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Schulz von Thun, Friedemann (2018)
Miteinander reden 1. Störungen und Klärungen. Allgemeine Psychologie der Kommunikation (55. Auflage). Reinbek bei Hamburg: Rowohlt.
Dieses 1981 erstmals als Taschenbuch erschienene Buch ist ein Klassiker mit einer Verbreitung in nahezu allen gesellschaftlichen Bereichen und einer Auflage von über einer Million Exemplare. Die Klärung der Psychologie der zwischenmenschlichen Kommunikation enthält Instrumente für die Analyse typischer Störungen von Kommunikationssituationen und Anleitungen zur Selbstklärung, zur Sach- und Beziehungsklärung.
Kapitel 3 Kompetenzorientiert unterrichten – Lernziele formulieren
Aktuelle Lehrpläne beschreiben nicht mehr Inhalte und Ziele des Unterrichts, sondern die Kompetenzen, die Schülerinnen und Schüler im Laufe der Schulzeit aufbauen sollen. Doch was wird unter Kompetenz eigentlich verstanden? Wie verändert sich der Unterricht, wenn er sich an Kompetenzen orientiert? Und was unterscheidet Kompetenzen von Lernzielen?
Das folgende Kapitel erklärt den Begriff «Kompetenz» und gibt Einblick in den Lehrplan 21, der für die Volksschulen der deutsch- und mehrsprachigen Kantone der Schweiz als Orientierungsrahmen gilt. Zudem machen Beispiele deutlich, wie sich Kompetenzen, Lernziele und Unterricht aufeinander beziehen.
Basics Texte

Basics

REGULA VON FELTEN Was meint Kompetenz?
REGULA VON FELTEN
Was meint Kompetenz?
Der Kompetenzbegriff hat im Zusammenhang mit Bildung und Schule in letzter Zeit hohe Aufmerksamkeit erlangt. In jedem Lehrplan und jedem Weiterbildungsprogramm finden sich Listen von Kompetenzen, die Lernende aufbauen sollen. Während die einen hoffen, die Kompetenzorientierung richte das Lernen stärker auf Handeln aus, beklagen andere, der Begriff werde inflationär verwendet, und tun ihn als Modewort ab. Doch was wird unter Kompetenz eigentlich verstanden? Und wie verändert sich der Unterricht, wenn er sich an Kompetenzen orientiert?
Mögliche Definitionen
Bezeichnen wir im Alltag einen Menschen als kompetent, erachten wir ihn als fähig, uns bezogen auf sein Fachgebiet Auskunft zu geben und darin Aufgaben zu bewältigen. Auch der Kompetenzbegriff in den Erziehungswissenschaften beinhaltet diese beiden Aspekte. Eine häufig verwendete Definition beschreibt Kompetenz «als die Verbindung von Wissen und Können in der Bewältigung von Handlungsanforderungen» (Klieme & Hartig 2008, S. 19). Etwas facettenreicher erklärt Franz Emanuel Weinert (2014) den Begriff. Er versteht unter Kompetenz «die bei Individuen verfügbaren oder durch sie erlernbaren kognitiven Fähigkeiten und Fertigkeiten, um bestimmte Probleme zu lösen, sowie die damit verbundenen motivationalen, volitionalen und sozialen Bereitschaften und Fähigkeiten, um die Problemlösungen in variablen Situationen erfolgreich und verantwortungsvoll nutzen zu können» (Weinert 2014, S. 27 f.). Weinert berücksichtigt in dieser Definition nicht nur Fähigkeiten und Fertigkeiten, sondern auch Emotionen und Kognitionen, die beim Lernen beteiligt sind: Hat das Individuum überhaupt Interesse, ein Problem anzugehen (motivationale Bereitschaft), und den Willen, durchzuhalten (volitionale Bereitschaft), bis eine Lösung gefunden ist? Von einem kompetenten Individuum erwartet Weinert zudem, dass es verantwortungsvoll handelt und fähig ist, sein Wissen und Können in unterschiedlichen Situationen zu nutzen.
