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Ich spielte dieses Spiel einfach nicht mehr mit, weswegen mir Papi die ganzen Zahlungen einstellte. Es begann ein gnadenloser Krieg, in welchem er nur zeigen wollte, dass ich ohne ihn eigentlich ein Niemand war.
Ohne den ehrenwerten Herrn bringst du es zu gar nichts und kommst bald wieder angekrochen. „Mach keinen Fehler und denke immer daran, dass es nicht alle gut mit dir meinen.“
Mit diesem Hinweis versuchte er mir Angst zu machen, wobei ich spürte, wie ernst es ihm dabei war und er auf jemand ganz Bestimmten anspielte. Auf wen oder was, wurde mir bis heute jedoch nicht klar.
Ich begriff zu der Zeit aber, was für eine verwöhnte Göre Samantha Bauer doch war und wie schwer es wurde, ohne den üppigen Geldsegen zurechtzukommen. Er hatte die Miete für mein Appartement, tausend Euro im Monat, gezahlt und dazu noch zwei Riesen Taschengeld draufgepackt. Also war ich tatsächlich von ihm abhängig.
Allerdings entdeckte ich dann bald eine Disco, in welcher ein etwas solventeres Publikum verkehrte. Mein Schema war das gleiche wie früher schon in anderen Pubs. Du setzt dich an die Bar, versprühst deinen Charme und zack kommt der erste Drink angeflogen. Gratis saufen, lautete das Motto!
An einem Abend passierte dann etwas ziemlich Merkwürdiges. Ein Mann, ich schätzte ihn so um die vierzig, setzte sich neben mich und spendierte einen Drink nach dem anderen. Zum Schluss fragte er ohne Umwege, ob ich heute Nacht bei ihm übernachten möchte. Eigentlich hatte ich schon Lust, war aber viel zu müde, weshalb meine Antwort sehr lange auf sich warten ließ. Die Bedenkzeit sollte sich jedoch auszahlen, da er schnell nachlegte: „Einen Riesen, wenn du mitkommst!“ Ich glaubte nicht richtig zu hören. Meine Miete, die gerade nach diesem Betrag schrie, wäre mit einer Nacht beglichen gewesen. Ziemlich betrunken und über das bevorstehende Geschehen keine Gedanken gemacht, stimmte ich zu und raffte mich auf.
Es war eine normale Liebesnacht und er hat mir danach einfach den Tausender hingelegt. Der Knaller kam, als er noch fünfhundert drauflegte, wenn er mich wieder anrufen dürfte.
Meine Miete war bezahlt und die neue Geschäftsidee geboren. Ich war gerade achtzehn geworden und glaubte niemandem mehr Rechenschaft ablegen zu müssen. Ciao Papi, dir werde ich’s…………..
an dieser Stelle siegte wieder mal die Müdigkeit und ließ Samantha über dem Buch einschlafen.
9. Steinhauser - Update
Freitagmorgen, pünktlich um acht im Büro. „Morgen!“
„Steht unsere Verabredung noch?“ Katrin ließ die Erwiderung des Grußes ausfallen und kam mit dieser Frage gleich zu Sache. Abgesehen vom Verschlafen beim Mordfall, saß sie heute das erste Mal vor der Chefin im Büro.
Die nickte zustimmend: „Aber sicher. Heute geben wir mal richtig Gas! Oder?“ Sie klatschten über den Tisch ab und schienen dabei schon in bester Partylaune zu sein.
Samantha ging derweil immer noch das Tagebuch, oder sollte sie es eher Biographie nennen, durch den Kopf. Vor allem die Art und Weise, wie sie ihre Vergangenheit gesehen hatte, als sie mit fünfundzwanzig die Niederschrift begann. Der heutige Blickwinkel rückte diese Vergangenheit und den Streit mit dem Vater in ein ganz anderes Licht.
Ihr wurde dabei klar, warum sie es nie weiter als bis zu diesem Job hier bringen würde. Zu viele Fehler und blinder Hass gegen die eigene Familie, ließen sie den Blick auf das Wesentliche verlieren.
