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1 Anm. d. Ü.: Linda Tellington-Jones ist die Begründerin des TTouches und der TTeam-Methode. Diese dienen zur Kommunikation mit Tieren und zur Steigerung der Fähigkeiten und des Wohlbefindens von Hunden und anderen Tieren.
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TANZEN MIT HUNDEN
Die Menschen erkennen daran,
wie du einen Hund behandelst,
wie groß deine Seele ist.
CHARLES F. DORAN
Ich weiß nicht, was die Schildkröte dachte. Ich hoffe, dass die Angst, die sie möglicherweise empfand, schnell verflog und nur eine vage, traumhafte Erinnerung hinterließ. Für mich ist die Erinnerung ein reizendes, klares Bild: Ich reite an einem Sommerabend durch das hohe Gras, das durch die Schritte meines Ponys zu meinen Füßen raschelt. Am Feldrand, wo das Gras unter dem Schatten der Bäume dünner und kürzer ist, schnüffelt Bear an etwas. Ich drehe mein Pony in seine Richtung, und als wir uns nähern schaut Bear hoch, seine Augen leuchten vor Aufregung. „Was hast du gefunden?“, frage ich, und als Antwort dreht er sich um, um sanft eine Schildkröte aufzunehmen.
„Gib sie mir“, sage ich zu ihm und lehne mich aus dem Sattel nach unten. Er streckt sich, um mir sein Geschenk zu geben. Ich kann mich nicht so weit herunterbeugen, und als Bear das sieht, stellt er sich auf die Hinterpfoten und stemmt die Vorderpfoten gegen die Schulter des Ponys. Ich nehme ihm die Schildkröte ab und danke ihm für die reizende Überraschung. Während ich die verschlungenen Muster der Maserung und der Rillen untersuche, sagt mir die Größe und die Abnutzung des Panzers, dass diese alte Schildkröte schon viel erlebt hatte. Ich nehme jedoch an, dass die kurze Reise im Maul von Bear eine neue Erfahrung war. Während mein Pony ruhig steht und wartet, halte ich die Schildkröte gerade auf meiner Hand und hoffe, dass sie ihren Kopf herausstreckt. Vorsichtig erscheint der runzlige Kopf und der Spieß wird umgedreht – ein tieforangenes Auge blickt mich unverwandt an, die Farbe hebt sich stark von dem matten Braungrau des Schildkrötenkopfes ab. Da sie mich nicht besonders interessant findet, schließt sie die Augen und zieht ihren Kopf wieder zurück.
„Wir müssen sie jetzt zurücklegen“, sage ich zu Bear, und er stemmt sich wieder gegen das Pony. Mit überraschender Zartheit legen sich seine kräftigen Kiefer um die Schildkröte, und mit unendlicher Vorsicht legt er die Schildkröte mit der richtigen Seite nach oben auf den Boden, bevor er einige Schritte zurückgeht, um zu sehen, was jetzt passiert. Ungeduldig gibt Bear ihr einen kleinen Stups, seine nasse Nase zieht eine Spur über den staubigen Panzer, die herrliche Farben zum Vorschein bringt. Aber die Schildkröte bewegt sich nicht. Ich drehe mit dem Pony um und rufe meinen Hund, um unseren Weg fortzusetzen.
Wenn ich an Bear denke, erfüllen mich Erinnerungen wie diese mit Freude. Aber unsere gemeinsame Reise war nicht immer so unkompliziert wie dieser Ritt durch den Sommerabend, der nur dazu diente, auf einem alten, grauen Pony über die Felder zu reiten, mit einem Hund neben mir, der an einen dunklen Wolf erinnert. Es wäre nett, wenn ich behaupten könnte, dass alle meine Erfahrungen mit Tieren reizend und gut waren, dass mich die Leute ab dem Tag meiner Geburt irrtümlich für die Schwester von Franz von Assisi oder die Tochter von Dr. Doolittle hielten. Ich würde von mir selbst lieber erzählen, wie ich instinktiv alle Tiere mit äußerstem Respekt und zärtlicher Zuneigung behandelt habe. Ich wünschte, ich könnte behaupten, dass es mir ein Rätsel sei, wie und warum Leute, die behaupten, ihre Tiere zu lieben, bereit sind, trotzdem schreckliche Ausbildungstechniken anzuwenden. Das wäre jedoch nicht wahr, obwohl die meisten meiner Fehler und egoistischen Handlungen unbemerkt stattfanden und persönliche Angelegenheiten zwischen mir und einem Tier sind.
