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Schlimm! Die Toten legen die Gießkannen also mit Absicht hinter die Grabmale, in der Hoffnung, dass Friedhofsmitarbeiter dadurch zu Tode kommen und das apokalyptische Blasorchester verstärken.
Moa
Schon seit meiner Kindheit fasziniert mich der Moa, ein riesiger, flugunfähiger Vogel, der auf Neuseeland lebte. Ich begeistere mich aber nicht grundsätzlich für ausgestorbene Riesentiere. Das Riesenfaultier interessiert mich zum Beispiel überhaupt nicht, denn in unserem Haushalt lebte fast zwanzig Jahre ein Exemplar, dass sich als mein Sohn ausgab. Mit Riesenfaultieren bin ich durch. Mit Moas verhält sich das schon anders. Sie wurden bis zu 3,50 Meter groß und verteidigten sich durch kraftvolle Fußtritte. Wissenschaftler der University of Adelaide fanden jetzt zweifelsfrei heraus, dass Moas überwiegend braunes Gefieder hatten, um sich zu tarnen. Das war vielleicht keine so gute Idee. Wenn sich so ein riesiger Moa hinter einem braunen Busch versteckte, dann war vor allem der Busch gut getarnt. Die Moas waren schlechte Tarner, denn sie sind ausgestorben, Büsche gibt es dagegen immer noch auf Neuseeland. Die Maoris haben die Moas ausgerottet. Maoris sind keineswegs Anhänger der Lehren von Mao tse Tung, obwohl es nicht ausgeschlossen ist, dass es maoistische Maoris gibt. Ein Erfolg versprechender neuseeländischer Romantitel wäre also »Marodierende maoistische Maoris auf Moajagd«
Selbstanzeige
Ich muss zugeben, dass mir der ständige Ankauf von CDs mit Steuersünderdaten durch die Bundesregierung immer einen Schock versetzt. Grundsätzlich befriedigt das Vorgehen meinen Gerechtigkeitssinn, denn ich persönlich habe überhaupt keine Möglichkeit, Geld an der Steuer vorbei in die Schweiz zu schaffen. Einfach mangels Geld oder weil mein Steuerberater nicht kreativ genug denkt. Trotzdem ist es so, dass auch ich das deutsche Finanzamt und damit eigentlich das deutsche Volk betrogen habe. Das lastet mir auf der Seele und deshalb will ich es hier in aller Öffentlichkeit beichten: Ich heiße Hans und bin ein Steuersünder. Es passierte im Jahr 2008. Ein Händler machte mir ein tolles Angebot. So billig bekäme ich das nie mehr und ich sei doch Journalist und könne alles absetzen. Ich bin solchen Argumenten oft sehr hilflos ausgeliefert und kaufte also die Ware. Ich ließ mir eine Quittung geben und setzte den Betrag von €2,50 in der Steuererklärung unter »Fachbücher« ab, obwohl das gar nicht stimmte. Ich wollte die Bücher eigentlich nur lesen. Es handelte sich um »Goldene Beine« von Gerd Müller und »Versuch einer Naturgeschichte des Hamsters« von Friedrich Gabriel Sulzer. Gerd Müllers Buch wurde mit freundlicher Unterstützung der Mars Schokoladen GmbH geschrieben und glänzt durch fantastische Kapitelüberschriften wie »Müller und Shaw« oder »Die Vorteile des Branco Zebec«. Noch großartiger ist die Naturgeschichte des Hamsters, darin erfährt man: »So viel und so verschieden der Hamster das Fressen liebt, so wenig ist er ein Liebhaber vom Trinken. Er säuft sehr selten und nicht viel auf einmal.« Ein Hamster könnte also kaum Ratspräsident der evangelischen Kirche werden. Papst aber auch nicht, denn »zu Ende April fangen sie an, sich zu begatten«. F. G. Sulzer muss jedoch zugeben: »Die Art, wie diese Tiere ihre Liebeshandlungen verrichten ist mir nicht bekannt, da sie unter der Erde geschieht.« Wie gesagt, ich habe mich hinreißen lassen, diese faszinierenden Werke von der Steuer abzusetzen, obwohl ich wusste, dass ich sie niemals in einem Text verwenden würde, da ich weder für Hamstermagazine noch Gerdmüllerorgane schreibe.