Kurz nach neun klopfte es an der Türe. Steinhauser stürmte herein. Er setzte sich neben den Schreibtisch und bestellte bei Katrin einen Kaffee.
„Guten Morgen, Herr Polizeirat. Bei uns fragt man übrigens, wenn man einen Kaffee möchte und kommandiert diesen nicht einfach herbei. Waren wir übrigens nicht auf heute Mittag verabredet?“
Er ließ sich von dieser Frotzelei nicht beeindrucken, wollte sich aber auch nicht mehr an die zeitliche Ankündigung für den Mittag erinnern und kam ohne weitere Umwege zur Sache.
„Die Verhöre mit den Angehörigen führen zu keiner Gemeinsamkeit zwischen den Getöteten und nach den letzten Erkenntnissen haben sich die Opfer auch nicht gekannt. Es gibt momentan keinen Ansatzpunkt und die Personen wurden, nach bisherigen Erkenntnissen, einfach willkürlich ausgesucht.“
Samantha schob ihm, ohne auf seine Ansprache zu antworten, ihr Exposé zu, welches er oberflächlich überflog. Zweimal mit der Hand über den Kopf gestrichen, kam schon nach einer Minute die Antwort.
„Sie arbeiten nach einem ähnlich simplen Prinzip wie ich. Das gefällt mir! Allerdings haben Sie aus den bisherigen Unterlagen auch nur das herausgezogen, was ich schon hatte. Lediglich die Sache mit der Sekte kam mir noch nicht in den Sinn, könnte aber tatsächlich ein brauchbarer Hinweis sein. Wir werden jemanden darauf ansetzen. Meine Nadel im Heuhaufen ist aber vorrangig, warum der Täter ein Opfer an einen bestimmten Ort und das auch noch zwei Tage nach der Tat, verlegt hat. Er will uns bewusst in diese Region oder vielleicht zu einer bestimmten Person führen. Oder was meinen Sie?“
Normalerweise sollte Sam sich jetzt geschmeichelt fühlen, dass der Chefermittler gerade sie um Rat fragte. Doch hatte er vielleicht wirklich einen guten Instinkt und vermutete, wahrscheinlich sogar ziemlich treffend, bei Samantha einen Schlüssel zu finden.
„Was haben die Kollegen aus Freiburg bis jetzt erreichen können?“ Auf diese Frage, oder war es ein Ablenkungsmanöver, erntete sie nur einen lauten Lacher.
„Ich habe ja keine Ahnung, was für Lichter das sind! Aber ehrlich gesagt sitzen dort bereits zwei meiner Ermittler im Büro, um das Geschehen selbst zu leiten. Vielleicht hätten wir besser unseren Außenposten-Süd hier in Neustadt errichten sollen.“
Er blickte sie bei der Aussage mit schrägem Kopf an und fügte dann hinzu: „Ich glaube jedoch, dass ihre Ergebnisausbeute hier oben größer ist, wenn man ihnen nicht fortlaufend auf die Finger schaut. Ja und da wir in Neustadt keine Kripo haben, würde es das ganze unnötig kompliziert machen! Somit erteile ich euch bis Mittwoch noch mal grünes Licht, in Ruhe weiter in dem Fall zu stochern. Dann überdenke ich, ob und wie es an diesem Ort weiter geht.“
Es kam als Drohung rüber und der Zockerblick von Steinhauser verriet leider nicht, wie ernst es gemeint war. Wobei sie das Gefühl hatte, dass er nicht ernsthaft überlegte, sie komplett raus zu nehmen. Mit seiner Mimik provozierte er aber einen gewissen Erwartungsdruck.
„Wie viel Freiraum zum Mitspielen bekomme ich in diesem Fall?“ Jetzt änderte sich seine Miene auf ´Nix verstehen´, weshalb Samantha auf den Punkt kam.
„Besteht die Chance, mich direkt im Umfeld der Getöteten umzuhören?“ Er blickte auf die Uhr, als müsste er schon zum nächsten Termin.