Es gibt jedoch auch weniger schöne Erinnerungen. Ich bin vierzehn Jahre alt, und, da ich mir verzweifelt einen eigenen Hund wünsche, verbringe ich so viel Zeit mit dem Collie unserer Nachbarn, dass mich jeder für seinen Mitbesitzer hält. Ich habe ihm viele Tricks beigebracht, einige mit einem so geschickten Signal, dass leichtgläubige Zuschauer glauben, der Hund habe magische Kräfte. Frustriert darüber, dass ich keinen eigenen Hund habe, habe ich Brandy trainiert, eine seltsame Anordnung von Stühlen, Besenstielen und Gartenmöbeln zu überspringen, die ich aus der Garage herbeischleppe und mit einiger Ähnlichkeit zu einem olympischen Parcours für Springreiter drapiere. Er ist ein sportlicher Hund und führt bereitwillig aus, worum ich ihn bitte. Eines Nachmittags, nachdem er auf Kommando fehlerfrei über meinen Kopf gesprungen war, behaupte ich frech gegenüber den Nachbarskindern, dass dieser Hund wahrscheinlich über alles springen kann – selbst über das Auto meiner Mutter. Als sie sich über meine Prahlerei lustig machen, zeige ich auf das Auto und befehle Brandy zu springen. Er fliegt freudig durch die Luft, mit seinem fließenden zobelweißen Fell, und kommt hart auf der Motorhaube auf. Während er versucht, festen Halt auf dem rutschigen Metall zu finden, dreht er sich leicht zu mir um und ich sehe seine Augen, voller Überraschung und Angst, die mich fragend anschauen. Mir wird übel von der Erkenntnis, dass ich sein Vertrauen missbraucht habe.
Die Entwicklung eines wirklich humanen Umgangs mit Tieren war ein langsamer und schmerzhafter Prozess, für den ich sorgfältig in die dunklen Winkel meiner Seele schauen musste. Anders als der externe evolutionäre Druck auf einen Vogel, außergewöhnliche Federn zu entwickeln, um einen Partner anzuziehen, kommt der Selektionsdruck auf die Seele von innen. Sie können spüren, dass diese Kraft wirkt, wenn Sie sorgfältig hinhören. Es ist die kleine, leise, innere Stimme des Gewissens, die man auch einfach überhören kann.
Ich war einundzwanzig Jahre alt und hatte bereits drei Jahre Erfahrung mit der beruflichen Arbeit mit Tieren, als ich Bear, meinen ersten Deutschen Schäferhund, erwarb. Obwohl meine Begeisterung für das Training von Tieren meine Fähigkeiten bei weitem überstieg, schaffte es Bear, herauszufinden, was ich meinte. In meinem täglichen Leben war er ein wunderbarer Begleiter. Ob er mit mir durch eine dichte, hektische Menge bei einem Konzert im Central Park lief oder die nahe gelegenen Wälder mit mir erkundete, ich musste nur ein Wort sagen oder ein Handsignal geben, um eine schnelle, freudige Reaktion von Bear zu bekommen. Wenn er im Kaufhaus ruhig in der Umkleidekabine lag, fühlte er sich genauso wohl wie während des Wartens vor dem örtlichen Postamt. Er war ein sehr angenehmer Hund.
Die Probleme begannen, als ich beschloss, mit ihm an Obedience-Wettbewerben teilzunehmen. Es erschien einfach, die Anforderungen zu erfüllen, schließlich bewältigte er im täglichen Leben viel anspruchsvollere Situationen. Da ich eine Perfektionistin bin, konzentrierte ich mich auf unangenehme Weise auf die Präzision der Ausführung, aus Angst um die Punkte, die möglicherweise abgezogen werden könnten, wenn seine Reaktion einen Hauch zu langsam ist oder er ein bisschen schief sitzt. Ich begann, an ihm herumzunörgeln, beklagte seine hartnäckige Weigerung, die gleiche Übung immer wieder zu trainieren. Manchmal, während wir die Freifolge übten, schwenkte Bear von mir weg, um sich auf die Veranda zu legen, ignorierte meine Appelle und war unempfänglich für meine Kommandos. Ich wurde frustriert, da er mangelndes Interesse für das Apportieren der offiziellen Holzhantel zeigte. Wie konnte es sich um denselben Hund handeln, der Stöckchen und Bälle holte, bis mein Arm lahm wurde? Das war der Hund, der freiwillig Schildkröten apportierte, aber meine Anweisungen, eine einfache Holzhantel zu apportieren, wurden zögerlich oder sogar überhaupt nicht befolgt.
