Gestalten eucharistischer Anbetung

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Impliziert ist hier auch schon der Zusammenhang zwischen eucharistischer Anbetung und geistlicher Kommunion. Rahner weist darauf hin, dass die Lehre der Tradition in der Frage nach der Möglichkeit geistlicher Kommunion eindeutig ist und betont ausdrücklich, dass diese kein „Als-ob“ ist. Im Gegenteil: Sie ist ebenso reale Kommunikation mit Jesus Christus im Heiligen Geist wie es der tatsächliche Empfang des eucharistischen Sakramentes ist39; natürlich nur, wenn die geistliche Kommunion in ihrem Vollzug wesentlich auf den Empfang der sakramentalen Kommunion bezogen bleibt und dort ihre Vollendung findet. Voraussetzung bleibt außerdem, dass sie sich personal in Glaube und Liebe zum Herrn ereignet: „[…] in und mit dem Wunsch, das Sakrament später zu empfangen, ereignet sich jetzt ein wahres «Essen des himmlischen Brotes»“40. Nirgendwo anders aber als in der eucharistischen Anbetung könne geistliche Kommunion ausdrücklicher und sinnvoller sein. Denn hier werde der Christus besucht und betrachtet, der sich uns in liebender Hingabe zur Speise schenkt und sich mit uns vereinigen will. Nirgendwo sonst sei also die Hinordnung auf die reale und personale Kommunikation mit der Liebe Gottes offenbarer als im Verweilen vor dem aufbewahrten eucharistischen Brot. Rahner spricht vom „eigentlichen Ort“ der geistlichen Kommunion. Umgekehrt ist dann aber auch die Anbetung des Allerheiligsten gerechtfertigt, kann sie in ihrem Wesen doch gar nichts anderes sein als geistliche Kommunion41.
Diese selektiven Anmerkungen verweisen auf verschiedene Dimensionen einer Theologie der eucharistischen Anbetung: Inkarnation bzw. Konkretion; Primat des Empfangens vor dem Geben; Eingestaltung in die Bewegung von oben nach unten; inklusive Stellvertretung; Bestimmung der Schöpfung als Antwort an das Wort des Schöpfers; Bestimmung der Erlösung als Liebe, die sich dem Sünder „aussetzt“; Kirche als sakramentaler Leib des zur „hostia“ gewordenen Christus; Christsein als Eingestaltung des je einzelnen Christen in die Selbstverschenkung des eucharistischen Christus; Durchbrechung des eigenen Begreifens und Planens durch das „Ant-litz“ des „ganz Anderen“; Eingestaltung in das Warten Gottes auf den Letzten der Brüder und Schwestern.
Hans Urs von Balthasar unterscheidet diesbezüglich vier Dimensionen der eucharistischen Anbetung: eine schöpfungstheologische, eine soteriologische, eine ekklesiologische und eine eschatologische. Er bezeichnet nicht nur die Feier der Eucharistie, sondern auch die betende und reflektierende Betrachtung der eucharistischen Gaben als Brennpunkt des christlichen Selbstverständnisses. Wörtlich bemerkt er: „Abrückend von den antiken und orientalischen Kontemplationstheorien lernt die christliche verstehen, dass auch die einsamste Beschaulichkeit, im rechten Geist geübt, eine Funktion im Gefüge der Kirche und damit der Welterlösung ausübt. Dieser Gedanke ist schon bei Origenes und Augustinus da, er bestimmt den Karmel der Großen Theresia (Beschauung als Gebetshilfe für die Kirche im Kampf gegen die Reformation) und gipfelt in der Theorie der Kleinen Therese, dass das beschauliche und sühnende Karmelleben das innerste Triebrad aller kirchlichen Aktion sei.“42 Während die neuplatonisch bestimmte Mystik von einem „egressus“ des Göttlichen in das Andere seiner selbst spricht und unter Kontemplation die zumindest mentale Rückkehr des Menschen in den göttlichen Ursprung versteht, spricht die Bibel von einer unumkehrbaren Bewegung Gottes von oben nach unten, weshalb die Kontemplation des sich den Menschen im eucharistischen Brot aussetzenden Herrn das Gegenteil einer privatistischen Abkehr von der Welt ist. Denn den eucharistischen Christus versteht nur, wer sich einbeziehen lässt in die besagte Bewegung von oben nach unten. Maurice Blondel fasst diesen Kerngedanken in seinem „Tagebuch vor Gott“ in folgendes Gebet: „Mein Gott, laß mich sein wie gutes Brot und sprich dann über mich die Worte der Wandlung!“43