„Vergessen Sie den Türken in Freiburg. Der ……..!“ Sie fiel ihm ins Wort: „Der war ein Unfall und gehört nicht auf die eigentliche Liste. Das hat mir mein Gefühl auch schon signalisiert.“
Bei dem Wort „Liste“ bemerkte sie eine Veränderung in Steinhausers Miene. Ihm entging tatsächlich nichts, wobei er nicht weiter darauf einging und Samantha fortfuhr.
„Es stammt aber auch ein Opfer aus München, was ebenfalls um die Ecke liegt. Die Stadt ist mir darüber hinaus aus meiner Vergangenheit sehr vertraut.“
Er nickte: „Heute Abend haben Sie die restlichen Unterlagen des kontaktierten Umfeldes auf dem Tisch. Ich werde veranlassen, dass Sie Montag und Dienstag in München vor Ort in die Ermittlungen Einsicht bekommen und notfalls noch mal Gespräche mit den Angehörigen des dortigen Opfers führen können. Allerdings nur, wenn unbedingt erforderlich. Seien Sie einfach um zehn Uhr auf der Dienststelle. Dort melden Sie sich bei Hauptkommissar Klaus Maier. Ich werde ihn informieren, dass Samantha Bauer zu meinem erweiterten Team gehört, damit erst gar keine Kompetenzfragen aufkommen. Was die Übernachtung betrifft ……..“, „Schon gut“, unterbrach sie ihn. „Darum kümmere ich mich lieber selber.“
Er nickte und sie gab ihm ungefragt ihren Schlussgedanken mit auf den Weg: „Wir sollten klären, warum alle, außer einem, den Single im Status hatten. Einfach ein Bauchgefühl!“
Er stand auf und verließ, ohne den Kaffee auch nur angerührt zu haben, das Büro. An der Türe drehte er sich noch einmal kurz um: „In München könnte sich ihre Vermutung schon konkretisieren.“
Katrin blickte Samantha irritiert und zugleich fragend an, erntete aber nur ein Schulterzucken.
„Okay! Er mag ein komischer Kauz sein. Doch ich glaube nicht, dass man ihn unterschätzen darf. Er wirkt auf mich immer ein wenig wie ein zerstreuter Professor. Ich glaube, dass dieser Mann ganz genau weiß, was zu tun ist, um den bösen Jungs auf die Schliche zu kommen. Ich bin mir aber gerade nicht sicher, was sich in München bestätigt bekommen soll? Er weiß mehr als in den Unterlagen steht, soviel ist jedenfalls schon mal sicher!“
Die jüngere Kollegin stimmte dieser Beobachtung nickend zu. Danach entsorgte sie den Kaffee in einer Pflanze am Fenster.
Sam bestellte sich in der Zwischenzeit ein Zimmer im Hotel am Viktualienmarkt. Sie kannte das Garni aus ihrer Vergangenheit und wusste, dass von dort aus, das Polizeirevier über den Marienplatz schnell zu erreichen war. Seit sie das Studium abgebrochen und die Stadt verlassen hatte, war sie nie mehr dorthin zurückgekehrt. Irgendwie freute Sam sich schon auf den Besuch in der alten Heimat. Nach der Mittagspause checkte sie die Mails. Und siehe da: Er hatte sich wieder gemeldet.
< Du solltest ein bisschen tiefer in der Vergangenheit der Opfer bohren! Glaub mir, sie hatten eine Abreibung verdient. Ich wähle leider nicht aus, wer als nächstes drankommt. Das erledigen die Opfer selbst. Was die Zweier bedeuten? Gratulation! Gut recherchiert. Das wird dir helfen den Fall zu lösen. Sehe ich dich heute wieder in der Seebach-Klause?>
Jetzt sprang sie von ihrem Stuhl auf und rannte ans Fenster. Beide Hände am Kopf als müsste sie diesen vor dem Auseinanderbrechen schützen, kam ihr beim Blick ins Grüne kein klarer Gedanke. Plötzlich lagen unerwartet zwei Hände auf ihrer Schulter. Vor Schreck schnellte sie herum und sah Katrin in die Augen, die ebenso erschrak.