Vollendete Täuschung
Heute habe ich zum ersten Mal meine Zahnpasta bei Rewe gekauft, und ich glaube, das könnte zur Gewohnheit werden. Es macht einfach Spaß, die Tube anzuschauen, sie löst in mir ganz zahnpastauntypische Gefühle aus, Heiterkeit, Verblüffung, Staunen, ich weiß gar nicht, wie ich das beschreiben soll. Die Zahnpasta heißt »Rot Weiss«, und obwohl ich es inzwischen besser wissen müsste, erwarte ich jeden Abend, dass eine rotweißgestreifte Paste aus der Tube kommt. Sie ist aber nur weiß. Ein sanitäres Trompe d’œil. Das ist ganz große Kunst. Hier wird gekonnt mit den Erwartungen des Zähneputzers gespielt. Das ist wie weißes Schwarzbrot oder grüner Rotkohl. So wird Zähneputzen zu einem fast surrealen Akt, oder wäre »Rot Weiss« eher die Zahnpasta der Fluxusbewegung?
Egomanie
34% Prozent aller Bürger über vierzehn Jahren haben sich in einer Umfrage dazu bekannt, schon einmal das Internet nach dem eigenen Namen durchforstet zu haben. Ich bin auch über vierzehn und muss zugeben, dass ich das ebenfalls schon mal getan habe. Natürlich auch nur einmal. Am Tag. Öfter würde sich nicht lohnen, weil sich da nicht so viel verändert. Ich bringe es im Moment auf 30600 Treffer bei Google, was schon mal besser war. Meine Frau bringt es allerdings nur auf sieben Treffer. Sechs davon, weil sie Mitglied des Fördervereins im Gymnasium unserer Tochter ist. 30600 und 7, diese Zahlen vermitteln einem erst mal sehr anschaulich die eigene Bedeutung, die allerdings außerhalb des Internets stark abnimmt. Im Rahmen eines Beziehungsgesprächs bringt der Satz: »Wie redest du denn mit einem, der 30600 Treffer hat«, überhaupt keine Vorteile. Das macht nicht den geringsten Eindruck. Nur in Kollegenkreisen kann man einen gewissen Neid damit hervorrufen, obwohl dort das so genannte »Ego-Googeln« eigentlich verpönt ist, jedenfalls darf man es nicht zugeben. Wer Ego-googelt fühlt sich schuldig, das ist so etwas wie onanieren. Wobei es sich beim Onanieren um eine Tätigkeit mit gewissen Höhepunkten handelt, während das Selbergoogeln häufig deprimierend wirkt. Wenn man beispielsweise feststellen muss, dass seit Wochen nichts Neues über einen geschrieben wurde, außer in einem Artikel in einer Dresdner Zeitung. Ein Totalverriss einer Lesung, die ich eigentlich als ganz gelungen im Gedächtnis behalten hatte. Anscheinend war sie das aber gar nicht. Den größten Teil der Treffer machen Angebote von Buchhändlern und -Versendern aus. Es ist frappierend, wie viele Firmen es gibt, die anderen Menschen meine Bücher zuschicken wollen. Man könnte fast glauben, die wollten sie unbedingt loswerden. Auch der längst verstorbene Bischof Christian Zippert und die Dortmunder Spedition Zippert & Co mischen sich unter die Treffer für meinen Namen, dabei ist auffällig, dass es so gut wie keine Verrisse über Speditionen gibt. Man könnte ja immerhin anmerken, dass sie manchmal einen Hänger haben oder überladen wirken. Auch der Bischof wird fast ausschließlich positiv beurteilt. Das gibt mir zu denken. Wahrscheinlich sollte ich umschulen und Spediteur für theologisches Gedankengut werden.