Wenn mich jemand gefragt hätte, hätte ich selbstsicher darauf bestanden, dass Bear und ich eine wundervolle Beziehung hatten. Es gab jedoch einen Unterschied zwischen unserer Beziehung während des Trainings und der, die wir hatten, wenn er zu meinen Füßen liegend den Sonnenuntergang betrachtete oder freudig neben meinem Pony hergaloppierte. In einem Maße, das ich noch nicht definieren konnte, schob das Training uns voneinander weg. Irgendwie schwächte es unsere Beziehung zueinander, wir waren nicht mehr synchron, oft frustriert und manchmal geradezu unglücklich. Manchmal mochte ich Bear nicht – besonders, wenn er sich weigerte, zu machen, was ich wollte – obwohl ich nie aufhörte, ihn zu lieben. Ich weiß auch, dass es Zeiten gab, in denen Bear mich nicht sehr mochte, und das aus gutem Grund: Unsere Kommunikation wurde zu einer Einbahnstraße, die ausschließlich in meine Richtung führte. Das störte mich sehr – jedoch nicht genug, um meine Ziele zu vernachlässigen, meinen Ehrgeiz zu zügeln und darauf zu achten, was mein Hund mir mitteilte.
Überzeugt, dass technisches Wissen der Schlüssel zu dem sei, was ich vermisste, verschlang ich Bücher über Ausbildung und Verhalten von Hunden, nahm an Seminaren teil, las noch mehr und beobachtete andere Trainer bei der Arbeit. So erwarb ich neue Trainingsmethoden und ein tieferes Verständnis der Hunde. Dieses Wissen war nützlich für einen strukturierteren und analytischeren Ansatz für das Entwirren der Geheimnisse von Verhalten und Ausbildung. Ich wurde eine bessere Trainerin, gemäß dem Motto der Royal Air Force: „Jeder Hundeführer bekommt den Hund, den er verdient.“ Durch meine fleißigen Bemühungen, einem unstillbaren Wunsch, mehr zu wissen, und der Leidenschaft, eine noch bessere Trainerin zu werden, begann ich, Bears bereitwillige Zusammenarbeit zu verdienen und zu bekommen. Stolz auf die Beherrschung von Jargon und Technik fiel mir nicht auf, dass vieles von dem, was ich gelernt hatte, die Klarheit meiner Beziehung zu Tieren trübte. Trotz zunehmendem technischen Können hatte ich etwas verloren (oder verdrängt), was ich nicht genau definieren konnte, etwas, was da gewesen war, bevor mein erwachsenes Ich mehr wusste und es besser wusste. Unfähig, in Worte zu fassen, was verloren gegangen war, fühlte ich mich immerhin zu unwohl, um es unberücksichtigt zu lassen. Am Ende konnte ich es mir nur so erklären, dass es nicht so sehr daran lag, dass etwas fehlte, sondern dass sich vielmehr etwas verändert hatte.
Meine vorherigen Erfahrungen waren geprägt von meiner kindlichen Sicht auf Hunde und deren Ausbildung, jetzt jedoch, versicherte ich mir, hatte ich eine reifere, erwachsenere Perspektive, die manchmal auch unangenehme, aber notwendige Realitäten umfasste. Ernsthaft versuchte ich dem Beispiel des Trainers zu folgen, den ich bewunderte, ich wandte mich der intellektuellen Beherrschung des von mir gewählten Berufes zu – und weg von meinem Herzen.