„Alles Okay bei dir?“
Sam nickte. „Schon gut. Mir geht gerade nur zu viel durch den Kopf. Ich bin mir einfach nicht sicher, ob ich dieses Spiel mit dem Wahnsinnigen eingehen darf.“
„Hat er sich noch mal gemeldet?“ Samantha überlegte kurz und meinte dann, noch immer in Gedanken versunken:
„Frag bitte nicht! Sobald es etwas Wissenswertes gibt, informiere ich dich. Ist nur zu deinem Schutz! Glaub mir.“
Sie machte eine kurze Pause und überlegte wie sie weiteren Fragen aus dem Weg gehen konnte.
„Wenn ich übrigens Montag und Dienstag in München bin, kannst du hier mal den Laden schmeißen und Chef spielen.“
Sie lächelte beim letzten Satz, doch erkannte Katrin auch das Ablenkungsmanöver und dass es keinen Sinn machte, weiter nachzuhaken. Natürlich war ihr aufgefallen, dass die Chefin heute, kaum redend, mit etwas haderte.
Sie wusste somit aber auch, dass eine weitere Mail eingegangen war. Allerdings ohne zu wissen, was drinstand. Sie hoffte darauf, vielleicht am Abend etwas aus Samantha herauszubekommen, wenn der Alkohol die Zunge wieder lösen würde. Sie wusste jetzt allerdings auch nicht, was sie in der nächsten SMS schreiben sollte.
10. Batman und Robin
Sie saßen in Robins kleiner Wohnung in Köln und überlegten wie es weitergehen sollte. „Okay, unsere Seite ist gehackt. Oder hat er ihm Informationen verkauft? Wem würdest du diese heimtückischen Morde zutrauen? Er könnte ja auch jemand engagiert haben, oder ein anderer Verrückter hat sich an unsere Fersen geheftet. Es wundert mich auch, dass wir solange nichts von Klaus gehört haben. Er hätte uns informieren müssen, wenn er den Hack festgestellt hätte?!? Meinst du, dass er mit ihm zusammenarbeitet? Hat er noch mal Geld bekommen und blockiert deshalb unsere Kontaktversuche?“
Robin überlegte noch während Batman seine Gedanken präsentierte.
Sie hatten sich die beiden Namen gegeben, um beim Mailverkehr und den Telefonaten nicht gleich aufzufallen, falls doch mal jemand an ihren Kontakt kommen sollte.
Anfangs war es wichtig, mittlerweile machten sie sich eher einen Spaß aus den Künstlernamen.
Robin stieg jetzt in die Unterhaltung ein: „Annabelle wird es rausfinden. Wir brauchen hier das Gesetzt auf unserer Seite. Es geht darum einem Dreckskerl sein Handwerk zu legen. Wie kaltblütig die sind, sieht man jetzt an dieser Mordserie?“
Batman nickte. Mal schauen, was ich über Kat noch in Erfahrung bringen kann. Ihren Verdacht sollten wir nicht ganz außer Acht lassen. Es wird eh langsam Zeit, die beiden langsam mit mehr Wahrheit zu bestücken. Wenn es zu lange dauert, dann stirbt vielleicht noch mal jemand.“
Er überlegte kurz und fügte dann hinzu: „Wir müssen auch dringend herausfinden, wer diese Mails verschickt. Natürlich steckt er dahinter, doch bin ich mir nicht sicher, ob es ein direkter Kontaktversuch war oder ob er jemand auf sie angesetzt hat.“
11. Ein geheimnisvoller Typ
Der Dienstschluss ließ nicht mehr lange auf sich warten. Katrin tauchte kurz nach zwanzig Uhr bei Sam auf. Sie bog in die kleine dunkle Seitengasse ab und klingelte an der Haustüre. Durch das Treppenhaus kam man über eine Steintreppe hinauf in das zweite Obergeschoss.