Oft wird zur Klärung des Kompetenzbegriffs auch eine Darstellung aus der Unternehmensführung beigezogen: Die Wissenstreppe (vgl. North 2011, S. 36) veranschaulicht, dass Wissen, Können und Wollen Voraussetzungen für kompetentes Handeln sind. Um Wissen zu erlangen, müssen Individuen Informationen verarbeiten, sie mit Erfahrungen verbinden und vernetzen. Können beinhaltet, dass sie ihr Wissen in verschiedenen Situationen zur Anwendung bringen. Kompetent sind sie schließlich, wenn sie engagiert und richtig handeln.

Abbildung 4: Die Wissenstreppe (nach North 2011, S. 36)
Der Lehrplan 21
Der Lehrplan 21
Der neue Lehrplan 21 (D-EDK 2016) für die deutsch- und mehrsprachigen Kantone der Schweiz ist auf Kompetenzen ausgerichtet. Im Gegensatz zu früheren Lehrplänen sind darin nicht Inhalte und Ziele des Unterrichts festgehalten, sondern Kompetenzen beschrieben, die Schülerinnen und Schüler im Laufe der obligatorischen Schulzeit aufbauen sollen. Der Lehrplan 21 umfasst Kompetenzen zu den sechs Fachbereichen «Sprachen»; «Mathematik»; «Natur, Mensch, Gesellschaft»; «Gestalten»; «Musik»; «Bewegung und Sport» und zu den zwei Modulen «Medien und Informatik» sowie «Berufliche Orientierung». Diese Fach- und Modullehrpläne schließen auch überfachliche – das heißt personale, soziale und methodische – Kompetenzen ein. Außerdem enthält der Lehrplan Leitideen zur Bildung für nachhaltige Entwicklung.

Abbildung 5: Die Fachbereiche im Lehrplan 21 (D-EDK 2016, S. 8)
Kompetenzbereiche, Kompetenzen und Kompetenzstufen
Die Fach- und Modullehrpläne des Lehrplans 21 sind in Kompetenzbereiche unterteilt. Zu jedem Kompetenzbereich sind Kompetenzen aufgeführt, die beschreiben, was Schülerinnen und Schüler am Ende der obligatorischen Schulzeit wissen und können sollten. Die Kompetenzen wiederum sind in Kompetenzstufen unterteilt. Diese bilden den zu erwartenden Aufbau an Wissen und Können ab. Es sind die Vor- und Zwischenstufen auf dem Weg zu einer umfassenden Kompetenz. Für jeden der drei Zyklen der Volksschule (Kindergarten bis Ende 2. Klasse, 3. bis 6. Klasse, 7. bis 9. Klasse) werden zudem Grundansprüche ausgewiesen, die alle Schülerinnen und Schüler erreichen sollen. Die Ausrichtung auf Kompetenzen hat Konsequenzen für das didaktische Denken und Handeln von Lehrpersonen: Im Vordergrund steht, was Lernende nach einer Unterrichtseinheit wissen und können sollen, und nicht die Inhalte, die im Unterricht behandelt werden.
Schülerinnen und Schüler sollen beispielsweise im Fach Deutsch folgende Kompetenz aufbauen (vgl. D-EDK 2016):
•«Die Schülerinnen und Schüler können sich aktiv an einem Dialog beteiligen» (Lehrplan 21: Sprachen > Deutsch > Sprechen > Dialogisches Sprechen; D.3.C.1).
Für die drei Zyklen der obligatorischen Schulzeit werden dazu Kompetenzstufen aufgeführt:
•«Die Schülerinnen und Schüler können ihren Gesprächsbeitrag in einem Gespräch passend einbringen (z. B. auf andere eingehend, nicht verletzend)» (1. Zyklus; D.3.C.1c).
•«Die Schülerinnen und Schüler können ihre Gedanken im Gespräch einbringen, im Austausch verdeutlichen und ihre Meinung mit einem Argument unterstützen» (2. Zyklus; D.3.C.1e).