Mit der Zeit begannen die Leute, mich um Rat zu fragen, daraus erwuchs eine Hundeschule. Zurückblickend erschauere ich in dem Bewusstsein, dass ich, obwohl ich mich Hundetrainerin nannte (und ernsthaft versuchte, mich auf verschiedene Arten [weiter] zu bilden), doch nur ein Beweis dafür war, dass jemand mit geringen Kenntnissen hilfreich sein kann für jemanden mit noch weniger Wissen. Oft war mir ziemlich unbehaglich zu Mute bei den vielen verbreiteten Trainingsmethoden, von denen ich las und die ich bei anderen Trainern beobachtete, außerdem war ich oft unzufrieden mit den Ergebnissen, die Leute mit meiner Hilfe erreichten, daher suchte ich weiter – nach mehr Freundlichkeit, mehr Harmonie, mehr Freude bei Hund und Mensch. In meinem Hinterkopf quälte mich ständig das Bewusstsein über den Unterschied zwischen dem Training und der Art, wie ich täglich mit all meinen Tieren lebte. Ich suchte einen Weg, diesen Unterschied zwischen dem täglichen Leben und einer Übungsstunde zu überbrücken. Ich musste einen Weg finden, wie der Übergang vom Alltag zum formalen Training zwar meinen Schwerpunkt, nicht aber die Beziehung zwischen mir und dem Tier veränderte.
In meinem Herzen bildete sich ein neuer Ansatz. Um genauer zu sein, eine in meinem Herzen entstehende Philosophie begann meine Denkweise zu prägen. Es gab nicht den einen einzigen Tag der Erkenntnis, vielmehr ein wachsendes Bewusstsein, dass ich nur in die Augen eines Hundes schauen muss, um den exakten Moment zu erkennen, in dem die Beziehung zwischen mir und dem Hund nicht mehr von deutlicher und freiwilliger Übereinstimmung geprägt ist. Entstand durch meine Vorgehensweise bei dem Hund Widerstand, Angst, Misstrauen oder Schmerz, wurde der klare, vertrauensvolle Blick seiner Augen getrübt? Dann musste ich einen besseren Weg finden. Zuerst unbewusst, später bewusst begann ich, alle Methoden, Philosophien und Techniken anhand dieses einfachen, aber deutlichen Standards zu beurteilen: dem Leuchten in den Augen eines Hundes. Immer wieder fragte ich mich: „Leuchten seine Augen dadurch?“ Ich fand die Antwort in den Augen der Hunde. Bei der Überprüfung anhand dieses Standards zeigte sich, dass viele verbreitete Theorien und Prinzipien nicht zu mehr Vertrautheit und den tieferen, freudigeren Beziehungen führten, von denen ich wusste, dass sie mit Tieren möglich sind. Langsam gab ich die gemeinhin üblichen Weisheiten auf und begann, mein Herz und meine Gedanken zu öffnen, um das, was ich wollte und brauchte, von denen zu lernen, die es mir am besten beibringen konnten – von den Tieren selbst.
In vielen Fällen konnte ich trotz meines Wunsches nach einem besseren Weg keinen besseren finden, was mich frustrierte und mich in Bezug auf meinen Weg verunsicherte. Unglücklich verwendete ich die einzigen mir bekannten Techniken, wenn auch so sanft und effektiv wie möglich. Ich mochte es nicht, dass ich mich bei den Hunden entschuldigen und ihnen sagen musste: „…auf lange Sicht ist es so am besten für dich…“ Ich beobachtete, wie das Leuchten aus ihren Augen verschwand und versuchte so schnell ich konnte, die freudige Klarheit in den Augen wieder herzustellen und damit die Spiegelung dessen, was ich getan hatte, zu überdecken. Tief in meinem Inneren fühlte ich mich manchmal ziemlich erbärmlich. Wenn ich nicht zu arrogant oder zu selbstgefällig beschäftigt war, hörte ich die kleine Stimme in mir protestieren. Zu deutlich sah ich den Schmerz und die Verwirrung in den Augen zu vieler Tiere. Immer versuchte ich zu verstehen, wie und warum das, was ich tat, das Leuchten in den Augen trübte. Außerdem suchte ich ständig nach dem, was laut meinem Herzen existieren musste: Eine Methode, wie das Leuchten beibehalten wird.