Die Wohnung erstreckte sich über einen Großteil des darunter liegenden Ladengeschäfts. Gleich wenn man durch die Eingangstüre links eintrat, stand man in einem riesigen Raum, der das Esszimmer und das dahinterliegende Wohnzimmer präsentierte. Eine offene Küche, die man erst nach ein paar Schritten erblickte, lag etwas versteckt rechts in einer Nische. Eine kleine Bar mit zwei davorstehenden Hockern trennte den weiß glänzenden Kochbereich vom offenen Ess-/Wohnzimmer.
„Darf ich?“ fragte Katrin und ging bereits weiter in den hinteren Bereich. „Tu dir keinen Zwang an. Das Schlafzimmer ist hinten links, wenn dich das interessiert.“
Tatsächlich fand sie auch noch diese Türe und trat ungeniert ein. Hier breitete sich ein riesiges Bett aus, welches nur Zentimeter vor dem, durch eine Glaswand getrennten, Bad stand.
„Geil“, sagte sie spontan, während Sam hinter ihr auftauchte.
„Kaffee, Whisky oder lieber Portwein?“ Katrin überlegte kurz: „Einen kleinen Portwein bitte. Vielleicht aber nur so viel, dass wir nicht schon das Taxi auf dem Hinweg benötigen.“
Sie nahmen an der Bar Platz, um sich auf den Abend einzustimmen: „Was für eine Erleuchtung hattest du denn gestern, welche dich so umgebogen hat?“
„Hängt alles mit meiner Vergangenheit zusammen. Ich habe früher ein paar Dinge getan, die ich nicht hätte tun sollen. Jedenfalls musste ich im letzten Jahr ein ziemliches Tief durchlaufen und hab zu nichts mehr richtig Lust gehabt. Sport, Männer, der Job, alles hat mich irgendwie angekotzt. Nun machte sich gerade in den letzten zwölf Monaten auch noch dieses Gefühl breit, als hätte ich einen von mir angezettelten Krieg gegen meinen Vater verloren. Ja, und aus diesem Loch krabble ich nun langsam wieder raus.“
Es entstand eine kurze Pause nach welcher Sam das Thema wechselte, da sie nicht daran interessiert war, weiter über ihre Vergangenheit zu reden.
„Ich war übrigens gestern joggen. Vielleicht als kleine Kampfansage für unseren Triathlon, damit du dir nicht zu sicher bist, wer von uns zuerst ins Ziel kommt.“
Katrins Antwort kam knapp, aber mit einem breiten Lächeln unterstrichen: „Beim letzten Triathlon wurde ich Dritte und mein Ziel ist es, mich sukzessive zu verbessern.“
„Okay! Dann mal ein kurzer Schnelltest? Wenn du beim Laufen den Zweiten überholst, wievielter bist du dann?“
Katrin antwortete wie aus der Pistole geschossen: „Dann habe ich es endlich geschafft und bin auf meinem geliebten ersten Platz!“
Sam hob triumphierend die Faust: „1:0 für mich. Den ersten Drink übernimmst heute du.“
Da kam die junge Kollegin doch ins Grübeln und hielt sich das Szenario gedanklich noch mal vor Augen. „Schei……! Du hast Recht. Wenn ich den Zweiten überhole, war ich ja Dritter und bin somit erst auf Rang zwei vorgerückt.“
Sam nickte und setzte laut zum Dolchstoß an: „Ja! Weiter wirst du wohl auch nicht kommen, da der erste Platz ja schon für mich reserviert ist.“
Ein erneuter Gegenschlag von Katrin ließ nicht lange auf sich warten: „Für dich ist es ja auch einfach, Erster zu werden.“ Da Sam nicht gleich verstand, legte Katrin nach: „Na, mit über dreißig kannst du ja schon bei den Seniorinnen antreten.“
„Danke!!!“ Lachend stießen die Portweingläser zusammen, bevor es wenig später endlich Richtung Seebach ging.
„Wie gehen wir heute vor?“ Katrin spielte mit ihrer Frage auf das Männerthema an.