•«Die Schülerinnen und Schüler können in Mundart und Standardsprache Gesprächsbeiträge und Argumente aufgreifen und ihre eigenen Argumente darauf beziehen» (3. Zyklus; D.3.C.1h).
Kompetenzaufbau über drei Zyklen
Diese drei Kompetenzstufen verdeutlichen den Aufbau des dialogischen Sprechens im Laufe der Schulzeit. Sie sind im Lehrplan 21 zugleich als Grundansprüche ausgewiesen und beschreiben somit Fähigkeiten, die von allen Schülerinnen und Schülern in der Unter-, Mittel- beziehungsweise Oberstufe erreicht werden sollen. Von Kindern wird gegen Ende der 2. Klasse also erwartet, dass sie eigene Beiträge passend in Gespräche einbringen. Gegen Ende der 6. Klasse soll es ihnen zudem gelingen, ihre eigene Meinung mit einem Argument zu stützen. Schülerinnen und Schüler am Ende der 9. Klasse sollen schließlich fähig sein, Argumente von anderen aufzugreifen und mit eigenen Argumenten darauf zu reagieren.
Passende Unterrichtssituationen
Die Aufgabe der Lehrpersonen ist es, Unterrichtssituationen zu schaffen, in denen Lernende Gelegenheit haben, mit anderen zu kommunizieren und ihr Gesprächsverhalten zu entwickeln. Animiert beispielsweise eine Kindergartenlehrperson eine Gruppe von Kindern, über einen Konflikt zu sprechen, trägt sie ebenso zum Aufbau dialogischen Sprechens bei wie eine Sekundarlehrperson, die mit der Klasse eine politische Diskussionssendung verfolgt und mit ihnen analysiert, wie die Beteiligten argumentieren und aufeinander eingehen. Schülerinnen und Schüler, die immer wieder die Möglichkeit haben, an ihrem Gesprächsverhalten zu arbeiten, haben die Chance, die im Lehrplan festgelegten Kompetenzen zu erreichen.
Querverweise im Lehrplan 21
Die Förderung von Fachkompetenzen bezieht häufig auch überfachliche und fächerübergreifende Kompetenzen ein: Kinder, die Konflikte gemeinsam lösen, vertreten ihren eigenen Standpunkt, «auch wenn dieser im Gegensatz zu vorherrschenden Meinungen/Erwartungen steht» (Lehrplan 21: Grundlagen > Überfachliche Kompetenzen / Personale Kompetenzen; D-EDK 2016, S. 32). Sie müssen jedoch auch «aufmerksam zuhören und Meinungen und Standpunkte von andern wahrnehmen und einbeziehen» (Soziale Kompetenzen, ebd., S. 33). Dabei üben sie, «Sachverhalte sprachlich aus[zu]drücken und sich dabei anderen verständlich [zu] machen» (Methodische Kompetenzen, ebd., S. 34). Die Klasse, die eine politische Diskussion verfolgt, beobachtet nicht bloß Gesprächsverhalten, sondern erlebt auch politische Prozesse und Grundelemente der Demokratie (Lehrplan 21: Grundlagen > Bildung für Nachhaltige Entwicklung, ebd., S. 35). Der Lehrplan enthält zahlreiche Querverweise, die solche Verbindungen zwischen Kompetenzen der verschiedenen Lehrplanteile aufzeigen.
Bereit sein, Kompetenzen anzuwenden
Dass die soziale Situation und die eigene Gefühlslage mitbestimmen, wie kompetent wir handeln, lässt sich ebenfalls an einem der Beispiele veranschaulichen: So ist es denkbar, dass ein Kind schon mehrmals in der Lage war, einen Konflikt im Gespräch zu lösen, dies in einer bestimmten Situation aber gar nicht will. Es bringt zwar nach einem Streit in der Pause den eigenen Standpunkt ein, ist aber weder motiviert noch willig, den anderen Kindern zuzuhören. Schülerinnen und Schüler zeigen nicht in jeder Situation, was sie wissen und können. Das müssen Lehrpersonen in Testsituationen bedenken. Schülerinnen und Schüler können zu müde sein, zu unkonzentriert, zu aufgeregt oder ganz einfach nicht motiviert genug, um ihr Leistungspotenzial zu zeigen.