Überblickt man die Forschungsliteratur, dann fällt auf, dass es historische und liturgiewissenschaftliche Studien zum Aufbewahrungsort der Eucharistie, über Formen der eucharistischen Anbetung, über Orden und Gemeinschaften zur Pflege der eucharistischen Anbetung und über deren Zielsetzungen (Sühne, Satisfaktion, Stellvertretung, alternative Lebensformen etc.) gibt, aber nur gelegentlich Aufsätze über die Theologie dieses zentralen geistlichen Vollzuges. In der Zeit nach dem Zweiten Vatikanischen Konzil hatten die sogenannten Genitivtheologien Hochkonjunktur, aber unter den entsprechenden Monographien findet sich keine einzige, die das Reden über Gott (= Theo-logie) der eucharistischen Anbetung thematisiert. Man müsste eigentlich von den Anfängen der eucharistischen Anbetung bis heute nach Zeugnissen fragen, in denen Menschen das Reden der Anbetung über Gott (= Theo-logie der eucharistischen Anbetung) thematisieren. Eine flächendeckende Realisierung dieses Vorhabens würde den Rahmen einer Promotionsschrift allerdings in jeder Weise sprengen.
Ich treffe daher eine exemplarische – im Nachhinein sich hoffentlich als paradigmatisch erweisende – Auswahl einzelner Gestalten44 der jüngeren Kirchengeschichte (20. Jh.), deren Spiritualität45 (1.) von der eucharistischen Anbetung bestimmt wurde, und die sich – selten genug – (2.) zugleich schriftlich Rechenschaft gegeben haben über Sinn und Bedeutung dieses geistlichen Grundvollzugs.
Im ersten Teil der Arbeit werden Leben und Werk folgender vier Gestalten analysiert: Charles de Foucauld, Charles Péguy, Teilhard de Chardin und Edith Stein, und zwar insofern, als sie zur Entwicklung einer Theologie der eucharistischen Anbetung anregen. Anliegen dieser Arbeit ist nicht die historische Einordnung oder eine lückenlose Berücksichtigung aller zugänglichen Quellen der Gestalten im Sinne der kritischen Biografieforschung; vielmehr geht es um ihren systematischen Vergleich. Die vier ausgewählten Positionen sind theologisch-praktische Fundorte des christlichen Glaubensvollzuges eucharistischer Anbetung. Ihr Zeugnis dient mit anderen Worten als Best-Practice-Beispiel einer „Dogmatik in actu“ bzw. einer Dogmatik der Praxis. Sie sind – exemplarische – Fundorte, die nicht nur die Möglichkeit eröffnen, die stattfindende Praxis theoretisch einzuholen, sondern deren unschätzbarer Wert vor allem darin liegt, dass sich die Praxis gelebten Glaubens als Instanz der Kritik für die nachträgliche Theorie erweisen kann.
Dabei wird unter anderem gezeigt, dass die vier Gestalten sich durch Abgrenzung profilieren lassen und jeweils eine zentrale Dimension der eucharistischen Anbetung repräsentieren bzw. erschließen können. Diese Zuschreibung soll aber keinesfalls als kategorisch verstanden werden. Im Gegenteil: Sie ist ein heuristisch leitendes Konstrukt – ein methodischer Kunstgriff sozusagen, der es ermöglicht, das komplexe Geschehen eucharistischer Anbetung zu ordnen und für den derzeitigen wissenschaftlichdogmatischen Diskurs aufzuschließen. Zugleich wird die Praxis der Anbetung entdeckt als Korrektiv jenes Diskurses. Insofern greifen die beiden Teile dieser Arbeit, Teil I „Vier Gestalten einer gelebten Theologie der eucharistischen Anbetung“ und Teil II „Skizze zu einer Theologie der eucharistischen Anbetung“, auf jene Relationierung von Dogma und Pastoral zurück, die sich schon in der Perichorese der Pastoralkonstitution „Gaudium et spes“ und der Kirchenkonstitution „Lumen Gentium“ des Zweiten Vatikanischen Konzils findet. Unwillkürlich stellt sich die Frage nach dem Bedeutungszusammenhang der beiden Teile. Nimmt man nun Teil I als Folie, um Teil II zu lesen oder genau umgekehrt? In beiden Fällen entstünde eine Hierarchie zwischen den Teilen; es fände eine Unterwerfung statt, die aber nicht angemessen wäre.