„Falls es heute jemanden gibt, der mich nicht anquatscht, dann bekommt er eine Chance.“
Beide fingen laut an zu lachen und Katrin ergänzte: „Also schon wieder ohne Beute heimfahren?“
Somit bekam dann auch die Begrüßung von Lui, am Eingang der Seebach, von Katrin den passenden Kommentar: „Leider verloren, mein Freund!“
„Schade eigentlich“, ergänzte Sam und der Türsteher blieb etwas verwundert und enttäuscht zugleich, im schmalen Eingangsbereich zurück. Die Uhr zeigte kurz vor zehn, wobei nicht wirklich viel los war.
Die Mädels setzten sich an die Theke des kleinen Bistros, welches rechts hinter der Kasse durch eine Schwingtüre vom Hauptbereich getrennt lag. Es war der bekannte Raum, in dem die Einbrecher zugeschlagen hatten. Mit je einem Baguette und zwei Radlern begann die Stärkung für eine lange Nacht.
Danach ging es hinauf in den zweiten Stock, wo sie die Tanzfläche von der Bar aus gut einsehen konnten.
Hatte der Handymörder mit seiner Anwesenheit heute in der Disco geblufft oder würde sich dieses Ungeheuer tatsächlich blicken lassen? Sam versuchte sich all die Gesichter einzuprägen, welche ihr hier noch nie aufgefallen waren. Verkehrte dieser Typ eventuell schon länger in ihrer Umgebung?
„Lust zu tanzen?“ Katrin ließ mit einem: „Sorry, aber hab keinen Bock“, nun schon den Dritten abblitzen und Sam bekam bestätigt, dass hier eine ernst zu nehmende Konkurrentin am Start war. Sie selbst hatte bis jetzt erst eine Einladung zu einem Drink abgeschlagen. Die jüngere Kollegin lag also eindeutig in Führung.
Während sie Katrin von oben bis unten inspizierte, musste Sam sich eingestehen, dass diese, in ihrem zu kurzen Trägerhemdchen, welches es nicht ganz bis zur abgenutzten Jeans schaffte, sehr ansprechend rüberkam. Die schweren Biker-Stiefel rundeten das Ganze lässig ab. Ihr langer Körper kam perfekt zur Geltung und die Augen strahlten förmlich im Schwarzlicht.
Samantha trug dagegen ein schwarzes Hemd, leger über ihrer enganliegenden Jeans. Sie hatte ein paar leichte Sommerschuhe an, um nicht noch größer zu wirken. Das Outfit kaschierte die eigentlichen Formen, worauf sie den mangelnden Erfolg heute zurückführte.
„Wenn das mit der Anmache nicht bald besser wird, dann musst du heute die halbe Disco mit nach Hause nehmen,“ fing Katrin nun auch noch an zu sticheln.
Da drehte der Boss auf und ließ den Flirtblick über die Location schweben. Glücklicherweise funktionierte es noch immer, dass sie eher auf einen Drink eingeladen, statt zum Tanzen aufgefordert, wurde. Nach dem sechsten Bier spürte sie dann langsam, wie der Alkohol anfing zu wirken, während Katrin gerade mit ihrem Bruder, ziemlich nass geschwitzt, von der Tanzfläche zurückkehrte.
Katrin: „Wie machst du das nur, dass die dich auf einen Drink statt zum Tanzen einladen?“
„Wahrscheinlich denken die Jungs, dass ich mich in meinem Alter kaum noch bewegen kann oder mir vielleicht sogar was brechen könnte!“
Thomas stand, die kleinen Neckereien verfolgend, nur stumm daneben, worauf ihm die kleine Schwester befahl: „Sprich sie bitte an!“
Als er fragend den Kopf hob, folgte ihre Erklärung: „Ich will nur ein Unheil verhindern!“
Sam betrachtete den smarten Boy und meinte: „Sag nichts und du wirst diese Nacht nie vergessen!“ Jetzt kratzte er sich unsicher am Kopf, während die Mädels über ihn lachten.
Dann tauchte er plötzlich doch noch auf. Aus heiterem Himmel und direkt neben Thomas stehend. Ein blonder Surfer-Typ, mit zerrissenen Hosen und einem hautengen grauen T-Shirt. Er war vielleicht knapp über einen Meter achtzig groß, benötigte sichtlich noch nicht oft den Rasierer und hatte knallblaue Augen.