Von Kompetenzen zu Lernzielen
Von Kompetenzen zu Lernzielen
Kompetenzen und Kompetenzstufen als Orientierungsrahmen
Die Kompetenzen und Kompetenzstufen des Lehrplans 21 bilden den Orientierungsrahmen für den Unterricht an Schweizer Volksschulen. So ist für den Fachbereich Natur, Mensch, Gesellschaft beispielsweise vorgesehen, dass Schülerinnen und Schüler im 1. oder 2. Zyklus folgende Kompetenzstufe erreichen:
•«Die Schülerinnen und Schüler können eigene Interessen für Berufe beschreiben und sich über Traumberufe sowie Rollenbilder austauschen» (Lehrplan 21: Natur, Mensch, Gesellschaft > 1./2. Zyklus; NMG.6.2c).
Lernziele
Im Hinblick auf konkrete Unterrichtvorhaben – seien es einzelne Lektionen, Lektionsreihen oder Lernangebote – müssen Lehrpersonen diese Formulierungen aus dem Lehrplan präzisieren. Sie setzen Lernziele, die auf den geplanten Kompetenzaufbau ausgerichtet sind und ihn kleinschrittig beschreiben. Plant eine Lehrperson, dass die Schülerinnen und Schüler über ihre Traumberufe sprechen und sich bei Berufsleuten oder im Internet genauer über diese Berufe informieren, wären folgende Lernziele passend:
•Die Schülerinnen und Schüler können in eigenen Worten beschreiben, was sie an ihrem Traumberuf reizt.
•Die Schülerinnen und Schüler wissen, welche Ausbildungswege zu ihrem Traumberuf führen und was der Berufsalltag beinhaltet, und können andere darüber informieren.
•Die Schülerinnen und Schüler sind in der Lage, drei Gemeinsamkeiten und drei Unterschiede zwischen ihren bisherigen Vorstellungen und dem von ihnen erarbeiteten Wissen über ihren Traumberuf in einer Tabelle darzustellen.
Lernzielformulierungen haben im Hinblick auf die Beurteilung der Lernzielerreichung qualitativen (in eigenen Worten beschreiben, Gemeinsamkeiten und Unterschiede erkennen) und/oder quantitativen Charakter (drei Gemeinsamkeiten und drei Unterschiede nennen).
Fächerübergreifendes Lernen und überfachliche Kompetenzen
Diese Unterrichtseinheit bezieht weit mehr ein als den Aufbau der ausgewählten Kompetenz im Fachbereich Natur, Mensch, Gesellschaft. Wollen Schülerinnen und Schüler von einer Archäologin, einem Tierpfleger, einer Tramführerin oder einem Game-Designer mehr über ihren Traumberuf erfahren, müssen sie sich auf die Gesprächsführung vorbereiten und mit Berufsleuten in Kontakt treten. Dabei entwickeln und verfeinern sie sprachliche Kompetenzen. Suchen sie im Internet nach Informationen zu ihrem Traumberuf, üben sie das Recherchieren und Beurteilen von Quellen. Im Rahmen dieses Auftrags arbeiten Schülerinnen und Schüler also auch am Aufbau folgender Kompetenzen:
•«Die Schülerinnen und Schüler können ein Gespräch vorbereiten und durchführen» (Lehrplan 21: Sprachen > Deutsch > Sprechen, 2. Zyklus; D.3.C.1e).
•«Die Schülerinnen und Schüler können Informationen aus verschiedenen Quellen gezielt beschaffen, auswählen und hinsichtlich Qualität und Nutzen beurteilen» (Lehrplan 21: Medien und Informatik > Medien, 2. Zyklus; MI.1.2e).
