruhe aus und hört mir zu, was wohltuend ist, weil er mich ernst nimmt. Noch viel besser: Er ist ein absoluter Pferdekenner und ein sehr guter Reiter, der jeden Tag auf dem Prater ausreitet. Mit mir reitet er natürlich auch aus, ein Highlight in der trüben Misere. Macht auch mehr Freude als mit meinen Hofdamen, die sehr ängstlich sind und nicht so gut reiten können wie ich.
„Wie man es macht, macht man es falsch“, sage ich zu Baron Weckbecker. „Ich war doch nur in Wien an meinem Platz an der Seite des Kaisers. Ist es denn so falsch, dass ich mich für die Agenden des Kaisers und die Politik in den Kronländern interessiere? Selbst der Kaiser meinte, ich hätte mich tadellos benommen.“
„Mir hat der Auftritt Ihrer kaiserlichen Majestät sehr imponiert. Ich bin der Meinung, dass die Kaiserin über die Politik in den Kronländern informiert sein sollte.“ Er zuckt entschuldigend mit den Schultern. „Leider sehen das die meisten Staatsmänner anders und sind der Meinung, dass der Platz der Kaiserin ein Waisenhaus oder ein Armenspital ist und nicht die Politik.“
„Aber wie soll ich eine gute Landesmutter sein, wenn ich nicht weiß, was in meinem Land vor sich geht“, sage ich stur und blicke den Baron trotzig an.
Kapitel 3 – die Erzherzogin
20. Mai 1854
Sophie hält sich immer noch für die wahre Kaiserin und mich hält sie an Ketten wie ein dressiertes Pferd. Am schlimmsten ist, dass der Kaiser nie da ist, um mich zu beschützen. Er steht schon um vier Uhr morgens auf und fährt nach Wien zu seinem Schreibtisch in der Hofburg. Ihm ist es egal, dass ich in Laxenburg nur die schreckliche Gräfin Esterházy und Tante Sophie zur Gesellschaft habe und mir Flitterwochen irgendwie anders vorgestellt habe.
Ich will heim zu meinen Eltern und zu meinen Geschwistern. Die haben mich lieb wie ich bin und ich muss kein dressiertes Pferd sein. Apropos Pferd, gut geht es mir, wenn ich ausreite, aber auch das sieht Tante Sophie nicht gerne. Ich habe Husten und bin krank, sollte mich schonen und im Bett bleiben und nicht ausreiten. Aber warum habe ich Husten? Doch nur, weil dieses verdammte Schloss so feucht ist.
26. Mai 1854
Wie eine Gefangene bin ich hier. Um mich herum eine Schwadron von Frauen, die mir dienen, mich in Wahrheit aber bewachen. Sie sind immer um mich herum, egal was ich tue. Nur, wenn ich schreibe, bin ich alleine und ich schreibe meistens nachts. Und wie gut tut mir das tut. Manchmal träume ich, dass die schreckliche Gräfin Esterházy und Tante Sophie mein Tagebuch finden und meine Gedichte lesen. Ich darf ja die Tür nie zu machen und alle Damen haben ständig Zutritt zu mir.
Dabei wäre es so schön hier. Endlich kommt die Sonne raus und Laxenburg erscheint mir märchenhaft. Ich füttere so gerne die jungen Schwäne, die durch den Schlossteich schwimmen. Sie sind so reizend wie mein Papagei.
03. Juni 1854
Endlich eine Ablenkung. Franz und ich fahren nach Böhmen und Mähren. Ich lerne böhmisch, eine Sprache, mit der ich mich schwertue und die ich nicht besonders wohlklingend finde.
Viel lieber würde ich ungarisch lernen!
Franz freut sich natürlich auf Olmütz, da er dort Kaiser geworden ist, weil sein Onkel, Kaiser Ferdinand I., der kinderlos geblieben war, nach der Märzrevolution 1848 aus gesundheitlichen Gründen die Regierung zu Gunsten Franz Josephs niedergelegt hatte. Franz Josephs Vater, Franz Karl verzichtete insbesondere durch Einfluss seiner Gattin auf die Nachfolge. Franz Karl war nämlich sowohl körperlich als auch geistig von schwacher Konstitution und galt daher für eine Regentschaft als kaum geeignet. Aus diesem Grund wurde Franz bereits von frühester Kindheit an von seiner ehrgeizigen Mutter konsequent für die Nachfolge als Kaiser aufgebaut, weswegen er ihr ja immer noch dafür dankbar ist und nichts gegen sie sagt, wenn sie mich ungerecht behandelt. Franzens Familie fand damals in Olmütz Asyl und er schwärmt von der schönen, goldenen Stadt, die immer im Schatten Prags steht.
05. Juni 1854
Nicht einmal auf einer Reise habe ich meinen Franzl für mich alleine, sondern muss ihn mit dem gesamten Gefolge teilen. Selbst die Esterházy ist dabei. Eisenbahnfahren macht mir aber große Freude und Grünne erzählt recht lebhaft von den ungarischen Pferden.
07. Juni 1854
Gestern haben wir ein Waisenhaus und ein Armenspital besucht. Es hat mir viel Freude bereitet, mit den armen Kindern zu reden. Sie sind mir so viel lieber als diese Hofschranzen, sie sind ehrlich und offen und sie mögen mich. Die Armut der Menschen macht mich tief betroffen.