„O là Franko“, klatschte Thomas mit ihm ab. Sam hatte diesen Playboy schon ein paar Mal beobachtet. Er war sicher kaum über zwanzig, hatte aber dauernd wechselnde Mädels an seiner Seite.
Sam überlegte, nachdem sie dieses Geschehen mehrmals beobachtet hatte, dass er ihr Pendant sein könnte, was die eigene wilde Vergangenheit betraf.
„Hi Thomas. Was geht?“ Dass er sich nach der Begrüßung gleich mit dem Rücken zu den Mädels drehte, konnte die kalte Schulter bedeuten oder aber, dass sie mit den Blicken nicht mehr an seinem Knackarsch vorbeikommen sollten.
Samantha fiel in dem Moment auf, dass sie eigentlich nie richtig gelernt hatte, einen Jungen anzusprechen. Normal reichte es aus, die Buben mit einem kurzen Lächeln einzuspinnen und dann zuzustechen. Aber so schwer konnte es ja auch nicht sein, weshalb sie die, vom Alkohol eh schon stark ins Abseits gedrängten, Hemmungen einfach überwand.
„Jungs? Wollt ihr was trinken?“
Grinsend, als hätte er die Frage bereits erwartet, drehte sich Franko um. „Aber nur, wenn ich dich einladen darf.“ Dass er Katrin mit einem Augenzwinkern links liegen ließ, deutete schon darauf hin, dass sich die beiden kannten. Dies dürfte die Konkurrenz von ihrer Seite also ausschließen.
„Samantha. Meine Freunde nennen mich aber Sam!“
„Franko! Gibt es viele solche Freunde?“ Mit einem breiten Grinsen bestellte er gleich zwei doppelte Whiskys.
´Also anbrennen lässt dieser Junge ja nichts, wenn er mit solchen Beschleunigern vorgeht´, zollte Samantha Respekt und ließ sich auf die doch sehr amüsante Unterhaltung ein. Franko war weder steif, noch litt die Konversation unter seinem jungen Alter. Sam vermutete, nach dem ersten Austausch, eine gehobene Bildung und die dazugehörige Etikette. Durch den sich heißer entwickelten Flirt vergaß sie total den Handymörder.
Katrin verabschiedete sich dann kurz nach drei, mit einem kurzen Schulterklopfen. „Thomas fährt mich nach Hause. Willst du eventuell mitfahren?“
„Neee Kathleen! Wir bleiben noch auf einen letzten Drink“, beantwortete Franko die Frage, die offensichtlich nicht ihm galt.“
Da seine Stimme nicht mehr klar war, ging Sam davon aus, dass es sich wirklich um den letzten Drink handeln müsste. Denn sonst würde er es nicht mehr auf zwei Beinen durch die Eingangstüre schaffen.
„Ist schon gut Kathleen“, signalisierte sie ihrer Kollegin, den englischen Namen grinsend betont. Katrin wirkte über die Einmischung von Franko ziemlich verärgert. Auch bei seiner Flirtfreundin punktete seine bestimmende Art nicht wirklich, doch wollte Sam diesen Abend jetzt nicht mit einem unnötig provozierten Streit beenden. Sicher wäre der König des Anbaggerns in diesem Moment nicht zu einer sachlichen Diskussion im Stande gewesen. Dafür war sein Zustand zu stark auf kontrolliertes, beratungsresistentes Bestimmen geschaltet.
„Ich ruf dich morgen an“ meinte Katrin, während sie sich bereits wegdrehte.
Thomas kam glücklicherweise nach einer halben Stunde wieder zurück und hatte mit ziemlicher Sicherheit den Auftrag von seiner Schwester im Sack, Samantha heil nach Hause zu geleiten. Er brauchte nicht einmal etwas zu sagen, schon stand das angeheiterte Duo auf und schwankte hinter ihm her. Erst jetzt erkannte Sam, wie auch ihr der Alkohol übel mitzuspielen versuchte. Man merkte es ihr nicht sofort an, weil sie gut die Balance hielt, doch spürte sie leichte Lähmungserscheinungen.