EIN GESCHENKTER GAUL
Ironischerweise kam der von mir gewünschte Wegweiser aus der Welt der Pferde. Das war die Welt, in der ich in meiner Teenager-Zeit gelernt hatte, Gewalt schnell und effektiv einzusetzen, um Tiere zu beherrschen. (Ich hatte meine Lektionen gut gelernt, wodurch ich manchmal große Anerkennung meiner Mentoren erlangte. Es war jedoch oftmals schwer, genau diese Lektionen zu vergessen.) An einem verschneiten Märzmorgen in einer kalten Reithalle in Maryland fand ich, wonach ich gesucht hatte.
Ich kann mich nicht erinnern, wie ich zu diesem Wochenendseminar von Linda Tellington-Jones, einer international anerkannten Pferdefrau, kam. Ich war überrascht, dass es keine langweiligen Vorträge oder Vorführungen mit trainierten Pferden gab. Stattdessen begann die Trainerin nach einer kurzen Einführung, anhand von Beispielen zu unterrichten. Sie arbeitete direkt mit den Pferden, die wegen eines Problems zu dem Seminar gebracht wurden. Das erste Pferd war eine Vollblutstute, die, trotz erstklassiger Blutlinien und erheblichem Geldwert als Zuchtstute, so gefährlich war, dass sowohl der Tierarzt als auch der Hufschmied sich weigerten, sie zu behandeln. Nur einer der Farmarbeiter konnte überhaupt mit ihr umgehen. Die Teilnahme des Pferdes war nur auf Grund der Tatsache möglich, dass es auf der Farm lebte, auf dem das Seminar stattfand. Vielleicht eine halbe Stunde beobachtete ich, wie diese begabte Pferdefrau mit der Stute arbeitete, ihr half, von einem verzweifelt und wild mit den Hufen schlagenden Pferd zu einer Stute zu werden, die trotz ihrer Angst und Wut ernsthaft versuchte mitzuarbeiten.
Unsichtbar auf dem Rücken dieser aufgewühlten, wunderschönen Stute reitend überwand das Verständnis die Verteidigung meines Intellekts und drang direkt in mein Herz ein. Was ich beobachtete, zuerst mit arroganten inneren Gegenargumenten und später mit bescheidener Dankbarkeit für das, was ich nicht leugnen konnte, erschütterte vieles von dem, was ich fleißig gelernt und gewissenhaft angewendet hatte. Das Erlernen von Theorien und Prinzipien wurde zu trockenen, eindimensionalen und unzulänglichen Erklärungen für die wertvolle, multisensorische Erfahrung einer Verbundenheit mit einem Tier in einer menschlichen und wirklich ganzheitlichen Art und Weise. Die Philosophie von Linda Tellington-Jones, die auf dem Papier gut erschien, erhielt ihre authentische Form in jeder ihrer Gesten und in ihren Reaktionen auf das Pferd. Es gab keine Lippenbekenntnisse für ein „menschliches Training“ – das war die Integration von Herz und Denken. Als ich sie mit dieser scheinbar unmöglichen Stute beobachtete, war ich zu Tränen gerührt. Wenn mich in diesem Moment jemand aufgefordert hätte, etwas zu sagen, wäre ich nicht in der Lage gewesen zu antworten.
Die Kommunikation und die Beziehung, die ich zwischen dieser Frau und einem Pferd beobachtete, hat Teile meines Gehirns so umstrukturiert, dass die einzelnen Teile niemals mehr so zusammenpassen, wie sie es vorher taten. Das erfreute mich nur wenig mehr, als es mich ängstigte. Es war nicht einfach zu akzeptieren, dass meine Sicht der Welt neu definiert werden musste, dass der von mir erstellte Plan, der mich durch meine Welt führen sollte, jetzt unbrauchbar war, um mich dorthin zu führen, wohin ich wollte. Innerlich zerknüllte ich meinen alten Plan und schmiss ihn weg. Ausgerüstet mit neuen Zeichenstiften würde ich den Plan für meine Welt und mein Verständnis der Dinge neu zeichnen müssen. Obwohl das beängstigend war, wusste ich, dass es trotzdem notwendig war. Ich musste einfach mehr erfahren.