Die Lehrperson muss also auch für das Fach Deutsch und den Bereich Medien Lernziele formulieren. Darüber hinaus wird sie auch überfachliche Lernziele setzen. Sie wird überlegen, welche personalen, sozialen und/oder methodischen Kompetenzen Schülerinnen und Schüler aufbauen, während sie sich über Traumberufe kundig machen. Aufschlussreich sind in diesem Zusammenhang wiederum die Querverweise, die im Lehrplan 21 in den Fachbereichslehrplänen jeweils angebracht sind (vgl. hierzu D-EDK 2016, S. 11).
Einbezug von Lehrmitteln
Bei der Planung von Unterricht beziehen Lehrpersonen nicht nur den Lehrplan 21 ein, sie verwenden auch Lehrmittel, die für die verschiedenen Fachbereiche und Zyklen zur Verfügung stehen. Zum Teil sind diese Lehrmittel obligatorisch. Lehrpersonen sind also verpflichtet, sie einzusetzen. Viele neu erschienene Lehrmittel sind auf den Lehrplan 21 ausgerichtet. In den meist separat zur Verfügung stehenden Kommentaren für Lehrpersonen gibt es ebenfalls Hinweise zum Kompetenzaufbau und/oder Lernzielformulierungen, die bei der Planung von Unterricht hilfreich sein können.
Lernziele präzis formulieren
Lernziele präzis formulieren
Mit der Ausrichtung auf Kompetenzen geht die Forderung einher, möglichst genau zu beschreiben, was Schülerinnen und Schüler nach einer Unterrichtseinheit können sollen. Diese Forderung ist nicht neu. Dass Zielangaben oft ungenau sind, sich beliebig auslegen lassen und somit wenig Verbindliches über zu erreichende Fähigkeiten und Fertigkeiten aussagen, wurde immer wieder kritisiert. In der Schweiz hatten insbesondere Benjamin Bloom und Robert Mager Einfluss auf die Lernzieldiskussionen (vgl. Herzog 2013, S. 28).
Lernzieltaxonomie
Bloom (1956) entwickelte in den 1950er- und 60er-Jahren eine Lernzieltaxonomie im kognitiven Lernbereich. Sie unterscheidet sechs Stufen mit steigender Komplexität:

Abbildung 6: Lernzieltaxonomie (nach Bloom 1973, S. 31)
Basale und erweiterte Lernziele
Je nach Lernaufgabe oder Fähigkeiten arbeiten Schülerinnen und Schüler auf einer anderen Stufe dieser Taxonomie und erreichen andere Ziele. Diese Stufen können somit auch eine Differenzierungshilfe bei der Formulierung von Lernzielen sein. Mit Blick auf die Heterogenität ihrer Klasse formulieren Lehrpersonen meist basale und erweiterte Lernziele. Während die basalen Ziele von allen Schülerinnen und Schülern erreicht werden müssen, regen die erweiterten Lernziele zu einer tieferen Auseinandersetzung oder einem nächsten Lernschritt an.
Operationalisierte Lernziele
In den 1960er- und 70er-Jahren forderte Robert Mager (1962), Lernziele zu operationalisieren, das heißt, sie der Beobachtung und Messung zugänglich zu machen. Ein operationalisiertes Lernziel beinhaltet laut Mager drei Angaben (vgl. Mager 1994, S. 21):
1.das beobachtbare Verhalten, das Schülerinnen und Schüler am Ende einer Unterrichtseinheit beherrschen sollen;
2.die Bedingungen, unter denen dieses Verhalten ausgeführt werden soll;
3.einen Bewertungsmaßstab, nach dem entschieden werden kann, ob das Lernziel erreicht wird.