Famous last words
In diesem Monat starb, wie statistisch nicht anders zu erwarten war, Elisabeth Noelle Neumann. Ihre letzten Worte sind leider nicht überliefert, aber grundsätzlich sollte sich jeder, der im Sterben liegt, bemühen, mit einer originellen Wendung auf den Lippen zu verenden. Goethes letzte Worte waren bekanntlich: »Mehr Licht«, Oscar Wilde soll geäußert haben: »Entweder die Tapete oder ich, einer von uns beiden muss gehen«, Jesus sagte: »Es ist vollbracht«, und Hemingway sagte: »Ich glaube, ich habe den Herd angelassen.« Die letzten Worte müssen sitzen, denn man kann sie normalerweise nicht noch mal sprechen. Außer man ist der Dalai Lama. Bei der aktuellen Ausgabe handelt es sich schon um die sechzehnte Wiedergeburt, er konnte also seinen letzten Satz bereits fünfzehn Mal verändern und verfeinern. Das macht den Dalai Lama zum Letzte-Worte-Champion, zum Sterbe-Profi. Wahrscheinlich arbeitet der Dalai Lama auch gar nicht an seinen letzten Worten, weil er sich sagt, dass kann ja dann meine 25. oder 50. Jubiläumswiedergeburt übernehmen. Ich habe nun wirklich kein Recht, mich in irgendeiner Form in die Belange des geistigen Oberhaupts der Tibeter einzumischen, aber ich würde ihm diesen Satz vorschlagen: »Heute ist nicht alle Tage, ich komm wieder, keine Frage.« Das sagte Paulchen Panther immer am Ende jeder Folge von »Der rosarote Panther«. Davor sang ein Kinderchor: »Wer hat an der Uhr gedreht, ist es wirklich schon so spät?« Auch das wäre ein schöner Satz, der sich vielleicht nicht für den Dalai Lama eignet, aber Sie und ich, liebe Leser, könnten mit diesen Worten einigermaßen originell dem Tod auf die Schippe springen.
Trockenrauchgedanken
In meiner Kindheit traten Raucher vor allem auf Zugfahrten in Erscheinung. Ich erinnere mich an endlos lange Reisen von Bielefeld nach Bad Segeberg, die man immer wieder für längere Zeit unterbrechen musste, in Orten wie Löhne, Bad Oldesloe oder Altenbeken. Dort gab es dann dürftig beleuchtete, überheizte Wartesäle, in denen die Atemluft durch ein Konzentrat aus Schweiß, nassen Schirmen und Zigarettenqualm ersetzt worden war. Das erzeugte einen dichten Nebel, aus dem irgendwann ein unfreundlicher Kellner auftauchte, der einem mitteilte, man solle gefälligst etwas bestellen, anderenfalls habe man den Wartesaal unverzüglich zu verlassen. Ich musste immer heftig schlucken und bekam nur mühsam Luft, meine Mutter saß mir hilflos gegenüber und umklammerte ihre Handtasche, in der sich unser Notvorrat an Frischluft befand. In meiner Erinnerung sind diese Räume riesengroß und hoch. Dicke dunkelbraune Vorhänge hatten ungeheure Rauchmengen gespeichert, falls zufällig mal nicht genügend Raucher anwesend sein sollten. Damals waren mindestens sieben von zehn Deutschen nikotinabhängig. In den Zügen fand man oft nur noch einen Platz im Raucherabteil, was ganz besonders schrecklich war. Aber es gab einfach sehr viel mehr Raucher- als Nichtraucherabteile. Die Raucher saßen einem mit harten, abweisenden Gesichtern gegenüber, manchmal musterten sie einen abschätzig, bevor sie weitere Qualmkontingente ins Abteil bliesen. Als Nichtraucher konnte man nichts gegen sie ausrichten. Der Qualm einer Overstolz überdeckte problemlos den Geruch eines Leberwurstbrots, und auch ein gekochtes Ei konnte sich olfaktorisch nur wenige Sekunden im Vordergrund halten. Außerdem schmeckte das alles nicht, wenn neben einem zwei Leute dramatisch an ihrer Eckstein No.5 saugten.