In den nächsten Jahren, in denen ich von dieser Frau lernte, wurde sie meine beste menschliche Lehrerin und half mir, eine neue Ebene in der Verbundenheit mit Tieren zu erreichen. Ich dachte, ich hätte großen Respekt vor Tieren; sie zeigte mir durch ihre Aufmerksamkeit und ihre Reaktionen auf Tiere, was Respekt wirklich bedeutet. Ich war bereits bekannt als sanfte Trainerin, ich lernte jedoch, dass die größte Freundlichkeit darin bestand, voller Mitgefühl zu sehen, was die Tiere über ihre Gefühle, ihre Ängste, ihre Grenzen und ihre Fähigkeiten mitteilten. Ich dachte, ich wüsste, wie man mit Tieren kommuniziert; sie zeigte mir, dass man auch zuhören muss. Ich war als Person mit sanfter Hand bekannt, lernte jedoch noch sanfter mit Tieren umzugehen, zu bitten, nicht zu fordern, und geduldig auf eine Antwort zu warten.
Als ich bereit war, es zu hören, überraschte Linda Tellington-Jones mich mit einem knappen Rat, der wie ein Pfeil in mein Herz schoss und die Arroganz und den Stolz traf, die die Basis für mein Versagen als Trainerin bildeten: „Lerne, ohne Ego auszubilden.“ Das tat ich mit Hilfe zahlloser Hunde, die mich in meinen Grenzen hielten, einige mit zeitlich gut gewähltem Knurren. Langsam entdeckte ich, wie ich den Tanz der Beziehung in die Übungsstunden übernehmen konnte.
Das war keine einfache Veränderung für mich. Auf dem Papier wirkt es wie ein erfreulicher und schmerzloser Prozess – die Trainerin findet einen neuen Weg, die Tiere und Menschen sind glücklich. Tatsächlich bedeutete das Finden dieses Weges auf neuen Pfaden für mich jahrelange Arbeit, das Aussortieren von Überflüssigem, um das Wichtige mitzunehmen, das Experimentieren mit jedem, der lange genug mitspielte, so dass ich meine nächste Theorie oder Idee testen konnte. Der impulsiv zerknüllte Plan meiner Welt musste hervorgesucht werden; vieles von dem, was ich gelernt hatte, war noch immer nützlich und gültig. Ich kämpfte mich vorwärts, versuchte, das Alte und das Neue zu mischen, und vertraute darauf, dass ich am Ende die Balance zwischen Technik und Philosophie finden würde, mit der mein Herz zufrieden ist. Es gab außergewöhnlich erfolgreiche Augenblicke, in denen ich mich harmonisch mit dem Tier in einem freudigen, gemeinsamen Tanz bewegte. Es gab jedoch auch Fehlschläge, die mich dazu bewegten, darüber nachzudenken, ob ich meine Hundeschule schließen, einfach aufgeben oder zu den alten Methoden zurückkehren sollte. Die intensive Freude über selbst unvollständige Erfolge half mir über meine wiederholten Fehlschläge hinweg, meine lebenslange Hartnäckigkeit bei der Verfolgung meiner Ziele war nun vorteilhaft für mich.
Jahre vergingen – Jahre des Experimentierens und Nachdenkens, in denen die beglückende Beziehung einfach stimmte, in denen ich mich von Techniken und Philosophien verabschiedete, die mich von einer echten Beziehung zu Tieren trennten. Langsam, ohne dass ich es völlig verstand oder es mir bewusst war, wurden aus kurzen Augenblicken der Verbundenheit längere Momente und dann kurze, aber freudige Tänze. Obwohl es erhebliche Konzentration und Überlegung erforderte, wurde es einfacher, Beziehungen herzustellen. Ich suchte immer nach dem Leuchten in den Augen der Tiere, versuchte, die Angst, das Misstrauen oder die Verwirrung zu überwinden, um Verständnis auf beiden Seiten zu fördern. Ich versuchte, in den Augen Freude, Selbstbewusstsein und Vertrauen zu finden. Eines Tages passierte es. Ohne Nachdenken oder Anstrengung fand ich den kühlen, weißen Ort in mir, wo es kein Ego gibt, wo ich ein Ziel habe und gleichzeitig kein Ziel, wo es nur den Hund gibt, der meine Einladung zum Tanz annimmt, und wo ich losgelöst bin von der Welt. Ab diesem Punkt war es keine Frage, dass alles, was ich tat, zu diesem Ort führt, wo der Tanz möglich ist. Zweifellos kann ich nur dem Pfad folgen, der zu diesem Ort führt.