Beide Teile stehen je für sich und sind doch unverzichtbar füreinander. Zugespitzt formuliert lässt sich das Verhältnis beider Teile folgendermaßen beschreiben: Es geht darum, dass sich sowohl die Praxis etwas von der Dogmatik sagen lassen muss als auch die Dogmatik von der Praxis. In beiden Fällen kann es unbequem werden, nämlich dann, wenn ein eingefahrenes Denken oder eine zur Routine gewordene Praxis einen Einspruch durch das jeweils andere erhält. Die Notwendigkeit des Sich-offen-Haltens stellt sich vor Augen. Umstoßungen und Durchbrechungen sind so jederzeit möglich. Die Horizonte, die sich in der Dogmatik des zweiten Teils ergeben oder für die Leser und Leserinnen ergeben können, erscheinen im Licht des ersten Teils, also der Praxis der Anbetung, möglicherweise völlig anders. Umgekehrt ebenso. Beides – die theologische Reflexion und die religiöse Praxis – können einander zum Korrektiv werden und die gewonnenen Erkenntnisse jeweils neu perspektivieren. Der unlösliche Zusammenhang des Denkens mit seinen performativen Praktiken wird sichtbar und damit auch kritisch befragbar. Die Frage nach den (Handlungs-)Bedingungen einer Theologie eucharistischer Anbetung und einer Praxis eucharistischer Anbetung wird in ihren Anfängen gestellt. Eucharistische Anbetung als „Rede von Gott“ zu verstehen bedeutet für die vorliegende Arbeit, dass sie vor allem Bausteine im Sinne einer Genitivtheologie (Theologie der eucharistischen Anbetung) liefert. Die Verbindung einer gelebten Praxis eucharistischer Anbetung mit einer Theologie eucharistischer Anbetung, wie sie hier vorgenommen wurde, weist auf die notwendige Verhältnisbestimmung von Kirche und Welt und Dogma und Pastoral und unternimmt wichtige Schritte in diese Richtung. Teil I und Teil II relationieren; sie relationieren Gott und Mensch, Kirche und Welt, Wissenschaft und Praxis.
Erst das kritische Hinterfragen bzw. die Dekonstruktion46 dieses Ansatzes kann den jeweiligen Selbstreflexionen der vier genannten Gestalten ansatzweise gerecht werden und wird zeigen, dass sich nicht nur alle vier Dimensionen in ihrer je eigenen Spiritualität wiederfinden, sondern auch, dass eucharistische Anbetung ein Ereignis ist, das sich einem bestimmten wissenschaftlichen Format der Beobachtung entzieht.
Gerade weil es in der Betrachtung der eucharistischen Gestalten nicht um eine Verobjektivierung des konsekrierten Brotes geht, die Hostie dem Betrachter also nicht als ein „Ding“ erscheint, erhalten die exemplarisch ausgewählten Fundorte christlicher Praxis eine eigene Dignität und folgende wissenschaftsstrategische Relevanz: sie arbeiten das „Zwischen“, das Unsagbare in der Beziehung des konkreten Menschen zum eucharistischen Christus heraus. Sie offenbaren die Leerstelle, in der sich das eigentliche Ereignis der Anbetung abspielt und die, wie im Folgenden zu zeigen sein wird, eucharistische Anbetung auch in Absenz der (konkreten) Hostie möglich macht.