08. Juni 1854
Wir sind jetzt im Prag, eine sehr schöne alte Stadt, aber sie erinnert mich leider an Wien. Wir wohnen im Hradschin, dem alten Sitz der böhmischen Könige. Ich muss lange Audienzen über mich ergehen lassen, Franz ist dies von klein auf gewöhnt, mich ermüdet es jedoch furchtbar. Allerdings war das Ritterfest im Palais Waldstein mit den feurigen Reitern in ihren prächtigen Kostümen wirklich schön.
10. Juni 1854
Heute war eine Delegation aus dem Erzgebirge da. Mein Gott, sind das arme Menschen! Ich musste fast weinen, als ich von ihrer Armut hörte. Mir sind diese einfachen Menschen um vieles lieber als die Menschen bei Hofe, egal ob in Wien oder Prag, überall sind es die gleichen, falschen, bösartigen Menschen. Tante Sophie ist der böhmische Adel treu ergeben, mich aber verachten sie als kleines dummes Mädchen. Ich kann den böhmischen Adel nicht leiden, denn sie behandeln mich derart herablassend und ich war so aufgeregt, dass ich nicht mehr auf Französisch zu parlieren verstand.
Wir besuchten außerdem noch ein Taubstummenheim und ein Irrenhaus, letzteres war sehr spannend.
02. Juli 1854
„Ich bin schwanger?“
Fast entsetzt schaue ich Hofrat Dr. Seeburger an. Eigentlich müsste ich glücklich sein wie Schwangere es nun mal sind, aber ich bin es nicht. Nicht einmal ansatzweise. Ich bin so müde, schon an Fronleichnam fühlte ich mich zu Tode erschöpft, als ich mit dem Kaiser bei der Prozession mitgehen musste.
„Jawohl Majestät, Ihre Kaiserliche Hoheit befinden sich, wie ich eben sagte, in der Erwartung. Kaiserliche Hoheit wird den Erben zur Welt bringen. Sie müssen sich nun ein bisserl umstellen. Keine Reiterei mehr.“
Das hatte ich schon befürchtet und sehe entsetzt meinen Franzl an, der meine Hand hält, mich liebevoll anlächelt und nickt. Kein Reiten mit Graf Grünne, meinem guten Freund, dem die kaiserlichen Stallungen unterstehen. Was hat der Mann für ein Wissen über Pferde, es gibt niemanden, der sich besser mit Pferden auskennt als er. Oft reite, nein, ich muss jetzt sagen, ritt ich mit ihm aus, wenn der Kaiser keine Zeit für mich hatte, also ziemlich oft.
Ich hatte schon befürchtet, schwanger zu sein. Als wir aus Prag zurückkamen, musste ich, obwohl mir unwohl war, ich sehr müde war, mich kaum auf den Beinen halten konnte und fürchtete, diesen öffentlichen Auftritt nicht mit der nötigen Grazie zu absolvieren, an der Fronleichnamsprozession teilnehmen, da die Kaiserin sich in der Öffentlichkeit präsentieren muss.
„Ich werde dick und unansehnlich, ich habe das doch bei meiner Mama gesehen, wenn sie schwanger war“, flüstere ich tonlos vor mich hin.
„Du darfst doch im Schönbrunner Park spazieren gehen, Sisi und du bist immer schön, vor allem, wenn du schwanger bist, ich freue mich ja so“, flüstert mir Franzl ins Ohr.
12. Juli 1854
Mir ist ständig schlecht und ich habe schon ein wenig zugenommen, was mir gar nicht gefällt. Der Doktor Seeburger behandelt mich, als ob ich ein kleines Kind wäre und ich muss allem folgen, was er, Tante Sophie und der Kaiser von mir erwarten.
Im Schönbrunner Park spazieren gehen. Normalerweise gehe ich gerne spazieren, aber die Menschen starren mich an, wenn ich im Schönbrunner Park flaniere. Und ich muss spazieren gehen, ich muss mich dem Volk zeigen. Sie sollen sehen, dass ich Mutter werde, dass ich wirklich ein Kind vom Kaiser in mir trage. Ich muss ihnen meinen dicken Bauch zeigen. Die Leute haben angeblich ein Recht darauf, zu sehen, dass es ihrer Kaiserin gut geht. Dass ich ein Kind bekomme, gibt ihnen Vertrauen in die Zukunft des Kaiserreiches. Sophie und auch mein Franzl wollen das so. Dabei kommen so viele Leute in den Schlosspark, seitdem alle Welt weiß, dass ich schwanger bin. Und sie gaffen mich an und rauben mir meine Seele. Tante Sophie behauptet, ich würde ein Theater machen und dem Franz mit meinen Launen schaden. Auch mein enges Schnüren findet sie doof, aber ich will nun mal nicht aufgehen wie ein Ballon.
Was ich will und wie ich mich fühle, das ist ihnen egal, auch meinem Franzl. Er sagt immer, er würde mich lieben, aber er lässt mich immerzu im Stich. Er hat so viel mit diesem dämlichen Krieg auf der Krim zu tun, mit den Hungersnöten, die überall in den Provinzen ausbrechen und mit der Cholera, die bei den Truppen in der Walachei seinen Ursprung nahm.