TANZEN MIT HUNDEN
Als ich Hobbs zum ersten Mal traf, hüpfte er wie ein Fisch an der Angel am Ende der Leine, während seine Besitzerin ihn zu meinem Übungsraum führte. Aus unserem Telefongespräch wusste ich, dass dieser kleine schwarz-weiße Hund fünf Leute gebissen hatte und andere Trainer empfohlen hatten, ihn einschläfern zu lassen. Ich wusste auch, dass ich in den Augen der Besitzerin die letzte Hoffnung für diesen Hund war. Die Frau war sehr erregt, besorgt und unruhig in ihrer Aufregung, aber ich konnte sehen, dass sie ihren Hund liebte. Wir unterhielten uns kurz, während ich ihn beobachtete. Voller Dynamik zitterte Hobbs vor Energie, die kein Ventil fand, er war ständig auf Trab, konnte seine Gedanken kaum im Zaum halten. Jedes Geräusch und jede kleinste Bewegung zog sofort seine Aufmerksamkeit auf sich.
Als sich seine Augen kurz mit meinen trafen, sah ich Intelligenz und Misstrauen in etwa gleichen Teilen. Gedanklich wandte ich mich ihm zu und fragte: „Möchtest du so sein?“ Für einen Moment gab es keine Antwort. Dann drehte er langsam seinen Kopf und schaute mir lange in die Augen. Seine Antwort bildete sich deutlich in meinem Kopf: „Keiner hört mir zu.“ Ich versprach, ihm zuzuhören, übernahm die Leine von seiner Besitzerin und begann, nach dem besten Weg für einen Anfang zu suchen.
Ich bat Hobbs, einfach mit mir zu gehen, aber er sprang weg, zog stark in die Richtung der Ausgangstür. Ich ging mit ihm und wartete ruhig, während er verärgert an der Tür kratzte. Als er mich kurz ansah, konnte ich sehen, dass er sich wünschte, die Tür würde sich öffnen und ich würde weggehen. Aber die Tür blieb geschlossen und ich wartete, geduldig, aber hartnäckig, und die Ruhe, die ich ausstrahlte, übertrug sich allmählich auf ihn. Er beruhigte sich zusehends, seine Atmung normalisierte sich und seine Augen verloren den harten, schnellen Blick eines gefangenen Tieres. Wieder lud ich ihn ein, mit mir zu gehen, diesmal stimmte er zu, wenn auch vorsichtig und immer noch mit dem Wunsch, wegzugehen.
Als wir die Mitte des Raumes erreichten, hielt er plötzlich an. Als ich etwas Druck auf die Leine brachte, sah ich, wie er sich anspannte, sein ganzer Körper wurde steif auf Grund einer unausgesprochenen Ablehnung, seine Augen wurden im Bruchteil einer Sekunde zu den harten Augen eines Hundes, der wütend wird. Er lehnte sich zurück, um sich gegen die Leine zu stemmen, und ich ließ die Leine schnell locker, um die Spannung zu verringern. Überrascht davon entspannte er sich etwas, aber wartete wachsam auf meine nächste Bewegung. Ich wusste, er erwartete, dass ich darauf bestünde, vorwärts zu gehen. Ich fühlte, wie er sich geistig darauf vorbereitete, Widerstand zu leisten. Aus der von der Besitzerin geschilderten Geschichte wusste ich, dass er mich beißen würde, wenn ich ihn zwingen würde. Obwohl sie gesagt hatte, dass er „ohne Vorwarnung“ biss, konnte ich sehen, dass das nicht stimmte. Hobbs war sehr fair. Er warnte. Das Problem war, dass die Leute die Warnungen ignorierten, was ihn zweifellos frustrierte und verwirrte. Beißen, hatte er gelernt, war eine klare Form der Kommunikation, die selbst sehr schlechte Beobachter beachteten und respektierten. Er wusste nicht, dass er sich damit sein eigenes Todesurteil ausstellte.