Die oben genannten Gestalten des 20. Jahrhunderts sind für vorliegende Arbeit geeignet, weil sie eucharistische Anbetung (1.) praktiziert und zugleich (2.) reflektiert haben. Sie haben in der eucharistischen Anbetung einen geistlichen Ort gefunden, die Praxis ihrer Spiritualität schriftlich reflektiert und dabei jeweils einen Aspekt bzw. eine Dimension profiliert. Verkürzt ließen sich die vier Theologien auch durch folgende Titel kennzeichnen: Theologie der Armut (Charles de Foucauld); Theologie der Hoffnung (Charles Péguy); Theologie der Stellvertretung (Edith Stein); Theologie der Schöpfung (Teilhard de Chardin). Allerdings ist dabei zu beachten, dass eine solche Etikettierung (Kartografierung) die Faszination der vier skizzierten Gestalten nur andeuten kann, denn diese liegt in der Einzelaussage und im Einzelzeugnis, also im Detail. Es wird also im zweiten Teil dieser Arbeit notwendig sein, gerade in der theologischen Differenz eine Synthese der behandelten Perspektiven herzustellen.
Dabei kann auf die von Hans Urs von Balthasar unterschiedenen Dimensionen eucharistischer Anbetung zurückgegriffen werden. Anhand einer (a) Profilierung des jeweiligen Spezifikums, einer (b) Synopse der zuvor unterschiedenen Dimensionen und einer (c) metakritischen Reflexion der Einzelanalysen wird schließlich der Versuch unternommen, eine systematische Zusammenstellung und Darstellung der exemplarischen Reflexionen anzufertigen, welche das Spezifikum jeder Gestalt bewahrt und es gleichzeitig ermöglicht, eine Theologie eucharistischer Anbetung zu skizzieren. Vor allem aber soll eine Begründung jener These geleistet werden, die eucharistische Anbetung als eine Schule christlichen Lebens und Daseins, sowohl für den einzelnen als auch für die kirchliche Gemeinschaft, versteht47.
1 Gesammelt und wiedergegeben finden sich diese Frömmigkeitsformen rund um die Elevation der Hostie bei NUßBAUM, Aufbewahrung, 125-139 und BROWE, Verehrung, 49-69.
2 Vgl. Jungmann, Eucharistische Frömmigkeit, 71: „Das germanische Empfinden suchte überall das Anschauliche, Greifbare. Heilige Reliquien wollte man schauen und schauend verehren. So entstand das Verlangen, das heilige Sakrament zu schauen, dies um so mehr, als man es ja nur selten zu empfangen wagte.“
3 So heißt es z.B. bei Augustinus: „Niemand genießt jenes Fleisch, ohne zuvor angebetet zu haben.“ AUGUSTINUS, Enarrationes in Psalmos 98,9 (Corpus Christianorum. Series Latina 39,1385 Dekkers/Fraipont): „nemo autem illam carnem manducat, nisi prius adorauerit“, Übersetzung nach NUßBAUM, Aufbewahrung, 104.
4 Vgl. NUßBAUM, Aufbewahrung, 27.
5 Vgl. NUßBAUM, Aufbewahrung, 37.
6 Vgl. NUßBAUM, Aufbewahrung, 63.
7 Vgl. NUßBAUM, Aufbewahrung, 105f.
8 Vgl. NUßBAUM, Aufbewahrung, 116. Unter anderem kommt es z.B. zur Aufbewahrungspraxis in einem Hängetabernakel über dem Altar, der die aufbewahrte Eucharistie so in den Mittelpunkt der Gläubigen rückt.
9 Vgl. ANGENENDT, Geschichte, 505: „Die konsekrierte Hostie war dem Hoch- und Spätmittelalter die Gottespräsenz schlechthin und damit die wirksamste Heilsmaterie. Hostien dienten als wichtigste Gnadenträger, aber auch als Medizin und Zaubermittel: Man legte sie auf die Brust der Toten, zu den Reliquien im Altargrab, bestrich damit kranke Glieder, mischte sie ins Viehfutter, streute sie zerrieben auf die Felder oder benutzte sie – oft ein Vorwurf gegen Hexen – als Mittel zum Schadenszauber. Die scholastische Theologie versuchte eine theologische Lösung und formulierte die Transsubstantiationslehre.“
10 Browe sieht darin den Ausgangspunkt der ganzen eucharistischen Frömmigkeit des Mittelalters. Siehe BROWE, Verehrung, 49.