Will eine Lehrperson überprüfen, ob Schülerinnen und Schüler über folgende Kompetenz im Fach Mathematik verfügen, wird sie ein operationalisiertes Lernziel ableiten. Das heißt, sie wird die Form der erwarteten Lösungen und den Schwierigkeitsgrad der Aufgaben festlegen und entscheiden, wie viele Aufgaben in welcher Zeit gelöst werden müssen.
•«Die Schülerinnen und Schüler erkennen in Sachsituationen Proportionalitäten (z. B. zwischen Anzahl Schritten und Distanz)» (Lehrplan 21: Mathematik > Größen, Funktionen, Daten und Zufall, 2. Zyklus; MA.3.C.2e).
Andere Kompetenzen lassen sich weniger genau erfassen, da sich das beobachtbare Verhalten, in dem sie sich zeigen, nicht eindeutig festlegen lässt.
•«Die Schülerinnen und Schüler können Assoziationen zu Musik bilden und mit Bewegung darstellen (z. B. sommerlich, heiter, übermütig, monoton, sehnsüchtig, gefährlich)» (Lehrplan 21: Musik > Bewegen und Tanzen, 2. Zyklus; MU.3.B.1e).
•«Die Schülerinnen und Schüler können sich in eine Geschichte hineinversetzen, neue Welten entdecken und zu eigenen Vorlieben finden (z. B. Kriminalgeschichte, Science Fiction, Comic)» (Lehrplan 21: Englisch 1. Fremdsprache > Lesen, 3. Zyklus; FS1E.2.A.2d).
Wie gut Assoziationen zu Musik passen und wie deutlich sie in der Bewegung zum Ausdruck kommen, ist nicht exakt messbar. Auch die Fähigkeit, sich in Geschichten hineinzuversetzen und eigene Vorlieben zu finden, kann sich unterschiedlich äußern. Das «Kleinarbeiten» (Jank & Meyer 2011, S. 125 f.) solcher Kompetenzen bis hin zu eindeutigen Angaben beobachtbarer Verhaltenselemente ist aufwendig und im Unterrichtsalltag oft nicht realistisch. Lehrpersonen müssen immer abwägen, wann welcher Präzisierungsgrad sinnvoll ist.
Schülerinnen und Schüler verfolgen eigene Ziele
Schülerinnen und Schüler verfolgen eigene Ziele
Bloom (1973) unterscheidet Wissen, Verstehen, Anwenden, Analysieren, Verknüpfen oder Bewerten. Mager (1994) leitet an, Lernziele auf der Verhaltensebene zu konkretisieren und festzulegen, wie Leistungserwartungen überprüft werden sollen. Doch weder formale Unterscheidungen noch technische Anleitungen garantieren einen erfolgreichen Unterricht. Lernziele können noch so präzise formuliert sein, sie lassen sich den Schülerinnen und Schülern nicht einfach überstülpen. Schülerinnen und Schüler verfolgen ihre eigenen Ziele.
Entwicklungsorientierung und freie Tätigkeit
In der Kindergartenstufe ist der Unterricht ganzheitlich und entwicklungsorientiert gestaltet. Ein wichtiger Bestandteil sind verschiedene Formen des Spielens. Die Kinder wählen Aktivitäten, initiieren und gestalten ihr Spiel und bestimmen selbst, was sie tun und wie lange sie an einem Ort verweilen. «Ihre Aktivitäten werden dabei in erster Linie von ihren Interessen und der Motivation geleitet, die eigenen Fähigkeiten zu erproben und zu erweitern» (Lehrplan 21: Grundlagen > Schwerpunkte des 1. Zyklus). Würden Lehrpersonen vorab Lernziele vorgeben, wäre diese freie Wahl nicht möglich. Das Vorgehen ist daher während der freien Tätigkeit ein umgekehrtes: Lehrpersonen beobachten, in welche Aufgaben oder Rollen sich Kinder vertiefen, und können so feststellen, welche Kompetenzen sie aufbauen, was sie üben und wie sie sich entwickeln. Eine Lenkung hin zu bestimmten Fachbereichen oder ausgewählten Kompetenzen kann zwar auch in diesen Phasen erfolgen, diese Lenkung ist aber indirekt. Lehrpersonen steuern durch das Spielangebot und die Gestaltung der Lernumgebung, welchen Aktivitäten sich Kinder zuwenden. Sie spielen mit oder bieten für eine Aktivität neues Material an, um das Lernen der Kinder anzuregen.