Die Raucher inhalierten den Sauerstoff direkt durch die Zigarette. Ihre Zigarette war eine Art Schnorchel, mit dem sie uns den Sauerstoff entzogen und als Zigarettenqualm zurückgaben. Sie wirkten wie eine andere humanoide Spezies, sie ernährten sich von gasförmigen Speisen und hatten durch das Rauchen eine besondere Form der Kiemenatmung entwickelt.
In meiner Jugend war ich umgeben von Rauchern. Alle meine Freunde rauchten aus Leibeskräften. Es sei eine Sucht, sagten sie mit ernsten Gesichtern, und ich solle mich freuen, dass ich Nichtraucher sei. Dann begannen sie, den Tabaksbeutel aus der Tasche zu ziehen und sich vergnügt eine zu drehen. Damals wurde mir endgültig klar, dass Raucher nicht nur eine andere, sondern die überlegene Art waren. Raucher hatten immer etwas zu tun. Selbstdreher natürlich am allermeisten. Sie hantierten unentwegt mit ihren Raucherutensilien, konnten peinigende Gesprächspausen mühelos überbrücken und hatten immer einen Vorwand, Frauen anzusprechen, die natürlich auch begeistert rauchten. Sie konnten überall und mit jedem ins Gespräch kommen, und ihr Kommunikationsinstrument war die Zigarette. Wenn der Gegenüber dann ausnahmsweise mal nicht rauchte, zögerten sie nicht, dem anderen sofort zu versichern, wie gut er es habe. Sie würden ja auch gerne aufhören, aber könnten leider nicht.
Die hatten ihre Sucht, ich hatte gar nichts. Ich konnte einfach nicht rauchen. Dabei wäre ich gerne Raucher geworden, aber ich schaffte es nicht. Ich hatte mir irgendwann mal ein Päckchen Camel gekauft und es versucht, war aber vor lauter Husten nicht zum Rauchen gekommen. Es wollte mir nicht in den Kopf, und in die Lungen erst recht nicht. Erfahrene Raucher versicherten mir, dass sei nur am Anfang so, spätestens nach der ersten Schachtel hätte ich mich daran gewöhnt und das Rauchen würde mir zur Selbstverständlichkeit werden. Das erschien mir blödsinnig. Wieso sollte ich eine Schachtel lang husten, mein erstes Bier hatte mir ja auch sofort geschmeckt, und die erhoffte Wirkung stellte sich schon beim zweiten ein. So gab ich das Rauchen auf, bevor ich damit angefangen hatte, was ja nun besonders albern war. Ein ganz kleiner Rest von Raucher ist aber dennoch in mir geblieben. Ich ertappe mich manchmal in Situationen, in denen ich mich cool und unbeobachtet fühle, wie ich zwei Finger zum Mund führe, meinen Lippen eine unsichtbare Zigarette entnehme und deren unsichtbaren Rauch lange und genussvoll in den Raum blase, wobei ich leicht nachdenklich, aber überlegen in unsichtbare Fernen blicke. Das passiert fast immer im Auto, während im Radio Rauchermelodien wie »Ricky don’t loose that number« von Steely Dan oder »Oye como va« von Santana laufen. Es sind höchstens zwei oder drei Züge, die ich da nehme, dann bemerke ich die Frau im Auto neben mir, die mich schon missbilligend beobachtet, und ich lasse die unsichtbare Zigarette im Fahrgastraum verschwinden. Mein Auto ist voll von diesen unsichtbaren Dingern. Ich bin mir nicht ganz sicher, wie man diese Manie nennen soll, wahrscheinlich ist es so etwas wie Trockenrauchen. Und wahrscheinlich wird das auch bald verboten. Kneipen müssen extra Räume für Trockenraucher einrichten, und wenn man sich ein unsichtbares Päckchen Trockenzigaretten kauft, steht darauf: »Vorsicht! Trockenrauchen führt zum Verlust Ihrer Würde und macht Sie gesellschaftlich unmöglich.«
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