11 Vgl. ANGENENDT, Offertorium, 375f.
12 Nußbaum nennt unter anderem den Wechsel vom gesäuerten zum ungesäuerten Brot, die von nun an kleineren Hostien und den Verlust der Handkommunion als Gründe für diese Entwicklung. Vgl. NUßBAUM, Aufbewahrung, 120.
13 Vgl. BROWE, Verehrung, 49f.
14 Vgl. NUßBAUM, Aufbewahrung, 130.
15 Vgl. NUßBAUM, Aufbewahrung, 132.
16 Vgl. NUßBAUM, Aufbewahrung, 135.
17 Für eine ausführliche Beschreibung abergläubischer Kräfte siehe BROWE, Verehrung, 49-69. Im Handwörterbuch des deutschen Aberglaubens findet sich ebenfalls eine Auflistung der der Hostie zugeschriebenen vielfältigen Kräfte. Unter „Hostienwunder“ heißt es unter anderem: „Schon bei den blutenden H.n ist die Grenze zwischen dem Natürlichen und dem Übernatürlichen nach dem Mirakulosen hin verschoben. Für das Mittelalter und die Frommen der Folgezeit war indes diese Grenze überhaupt bedeutungslos. Beim hl. Sakrament, dem Inbegriff aller Kräfte, war das Unglaubhafteste denkbar.“ BÄCHTOLD-STÄUBLI, Handwörterbuch des deutschen Aberglaubens, 412-421, 418f.
18 Vgl. BÄCHTOLD-STÄUBLI, Handwörterbuch des deutschen Aberglaubens, 419.
19 Vgl. NUßBAUM, Aufbewahrung, 137.
20 NUßBAUM, Aufbewahrung, 121.
21 BROWE, Verehrung, 50.
22 Vgl. NUßBAUM, Aufbewahrung, 123. Für ihre allgemeine (volkstümliche) Verbreitung – auch im Süden Europas – war Franz von Assisi maßgeblich verantwortlich, der mehrmals Kontakt mit Jakob von Vitry aus dem Lütticher Kreis pflegte.
23 Vgl. NUßBAUM, Aufbewahrung, 142f.
24 Vgl. NUßBAUM, Aufbewahrung, 154.
25 In diesem Kontext entstehen auch die ersten sakramentalen Volksandachten. Vgl. NUßBAUM, Aufbewahrung, 163.
26 Vgl. NUßBAUM, Aufbewahrung, 163.
27 Vgl. NUßBAUM, Aufbewahrung, 166.
28 Vgl. NUßBAUM, Aufbewahrung, 167f.
29 Vgl. NUßBAUM, Aufbewahrung, 169f.
30 Die wichtigsten wurden hier genannt.
31 BALTHASAR, Klarstellungen, 111.
32 BALTHASAR, Klarstellungen, 113.
33 Benedikt XVI. emeritus brachte es in „Deus caritas est“ auf den Punkt: „[…] in der eucharistischen Gemeinschaft ist das Geliebtwerden und Weiterlieben enthalten. Eucharistie, die nicht praktisches Liebeshandeln wird, ist in sich selbst fragmentiert, und umgekehrt wird […] das «Gebot» der Liebe überhaupt nur möglich, weil es nicht bloß Forderung ist: Liebe kann «geboten» werden, weil sie zuerst geschenkt wird.“ BENEDIKT XVI., Deus caritas est, 22.
34 Vgl. MARSCHLER, Theologie, 7: „Anbetung ist der Schritt vom Erkennen zum Anerkennen, von der Ausrichtung des Denkens auf Gott als sein Objekt zur Ausrichtung der gesamten Existenz auf ihn als Herrn, sie ist die Extase des Bekenntnisses in die Doxologie, das Sich-Übereignen des Menschen aus dem Erkenntnisakt in die Haltung des Lobpreises.“
35 Zur rechtlichen Situation siehe: Deutsche Übersetzung der Editio typica „DE SACRA COMMUNIONE ET DE CULTU MYSTERII EUCHARISTICI EXTRA MISSAM“ der Römischen Gottesdienstkongregation vom 21. Juni 1973: Kommunionspendung und Eucharistieverehrung ausserhalb der Messe. Studienausgabe (herausgegeben von den Liturgischen Instituten Salzburg, Trier, Zürich) Freiburg i.Br. 2003 und „Eucharisticum mysterium“ über Feier und Verehrung des Geheimnisses der Eucharistie (hrsg. von den Liturgischen Instituten in Trier, Salzburg und Freiburg/Schweiz. Lateinisch-Deutsch), in: Nachkonziliare Dokumentationen 6, Trier 1967.