Selbstbestimmung
Zum Lernen motiviert ist, wer sich als selbstbestimmt und kompetent erlebt und in einer Lerngemeinschaft integriert ist (vgl. Ryan & Deci 2017). Lehrpersonen sollten Schülerinnen und Schüler ermöglichen, «über ihr Lernen und ihr Arbeiten nachzudenken und dieses zunehmend selbstständig und mit mehr Selbstverantwortung zu steuern» (Lehrplan 21: Grundlagen > Schwerpunkte des 2. und 3. Zyklus; D-EDK 2016, S. 49). Der Projektunterricht sieht beispielsweise vor, dass Schülerinnen und Schüler sich eigene Ziele setzen und diese verfolgen. So können sie ihre Interessen einbeziehen und erkennen Neigungen und Begabungen. Im Verlaufe der Schulzeit streben Schülerinnen und Schüler nach immer größerer Autonomie und setzen zunehmend ihre eigenen Prioritäten. Sie identifizieren sich längst nicht mit allen Lernzielen, die ihnen die Schule vorgibt.
Eine Fülle von Kompetenzen
Nehmen wir zum Schluss noch einmal den Lehrplan 21 als Ganzes in den Blick: Die Fachbereiche und Module sind in Kompetenzbereiche unterteilt. Zu jedem Kompetenzbereich sind mehrere Kompetenzen formuliert. Zu jeder dieser Kompetenzen wird wiederum der erwartete Aufbau an Wissen und Können pro Zyklus gestuft beschrieben (Lehrplan 21: Überblick; D-EDK 2016, S. 3–16). Die Fülle von Kompetenzstufenbeschreibungen und Querverweisen im Lehrplan 21 ist nicht einfach zu überblicken. Und doch ist diese Fülle lediglich eine Auswahl von möglichen Kompetenzen, die Schülerinnen und Schüler im Laufe ihrer Schulzeit aufbauen oder aufbauen sollten. Im Lehrplan selbst ist dies festgehalten: «Wie die Kompetenzbereiche ausgerichtet sind, liegt in der fachdidaktischen Tradition und im aktuellen Stand der fachdidaktischen Entwicklung des jeweiligen Fachbereichs begründet» (ebd., S. 10). Es ist auch ungewiss, ob die im Lehrplan 21 aufgeführten Kompetenzstufen die tatsächliche Kompetenzentwicklung von Schülerinnen und Schülern abbilden, denn Längsschnittstudien, die den Aufbau von Kompetenzen erfassen könnten, gibt es kaum (vgl. Herzog 2013, S. 39).
Professionelles Handeln von Lehrpersonen
So gesehen, bietet der Lehrplan 21 Orientierung für die Planung von Unterricht. Wie Schülerinnen und Schüler jedoch Kompetenzen aufbauen, ist komplexer, als dies die Kompetenzstufen beschreiben. Entscheidend ist, wie Lehrpersonen handeln. Nur wer Lernprozesse mitverfolgt, erfährt, wo die einzelnen Schülerinnen und Schüler in ihrer Kompetenzentwicklung stehen. Ausgehend davon, müssen Lehrpersonen passende nächste Lernziele zusammen mit den Schülerinnen und Schülern festlegen, ihnen entsprechende Lerngelegenheiten bieten und sie beim Lernen unterstützen.
Literatur
Bloom, B. S. (Hrsg.) (1956). Taxonomy of Educational Objectives: The Classification of Educational Goals. Handbook I. Cognitive Domain. New York: David McKay.
Bloom, B. S. (Hrsg.) (1973). Taxonomie von Lernzielen im kognitiven Bereich. Weinheim: Beltz.