36 RAHNER, Besuchung, 263.
37 RAHNER, Besuchung, 264.
38 RAHNER, Besuchung, 264f.
39 „Man empfängt in ihr wirklich den «fructus» (Frucht) und die «utilitas» (Nutzen) des Sakraments.“ RAHNER, Besuchung, 267.
40 RAHNER, Besuchung, 268. An späterer Stelle schreibt er: „[…] auf jeden Fall ist die Aktualisation der gnadenhaften Christusverbundenheit, die glaubende und liebende Annahme und «Realisation» […] dieser bleibenden Einheit mit Christus das Entscheidende an der geistlichen Kommunion.“
41 Vgl. RAHNER, Besuchung, 269.
42 BALTHASAR, Klarstellungen, 117f.
43 BLONDEL, Tagebuch, 35.
44 Zum Begriff der Gestalt siehe KUHR, Gabe und Gestalt, 55-66. Der Begriff der Gestalt wird deshalb verwendet, weil damit vor allem der unlösliche Zusammenhang einzelner Aspekte (Vielheit) innerhalb einer Person (Einheit) ausgedrückt wird. Ähnlich einem Kunstwerk, das in seiner äußeren Gestalt immer nur einen Teil des Phänomens sichtbar macht, dabei aber das wesentlich Ganze des Dargestellten in sich einbirgt.
45 Da der Begriff der Spiritualität vielerlei Deutungen unterliegt, weise ich darauf hin, dass Spiritualität hier entsprechend der Charakterisierung von Josef SUDBRACK (Systematisch-theologisch) und Gotthard FUCHS (Praktisch-theologisch) im LThK 9, Freiburg i.Br. 32009, 856-859 verstanden und verwendet wird.
46 Der Begriff geht auf Martin Heideggers Destruktion zurück. Siehe HEIDEGGER, Sein, 19-27. Im Sinne der Diskurskritik ist damit gemeint, den Text nicht ausschließlich auf seinen Inhalt hin – das Was – zu befragen, sondern auch hin auf die Bedingungen – das Wie – seiner Entstehung.
47 Eine These, die u.a. von Hans Urs von Balthasar vertreten wird.
Teil I: Vier Gestalten einer gelebten Theologie der eucharistischen Anbetung
Die folgenden vier Analysen zu Charles de Foucauld, Charles Péguy, Pierre Teilhard de Chardin und Edith Stein enthalten jeweils eine knappe Skizzierung ihres Lebens. Diese dient den Lesern und Leserinnen zum vertraut werden mit den jeweiligen Gestalten und ermöglicht, bestimmte Lebensereignisse als entscheidend für ihre Spiritualität und ihren Denkweg nachzuzeichnen. Keine der vier Gestalten bietet einen umfassenden Entwurf zur Frage der eucharistischen Anbetung. Verteilt über eine Vielzahl von Schriften und oftmals bruchstückhaft finden sich Aussagen über die eucharistische Anbetung. Anliegen dieser Arbeit ist, dem Thema eucharistischer Anbetung gerecht zu werden und nicht einer biografisch-kritischen Forschung zu den vier Gestalten. Ihre schriftlichen Zeugnisse, verstanden als Best-Practice-Beispiele, sollen helfen Bausteine einer „Theologie eucharistischer Anbetung“ zu erheben. Daher geht es um eine paradigmatische Auswahl der Quellen und Sekundärliteratur, die sich nach folgenden Fragen richtet: Auf welche Weise ist die eucharistische Anbetung Teil der Spiritualität der vier ausgewählten Gestalten? Welchen Sinn und welches Ziel weisen Charles de Foucauld, Charles Péguy, Pierre Teilhard de Chardin und Edith Stein der eucharistischen Anbetung zu?
1. Charles de Foucauld (1858-1916)
Der Franzose Charles de Foucauld praktiziert bis zum Ende seines Lebens eine eucharistische Frömmigkeit, die von der Anbetung bestimmt ist. Seine Gotteserfahrungen stehen in unmittelbarem Zusammenhang mit seinen Erfahrungen während der Beschauung der konsekrierten Hostie. Diese lässt sich vor allem aus seinen unzähligen meditativen Notizen erschließen, aber auch aus seinen vielen Briefen an Verwandte, Freunde und an seinen Seelenführer.
Foucauld hat seine Gedanken nicht aus theologischem Interesse niedergeschrieben; mit Sicherheit hatte er nie die Absicht, eine Theologie eucharistischer Anbetung zu entfalten. Sie dienten vielmehr seiner geistlichen Erinnerung und waren eigentlich nie zur Veröffentlichung gedacht. Heute geben sie jedoch umfangreichen Aufschluss über sein Denken. Wenngleich sich in seinen Notizen vieles häufig wiederholt, ähnelt und von einer einfachen Ausdrucksweise ist, so sind seine Aufzeichnungen doch von einer beachtlichen Reflexivität über das, was ihm in der Begegnung mit dem Evangelium und dem eucharistischen Brot widerfährt. Jene erkennenden Momente innerhalb der Anbetung zeigen sich außerdem in seiner Lebensgestaltung verankert, weshalb sich seine Praxis und Theologie der eucharistischen Anbetung nicht losgelöst von seiner Biographie betrachten lassen.
Für Foucauld ist das Gebet vor allem ein ausdauerndes Verharren in der Gegenwart Gottes. Die Vergegenwärtigung Jesu Christi vor dem inneren betrachtenden Auge soll niemals abbrechen, nicht während der Arbeit, des Schlafes oder sonstiger Beschäftigungen, denen Charles alltäglich nachgeht. Es handelt sich um ein fortwährendes, sich in der alltäglichen Arbeit fortsetzendes Gebet. Sein Beten verleiblicht sich in der Aktion; und diese Verleiblichung verbindet ihn tiefer mit dem eucharistischen Leib Christi48.
Die Anbetung wird für Charles de Foucauld zu einer Haltung und hat dennoch ihren ausgezeichneten Platz: vor der heiligen Eucharistie. In dem Verweilen vor dem Allerheiligsten wird das konkret und wirklich, worum Charles de Foucauld stets bemüht ist: sich selbst ganz und gar vor die Gegenwart Jesu Christi zu bringen, von Ihm her alles andere bestimmen zu lassen. Immer wieder bekennt er, dass die Stunden, die er vor dem Allerheiligsten kniend verbringen darf, die schönsten sind49.
Solche Zeiten der Ruhe und Sammlung sind in Foucaulds Augen unerlässlich, will man sich nicht in der Banalität des Alltäglichen verlieren: „[…] es sollen schließlich Zeiten der Einsamkeit in Jesu Gesellschaft sein, Zeiten, die wir ganz mit Ihm verbringen, ausschließlich Ihm widmen, sanftmütig zu seinen Füßen sitzen und Ihn anblicken, ohne ein Wort zu sagen, oder Ihn befragen, Ihn immerzu genießen […]“50. Die eucharistische Anbetung erachtet Foucauld zwar nicht als die alleingültige Weise der Beschauung; er nennt sie eine Form, die am besten dann praktiziert wird, wenn ihr der jeweilige Seelenzustand angemessen entspricht51. Für ihn selbst hat das Gebet zu Füßen des eucharistischen Brotes jedoch Vorrang, wie zahlreiche Ausweise seiner Sehnsucht nach Zeiten in der Beschauung des Allerheiligsten belegen52.
Foucauld spricht von einem bestimmten Zustand der Seele: „Gebet ist jedes Gespräch der Seele mit Gott; es ist auch jener Zustand der Seele, die Gott wortlos, einzig in seinen Anblick versunken betrachtet, indem sie ihm mit ihren Blicken sagt, daß sie ihn liebt, während die Lippen, ja auch die Gedanken stumm bleiben“53. Trotzdem ist jener Zustand nicht einer der Tatenlosigkeit, vielmehr handelt es sich um eine ununterbrochene Bewegung der Liebe. Das Gebet muss von Liebe gekennzeichnet sein: „Das Gebet, das aus der größten Liebe kommt, ist das Beste, und das Gebet ist umso besser, je mehr Liebe es enthält“54.








